Līgatne
Līgatne (deutsch Ligat) ist eine Kleinstadt in Lettland am Ufer des Flüsschens Līgatne (auch Ligate oder Līgate) vor dessen Einmündung in die Gauja im Gauja-Nationalpark. Im Jahr 2021 zählte Līgatne 1015 Einwohner.[1] Die gleichnamige Gemeinde (Līgatnes pagasts) hatte 2021 2243 Einwohner.
Līgatne (dt. Ligat) | |||
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Basisdaten | |||
Staat: | Lettland | ||
Verwaltungsbezirk: | Bezirk Cēsis | ||
Koordinaten: | 57° 14′ N, 25° 3′ O | ||
Einwohner: | 1.015 | ||
Fläche: | 7,4 km² | ||
Bevölkerungsdichte: | 137 Einwohner je km² | ||
Höhe: | 88 m | ||
Webseite: | www.ligatne.lv | ||
Geschichte
Die Ortschaft entstand um eine Papierfabrik, die 1815 von Justus Storch gegründet worden war. 1864 kaufte die AG Rigaer Papierfabriken die Papierfabrik Ligat.[2] Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden um die Fabrik Arbeitersiedlungen, ein Krankenhaus, ein Kulturhaus, Kindergarten und andere Einrichtungen.[3] In einem damals einzigartigen sozialen Modell wurde den Arbeitern freie Wohnung, Heizung, Strom, Kindererziehung, Altersversorgung usw. gewährt.
Ein oberer Ortsteil entwickelte sich an der Straße Riga-Pleskau.
2009 vereinigte sich die Stadt mit ihrer Landgemeinde zum Bezirk Līgatne, der 2021 im Bezirk Cēsis aufging.
Sehenswürdigkeiten
Touristische Anziehungspunkte sind ein Naturpark mit Freigehegen für einheimische Wildtiere, ein für die Regierung der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik gebauter sowjetischer Bunker für den Fall eines nuklearen Krieges,[4] die ehemalige Papierfabrik, eine hölzerne Autofähre über die Gauja und der Gūdu-Felsen.
Verkehr
Die Station Līgatne liegt in der Siedlung Augšlīgatne an der Eisenbahnstrecke von Riga nach Lugazi (Valga) und weiter nach Tartu.
Geschichte der Papierfabrik
Die Ortschaft ist mit der dort befindlichen Papierfabrik eng verbunden.
Ein Zeitzeugenbericht beschreibt die Arbeitervergünstigungen Anfang des 20. Jahrhunderts:
„Die Ligater Arbeiter verdienten...an barem Geldlohn bei der damals allgemein üblichen 12-stündigen Arbeit, etwa ebenso viel wie im Rigaer Stadtbezirk in der Industrie gezahlt wurde. Dabei genossen sie aber eine Menge Vergünstigungen, die in der Stadt fehlten: freie Wohnung und Beheizung, wobei ihnen Brennholz zur Verfügung stand,soviel sie brauchten. Dann: freie ärztliche Behandlung und Medikamente. Staatliche Krankenkassen gab es damals nicht, es gab also auch keine Abzüge vom Lohn dafür. In Ligat bestand ein Krankenhaus mit 8 Betten, […] Außerdem gab es eine sehr gut eingerichtete […] sehr gut betreute Entbindungsanstalt. Der alte Dr. Vogel, der ca. 5 km von Ligat wohnte, kam wöchentlich zweimal regelmäßig zur Fabrik, und am Ort lebte der Heilgehilfe […] Weiter hatten die Leute freie Schule für alle Kinder, im Rahmen etwa der Grundschule. Dazu alles Schulmaterial frei. Die Schule war in 3 Klassen geteilt, den Unterricht erteilten 3 Lehrer, […] Ob und in welcher Höhe eine Lohnsteuer erhoben wurde, ist mir entfallen. Ich glaube nicht; denn es gab damals auch keine Einkommensteuer.“[5]
Die Papierproduktion wurde während des Ersten Weltkriegs in Līgatne gestoppt, die Papiermaschinen wurden demontiert und nach Russland gebracht.
1920 stellte die neue Regierung der Republik Lettland 20 Mio. Lettische Rubel bereit, um die Fabrik wieder aufzubauen und mit der Papierproduktion wieder zu beginnen. In den 1920er und 1930er Jahren hatte die Papierfabrik Līgatne die modernsten Anlagen zur Papierproduktion in Europa und war eine der besten Fein- und Spezialpapierfabriken.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion erneut gestoppt, im Februar 1945 auf drei Papiermaschinen wieder aufgenommen.
Während eines Brandes 1993 brannte die Fabrik teilweise ab und wurde durch Spenden wieder aufgebaut. Im Jahr 2000 wurde sie unter dem Namen SIA „Papīrfabrika Līgatne“ als GmbH eingetragen.[6] 2014 musste Insolvenz angemeldet werden.[7]
Lutherische Kirche Kempji
Die im Ortsteil Kempji der Gemeinde Līgatne gelegene Lutherische Kirche wurde 1882 im neugotischen Stil errichtet[8]
Personen
- Pauls Bankovskis (1973–2020), lettischer Schriftsteller[9]
- Asja Lācis (1891–1979), Schauspielerin, Regisseurin und Theaterleiterin
Literatur
- Lettland (Südlivland und Kurland). In: Hans Feldmann, Heinz von zur Mühlen (Hrsg.): Baltisches historisches Ortslexikon. Band 2. Böhlau Verlag, Köln, Wien 1990, ISBN 3-412-06889-6, S. 350 f.
- Astrīda Iltnere (Red.): Latvijas Pagasti, Enciklopēdija. Preses Nams, Riga 2002, ISBN 9984-00-436-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- Latvijas iedzīvotāju skaits pašvaldībās pagastu dalījumā
- Lettland (Südlivland und Kurland). In: Hans Feldmann, Heinz von zur Mühlen (Hrsg.): Baltisches historisches Ortslexikon. Band 2. Böhlau Verlag, Köln, Wien 1990, ISBN 3-412-06889-6, S. 350.
- Robert Burmeister: Die Papierfabrik. Joern Burmeister, abgerufen am 10. Juni 2018.
- Art. Īpatnējs. In: Filips Birzulis, Kristīne Komarovska: The Latvian ABC. Latvijas institūts, Riga 2020, S. 31–32, hier S. 32.
- W. v. Schilling: Erinnerungen an die Papierfabrik Ligat, Manuskript 1956.
- Video der Papierherstellung in Līgatne aus Recyclingmaterial (Minute 1:40 bis 5:00) auf YouTube (lettisch).
- Pasludināts „Papīrfabrikas Līgatne“ maksātnespējas process. 7. August 2015, abgerufen am 7. August 2015.
- https://timenote.info/lv/Kempju-baznica-Ligatne-Kempji Lutherische Kirche Kempji
- In seinem schriftstellerischen Werk thematisiert Bankovskis immer wieder seine ersten vier Lebensjahre, die er in Līgatne verbrachte. Insbesondere zu Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn gab er mehrmals Līgatne als seinen Geburtsort an (tatsächlich wurde er im nächstgelegenen Krankenhaus von Cēsis entbunden), beispielsweise in der Einleitung seines Debüts Homo Liber in der Literatur-Monatsschrift Karogs.