Lotte Laserstein
Lotte Laserstein (* 28. November 1898 in Preußisch Holland im ostpreußischen Oberland; † 21. Januar 1993 in Kalmar, Schweden) war eine deutsch-schwedische Malerin. Sie gilt als bedeutende Vertreterin der gegenständlichen Malerei der Weimarer Republik.[1]
Leben und Wirken
Lotte Laserstein wurde im damaligen Ostpreußen in Preußisch Holland bei Elbing (Preußen) geboren. 1927 schloss sie ihr Studium bei Erich Wolfsfeld an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in Berlin – als eine der ersten Frauen mit Auszeichnung – ab.
Das zentrale Thema ihrer Arbeit war die Bildnismalerei. Die der Neuen Sachlichkeit nahe stehenden Bilder, die zwischen 1927 und 1933 entstanden, als sie relativ unabhängig von Aufträgen arbeiten konnte, werden heute als die bedeutendsten eingeschätzt.[2] Es sind „Bildnisse zwischen sozialer Repräsentation und malerischer Präsenz“ die „als Schilderung weiblicher Lebensrealität“ gelten können.[3] 1925 hatte sie ihre langjährige Freundin Traute Rose kennengelernt, die sie in zahlreichen Bildern porträtierte. Schätzungsweise 10.000 Arbeiten umfasst das Gesamtwerk Lotte Lasersteins. Darunter sind für die Berliner Jahre etwa 300 Gemälde und 100 Zeichnungen nachgewiesen.
In der Zeit des Nationalsozialismus emigrierte sie 1937 aufgrund des Antisemitismus im Deutschen Reich nach Schweden. Die getaufte und assimilierte Jüdin lebte ab 1937, dem Jahr ihrer Flucht nach Schweden, überwiegend von Auftragsporträts. Sie malte bis zu ihrem Tod Porträts und Landschaften. Ihre Bemühungen während des Zweiten Weltkriegs, auch ihre Mutter Meta sowie ihre Schwester Käte und deren Lebensgefährtin Rose Ollendorf nach Schweden zu retten, waren vergebens. Die Mutter wurde 1943 im KZ Ravensbrück ermordet, die Schwester überlebte den Krieg traumatisiert im Versteck in Berlin. Sie starb 1965.
Den Durchbruch zur internationalen künstlerischen Anerkennung brachte erst eine Reihe von Ausstellungen, die in der Royal Academy of Arts (London) unter dem Titel „German Art in the 20th Century“ im Herbst 1985 begann. Die Schau war im Frühling 1986 in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen. Eine Wanderausstellung über deutsche emigrierte Künstler wurde 1986 unter anderem in London und Berlin gezeigt. Die Londoner Hayward Gallery zeigte im gleichen Jahr unter dem Titel „Dreams of a Summer Night“ Künstler aus Skandinavien, bevor 1987 eine Einzelausstellung zu Lasersteins Werken von den beiden Londoner Galerien Agnews und The Belgrave gemeinsam gezeigt wurde, bei der die betagte Malerin mit Traute Rose[4][5] zugegen war. Die Ausstellung leitete die „Wiederentdeckung“ Lotte Lasersteins ein.[6] Noch mit 92 Jahren war Lotte Laserstein künstlerisch tätig. Sie starb 1993 im schwedischen Kalmar.
Würdigungen
Publiziert und wissenschaftlich gewürdigt wurde die Künstlerin ab den 1990er Jahren, u. a. durch Marsha Meskimmons Forschungsbeiträge zur Kunst der 1920er Jahre.[7] Traute Rose hatte eine Biografie über Lotte Laserstein vorbereitet, die aber nicht erschienen ist.[8]
2009 erwarb die Berlinische Galerie den dokumentarischen Nachlass der Künstlerin als private Schenkung. Neben Werkfotografien umfasst das Material Skizzenbücher, private und berufliche Korrespondenz, Unterlagen zu Ausstellungsbeteiligungen sowie Bücher aus der Bibliothek Lasersteins. Der Hauptteil des Nachlasses umfasst Lasersteins Zeit in Schweden; aus der Berliner Zeit sind kaum Unterlagen erhalten.[9]
Seit 2010 ist die Nationalgalerie in Berlin im Besitz des Gemäldes Abend über Potsdam aus dem Jahr 1930. Es gilt als „Hauptwerk“ Lasersteins[10] und eröffnet die Ausstellung zur Moderne in der Neuen Nationalgalerie als erstes Bild.
Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat 2007 im Ortsteil Schöneberg eine Straße am Bahnhof Berlin Südkreuz nach ihr benannt.
2014 erwarb das Frankfurter Städelsche Kunstinstitut Lasersteins Gemälde Russisches Mädchen mit Puderdose (1928) von der Gemeinde Nybro. Mit dem Bildnis eines Mädchens, das mithilfe einer Puderdose in einem großen Spiegel den Sitz ihrer Bubikopf-Frisur kontrolliert, beteiligte sich die Malerin 1928 an dem Wettbewerb „Das schönste deutsche Frauenporträt“ und gelangte in die Endrunde jener 26 ausgewählten Bilder, die in der Berliner Galerie Gurlitt ausgestellt wurden.[11]
Die Berliner Kulturverwaltung brachte am 22. Juni 2020 eine Berliner Gedenktafel für Lotte Laserstein an ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Jenaer Straße 3 in Berlin-Wilmersdorf an.[12]
Retrospektiven seit 2000
- 2003: Retrospektive Lotte Laserstein (1898–1993) – Meine einzige Wirklichkeit. Das Verborgene Museum e. V. in Zusammenarbeit mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Museum Ephraim-Palais in Berlin
- 2004: Lotte Laserstein – min enda verklighet. Kalmar Konstmuseum, Schweden
- 2005: Sternverdunkelung. Lotte Laserstein och Nelly Sachs – om exilens villkor. Jüdisches Museum Stockholm
- 2006: Lotte Laserstein – ur exilens anonymitet. Bror Hjorths Hus, Uppsala
- 2018/2019: Lotte Laserstein – Von Angesicht zu Angesicht. Städel-Museum, Frankfurt am Main.[13] Die Ausstellung war im Frühling/Sommer 2019 unter demselben Titel und „mit Porträts, Landschaftsbildern, Spätwerken und Bildern aus ihrem künstlerischen Umfeld der 1920/30er Jahre erweitert“[14] auch in der Berlinischen Galerie, Berlin, sowie zum Jahreswechsel 2019/2020 in der Kunsthalle Kiel zu sehen.
Literatur
- Laserstein, Lotte (Lolu). In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 3: K–P. E. A. Seemann, Leipzig 1956, S. 178.
- Caroline Stroude: Lotte Laserstein. In: Lotte Laserstein. Paintings and Drawings from Germany and Sweden, 1920–1970. Thos. Agnew's & Sons and The Belgrave Gallery, London 1987, OCLC 272505220, S. 3–6.
- Caroline Stroude, Adrian Stroude: Lotte Laserstein and the German Naturalist Tradition. In: Woman's Art Journal. Band 9, Nr. 1, 1988, S. 35–38, doi:10.2307/1358361, JSTOR:1358361.
- Anna-Carola Krausse: Lotte Laserstein – Meine einzige Wirklichkeit. Ausstellungskatalog. Philo Fine Arts, Dresden 2003, ISBN 3-364-00609-1. Geringfügig überarbeitete Neuauflage: Deutscher Kunstverlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-422-07454-5
- Christina Tillmann: Das letzte Abendmahl. Mit einer Ausstellung im Ephraim-Palais wird die Malerin Lotte Laserstein wiederentdeckt. In: Der Tagesspiegel. 7. November 2003.
- Anna-Carola Krausse: Och livet bröts itu. In: Sternverdunkelung. Lotte Laserstein och Nelly Sachs – om exilens villkor. Judiska Museet, Stockholm 2005, ISBN 91-974363-4-8, S. 21–73. (Ausstellungskatalog zur schwedischen Retrospektive; schwed./engl.)
- Anna-Carola Krausse: Lotte Laserstein (1898–1993). Leben und Werk. Zugl. Diss., Universität der Künste Berlin 2003. Reimer Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-496-01347-8.[15]
- Karoline Hille: Die bekannte Unbekannte. Lotte Laserstein und das kulturelle Gedächtnis. In: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte. Nr. 12/2018, S. 72ff.
- Hanno Rauterberg: Ein Wagnis namens Nähe. In: Die Zeit. Nr. 38, 13. September 2018, S. 55.
- Alexander Eiling, Elena Schroll (Hrsg.): Lotte Laserstein – von Angesicht zu Angesicht. Ausstellungskatalog. Prestel Verlag, München 2018, ISBN 978-3-7913-5803-1.
- Belletristik
- Fredrik Sjöberg: Vom Aufhören. Über die Flüchtigkeit des Ruhms und den Umgang mit dem Scheitern. Übersetzung Paul Berf. Galiani, Berlin 2018.
- Anne Stern: Meine Freundin Lotte. Roman. Rowohlt-Kindler, Hamburg 2021, ISBN 978-3-463-00026-8.
Weblinks
- Literatur von und über Lotte Laserstein im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Lotte Laserstein in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Lotte Laserstein auf kunstaspekte.de
- Würdigung durch National Museum of Women in the Arts
- Anna-Carola Krausse: Einführung in Leben und Werk (nach: Museumsjournal, 4/2003)
- Ditta Rudle: Porträt in: Jubiläumsausgabe 110 Jahre „Neue Welt“, Ausgabe Juni / Juli 2007
Einzelnachweise
- Krausse: Lotte Laserstein, Leben und Werk. 2006, S. 13.
- Krausse: Lotte Laserstein, Leben und Werk. 2006, S. 11, Fußnote 5.
- Krausse: Lotte Laserstein, Leben und Werk. 2006, S. 94.
- Eigentlich: Gertrud Rose, geb. Süssenbach: Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht. Städel Museum. 2018. Abgerufen am 5. Dezember 2018.
- Traute Rose, Dünen auf Amrum. In: www.mehlis.eu. Abgerufen am 11. März 2019.
- Caroline Stroude, Adrian Stroude: Lotte Laserstein and the German Naturalist Tradition. In: Woman's Art Journal. Band 9, Nr. 1, 1988, S. 35–38, 35 mit weiteren Nachweisen, doi:10.2307/1358361, JSTOR:1358361 (zitiert werden: John Russel Taylor: The Lost Ladies Four. In: The Times, 10. November 1987, und: Giles Auty: Overdue Tribute. In: The Spectator, 31. Oktober 1987, 45.).
- Krausse: Lotte Laserstein, Leben und Werk. 2006, S. 13, Fußnote 19.
- Zitate aus dem hierzu gesammelten Material verarbeitet: Caroline Stroude, Adrian Stroude: Lotte Laserstein and the German Naturalist Tradition. In: Woman's Art Journal. Band 9, Nr. 1, 1988, S. 35–38, doi:10.2307/1358361, JSTOR:1358361.
- Nachlass Lotte Laserstein. Abgerufen am 16. Januar 2021.
- Dieter Scholz: Abend über Potsdam: Zur Erwerbung des Hauptwerkes von Lotte Laserstein. In: Museumsjournal Berlin & Potsdam. Nr. 1, 2011, S. 38–39.
- Pressemitteilung des Städels zum Ankauf des Gemäldes „Russisches Mädchen mit Puderdose“. (Archivlink)
- Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R: In Erinnerung an Lotte Laserstein. 22. Juni 2020, abgerufen am 23. Juni 2020.
- Lotte Laserstein. Abgerufen am 27. April 2018.
- Lotte Laserstein. Abgerufen am 19. Januar 2021.
- Vgl. die Rezension von Olaf Peters in: Sehepunkte, 8 vom 15. Juli 2008.