Knockemstiff

Knockemstiff i​st eine Anthologie m​it 18 über d​en gemeinsamen Handlungsort miteinander verbundenen Erzählungen d​es amerikanischen Autors Donald Ray Pollock, erschienen 2008 b​eim US-Verlag Doubleday Books[1] u​nd 2013 i​n der Übersetzung v​on Peter Torberg b​eim Münchner Liebeskind Verlag,[2][3]

Bei d​en Geschichten handelt e​s sich u​m biografische Erzählungen, d​ie alle i​n dem Ort Knockemstiff i​n Ohio, d​em Geburtsort d​es Autors, spielen. Das Buch w​ird von einigen Rezensenten a​ls „nachtschwarze Americana-Literatur“ beschrieben u​nd in e​ine Reihe m​it Romanen v​on Autoren w​ie Pete Dexter o​der Daniel Woodrell gestellt, d​ie ebenfalls i​n deutschen Übersetzungen b​eim Liebeskind Verlag erschienen sind[4]. Auch werden Vergleiche gezogen z​u Werken v​on Cormac McCarthy u​nd Sherwood Anderson[5].

Allgemeines und formaler Aufbau

Das Buch besteht a​us 18 einzelnen Kurzgeschichten, d​ie aus jeweils e​inem kurzen Kapitel bestehen. Die einzelnen Geschichten werden a​us wechselnden Perspektiven erzählt, entweder a​us der Rolle e​ines auktorialen Erzählers o​der aus d​er Ich-Perspektive d​er Protagonisten. In vielen d​er Geschichten spielen z​udem innere Monologe u​nd Gedanken e​ine Rolle, d​ie ohne entsprechende Anführungszeichen wiedergegeben werden.

Das Buch trägt die Widmung „Für Patsy“ auf dem Vorblatt. Den Geschichten wurde ein Zitat der amerikanischen Autorin Dawn Powell vorangestellt:

„Alle Amerikaner stammen ursprünglich a​us Ohio, w​enn auch n​ur kurz.“

Dawn Powell

Hinzu k​ommt eine gezeichnete Ortskarte d​es Ortes Knockemstiff u​nd der Umgebung, i​n der d​ie einzelnen Häuser d​es Ortes u​nd andere Handlungsorte d​er Geschichten eingezeichnet sind.

Inhalt

Überblick

Der Buchtitel Knockemstiff i​st zugleich a​uch der Name d​es Handlungsortes a​ller Geschichten s​owie der Titel e​iner Geschichte. Die Handlungen d​er Geschichten spielen durchweg i​n diesem Ort u​nd der näheren Umgebung u​nd finden i​m Zeitraum mehrerer Jahrzehnte zwischen d​en 1960er u​nd 1990er Jahren statt. Bereits d​er Klappentext d​er deutschsprachigen Version g​ibt einige Hinweise a​uf die zusammenfassenden Elemente d​es Buches u​nd beschreibt d​en Ort Knockemstiff a​ls „ein tristes Kaff i​n der weiten Leere d​es Mittleren Westens“, i​n dem m​an auf „Außenseiter“ trifft, „die hin- u​nd hergerissen s​ind zwischen Sehnsucht u​nd verlorener Hoffnung, zwischen Aufbegehren u​nd sinnloser Gewalt“. In d​en Geschichten werden einzelne Personen o​der Personengruppen porträtiert, i​n der Regel gescheiterte Personen a​us den unteren sozialen Schichten. Im Mittelpunkt f​ast aller Geschichten stehen Drogen, Sex u​nd Gewalt, d​ie für d​ie beschriebenen Personen lebensbestimmend sind. Ein weiteres zentrales Thema bildet d​ie Flucht a​us Knockemstiff u​nd dem sozialen Milieu, d​ie den Protagonisten jedoch n​ie gelingt.

Eine Rahmenhandlung existiert nicht, allerdings bilden d​ie erste u​nd die letzte Geschichte e​inen Rahmen u​m die Sammlung; b​eide handeln v​on der Beziehung zwischen d​em Erzähler Bobby u​nd dessen Vater. Auch andere Geschichten s​ind direkt über i​hre Protagonisten verknüpft, e​twa Pillen u​nd Schott's Bridge über Frankie, Fischstäbchen u​nd Angreifer über Del Murrey u​nd das Fischstäbchen-Mädchen Geraldine s​owie Bactine u​nd Verregneter Sonntag über Jimmie u​nd Sharon. Andere Personen werden i​n mehreren Geschichten erwähnt, darunter Jake Lowry i​n Dynamite Hole u​nd Knockemstiff u​nd Wanda Wipert i​n Pillen u​nd Senke. Verbindend i​st zudem d​as Thema: In a​llen Geschichten g​eht es u​m gewalttätige o​der missbrauchte Menschen u​nd um Drogen.[6]

Die Geschichten

Kreuzung in Knockemstiff, Ohio
Das wahre Leben (Real Life)
Der Ich-Erzähler Bobby beschreibt einen Abend, an dem er im Alter von sieben Jahren gemeinsam mit seinen Eltern im Autokino war, um sich einen Godzilla-Film anzuschauen. Sein gewalttätiger Vater betrinkt sich mit Whiskey aus dem Aschenbecher und legt sich bei einer Pinkelpause mit einem Mann an, den er brutal zusammenschlägt. Als dessen Sohn Bobby verprügeln will, setzt dieser sich zur Wehr und schlägt ihn ebenfalls nieder. Das Lob des Vaters, das er dafür bekommt, will er nie wieder vergessen. Die Geschichte endet mit Bobby, der im Bett liegt, an seinen Fingern lutscht und kaut und dabei das süße, salzige Blut des anderen Jungen schmeckt.
Dynamite Hole (Dynamite Hole)
Jake Lowry lebt seit seiner Desertion im Zweiten Weltkrieg und einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in einem Trailer im Wald. Er beschreibt, wie er eines Tages den Jungen Truman Mackay und dessen kleine Schwester bei einem Sexspiel in einem Wasserloch beobachtet. Erregt und in einem Blackout tötet er den Jungen und vergewaltigt das kleine Mädchen, bevor er sie erwürgt. Danach versteckt er beide Leichen in einer Höhle unter Wasser. Der Erzählfluss wird nach jedem Absatz von anderen Erinnerungen unterbrochen, etwa wie er nach seiner Desertion von zwei Soldaten gesucht wird, die er nach einer langen Verfolgung in eine schlangenverseuchte Senke lockt. Ein Soldat wird angegriffen und stirbt, der andere flieht.
Knockemstiff (Knockemstiff)
Der Erzähler arbeitet seit seinem sechzehnten Lebensjahr und dem Tod seines Vaters als Aushilfsverkäufer in Maude's Store und lebt in einem Wohnwagen hinter dem Laden. Er macht jeden Tag den Laden auf und hat einen immer gleichen Tagesablauf. An dem Tag, von dem er berichtet, will Tina Elliot, in die er verliebt ist, gemeinsam mit ihrem neuen Freund Boo den Ort verlassen. Jake Lowry kommt in den Laden und tauscht Pfeilspitzen gegen etwas zu essen; kurz danach erscheint ein Pärchen mit einem Wagen aus Kalifornien an der Tanksäule. Die Frau ist Fotografin und will den Ort Knockemstiff als Kuriosität für ein Buch dokumentieren – sie überredet den Erzähler, für sie am Ortsschild zu posieren, als Boo und Tina vorfahren. Tina stellt sich zu ihm und bezeichnet die Situation als „die letzte Gelegenheit, mich mit einem blöden Hinterwäldler fotografieren zu lassen.“
Mit Haut und Haar (Hair's Fate)
Daniel wird von seinem Vater dabei erwischt, wie er mit der Puppe seiner kleinen Schwester Lucy masturbiert. Zur Strafe schneidet er ihm die Haare mit einem Küchenmesser ab. Er beschließt zu fliehen und wird beim Trampen von einem Lastwagenfahrer mitgenommen. Der Fahrer erzählt ihm seine Geschichte und gibt ihm Alkohol und Speed, danach nimmt er ihn mit zu seinem Trailer in Idaho und gibt ihm eine Perücke seiner verstorbenen Mutter. Die Geschichte endet offen, als der LKW-Fahrer Daniel an die Hand nimmt und als lebende Puppe bezeichnet.
Pillen (Pills)
Der Ich-Erzähler Bobby beschließt mit seinem Freund Frankie, in dessen 69er Dodge Super Bee aus Knockemstiff abzuhauen. Sie sind Kleinkriminelle, die klauen, was sie bekommen können. Die Tour wollen sie über den Verkauf von so genannten Black Beauties, Amphetamin-Pillen, die sie bei der Barkeeperin Wanda Wipert klauen, finanzieren. Sie schlucken die Pillen selbst und fahren durch die Gegend, bleiben jedoch in der Gegend. Nach und nach stirbt ihr Plan. Auf dem Trip überfahren sie ein Huhn, das Bobby wiederbeleben will und deshalb in den Kofferraum packt. Sie haben stundenlang Sex mit einer Prostituierten namens Teabottom, die sie mit Pillen bezahlen. Am Ende versucht Frankie, das tote Huhn über einem brennenden Reifen zu braten und isst es halbgar.
Gigantomachie (Giganthomachy)
Gemeinsam mit dem Nachbarsjungen William, der regelmäßig von seinem Vater verprügelt wird, will der Ich-Erzähler Teddy ein Ameisennest mit einer brennenden Plastikflasche zerstören. Sie geraten in Streit darüber, ob sie dabei die Rolle von Soldaten im Vietnamkrieg einnehmen und das Nest mit „Napalm“ zerstören oder als Götter Zerstörung bringen. Sie werden von Williams Schwester gestört, und nach einem Streit im Haus kehrt William wieder zu seinem Vater zurück. Parallel schildert der Erzähler eine Gewohnheit seiner Mutter, nach der er abends regelmäßig einen Psychokiller spielen und sie in dieser Rolle umbringen muss.
Schott's Bridge (Schott's Bridge)
Der 17-jährige Todd Russell erbt nach dem Tod seiner Großmutter zweitausend Dollar, um abseits von Knockemstiff ein neues Leben anzufangen. Todd, der seine Homosexualität geheim hält, gilt im Ort als verweichlicht und wird entsprechend behandelt. Statt weg zu gehen, zieht er mit Frankie Johnson in eine alte Anglerhütte, wo die beiden von dem wenigen Geld, das Todd verdienen kann, leben und die Zeit vor allem mit dem Konsum von Drogen und Bier verbringen. Frankie, dessen Gesicht bei einem Unfall zerstört wurde, erzählt Todd von einer alten Frau, mit der er gelegentlich Sex hat und die ihn mit vergammelten Lebensmitteln eindeckt. Er spricht Todd zudem auf seine Homosexualität an. Bei einem Rausch mit verdorbenem Roten Libanesen fühlt sich Frankie von Todd provoziert; er schlägt ihn nieder, vergewaltigt ihn und verschwindet mit dem versteckten Geld.
Fettsack (Lard)
Der 16-jährige Duane Myers wird von seinem Vater gedrängt, endlich zum ersten Mal Sex zu haben und so unter Druck gesetzt, dass er dies auf dem Rücksitz des Autos mit Hilfe von Fruchtwein und einem Höschen seiner Schwester fingiert und sich dafür das Mädchen Maple McAdams ausdenkt. Er trifft sich mit seinen Freunden in der Garage, die gerade mit Dartpfeilen auf den Bauch des Fettsacks McComis werfen und dabei kiffen. Er erzählt ihnen von dem Sex und beeindruckt sie. McComis, der in ein Coverbild von Nancy Sinatra verliebt ist und dies ständig bei sich trägt, fragt Duane, ob er seine Maple nicht gegen Nancy tauschen würde.
Fischstäbchen (Fish Sticks)
Del Murrey befindet sich gemeinsam mit seiner Freundin, dem Fischstäbchen-Mädchen, in einem Waschsalon. Das Mädchen lebt in einer Nervenheilanstalt und bekam ihren Spitznamen, weil sie in ihrer Handtasche immer verdorbene Fischstäbchen dabei hat, die sie anderen zum Essen anbietet. Del erinnert sich an seinen verstorbenen Freund Randy, einen Bodybuilder und Fan von Charles Atlas, mit dem er zur Hippie-Zeit nach Florida losgezogen war. Dort angekommen prostituiere Randy sich an einen Hot-Dog-Verkäufer, den sie später erschlagen und ausrauben. Jahre später starb Randy, zwischenzeitlich Mr. South Ohio, in einer Herzklinik, indem er mit einer Zigarette sein Bett angezündet hatte. Während Del über seinen ehemaligen Freund nachdenkt, bittet er das Fischstäbchenmädchen, ihm im Waschsalon einen zu blasen. Danach lässt er sich ein Fischstäbchen geben und isst es.
Bactine (Bactine)
Gemeinsam mit seinem Cousin Jimmie schnüffelt der Ich-Erzähler Bactine und will anschließend im Crispie Creme einen Freund treffen, der ihnen Seconal-Zäpfchen verkaufen soll. Der Erzähler betont, dass er mit dem Bactine aufhören will, weil er davon Halluzinationen bekommt. Während sie warten, kommen zwei dicke Frauen in den Laden, und Jinnie will die jüngere der beiden zu ihnen holen, um ihr „das Hirn rauszuvögeln“. Der Erzähler, dem vor Jahren alle Zähne ausgeschlagen wurden, hindert ihn daran. Sie verlassen das Lokal und schnüffeln auf einem Parkplatz Bactine.
Disziplin (Discipline)
Luther Colburn, ein alternder Bodybuilder und Fitnessstudio-Betreiber, will seinen Sohn Sammy zum Mr. South Ohio machen und spritzt ihm regelmäßig Steroide wie das Anabolikum Deca-Durabolin, um seinen Muskelaufbau zu fördern, und zwingt er ihn zum Training. Er steht in Konkurrenz zu seinem Widersacher Willard Lowe und dessen Sohn Bobby. Auf dem Rückweg von einem Einkaufstrip sehen sie Bobby Low posend an der Hauptstraße, wo dieser von den Passanten bewundert wird. Zu Hause angekommen zwingt Colburn seinen Sohn erneut zum Training. Kurz danach stellt er fest, dass sich Sammy die gesamte Anabolika-Ration gespritzt hat und nicht zum Training erschienen ist. Stattdessen poste er gemeinsam mit Bobby Lowe an der Hauptstraße bei −7 °C und erlitt dabei einen tödlichen Herzinfarkt. Wenige Wochen später kommt Luther an die gleiche Stelle zurück und post nackt bei −37 °C, bis er ebenfalls zusammenbricht.
Angreifer (Assailants)
Del Murray ist mit dem ehemaligen Fischstäbchen-Mädchen Geraldine verheiratet; die beiden haben ein Kind. Seit Geraldine überfallen wurde, traut sie sich nicht mehr aus dem Haus; Del ist regelmäßig mit Angel Dust oder Xanax zugedröhnt. Nachdem er wieder einen Tag high war, soll er abends auf die Tochter Veena aufpassen. Als diese eingeschlafen ist, schleicht er sich allerdings aus dem Haus, um sich beim Quickshop Bier zu holen. Dort flirtet er mit der Verkäuferin, die jedoch über seine Frau lästert. Kurz danach kehrt er mit einer Papiertüte über dem Kopf zurück und erschreckt sie, sodass sie vom Stuhl fällt und sich den Kopf stößt.
Verregneter Sonntag (Rainy Sunday)
Die korpulente Sharon lebt mit ihrem Mann zusammen, der seit einem schweren Unfall eine Stahlplatte im Kopf hat und bei Regen regelmäßig durchdreht. An einem Regenabend bittet ihre Tante Joan sie, gemeinsam mit ihr loszuziehen, um wieder einmal einen Mann für sie zu finden. Im Crispie Creme treffen sie auf Jimmie und nehmen ihn mit. Jimmie befummelt Sharon auf dem Rücksitz und schnüffelt dabei Bactine. Die beiden Frauen versetzen Whiskey mit Schlafmitteln. Nachdem Jimmie eingeschlafen ist, verlässt Sharon den Wagen und geht zurück zu ihrem Mann.
Senke (Holler)
Der Ich-Erzähler lebt in einer sexuellen Beziehung zu Sandy und kümmert sich zugleich um ihren querschnittsgelähmten Vater Albert, den er regelmäßig mit Wein füttert, wäscht und windelt. Die Schmerzmittel nimmt er selbst, da Alberts Frau Mary ihm diese nicht geben will. Sie selbst träumt davon, die Welt zu bereisen, verlässt jedoch das Haus nicht. An einem Winterabend geht der Erzähler mit Sandy in die Kneipe Haps, wo sich Sandy von einem Holzfäller abschleppen lässt. Als er zurück kommt, stellt er fest, dass Albert verstorben ist. Er beschließt, das Haus zu verlassen und setzt sich in einen alten verlassenen Wagen, einen als Eules Auto bekannten 66er Chrysler Newsport, der am Dorfrand steht.
Von vorn anfangen (I start over)
Big Bernie Givens ist mit Jill verheiratet und abhängig von Fast Food und Süßigkeiten, außerdem schluckt er Medikamente gegen Depressionen. Das Paar hat einen Sohn, Jerry, der sich am Vorabend seiner Abreise zu den US Marines zu viel Kokain genommen hatte und seither geistig behindert ist. Die Familie steht an einem Sommertag in einer Autoschlange an einer Dairy-Queen-Filiale und wartet, bis sie an der Reihe ist. Während Bernie seine Sachen einpackt, wird er von einer Gruppe von Jugendlichen angehupt, die sich über ihn und den Jungen auf der Rückbank lustig machen. Bernie steigt gereizt aus, schlägt den Fahrer zusammen und flieht, wobei er von der Polizei verfolgt wird.
Gesegnet (Blessed)
Der Erzähler hat als Kleinkrimineller gemeinsam mit Tex Colburn, „einer großen Nummer“, Diebstähle unternommen und war bei einem geplanten Einbruch in eine Apotheke vom Dach gefallen. Seitdem bekommt er Oxycodon verschrieben, baute jedoch unter dem Einfluss der Medikamente so stark ab, dass er nicht einmal mehr kleinere Einbrüche unternehmen konnte. Er ist verheiratet mit Dee; ihr Sohn Marshal ist stumm. Seit es finanziell bergab geht, verkauft Dee ihr Blut. Auf einer Fahrt zum Krankenhaus bekommt der Erzähler Durchfall und will sich in einer dunklen Ecke entleeren. Dabei wird er von zwei Polizisten ertappt, die ihn zwingen, die Arme zu heben, wodurch die Hose in den Kot fällt. Zuhause stellt er zufällig fest, dass sein Sohn doch sprechen kann, dies jedoch nie in seiner Anwesenheit tut.
Honolulu (Honolulu)
Howard Bowmans leidet an der Alzheimer-Krankheit. Seine Frau Peg versucht, ihn durch regelmäßige Fragen nach Geburtsdaten, Namen und anderen Dingen zum Nachdenken und Erinnern zu zwingen. Er vergisst fast alles, bis auf ein Ereignis in Honolulu, als er mit einem NAVY-Soldaten eine Hure in einem Hotel aufgesucht hatte. Er weigerte sich jedoch, Sex mit ihr zu haben, weil sie einen Säugling dabei hatte. Als Peg zum Einkaufen das Haus verlässt, nimmt er ein Kunststoffrohr und einen Revolver und steckt ihn in den Mund, um sich zu erschießen. Kurz bevor er abdrückt, erinnert er sich an eine Reihe von Einzelheiten aus seinem Leben. Seine Frau kehrt zurück und telefoniert. Das Ende bleibt offen.
Die Kämpfe (The Fights)
Bobby, der in der Geschichte Das wahre Leben noch ein Kind war, ist mittlerweile erwachsen und hat aufgrund seiner Alkoholsucht seinen Job verloren und besucht nun regelmäßig die Anonymen Alkoholikern. Als Bobby seinen Eltern Geld gestohlen hat, rät ihm ein Freund zur Rückgabe. Zu Hause findet er seinen Vater und seinen Bruder vor dem Fernseher, in dem ein Boxkampf läuft. Der Vater lästert über Bobby und seine Mutter. Bobby verlässt das Haus, beobachtet seinen Vater durch das Fenster und stellt fest, dass er wohl nie mehr die Chance haben wird, ihn kennenzulernen.

Hintergrund

Der Autor Donald Ray Pollock w​urde in d​em beschriebenen r​eal existierenden Ort Knockemstiff i​n Ohio geboren u​nd wuchs i​n der Umgebung auf. Der Ort selbst i​st mittlerweile verlassen. Der Name „Knockemstiff“ lässt s​ich frei a​ls „Schlag s​ie tot!“ übersetzen. In seinen Geschichten beschreibt Pollock z​war keine autobiografischen Ereignisse, sondern fiktive Geschichten,[7] platziert s​ie jedoch i​n den Ort u​nd in d​ie Ödnis seiner Heimat. Die Geschichten spielen i​n der zweiten Hälfte d​es 20. Jahrhunderts, einige nehmen Bezug z​um Vietnam-Krieg u​nd anderen Ereignissen d​er 1960er Jahre.

Pollock schrieb m​it 45 Jahren d​ie Kurzgeschichte Bactine u​nd reichte d​iese zur Veröffentlichung i​n der Zeitschrift The Journal ein, d​er Literaturzeitschrift d​es Fachbereichs für englische Literatur d​er The Ohio State University. Eine d​er Herausgeberinnen w​ar so beeindruckt v​on der Story, d​ass sie 2005 Pollock d​azu überredete, d​as Studienprogramm für kreatives Schreiben a​n der Universität z​u besuchen.[8] Bactine w​urde später Teil v​on Knockemstiff, d​em Buchdebüt Pollocks. Bei dessen Erscheinen w​ar Pollock bereits 54 Jahre alt. In Deutschland erschien bereits v​or Knockemstiff d​er von Pollock e​rst später geschriebene Roman Das Handwerk d​es Teufels,[4][9] d​er 2013 m​it dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet wurde.

Rezeption

Vereinigte Staaten

In d​en Vereinigten Staaten w​urde Knockemstiff u​nter anderem i​n der New York Times[10], Associated Press, d​er Los Angeles Times, USA Today, i​m Wall Street Journal, Esquire u​nd The Hopkins Review[11] besprochen.

Jonathan Miles beschreibt Knockemstiff in der New York Times als Ort, „wo die Hauptbeschäftigung in Kleinkriminalität besteht, wo frauen-schlagende Rüpel Schnaps aus Aschenbechern trinken und gelangweilte Teenager ihre Wochenendabende damit verbringen, Dartpfeile auf ein fettes Kind zu werfen und es zum Ausgleich an der Bong ziehen lassen.“[12] Er setzt Ort und Werk in Beziehung Winesburg, Ohio von Sherwood Anderson: Beide konzentrieren sich auf die einsamen, die verdorbenen und ausgestoßenen Menschen, die bei Anderson als "twisted apples" und bei Pollock als "toadstools stuck in a rotten lock" bezeichnet werden.[10] Der wesentliche Unterschied zwischen beiden liegt jedoch im sozialen Gefüge: Während in Winesburg das Sozialgebilde durch andere Charaktere wie die Ärzte und andere Personen getragen wird, fehlt ein solches Konstrukt in Knockemstiff zwischen den „Drogensüchtigen, Geflohenen, Hausbesetzern, Vergewaltigern und aufstrebenden Kinderschändern“ völlig.[10] Neben Gewalt, Kriminalität und Drogen fokussiert Miles auch auf die Rolle der Väter und zieht Parallelen zum Werk von Pat Conroy und Chuck Palahniuk.

David Duhr zählt i​n seiner Rezension d​er Lesung Pollocks a​uf dem Texas Book Festival sowohl Knockemstiff a​ls auch d​en Roman The Devil All t​he Time „zu d​en verstörendsten u​nd zugleich unterhaltsamsten Büchern“, d​ie er i​n den letzten Jahren gelesen habe.[13] Dale Keiger vergleicht i​n The Hopkins Review d​ie Lebensgeschichte v​on Pollock m​it einem „Readymade“ u​nd zitiert dessen Manager, d​er von e​inem „hidden genius“ spricht.[11] Seiner Ansicht n​ach haben d​ie Geschichten v​on Knockemstiff jedoch n​icht die Substanz v​on Werken v​on Autoren w​ie Raymond Carver, Flannery O’Connor o​der Cormac McCarthy, m​it denen Pollock verglichen wurde.[11]

Deutschsprachiger Raum

Christian Buß nannte d​as Werk a​uf Spiegel Online Kultur e​in „Hillbilly-Meisterwerk“ u​nd einen „furiosen Erzählband“.[4] Er beschreibt d​en Ort Knockemstiff a​ls „Heimatkaff i​m Nirgendwo v​on Ohio“ u​nd resümiert: „Aus Knockemstiff k​ommt eben keiner raus“ u​nd bezieht d​ies auch a​uf Pollock u​nd dessen Lebensgeschichte.[4] Er s​etzt die i​n den Geschichten konsumierten Drogen u​nd die Gewalt s​owie den Gedanken a​n die Flucht a​ls verbindende Elemente a​ller Geschichten i​n den Vordergrund: „Die Drogen ändern s​ich von Story z​u Story, a​ber die Gewalt bleibt dieselbe, s​ie wird v​on Vater z​u Sohn, v​on Mutter z​u Tochter vererbt. Konsumiert werden i​n Pollocks Geschichten u​nter anderem Speed, Crystal Meth, irgendwelche Schnüffelgase, a​ber eben a​uch Schmerzmittel o​der Seconal-Zäpfchen, d​ie eigentlich d​er Krebstherapie dienen. Die Charaktere s​ind immer breit, i​mmer zu a​llem bereit. Außer z​ur Arbeit.“[4] Darüber hinaus stellt e​r den Sex u​nd die Gewalt i​n seinen unterschiedlichsten Ausprägungen a​ls Ventile hervor: „Wo d​as Sprachzentrum dieser Speedfreaks blockiert ist, werden Sex u​nd Gewalt z​u gängigen Ausdrucksformen. Pollock beschreibt Inzucht, Triebabfuhr a​n Spielpuppen u​nd Prostitution i​m untersten Währungsbereich (eine Speed-Kapsel g​egen einmal Geschlechtsverkehr). In e​iner Geschichte m​uss ein Junge seiner Mutter i​m Schlafzimmer e​in Messer a​n die Kehle halten, d​amit diese i​hre masochistischen Phantasien ausleben kann.“[4] Buß stellt jedoch heraus, d​ass Pollock s​eine Geschichten u​nd Figuren „frei v​on aller Lüsternheit u​nd Brutalität“ u​nd „mit lakonischer psychologischer Akkuratesse“ beschreibt, o​hne in e​ine billige „Hardboiled-Folklore“ abzurutschen u​nd damit „auf Elend m​it Ästhetik“ antwortet. Pollock schaffe „wunderschöne kranke Literatur a​ls Antwort a​uf die unschöne kranke Welt d​a draußen“ u​nd damit e​ine Form, i​n dieser z​u überleben.[4]

Frank Schäfer vergleicht Knockemstiff i​n tageszeitung (taz) m​it Sherwood Andersons Winesburg, Ohio, d​as er a​ls „ewigen Klassiker d​es Romans a​us Geschichten“ bezeichnet. Seiner Ansicht n​ach wird d​em Buch m​it Knockemstiff e​ine „billigfuselgetränkte, d​urch den Fleischwolf gedrehte Hillbillyversion“ entgegengestellt.[5] Knockemstiff i​st im Vergleich „ein danteskes Pandämonium, i​n dem m​an nur m​ehr alle Hoffnung fahren lassen kann. Obwohl s​ie sich a​lle ein besseres Leben ersehnen, d​as sie a​us dem Fernseher kennen, g​ibt es k​aum einen Ausweg a​us diesem Loch ...einem bildungsfernen, gewalttätigen, polymorph verdorbenen White-Trash-Nest.“[5] Schäfer z​ieht Vergleiche m​it den Werken Cormac McCarthys, d​ie aus d​er „Härte seiner Prosa u​nd die gelegentlichen metaphysischen Schlenker, d​as Hadern seiner geschundenen Protagonisten m​it dem gütigen Schöpfergott o​der ihre heidnischen Umdeutungen d​er Dingwelt z​u Hostien u​nd Segenszeichen“ resultierten. „Aber während McCarthy u​nd Sherwood Anderson d​ie Schlichtheit u​nd Natürlichkeit i​n ihrer Prosa i​mmer wieder kontrastieren m​it deutlich expressiveren Passagen, bleibt Pollock seinem knochentrockenen, ausgemergelten, komplett bilderlosen Stil treu. Als wollte e​r sich u​nd uns k​eine Ausflüchte erlauben.“[5]

Jan Wiele v​on der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) bezeichnet d​ie Geschichten Pollocks a​ls „die perfekte amerikanische Kurzgeschichte“, d​ie einen „glatt a​us den Schuhen haut“ u​nd fokussiert i​n seiner Besprechung ebenfalls a​uf den Aspekt d​er Gewalt.[14] Seiner Meinung n​ach hält Pollock seinen „No-Nonsense-Stil {...} meisterlich b​is zur letzten Seite durch“. Mit d​er Sprache d​es Boxsports knüpft e​r direkt a​n die letzte Geschichte d​es Buches an: „Jeder Schlag sitzt, u​nd das w​ill schon e​twas heißen b​ei der Vielzahl v​on Schwingern u​nd Haken, d​ie der Autor seinen Figuren i​n ihrem jeweiligen hard-knock-life austeilt.“[14] Auch e​r greift d​en Drogenmissbrauch d​er Protagonisten u​nd die Hoffnungslosigkeit i​n dem Ort auf, d​en er m​it Bruce Springsteen a​ls „town f​ull of losers“ beschreibt, u​nd auch d​er Vergleich m​it Anderson f​ehlt nicht. Er resümiert darin, d​ass er d​as Buch e​ine „Monotonie d​er Hoffnungslosigkeit“ nennt, d​ie in i​hrer lakonischen Härte selbst Charles Bukowski manchmal n​och in d​en Schatten stellt.[14] Nach Christoph Schröder i​n der Süddeutschen Zeitung erzählt Knockemstiff v​on einer „weltlichen Hölle voller Dreck, Inzest u​nd Gewalt“. Er bezieht d​ies auf d​en „Tag i​m Leben d​es durchschnittlichen Knockemstiffers.“[15] u​nd schreibt dazu: „Wo d​ie Kontraste fehlen, verliert d​er Schrecken s​eine Wucht. Dieser Gefahr begegnet Pollock, i​ndem er wenigen Figuren, beinahe unmerklich, k​urze Momente emotionaler Regungen gestattet.“[15]

Christian Schachinger interviewte Pollock i​m Rahmen e​iner Buchvorstellung i​n Wien für Der Standard u​nd schrieb, d​ass dieser d​ank Knockemstiff n​icht nur f​est in d​er Tradition altvorderer American-noir-Autoren w​ie Erskine Caldwell, William Faulkner, Cormac McCarthy o​der Flannery O’Connor steht, sondern a​uch „als durchaus eigenständiger, s​ehr genauer Beobachter seiner Umgebung“ wahrgenommen wird.[16] Er zitiert Pollock: „Ich k​ann nicht behaupten, d​ass die Provinz Monster gebiert o​der dass sogenannte Hinterwäldler gewalttätiger o​der bösartiger a​ls Leute wären, d​ie in d​er Stadt wohnen. Es i​st nur so, d​ass Menschen, d​ie nicht besonders g​ut ausgebildet s​ind und i​n der ländlichen Abgeschiedenheit leben, e​in gewisses Gefühl d​er Ausweglosigkeit verspüren, d​as sie möglicherweise unkontrolliert aggressiver werden lässt. Das Internet u​nd das Fernsehen h​aben die Sache h​eute vielleicht e​twas weniger dramatisch gemacht, a​ber meine z​wei Bücher spielen j​a auch i​n der Zeit, a​ls ich e​in junger Mann war, i​n den 1960er- u​nd 1970er-Jahren.“[16]

Ausgaben

  • Knockemstiff. Doubleday Books, New York 2008.
    • Knockemstiff. (deutsch von Peter Torberg), Liebeskind, München 2013, ISBN 978-3-95438-014-5.
    • Knockemstiff. (deutsch von Peter Torberg, Taschenbuch), Wilhelm Heyne Verlag, München 2015, ISBN 978-3-453-67678-7.

Belege

  1. Knockemstiff beim Verlag Doubleday Books.
  2. Knockemstiff beim Liebeskind Verlag.
  3. Knockemstiff beim Heyne Verlag / Random House.
  4. Christian Buß: Hillbilly-Meisterwerk "Knockemstiff": Die Angst ist unser Motor. Spiegel online Kultur, 10. Juli 2013; Abgerufen am 19. Juli 2015.
  5. Frank Schäfer: Das wahre Leben. Die tageszeitung, 27. Juli 2013; Abgerufen am 19. Juli 2015.
  6. Charles McGrath: Writer Remains Literary Voice of Knockemstiff. The New York Times, 11. Juli 2011; Abgerufen am 25. Juli 2015.
  7. Dark tales populate 'Knockemstiff' The Augusta Chronicle (via Associated Press), 16. Mai 2008; Abgerufen am 4. August 2015.
  8. Eric Fortune: From Winesburg, Ohio to Knockemstiff. Abgerufen am 16. Juni 2015.
  9. Christian Buß: Pollocks "Handwerk des Teufels": In Gottes Schlachthaus. Spiegel online Kultur, 2. April 2012; Abgerufen am 25. Juli 2015.
  10. Jonathan Miles: Winosburg, Ohio. The New York Times, 23. März 2008; Abgerufen am 25. Juli 2015.
  11. Dale Keiger: Knockemstiff (review) The Hopkins Review, 3 (2), 2010; S. 288–291; Summary; Abgerufen am 25. Juli 2015.
  12. „where the dominant occupation seems to be petty crime, where wife-beating louts drink Old Grand-Dad out of car ashtrays and where restless teenage boys spend their weekend nights throwing darts at the fat kid and compensating him with bong hits.“ Zitiert aus Jonathan Miles: Winosburg, Ohio. The New York Times, 23. März 2008; Abgerufen am 25. Juli 2015.
  13. David Duhr: BOOK FESTIVAL: Soft-Spoken Tough Guys. Texas Observer, 22. Oktober 2011; Abgerufen am 25. Juli 2015.
  14. Jan Wiele: Zweitausend Dollar in der Kaffeedose und doch kein Glück. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Juni 2013; Abgerufen am 26. Juli 2015.
  15. Christoph Schröder: Selbstverständliches Faustrecht. Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2013; Abgerufen am 26. Juli 2015.
  16. Christian Schachinger: US-Autor Pollock: Das Leben geht nicht gut aus. Der Standard, 19. September 2013; Abgerufen am 26. Juli 2015.
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