Lawrence Summers
Lawrence Henry „Larry“ Summers (* 30. November 1954 in New Haven, Connecticut) ist ein US-amerikanischer Politiker und Professor für Wirtschaftswissenschaften. Von 1991 bis 1993 war Summers Chefökonom der Weltbank. Im Jahr 2009 wurde er von US-Präsident Barack Obama zum Direktor des National Economic Council berufen.[1]
Familie
Summers entstammt einer einflussreichen jüdischen Akademikerfamilie. Schon seine Eltern waren Ökonomen: Anita und Robert Summers, die beide als Professoren an der University of Pennsylvania lehrten. Er ist der Neffe zweier Wirtschaftsnobelpreisträger: Paul Samuelson ist ein Bruder seines Vaters, Kenneth Arrow ein Bruder seiner Mutter. Die größte Zeit seiner Kindheit verbrachte er in Penn Valley, Pennsylvania, einer Vorstadt Philadelphias, wo er die Harriton High School besuchte.
Er ist mit der Sprachwissenschaftlerin Elisa New verheiratet und Vater dreier Töchter.
Akademische Karriere
Mit 16 Jahren ging Summers an das Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er ursprünglich vorhatte, Physik zu studieren, aber bald das Studienfach zugunsten von Ökonomie wechselte. Nach dem Abschluss ging er an die Harvard University, an der er 1982 seinen Ph.D. machte. 1983, im Alter von 28 Jahren, wurde Summers einer der jüngsten ordentlichen Professoren in der Geschichte Harvards. 1985 wurde er Forschungsstipendiat der Alfred P. Sloan Foundation (Sloan Research Fellow).[2] 1987 war er als Gastwissenschaftler an der London School of Economics.[3]
Am 1. Juli 2001 wurde er Präsident der Harvard University. Wegen seiner Bemerkungen über Frauen in den Naturwissenschaften und Technik[4] trat Summers zum 30. Juni 2006 von seinem Amt zurück. Damit war Summers der Harvard-Präsident mit der kürzesten Amtszeit seit 1868. Seine Nachfolge trat Catherine Drew Gilpin Faust an.
Politische Ämter
Larry Summers war von 1995 bis 1999 als Nachfolger von Frank N. Newman Stellvertretender Finanzminister unter Robert Rubin und von 1999 bis 2001 US-Finanzminister im Kabinett von Bill Clinton. Er war damit unmittelbarer Nachfolger von Robert Rubin. 2008 wurde bekannt, dass Summers als Nationaler Wirtschaftsberater in die Regierung des designierten US-Präsidenten Barack Obama berufen werde. Lange war er für das Amt des Finanzministers gehandelt worden, das aber dann Timothy F. Geithner übernahm.[5]
Am 21. September 2010 gab das Weiße Haus bekannt, dass Summers zum Jahresende aus dem Nationalen Wirtschaftsrat ausscheiden werde, um nach Harvard zurückzukehren.[6] Summers begründete seinen Rückzug damit, dass er im Januar 2011 nach Harvard zurückkehren müsse, um seine Position als festangestellter Universitätsprofessor nicht zu verlieren. Es hieß, der Wechsel sei schon seit Langem geplant.[7]
Politische Positionen
Summers unterstützte die Deregulierung der Finanzmärkte wie den Gramm–Leach–Bliley Act 1999. Damit wurde der Glass-Steagall Act zur institutionellen Trennung von Investment-Banking und Einlagengeschäften aufgehoben. Insbesondere die Deregulierung der OTC-Derivate entgegen dem ausdrücklichen Rat von Brooksley Born, 1996 – 1999 Leiterin der Commodity Futures Trading Commission (CFTC), wurde später als eine Ursache für die Finanzkrise ab 2007 bewertet.[8] Clinton bedauerte später öffentlich, auf den Rat von Rubin und Summers gehört zu haben.[9] Doch auch noch nach der Finanzkrise 2008 weigerte sich Summers anzuerkennen, dass Brooksley Born recht behalten hatte.[10]
Auf einer Forschungskonferenz des Internationalen Währungsfonds im November 2013 warnte Summers vor einer anhaltenden Stagnation, welche dem Westen nach der Finanzkrise drohe, vergleichbar der Entwicklung des Japanischen Bruttosozialproduktes zwischen 1993 und 2013. Man müsse in den kommenden Jahren darüber nachdenken, wie eine Wirtschaft zu lenken sei, für welche ein nomineller Zinssatz von Null ein chronischer und systemisches Hemmnis für ökonomische Aktivitäten sei und die Ökonomie hinter ihrem Potential zurückhalte.[11][12] Summers belebte damit die Diskussion um eine mögliche „säkulare Stagnation“ der Wirtschaft neu und nahm damit einen Begriff auf, der auf den keynesianischen US-Wirtschaftswissenschaftler Alvin Hansen der späten 30er Jahren zurückgeht.[13][14][15]
Kritik
Zu Kritik führten von Summers in einem internen Papier der Weltbank getroffene Aussagen, es sei ökonomisch logisch, Verschmutzung etwa in Form von Giftmüll in Entwicklungsländer zu exportieren, da dort die entgangenen Einnahmen durch erhöhte Krankheit und Sterblichkeit am niedrigsten seien. So gesehen seien Entwicklungsländer „unterverschmutzt“.[16] Nachdem dieses interne Papier an die Öffentlichkeit gelangt war, berief sich Summers darauf, dass es sarkastisch gemeint gewesen war.[17] Aufsehen erregte er unter anderem mit seiner Kritik an der Rap-CD von Cornel West. Eine Aussage zu den Gründen der Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft Naturwissenschaft und Technik, wonach sie auf die „unterschiedliche Verfügbarkeit von Fähigkeiten am höheren Ende“ zurückzuführen sei, erhielt negative Antworten. Summers wehrte sich gegen die Vorwürfe.[4][18]
Summers hatte 5,3 Millionen US-Dollar während seiner Berufstätigkeit als Universitätsprofessor in einem „Nebenjob“ (ein Tag die Woche) als Berater für D. E. Shaw & Company, eines der größten Unternehmen für Finanzanlagen, erhalten. Andrew Sabl von der UCLA stellte die Frage, ob Summers durch solche lukrative Bindungen in seiner Unabhängigkeit als Regierungsberater nicht beeinträchtigt sei.[19]
Wolfgang Streeck hält die 2,8 Mio. US-Dollar Rednerhonorare, die Summers im Krisenjahr 2008 von Wallstreet-Auftraggebern kassiert hatte, für Bestechung.[20]
Sonstiges
- Der Spielfilm The Social Network (2010), zeigt Summers (gespielt von Douglas Urbanski) in seiner Funktion als Direktor der Harvard-Universität.
- In der Dokumentation Inside Job wird Summers als einer der wichtigsten Verursacher der Krise von 2007 dargestellt.[21]
Auszeichnungen
- 1987: Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
- 1993: John Bates Clark Medal
- 2002: Mitglied der National Academy of Sciences
- 2011: Weltwirtschaftlicher Preis
Weblinks
- Lawrence Summers im Katalog der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW)
- Lawrence H. Summers
- Andrian Kreye: „Der weibliche Makel“, in: Süddeutsche Zeitung vom 19. Januar 2005
- Frauen, Quoten und Gelehrte – Ein Frontbericht von Josef Joffe in: Die Zeit Nr. 09/2005
- Lawrence Summers im Miller Center of Public Affairs der University of Virginia (englisch)
Einzelnachweise
- Caren Bohan: Obama taps Geithner, Summers. In: U.S. News, Reuters, 24. November 2008.
- Past Fellows. Alfred P. Sloan Foundation, abgerufen am 22. Juli 2019.
- Obama's LSE alumni, Website der London School of Economics, eingesehen 16. März 2015
- http://wiseli.engr.wisc.edu/archives/summers.php#conference-info
- Wer wird was in Washington? (Memento vom 10. Dezember 2008 im Internet Archive), tagesschau.de, 1. Dezember 2008.
- Summers to Step Down after Midterm Elections
- faz.net vom 22. September 2010: Obama verliert seinen wichtigsten Wirtschaftsberater
- Stephan Schulmeister: Der Weg zur Prosperität, Ecowin, München 2018. S. 120.
- Clinton Calls Advice He Got on Derivatives ‘Wrong’, bloomberg.com, 20. April 2010.
- Stephan Schulmeister: Der Weg zur Prosperität, Ecowin, München 2018. S. 121.
- „And that we may well need, in the years ahead, to think about how we manage an economy in which the zero nominal interest rate is a chronic and systemic inhibitor of economic activity holding our economies back below their potential.“ L. Summers: IMF Fourteenth Annual Research Conference in Honor of Stanley Fischer, 8. November 2013
- Mark Schieritz: Ausgewachsen?, Zeit, 6. Dezember 2013
- Larry Summers Remarks, IMF Annual Research Conference, November 8th 2013 (im Internet abrufbar)
- Patrick Welter 9. Januar 2014, faz.net Unbegründete Angst vor Stagnation
- Hans-Werner Sinn, Brief an Carl Christian von Weizsäcker vom 11. Januar 2014: Brief von Professor Hans-Werner Sinn an Professor Carl-Christian von Weizsäcker als Reaktion auf die aktuelle Diskussion über die säkulare Stagnation.
- „Wirtschaftswissenschaften und Ethik“ im Verein für Sozialpolitik vom 13. bis 15. März 2003
- „Furor on Memo At World Bank“, The New York Times, 7. Februar 1992, abgerufen am 8. Januar 2019.
- „What Larry Summers Said—and Didn’t Say“ (Memento vom 22. Oktober 2014 im Internet Archive), Swarthmore College Bulletin, Januar 2009.
- Louise Story: A Rich Education for Summers (After Harvard) The New York Times, 5. April 2009
- „Zurückhaltend ausgedrückt, könnte man von kleinen Geschenken zur Erhaltung einer wundervollen Freundschaft sprechen. Wer es deutlicher liebt, dem fiele ein Begriff wie »antizipatorische Korruption« unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Unternehmensberatung ein.“ (Wissen als Macht, Macht als Wissen: Kapitalversteher im Krisenkapitalismus. Merkur, September 2012, 66. Jahrgang, Heft 760, S. 776-787)
- Article written by Charles Ferguson by the time of the film's premiere in the United States of America. http://chronicle.com/article/Larry-Summersthe/124790/
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Stanley Fischer | Chefökonom der Weltbank 1991–1993 | Michael Bruno |