Kirchenlehrer
Als Kirchenlehrer (lateinisch: doctores ecclesiae) werden Theologen und Heilige bezeichnet, die einen prägenden Einfluss auf die Theologie der christlichen Kirche hatten. Mit diesem Ehrentitel wurden nur wenige Personen ausgezeichnet; in älterer Zeit (und bis heute in den Ostkirchen) geschah dies relativ spontan, aber auch durch einige Konzilien. In der Westkirche wird die Erhebung zum Kirchenlehrer formell durch den Papst ausgesprochen. Einige herausragende frühchristliche Schriftsteller bis etwa zum 6. Jahrhundert werden zudem als Kirchenväter bezeichnet.
In seiner Kommentierung frühchristlicher Schriftsteller vom Februar 2009 erwähnt Papst Benedikt XVI. die von Beda dem Ehrwürdigen gewählte Bezeichnung (doctores ac doctrices) für Gelehrte beiderlei Geschlechts. Bei der Ernennung der heiligen Hildegard zur Kirchenlehrerin durch Benedikt XVI. am 7. Oktober 2012 griff er jedoch auf die Titelform Doctor Ecclesiae universalis zurück.[1]
Die ersten acht Kirchenlehrer der Ost- und der Westkirche werden von beiden Kirchen als solche bezeichnet. Die römisch-katholische Kirche hat in der Gegenreformation den Titel Kirchenlehrer definiert und ihn auch Theologen späterer Jahrhunderte verliehen.
Kirchenlehrer der Ostkirchen
In der Ostkirche gab es ursprünglich drei Kirchenlehrer, Johannes Chrysostomos, Basilius von Caesarea und Gregor von Nazianz, denen in der orthodoxen Kirche das Fest der drei Hierarchen am 30. Januar gewidmet ist. Später wurde analog zu den vier Kirchenlehrern der Westkirche noch Athanasius von Alexandria hinzugefügt. In den orthodoxen Kirchen ist der Begriff des Kirchenlehrers nicht genau bestimmt. Allerdings kann man wohl Gregor von Nyssa, Papst Leo den Großen, Maximus den Bekenner, Johannes von Damaskus, Symeon den Neuen Theologen, Gregorios Palamas und Markus von Ephesus weitgehend unbestritten dazu zählen.
Kirchenlehrer der lateinischen Kirche
In der lateinischen Kirche waren ursprünglich nur Hieronymus, Ambrosius von Mailand, Augustinus von Hippo und Papst Gregor der Große Kirchenlehrer. Als solche wurden sie 1295 von Papst Bonifatius VIII. bestätigt. Im 16. Jahrhundert wurde die Liste erstmals erweitert. Papst Pius V. erklärte 1567 Thomas von Aquin und 1568 Athanasius den Großen, Basilius den Großen, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomos zu Kirchenlehrern. 1588 folgte Bonaventura. Einerseits ging es darum, die Bedeutung des Aquinaten und seiner Summa theologica als maßgebliches Lehrbuch der Theologie herauszustellen; andererseits war das Interesse an den griechischen Theologen der Alten Kirche durch Humanismus und Gegenreformation gestiegen. Ein consensus patrum, der die römisch-katholische Position stützte, war in zeitgenössischen kontroverstheologischen Gesprächen ein wertvolles Argument.[2]
Seit dem 18. Jahrhundert wurden weitere Kirchenlehrer hinzugefügt, zuletzt 2015 mit Gregor von Narek auch ein Angehöriger der armenischen Kirche. Unter den Kirchenlehrern der römisch-katholischen Kirche sind vier Frauen: Teresa von Ávila, Katharina von Siena, Thérèse von Lisieux und Hildegard von Bingen. Sie wurden 1970 oder später der Liste der Kirchenlehrer hinzugefügt. Darin zeigt sich eine höhere Bewertung von Frauen durch die Kirche, aber auch eine stärkere Gewichtung von mystischer Begabung und Spiritualität für die Zuerkennung des Titels Kirchenlehrer(in).[2]
Der Titel wird in der lateinischen Kirche durch die Heiligsprechungskongregation verliehen und vom Papst genehmigt, nachdem die Schriften des Heiligen durch die Glaubenskongregation sorgfältig geprüft wurden. Geregelt ist dies in der apostolischen Konstitution Pastor Bonus, 28. Juni 1988, Art. 73. Es handelt sich dabei nicht um eine Entscheidung ex cathedra und es wird dadurch nicht erklärt, dass es in den Schriften des Kirchenlehrers keinen Irrtum gebe. Die katholische Kirche hat die Bedingungen für den Titel ausgeführt – orthodoxa doctrina (Rechtgläubigkeit, aber nicht Irrtumslosigkeit), eminens doctrina (herausragende Lehre), insignis vitae sanctitas (ein hoher Grad von Heiligkeit) und ecclesiae declaratio (Erhebung zum Kirchenlehrer durch die Kirche). Diese zusammenfassende Festlegung stammt von Papst Benedikt XIV. (De servorum Dei beativficatione et beatorum canonizatione, 1741).[2]
Vollständige Liste der katholischen Kirchenlehrer (37 Heilige)
Literatur
- Benedikt XVI.: Kirchenlehrer der Neuzeit. Mit einem Vorwort von Daniel Eichhorn. Bonn Lepanto Verlag 2012. ISBN 978-3-942605-04-5.
- Ferdinand Holböck: Die 33 Kirchenlehrer. Christiana-Verlag, Stein am Rhein 2003. ISBN 3-7171-1107-8
- Walter Kasper (Hg.): Lexikon für Theologie und Kirche. Sechster Band, Freiburg i. Br. 2006. ISBN 978-3-451-22012-8
- Paul Bernhard Wodrazka: Das Verfahren zur Erhebung eines Heiligen zum Kirchenlehrer (Kanonistische Reihe 26) St. Ottilien 2015.
Weblinks
Einzelnachweise
- Apostolisches Schreiben Benedikts XVI. vom 7. Oktober 2012 auf Lateinisch und auf Deutsch
- Heribert Smolinsky: Kirchenlehrer, Kirchenlehrerin. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 6. Herder, Freiburg im Breisgau 1997, Sp. 20–22.
- San Gregorio di Narek Dottore della Chiesa Universale. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 23. Februar 2015, abgerufen am 23. Februar 2015 (italienisch).