Konzentrationslager im franquistischen Spanien
In Spanien gab es in der Anfangszeit der Franco-Diktatur 1936 bis 1947 bis zu 190 (geschätzt) Konzentrationslager (span.: Campo de concentración), in denen fast eine halbe Million republikanische Kämpfer des Spanischen Bürgerkriegs, Flüchtlinge und Regimegegner eingesperrt worden waren.[1]
Organisation
Die Lager unterstanden der militärischen Organisation Servicio de Colonias Penitenciaría Militarizadas (SCPM). Einige dieser Konzentrationslager waren nur von vorübergehender Natur, andere dauerhaft. In den Lagern wurden neben republiktreuen Kräften (Kombattanten), wie zum Beispiel Angehörigen der spanischen Volksarmee, auch Homosexuelle und gewöhnliche Kriminelle interniert. Die Gefangenen waren in verschiedene Gruppen eingestuft, so dass gewöhnliche Kriminelle (also Menschen, die nicht wegen ihrer politischen oder ideologischen Anschauungen inhaftiert worden waren) besser gestellt waren. Die Lagerleitung setzte diese Gefangenenkategorie zur Aufsicht der anderen Häftlinge ein (Kapo-System). Das Lagerleben für die Häftlinge war durch Hunger und Ausbeutung ihrer Arbeitskraft gekennzeichnet.
Verbrechen
Laut dem Historiker Javier Rodrigo Sanchez (2006) wurden eine halbe Million Personen zwischen 1936 und 1942 in spanischen Konzentrationslagern interniert. Bis zum Jahre 1944 stieg die Zahl der Internierten in die Hunderttausende. Sie und ihre Angehörigen wurden beispielsweise bei der Zuteilung von Lebensmittelmarken systematisch benachteiligt, hatten ständige Demütigungen hinzunehmen und lebten auch nach Entlassung aus der Haft stets in Angst vor einer erneuten Inhaftierung. Die Kinder von Republikanern wurden vielfach von ihren Familien getrennt und der Obhut der katholischen Kirche übergeben. Die aktuelle Forschung spricht von 30.000 solcher Fälle von politisch motivierter Kindesentziehung.[2]
→ siehe Franquismus#Die „Blaue Periode“
Während des Spanischen Bürgerkrieges und in den Jahren nach dem Konflikt wurden etwa 192.000 Häftlinge erschossen. Im Zeitraum von 1939 bis 1940 wurden in der Spitze hunderte Inhaftierte pro Tag hingerichtet.[3] Mehrere Massengräber wurden auf den Geländen von Konzentrationslagern entdeckt. Die mühsame Ausgrabung und Identifizierung der Opfer hat inzwischen begonnen, so etwa auch in Burgos. Insgesamt sollen 30.000 Leichen in Massengräbern liegen. Ab 1938 wurden außerdem an internierten Interbrigadisten – mit nationalsozialistischer Unterstützung – rassenideologisch motivierte medizinische Versuche durchgeführt, die angebliche körperliche und psychische Deformationen, die bei Anhängern des „Marxismus“ vorkämen, erforschen sollten.[4]
Deutsche Beteiligung
1937, während des Spanischen Bürgerkrieges, errichteten die Putschisten in Miranda de Ebro ein Konzentrationslager nach deutschem Vorbild. Das Lager wurde von dem SS- und Gestapo-Mitglied Paul Winzer geführt. Nach einem Gestapo-Bericht vom August 1939[5] befanden sich weitere Gestapo-Beamte in Spanien, die Gefangene vernahmen. Nach dem Polizeiabkommen vom 31. Juli 1938 zwischen Heinrich Himmler und Severiano Martínez Anido wurde von SS-Sturmbannführer Winzer neben dem bestehenden Abwehrnetz ein SD-Netz in Spanien aufgebaut. Zahlreiche SD-Mitarbeiter waren bei deutschen Unternehmen in Spanien beschäftigt.[6] Die Zusammenarbeit beinhaltete auch die gegenseitige Auslieferung von „politischen Verbrechern“.[7] Im Jahre 1940 besuchte zudem Heinrich Himmler mit Karl Wolff Spanien. Das Treffen hatte zwei Hauptziele: die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen und potenziellen alliierten Spionen in Spanien habhaft zu werden. Heinrich Himmler besuchte auch das Konzentrationslager Miranda de Ebro bei Burgos.
Internierung von internationalen Flüchtlingen nach dem Spanischen Bürgerkrieg
Im Konzentrationslager Miranda de Ebro wurden zudem nach dem Spanischen Bürgerkrieg viele internationale Flüchtlinge, die nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen über die Pyrenäen nach Spanien flohen, interniert. Alleine die Zahl der polnischen Flüchtlinge wird auf 1200–2000 Menschen geschätzt.[8] In Miranda de Ebro wurde zum Beispiel der Pole Antoni Kępiński interniert, der zusammen mit einer Gruppe Polen nach der Besetzung Frankreichs über die Pyrenäen nach Spanien floh.
Unvollständige Liste von Spanischen Konzentrationslagern
Die genaue Anzahl der Konzentrationslager in Spanien ist noch ungewiss. Die Zahl liegt nach verschiedenen Angaben zwischen 104 und 190.
- Konzentrationslager Castuera (Campo de concentración de Castuera)
- Konzentrationslager Los Almendros (Alicante, Campo de concentración de Los Almendros)
- Konzentrationslager Albatera (Provinz Alicante; Campo de concentración de Albatera)
- Konzentrationslager Miranda del Ebro (Campo de concentración de Miranda de Ebro), in Miranda del Ebro (Provinz Burgos)
- San Pedro de Cardeña (Provinz Burgos)
- Dos Hermanas (Provinz Sevilla) – Campo de Los Merinales
- Campo de La Corchuela ebenfalls in Dos Hermanas
- Campo de El Palmar de Troya in Utrera (Sevilla)
- Hostal de San Marcos de León, Anzahl der Inhaftierten: 7.000 Männer, 300 Frauen, zwischen 1936 und 1939
- Campo de la península de Llevant auf Mallorca
- Campo de Formentera
- Campo de concentración de La Isleta Gran Canaria
- Campo de concentración de Lazareto de Gando Gran Canaria
- Campo de concentración „Los Arenales“ in der Umgebung von Cáceres
- Campo de concentración de la Cartuja de Porta Coeli (Valencia)[9]
- Campo de concentración de Camposancos in A Guarda.
- Campo de concentración del Puerto Pesquero de Huelva.
- Campo de concentración de la Isla de Saltés, de Huelva
- Campo de concentración de San Juan del Puerto (Huelva)
- Campo de concentración de Peguerillas (Huelva)
- Campo de concentración de Ronda auf Málaga.
- Campo de concentración de Betanzos (alte Lederfabrik)
- Campo de concentración de Horta. In Barcelona
- Campo de concentración de Poblenou. In Barcelona
- Monasterio de Corbán. In Santander
- Campo de concentración del cuartel de infantería. In Santander
- Campo de concentración de La Morgal – in Lugo de Llanera. Asturias
- Fábrica de tabacalera, in Santander
- Castillo-Faro de Castro Urdiales (Cantabria)
- Campo de concentración de Soria
- Campo de concentración de Burgo de Osma (Soria)
- Campo de concentración de Castellón, Castellón de la Plana, unter anderem in der Stierkampfarena Castellón[10]
Zweck der Konzentrationslager
Die Gefangenen waren in „Bataillonen“ organisiert und in einem brutalen Regime der Zwangsarbeit ausgesetzt. Ziel war der Wiederaufbau der durch den Spanischen Bürgerkrieg zerstörten Infrastruktur. Häftlinge wurden unter anderem für die folgenden Arbeiten eingesetzt:
- Canal del Bajo Guadalquivir, Fertigstellung im Jahre 1962 (Campo de Los Merinales und La Corchuela). Im Jahre 2006 wurde zum Gedenken der Opfer des Kanalbaus ein Teilabschnitt zwischen La Rinconada und Dos Hermanas auf den Namen Canal de los Presos (Kanal der Gefangenen) benannt.
- Valle de los Caídos
- Bau von Eisenbahnlinien
- Talsperren und Stauseen
Gedenkstätten, Mahnmale und Ausstellungen
Der Umgang mit der Erinnerung an die Folgen des Staatsterrors stellt die spanische Nation, selbst nach dem Tod Francisco Francos im Jahre 1975, auf eine Zerreißprobe. Die Aufarbeitung der begangenen Verbrechen wird in Spanien immer noch blockiert. Genannt sei hier auch die Nationalstiftung Francisco Franco („Fundación Nacional Francisco Franco“). Sie besitzt umfangreiche Archivmaterialien aus Francos Amtssitz, die nach dem Tod des Diktators nicht an öffentliche Archive übergeben wurden, sondern in den Besitz der privaten Stiftung übergingen. Unliebsamen Historikern wird seither immer wieder der Zugang verweigert.
Internierte (Auswahl)
- Artur Becker (1905–1938), Funktionär des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD), Reichstagsabgeordneter und Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg
Weblinks
- Darstellung der Lager in Spanien (englisch)
- Artikel über das Konzentrationslager Castuera, elperiodicoextremadura.com (spanisch)
- Bildergalerie von Inhaftierten, www.sbhac.net (spanisch)
- Der Historiker Paul Preston über den spanischen Bürgerkrieg, Welt online, abgerufen am 18. Mai 2012.
Einzelnachweise
- Siehe etwa: Antony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg. München 2006, Besprechung in: Die Welt, 15. Juli 2006; vgl. z. B. auch (Forschungsstand 2004): http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/72582/index.html (Memento vom 20. Juli 2012 im Webarchiv archive.today) (Bild von einem Lager bei Barcelona – Prisioneros republicanos en un campo de concentración cerca de Barcelona).
- Angela Cenarro: Zaragoza. In: Carme Molinero, Margarida Sala, Jaume Sobrequés (Hrsg.): Una inmensa prisión. Los campos de concentración y las prisiones durante la guerra civil y el franquismo. Crítica, Barcelona 2003.
- Quelle: Rodrigo, Javier. (2006). Internamiento y trabajo forzoso: los campos de concentración de franco. Hispania Nova, Revista de historia contemporánea, vol. 6, Separata.
- Javier Bandrés, Rafael Llavona: La psicología en los campos de concentración de Franco. In: Psicothema ISSN 0214-9915, Vol. 8, Nº. 1, 1996, S. 1–11.
- Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Droste-Verlag, Düsseldorf 1991, ISBN 3-7700-5162-9, S. 109.
- Birgit Aschmann: Treue Freunde, S. 410 auf Google bücher.
- Fremde Freiheit. In: Die Zeit, Nr. 20/1992.
- Unterschiede, die sich aus der Verwendung von gefälschten ausländischen Pässen ergeben.
- Periódico Levante (spanisch).
- Campo de concentración de Castellón. In: Los Campos de Concentración de Franco. Abgerufen am 6. Juni 2020 (spanisch).