Kältewelle in Nordamerika 2014
Die Kältewelle im Winter 2013/14 in Nordamerika war ein Extremwetterereignis in der ersten Januarhälfte 2014, das Teile Kanadas und der Vereinigten Staaten betraf. Eine arktische Kaltfront in Verbindung mit einem Nor’easter (Nordoststurm) lenkte Kaltluft aus dem Polarwirbel auf den nordamerikanischen Kontinent, was zu schweren Schneefällen und Kälterekorden führte.
Polar vortex 2013/14 (Hercules) | |
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Unwetter | Kältewelle mit Schneesturm |
Daten | |
Höhepunkt | ab 2. Januar 2014 |
Kerndruck[1] | 939 hPa (vor Labrador, 8.1.) |
Temperatur[2] | −36 °C (Crane Lake MN, 6.1.) |
Folgen | |
Betroffene Gebiete | östliches und zentrales Nordamerika (USA, Kanada) |
Opfer | > 20 (Stand 8.1.)[3] |
Tief Hercules wurde in Europa zum Wintersturm |
Meteorologie
Verlauf
Das in der Presse vielfach Polar vortex (‚Polarwirbel‘) bezeichnete dritte Kälteereignis der Saison bildete ab Dienstag, den 2. Januar 2014, einen Schneesturm aus.[4] Ein mächtiges Tief Hercules führte Kaltluft bis tief nach Nordamerika. Besonders die Räume Boston, New York und Pennsylvania verzeichneten Sturm und Schneefall bis zu einem guten halben Meter (2 ft).[5]
Etwa seit dem 4. Januar waren große Teile der USA von einer Kältewelle betroffen. Im südlichen Michigan südlich der Großen Seen (42° N, geographische Breite wie Rom) fiel bis zu 50 cm Schnee, in Tennessee (36° N, südlicher als Tunis) noch bis zu 5 cm.[6][7]
Am Sonntag, den 5. Januar, wurden in Green Bay Temperaturen von −28 °C gemessen, der niedrigste je gemessene Wert. Am O'Hare International Airport in Chicago wurden am 6. Januar −26 °C gemessen, ebenfalls ein Rekordwert.[3]
Am Crane Lake in Minnesota wurden am Montag, 6. Januar, −36 °C gemessen, mit Windchill eine gefühlte Temperatur von bis −60 °C.[2]
Am Dienstag, 7. Januar,[8] erreichte die Kältewelle wiederum die Ostküste der USA. Dort fiel die Temperatur vielerorts binnen 24 Stunden von +12 °C auf −14 °C.[9] New York meldete am Morgen 4 Grad Fahrenheit (−13,8 °C); dies brach einen 118 Jahre alten Rekord.[10]
Mittwochs, 8. Januar,[1] erreichte ein neues Tief mit 939 hPa Kerndruck über der Davisstraße vor Labrador den Maximalwert.
Ursachen und großklimatische Lage
Bereits um den 6. Dezember 2013[11] hatte es eine Kältewelle in den Vereinigten Staaten gegeben,[12] mit schweren Schneefällen im Nordosten in der Folgewoche.[13] In Zentral- und Ostkanada gab es etwa vom 20. bis zum 23. Dezember 2013 einen Eissturm (Toronto ice storm).[14]
Ein Hoch über dem Nordpazifik und das Tief Hercules über dem Nordatlantik wirkten zusammen. Diese beiden riesigen Luftwirbel brachten Polarluft, die als Nor’easter im Raum Mittlerer Westen – Große Seen – Hudson Bay („Americas Icebox“) bis tief in den Süden der USA vordrangen. Die Wirkungen der Kälte wurden von Wind, Sturm bzw. Schneesturm verstärkt, die durch die starken Druckgefälle Sturmstärken erreichen.[15][16]
Zentrales Phänomen ist eine abnorm starke Schwingung des Jet Streams der Nordhalbkugel (Arktische Oszillation, AO), die eine stehende Welle mit nur zwei Perioden etwa entlang des 50sten Breitengrades ausbildete (atmosphärische Blockierung).[17] Der Index der Arktischen Oszillation fiel von Mitte Dezember bis Anfang Januar rapide von +4 auf −2.[18] Dadurch wurden regional die Luftmassen der gemäßigten Breiten intensiv mit der Polarluft vermischt und weit in den Norden und Süden verfrachtet. Am Nordpol herrschten um den 5. Januar dieselben Temperaturen wie im zentralen Nordamerika.[19]
Über Ostsibirien bildete sich schon im späteren Dezember explosiv eine Wärmewelle aus.[20] (um über +10 °C in Wladiwostok, 1. Januarwoche; Nowosibirsk weitaus wärmer als Chicago).[19] Gleichzeitig transportierte auch das Pazifiktief Warmluft über die amerikanische Westküste bis Alaska[21] (+29 °C in Florida, 6.1.)[2] Der Kaltluftvorstoß erreichte mehrfach auch Hawaii (Schnee am Mauna Kea 28.12.;[22] −8 °C am 6.1.).[23] Die vor Weihnachten über Nordamerika liegenden Warmluftmassen wurden ostwärts über den Nordatlantik gedrängt. Tief Hercules, dann auch Christina genannt, führte an seiner anderen Seite subtropische Warmluft nach Europa (+16 °C München, 6.1.), sehr hohe Wellen schlugen an die Atlantikküsten der Iberischen Halbinsel, und zog dann mit schweren Überschwemmungen über die britischen Inseln (siehe Sturmflut an der europäischen Atlantikküste im Februar 2014 und Überschwemmungen in England 2013–2014). Eine extreme Kältewelle herrscht auch in Zentralasien (−11 °C Kurigram, Nord-Bangladesch, Ende Dezember; etliche Todesopfer).[24] Parallel wies die Südhalbkugel eine außergewöhnlich stabile Temperaturverteilung der sommerlichen Wärme auf. In der Antarktis war es vergleichsweise freundlich,[25] in Australien herrscht eine extreme Hitzewelle (+54 °C Oodnadatta 3.1.),[26] desgleichen auch in Südamerika, mit einer Hitzewelle im Süden von Brasilien, Argentinien und Uruguay (+40 °C Rio de Janeiro, 9.1.),[27] und einer langanhaltende Dürre in Chile (schwere Waldbrände).[28]
Weltkarte der kombinierten Druck- und Temperaturanomalie, 6. Dez. 2013 – 5. Jan. 2014, Amerika Mitte rechts: Die Animation zeigt die Blockadesituation[17] der stark gedämpften Westwinddrift durch die extrem starke Arktische Oszillation bis Ende Dezember und das explosive Ausbilden der Sibirien-Wärmeanomalie, mit den Kältewellen über Nordamerika und Zentralasien. Die Südhalbkugel ist abnorm ruhig. (NOAA/NCEP/CPC 10-hPa Temp Anoms, gleitendes 11-Tages-Mittel) | |
Die Nördliche Hemisphäre mit Tiefdruckgebieten, Höhentrögen und Jetstream, 5. Jan. 2014, Nordamerika unten: Gegen Amerika verlagertes hohes Polartief, die südgedrängte Druckanomalie mit einem Tief über Zentralkanada. Parallel ein mächtiges Islandtief (Hercules, rechts), ein Höhentief über Zentralsibirien (oben) und ein kräftiges Nordpazifiktief (links). Hochdruckbrücken über Ostsibirien und Alaska. (NOAA/NCEP/CPC Northern Hemisphere, Potential 500 hPa) |
Folgen nach der Kältewelle
Insgesamt waren von der Naturkatastrophe über 180 Millionen Menschen betroffen.[29] Mehr als 20 Todesfälle werden den Auswirkungen des Kälteeinbruchs zugeschrieben, verursacht insbesondere durch die schlechten Straßenverhältnisse und die extreme Kälte.[3][30][31]
Viele Flüge fielen aus, ebenso verbreitet der Schulunterricht.[32] Zugverbindungen nach Chicago wurden teilweise gestrichen.[33]
Auf Neufundland waren durch einen Stromausfall am 5. Januar etwa 190.000 Haushalte ohne Strom.[34]
In den Südstaaten Louisiana und Mississippi beeilten sich Landwirte mit einer vorgezogenen Zitronenernte, um einer Zerstörung der Früchte durch Frost zuvorzukommen. Landwirte im Süden der USA bangen um ihre Ernte.[9]
Knappe drei Wochen nach der Kältewelle in Nordamerika sank die Temperatur in Nordeuropa ab. Diese Zeitspanne ist oft zu beobachten.
Weblinks
- Washington Post: What is a polar vortex, and why is it here?
Einzelnachweise
- Karte Surface Analysis WED JAN 08 2014, Weather Prediction Center, NOAA NWS NCEP (aktualisiertes Original, archiviert (Memento vom 8. Januar 2014 auf WebCite) auf webcitation.org)
- Arctic Monday for 140 million as 'Polar vortex’ barrels across the US: 4,400 flights canceled, schools closed as far south as Atlanta and the coldest temperatures recorded in 20 years (englisch) In: Daily Mail. 6. Januar 2014. Abgerufen am 7. Januar 2014. Umfangreicher Artikel mit zahlreichen Abbildungen
- Edmund DeMarche: 'Polar vortex’ set to bring dangerous, record-breaking cold to much of US (englisch) In: FoxNews.com. Fox News. 4. Januar 2014. Abgerufen am 6. Januar 2014.
- N America weather: Polar vortex brings record temperatures (englisch) In: BBC News – US & Canada. BBC. 6. Januar 2014. Abgerufen am 6. Januar 2014.
- Storm HerculesgripNortheast, Canada records temperatures cold – Digging out from snowpocalyse: Travel chaos on the East Coast as Hercules grounds 4,000 flights and makes roads unusable after dumping 22 inches of snow, Mail online, dailymail.co.uk, 2. Januar 2014 (mit Fotostrecke).
- Snow totals, Jan 6, 2013 (Memento vom 7. Januar 2014 im Internet Archive), clickondetroit.com (pdf)
- Dangerously Cold Temperatures Settle Into Mid-State (englisch) Nashville News Channel 5. 6. Januar 2014. Abgerufen am 6. Januar 2014.
- NCEP GFS 2-meter Temperature anomaly [°F] valid Mon, 18Z06Jan2014, Bild auf pbs.twimg.com, abgerufen 7. Januar 2014
- Kältewelle in den USA: Polarluft friert Amerika ein, Fotostrecke, sueddeutsche.de, Januar 2014
- Life-Threatening Wind Chill, New York Today, 7. Januar 2014
- In den vergangenen 30 Jahren (1983–2013) kam es laut Statistiken des Rückversicherers Münchener Rück in den Vereinigten Staaten zu acht Kältewellen mit Schäden von jeweils mehr als einer Milliarde Dollar.
Im März 1993 kamen bei einem Blizzard 270 Menschen ums Leben; Schäden in Höhe von rund fünf Milliarden US-Dollar entstanden. Versichert waren davon knapp zwei Milliarden Dollar.
Der letzte große Wintersturm in den USA (31. Januar bis 2. Februar 2011) verursachte Schäden von 1,3 Milliarden US-Dollar.
→ en:January 31 – February 2, 2011 North American blizzard, en:1993 Storm of the Century - → en:2013 North American cold wave
zeitgleich in Europa der Orkan Xaver - Storm brings heavy snowfalls to US Midwest, Northeast, The Voice of Russia, 15. Dezember 2013.
- Ice, snow storm hits Central and Atlantic Canada. Toronto Hydro CEO calls situation 'highest level of emergency'; outages could last until Christmas, CBC News, 22. Dezember 2013; Eisstürme in Kanada, Nässe in Deutschland. Orkan "Dirk" bläst weiße Weihnachten fort, n-tv online, 23. Dezember 2013; → en:December 2013 North American storm complex
gleichzeitig in Europa der Orkan Dirk - "Hercules" hat US-Ostküste im Griff (englisch) 4. Januar 2014. Abgerufen am 6. Januar 2014.
- What’s going on with the Polar Vortex?, National Oceanic and Atmospheric Administration – Pacific Marine Environmental Laboratory, pmel.noaa.gov, 6. Januar 2014.
- Mildes Europa, kaltes Nordamerika, ZAMG → Wetter → News, 7. Januar 2014
- Oscillation (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , National Weather Service / National Centers for Environmental Prediction / Climate Prediction Center (NOAA NCEP CPC) > Climate & Weather Linkage > Teleconnections (Grafik, aktualisiert, mit Prognosen)
- Chicago Extreme Cold: Weather in 'Chiberia' Colder Than South Pole (Memento vom 8. Januar 2014 im Internet Archive). Emily Morris, Erica Demarest in DNAinfo Chicago, 6. Januar 2014.
- No snow in Siberia? Locals marvel – and worry – at the 'snow shortage', Anna Liesowska in The Sibierian Times, 17. Dezember 2013;
What has happened to Siberia? Russian region famous for being cold experiences freak warm weather in December for first time in living memory. Daily Mail, 18. Dezember 2013. - vergl. etwa Abbildung A pool of warm water gathers near Alaska creating a pressurized ridge in Polar Vortex, Arctic Cold to Rock Much of U.S. on Monday, mashable.com, 4. Januar 2014.
- Hawaii snow, Mauna Kea Access Road closed – Part of a wet start to the weekend on Hawaii Island, Big Island video news.com, 28. Dezember 2013.
- Deadly cold snap in US shatters temp. records, sends even polar bears to shelter, rt.com, 8. Januar 2014.
- 15 children die in Bangladesh cold snap, Church steps in (Memento vom 8. Januar 2014 im Internet Archive), Vatican Radio website, 31. Dezember 2013.
- Ein russisches Forschungsschiff war 2 Wochen im Packeis gefangen, mehrere Rettungsversuche mit Eisbrechern scheiterten. Schiffe und Männer sind vom Eis befreit, Welt.de, 7. Januar 2014
- Australian Heatwave temperatures climb towards 50C at start of 2014, Indymedia Australia, 6. Januar 2014
- Rio’s Heatwave Continues and 'Shock and Order' On the Beach, Sonia Gallego auf abcnews.com
- Walbrände in Chile: Regierung löst Gesundheitsalarm aus, latina-press.com, 9. Januar 2014
- Winter Weather: Deep Freeze Grips the U.S., Photostrecke auf Weather.com, 8. Januar 2014;
Öffentliches Leben im Mittleren Westen bricht zusammen Minus 54 Grad! Rekord-Kälte gefährdet 140 Millionen Amerikaner. focus.de, 6. Januar 2014 (die „minus 54 Grad Celsius“ sind eine mögliche Prognose der Wetterdienste). - Anthony Castellano: At Least 13 Died in Winter Storm That Dumped More Than 2 Feet of Snow Over Northeast (englisch). In: ABC News, 3. Januar 2014.
- Mindestens 21 Tote zu beklagen, orf.at, 8. Januar 2014.
- Da zittern selbst die Mittelwestler. – Mehr als 140 Millionen Amerikaner sind von arktischer Kälte in Mitleidenschaft gezogen., FAZ.net
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- Metra: Most trains will run during evening rush, Peter Nickeas, Rosemary Regina Sobol in Chicago Tribune online, 7. Jänner 2014 – Bericht über Schwierigkeiten der METRA, dem Nahverkehrssystem im Großraum Chicago
- CTVNews.ca Staff: Power restored to majority of customers in Newfoundland (englisch) In: CTV News. Bell Media. 6. Januar 2014. Abgerufen am 6. Januar 2014.