Lieber Thomas
Lieber Thomas ist ein Filmdrama von Andreas Kleinert, das am 11. November 2021 in die deutschen Kinos kam. In der Filmbiografie spielt Albrecht Schuch den Schriftsteller und Filmemacher Thomas Brasch.
Film | |
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Originaltitel | Lieber Thomas |
Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch, Englisch |
Erscheinungsjahr | 2021 |
Länge | 157 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 16[1] |
Stab | |
Regie | Andreas Kleinert |
Drehbuch | Thomas Wendrich |
Produktion | Till Derenbach, Michael Souvignier |
Musik | Daniel Kaiser |
Kamera | Johann Feindt |
Schnitt | Gisela Zick |
Besetzung | |
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Handlung
In sieben Abschnitten wird das Leben des Dichters Thomas Brasch dargestellt. Die Abschnitte sind jeweils mit Zeilen aus einem Gedicht Braschs überschrieben.
Als 1968 sowjetische Panzer durch Prag rollen, demonstrieren Thomas und andere Studenten auf den Straßen Berlins. Sein Vater meldet ihn der Stasi, die ihn ins Gefängnis steckt. Auf Bewährung entlassen, schreibt er über die Liebe, die Revolution und den Tod. Ohne Aussicht, in der DDR gehört zu werden, verlassen Thomas und seine Freundin das Land. Im Westen wird Brasch gefeiert und seine Bücher werden zu Bestsellern.
Produktion
Regie führte Andreas Kleinert. Das Drehbuch schrieb Thomas Wendrich. Der Titel des Films Lieber Thomas bezieht sich auf Thomas Braschs Schauspiel Lieber Georg über den Kriegs- und Todesträumer Georg Heym.[2]
Albrecht Schuch spielt in der Titelrolle Thomas Brasch. Als Mann mittleren Alters wird dieser von Peter Kremer verkörpert. Joel Basman spielt seinen Bruder Klaus Brasch.
Als Kameramann fungierte Johann Feindt, mit dem Kleinert in der Vergangenheit für viele der von ihm inszenierten Folgen von Tatort zusammenarbeitete. Der Film wurde in Schwarzweiß gedreht.[2]
Der Film feierte Anfang Juli 2021 beim Filmfest München seine Premiere[3] und kam am 11. November 2021 in die deutschen Kinos. Ebenfalls im November 2021 wurde er beim Tallinn Black Nights Film Festival vorgestellt.
Rezeption
Altersfreigabe
In Deutschland wurde der Film von der FSK ab 16 Jahren freigegeben. In der Begründung heißt es, der Film enthalte einige intensive Streitsituationen und zeige zermürbenden psychischen Druck und gewalttätige Konflikte mit der DDR-Staatsgewalt. Eine sehr eindringliche Szene, in der zwei Frauen auf eigenen Wunsch erschossen werden, werde zeitnah als literarische Vision aufgelöst, und Jugendliche ab 16 Jahren seien aufgrund ihres Entwicklungsstands fähig, der komplex erzählten Geschichte zu folgen und die Geschehnisse in den dramaturgischen und politischen Kontext einzuordnen.[4]
Kritiken
Alexander Cammann schreibt in der Zeit, die Verfilmung von Thomas Braschs Lebens sei ein seltener Glücksfall für das deutsche Kino: „Ein deutscher Dichter und seine Epoche erleben in diesem Film einen Auftritt, der Maßstäbe setzt.“ Der in der DDR aufgewachsene Regisseur Andreas Kleinert verwandele ein Biopic in ein spannendes Kunstwerk über die Verzweiflung eines deutsch-deutschen Lebens. Spätestens seit Paweł Pawlikowskis Meisterwerk Cold War von 2018 sei Schwarzweiß die beste Technik, um den Existenzialismus einer anderen Epoche zu vergegenwärtigen, so Cammann, und in Lieber Thomas rücke diese die Konflikte von damals dem Zuschauer heute auf den Leib. Als vielleicht wichtigsten Kunstgriff nennt Cammann die integrierten Träume und Albträume des Dichters, die allesamt Szenen von allegorischer Kraft seien. Getragen werde der Film von großartigen Schauspielern. Jella Haase brilliere als Reinkarnation der jungen Katharina Thalbach, und Albrecht Schuchs verführerischer Thomas Brasch sei in jeder Faser ein auf paradoxe Weise empfindsamer Lederjacken-Macho, der sich mit tobendem Körper und packenden Augen wie ein verwundetes Tier durch sein unbehaustes Leben kämpft.[5]
Hilmar Klute schreibt in der Süddeutschen Zeitung, die Szenen, in denen Albrecht Schuch und Jörg Schüttauf ihren Kampf darum, was die Wahrheit sei, aufführen, gehörten zu den stärksten des Films, und dass Peter Kremer dem echten Brasch so brutal ähnlich sieht, helfe dabei, auch die letzten Filmminuten zu sehr großen und unvergesslichen Szenen werden zu lassen.[2]
Knut Elstermann bemerkt, neben den verschiedenen Episoden in Braschs Leben würden die Auseinandersetzungen mit seinem Funktionärsvater als erzählerischer Unterstrom verwendet, und Schüttauf spiele diesen nicht einfach schwarzweiß, sondern tragisch zerrissen. Auch die DDR-Bohème, das fröhliche „Leben in der Nische“, werde gezeigt, auch wie Brasch mit dem Land verbunden und von diesem gleichzeitig abgestoßen war und wie er sich vom Westen nicht vereinnahmen ließ. Und letztlich gehe es auch um den Dichter Brasch, dem man in diesem Film beim Arbeiten zuschauen könne.[6]
Anke Leweke von Deutschlandfunk Kultur denkt, gerade weil hier keine Biografie nacherzählt wird, komme man dem Künstler und Menschen Brasch näher. Dabei erhebe der Film nicht den Anspruch, Brasch verstehen zu wollen, und begebe sich stattdessen mit dem Künstler auf die Suche, wohl wissend, dass diese nie aufhören wird, was sie mit dem Zitieren dessen letzter Zeile seines Gedichts Was ich habe, will ich nicht verlieren zum Ausdruck bringt: „Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.“[7]
Einsatz im Unterricht
Das Onlineportal kinofenster.de empfiehlt Lieber Thomas ab der 11. Klasse für die Unterrichtsfächer Deutsch, Geschichte, Ethik, Religion und Politik und bietet Materialien zum Film für den Unterricht. Claus Löser schreibt dort, der Film mache mit dem Milieu der künstlerischen DDR-Opposition bekannt, zeige, wie komplex die familiären und politischen Verstrickungen einiger damaliger Akteure waren, und von besonderem Interesse bei dieser Filmbiografie sei die übergangslose Vermischung von verbürgten Lebensdaten mit freier Fiktionalisierung.[8]
Auch in der Begründung der Deutschen Film- und Medienbewertung, von der Lieber Thomas mit dem Prädikat Besonders wertvoll versehen wurde, heißt es, Kleinerts Film sei ein auf allen Ebenen gelungenes Beispiel eines Biopics, das sich mit Bildern, Atmosphären und Metaebenen seinem Protagonisten annähert und nicht über die bloße Aneinanderreihung von Lebensstationen. Zu der komplexen Figurenzeichnung geselle sich auf der inszenatorischen Ebene die fantastische Umsetzung der Fantasie- und Traumebenen Braschs, die mit der „realen“ Handlung so brillant verknüpft würden, dass sich auf äußerst organische Weise weitere Perspektiven eröffne. Dadurch, dass es eher um die passende Stimmung als um eine detailgetreue faktische Korrektheit geht, fühlten sich die Bilder nicht an wie Kreationen aus einem Heimatmuseum, sondern strahlten wahres Leben aus.[9]
Auszeichnungen
Lieber Thomas wurde Ende Februar 2022 in die Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis aufgenommen.[10] Im Folgenden eine Auswahl von Auszeichnungen und Nominierungen.
Preis der deutschen Filmkritik 2022
- Nominierung als Bester Spielfilm (Andreas Kleinert)
- Nominierung als Bester Schauspieler (Albrecht Schuch, auch für Florian)
- Nominierung für die Beste Kamera (Johann Feindt)[11]
Tallinn Black Nights Film Festival 2021
- Auszeichnung als Bester Film mit dem Grand Prix (Andreas Kleinert)
- Auszeichnung als Bester Schauspieler (Albrecht Schuch)[12]
Weblinks
- Lieber Thomas in der Internet Movie Database (englisch)
- Lieber Thomas bei crew united
Einzelnachweise
- Freigabebescheinigung für Lieber Thomas. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüfnummer: 203920/K).
- Hilmar Klute: Thomas Brasch-Hommage im Kino: Wo ich nie gewesen bin. In: Süddeutsche Zeitung, 11. November 2021.
- Lieber Thomas. In: filmfest-muenchen.de. Abgerufen am 29. November 2021.
- https://www.spio-fsk.de/?seitid=2737&tid=469&Vers=1&FGID=6023
- Alexander Cammann: „Lieber Thomas“: Tobende Körper, packende Augen. In: Zeit, 10. November 2021.
- "Lieber Thomas", "Maternal" und "Speer Goes Hollywood". In: RBB Kultur, 11. November 2021.(Audio)
- https://www.deutschlandfunkkultur.de/lieber-thomas-im-kino-die-unaufhoerliche-suche-des-thomas-100.html
- Claus Löser: Lieber Thomas. In: kinofenster.de, 10. November 2021.
- Lieber Thomas. In: fbw-filmbewertung.com. Abgerufen am 29. November 2021.
- Barbara Schuster: Deutscher Filmpreis 2022: 46 Titel in der Vorauswahl. In: Blickpunkt:Film, 28. Februar 2022.
- Michael Müller: Preis der deutschen Filmkritik: Sieben Nominierungen für „Fabian“. In: Blickpunkt:Film, 24. Januar 2022.
- Davide Abbatescianni: Andreas Kleinert’s Dear Thomas wins the 25th Tallinn Black Nights Film Festival. In: cineuropa.org, 29. November 2021.