Ludwik Hirszfeld
Ludwik Hirszfeld, auch Ludwig Hirschfeld (* 5. August 1884 in Warschau, Russisches Kaiserreich; † 7. März 1954 in Breslau, Volksrepublik Polen) war ein polnischer Mediziner, Mikrobiologe, Hygieniker und Immunologe sowie Medizinphilosoph.
Leben
Ludwik Hirszfeld, Sohn einer jüdisch-polnischen Familie, studierte in Würzburg und Berlin Medizin. In Berlin wurde er 1907 mit seiner Dissertation über Hämagglutination promoviert.[1] Hirszfeld war Mitbegründer der Polnischen Akademie der Wissenschaften. In den Jahren 1907–1911 arbeitete er in Heidelberg an der Bezeichnung der Blutgruppen und trug maßgeblich zur Feststellung der Erblichkeit der Blutgruppen bei. Er war Professor der Universitäten in Warschau und Lublin, seit 1945 in Breslau. Dort war er an der Entwicklung des Rhesus-Systems der Blutgruppen beteiligt. 1954 wurde er Gründer des Instituts der Immunologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Breslau.
Die heutigen Bezeichnungen der Blutgruppen A, B, AB und 0 wurden von ihm 1910 zusammen mit Emil von Dungern eingeführt und 1928 auch international übernommen.
Später befasste er sich auch mit Bakteriophagen. Heute ist das Ludwik-Hirszfeld-Institut für Immunologie und Experimentelle Therapie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Breslau das einzige Institut in Polen, an dem sich Patienten mit chronischen bakteriellen Infektionen, bei denen Antibiotika erfolglos waren, mit Bakteriophagen behandeln lassen können.
Hirszfeld vertrat in seinen wissenschaftlichen Forschungen die Überzeugung, dass Blutgruppe und „Rasse“ in einem Zusammenhang stünden. Er wurde zum Begründer der Seroanthropologie, der rassisch ausgerichteten Blutgruppenforschung. Später grenzte er sich vehement von rassistischem Gedankengut ab.[2]
Nach dem deutschen Überfall auf Polen wurde Hirszfeld im Oktober 1939 aus seiner Wohnung vertrieben. Das zu dieser Zeit unter seiner Leitung stehende polnische Hygiene-Institut Warschau wurde zur selben Zeit als (deutsches) Staatliches Institut für Hygiene Warschau Teil des Hygienischen Instituts Hamburg. Hirszfeld wurde aus seinem Amt gedrängt und Robert Kudicke übernahm die Leitung zusammen mit Ernst Georg Nauck.[3] Als alle Warschauer Juden im Ghetto eingesperrt wurden, fand Hirszfeld als getaufter Jude eine Unterkunft im Pfarrhaus der Allerheiligen-Kirche innerhalb der Ghettomauer. Im Juli 1942 flüchtete er nach Miłosna, einem Warschauer Vorort, wo er ein Versteck bei Freunden fand. Dort wohnte er unerkannt unter falschem Namen als arbeitsloser Fachmann für Schädlingsbekämpfung. Dann flüchtete er weiter nach Klembów und erlebte dort das Ende der Naziherrschaft. Er wirkte bei der Gründung der Lubliner Marie-Curie-Universität[4] mit, dann bei der Organisierung der polnischen Universität Breslau.
Literatur
- Werner E. Gerabek: Hirszfeld, Ludwik. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 603 f.
Schriften
- Ludwik Hirszfeld: Konstitutionsserologie und Blutgruppenforschung, Berlin: Julius Springer 1928
- Ludwik Hirszfeld: Probleme der Blutgruppenforschung, Jena: VEB G. Fischer 1960
- Ludwik Hirszfeld: Historia jednego życia. Czytelnik, Warszawa 1946; Pax, Warszawa 1967, 1989; Czytelnik, Warszawa 2000, ISBN 8307027314
- Geschichte eines Lebens. Autobiografie. Paderborn: Schöningh 2018
Weblinks
- Ludwik Hirszfeld, Biographie bei der polnischen Regierung (pl)
- Onet.pl/WIEM: Hirszfeld Ludwik, bei wiem, (pl)
- Ludwik-Hirszfeld-Institut für Immunologie und Experimentelle Therapie der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Einzelnachweise
- Werner E. Gerabek: Hirszfeld, Ludwik. 2005, S. 603.
- Myriam Spörri: Reines und gemischtes Blut: Zur Kulturgeschichte der Blutgruppenforschung, 1900-1933. transcript, Bielefeld 2013, S. 91 ff.
- Klaus-Peter Friedrich (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (Quellensammlung) Band 9: Polen: Generalgouvernement August 1941–1945. Berlin 2014, ISBN 978-3-486-71530-9, S. 94
- Joseph Parnas: Erinnerungen eines Gründungsmitgliedes der Maria-Curie-Sklodovska-Universität Lublin (Polen). In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 7, 1989, S. 343–346; hier: s. 343 f.