Juschmasch
Der ukrainische Staatsbetrieb Juschmasch beziehungsweise Piwdenmasch (ukrainisch Виробниче Об'єднання Південний Машинобудівний Завод імені А. М. Макарова; russisch Производственное Объединение Южный Машиностроительный Завод имени А. М. Макарова; Übersetzung: Produktionsvereinigung südlicher Maschinenbauwerke benannt nach A. M. Makarow) ist ein 1944 in Dnipropetrowsk gegründeter Hersteller von Landtechnik-Geräten, Omnibussen, Oberleitungsbussen, Straßenbahnwagen und Windkraftanlagen, aber auch als Hersteller von Raketen, Satelliten und Raumfahrzeugen mit 13.000 Angestellten.
Bis 1951 hieß das eigentlich zur Fertigung von Automobilen geplante Werk offiziell Dnepropetrowski Awtomobilny Sawod, kurz DAZ (ukrainisch Дніпровський автомобільний завод, russisch Днепропетровский автомобильный завод, kurz in beiden Sprachen ДАЗ).[1] Es hat jedoch nichts mit dem Dnepropetrowski Awtobusny Sawod zu tun, das heute das Kürzel DAZ führt und ein Tochterunternehmen des Lwowsky Awtobusny Sawods ist.
Geschichte
Der Industriebetrieb wurde 1944 als Hersteller von Rüstungsgütern gegründet.[2] Geplant war zudem, unter dem Namen Dnepropetrowski Awtomobilny Sawod eine umfangreiche Lastwagenproduktion einzurichten. Es wurden unterschiedliche Prototypen gebaut, die auf Fahrzeugen des Moskauer ZIS-Werks basierten. So sollte unter der Bezeichnung DAZ-485 das Amphibienfahrzeug ZIS-485 vom Band laufen, ebenso der leichte Lastwagen DAZ-150, der in wesentlichen Teilen dem ZIS-150 entsprach.[3]
Tatsächlich entstanden zwischen 1948 und 1951 zunächst diverse Prototypen und später auch etwa 2000 Automobile. Die geplante Produktionskapazität von 300.000 Lastwagen pro Jahr wurde aber nie auch nur ansatzweise erreicht.[3] 1951 wurde das Vorhaben abgebrochen und das Werk in Juschny Maschinostroitelny Sawod umbenannt. Gleichzeitig verschwand der Hersteller von der offiziellen Bildfläche, da von nun an wieder hochgeheime Militärtechnik gebaut wurde.[3]
Das historisch auch als Werk 586 bezeichnete Unternehmen wurde 1954 in einen Herstellungsbetrieb (heute Juschmasch) und das Konstruktionsbüro Juschnoje (damals OKB-586) geteilt.
Im Dezember 1953 wurde neben der Waffenproduktion mit der Herstellung von Traktoren begonnen. Zunächst wurde bis 1958 der MTZ-2 gebaut, der zuerst im Minski Traktorny Sawod gefertigt wurde. Im Anschluss folgte der MTZ-5, dessen Produktion bis 1972 andauerte und von dem in beiden Werken über 640.000 Exemplare gebaut wurden. Ab 1970 bis Anfang der 2000er-Jahre fertigte Juschmasch seinen ersten eigenen Traktor, den JuMZ-6, der auch bei weitem das erfolgreichste Modell war. In etwas über 30 Jahren entstanden über 1,15 Millionen Exemplare.[2] Das Fahrzeug ähnelt verschiedenen Traktormodellen aus Minsk, weist aber auch Unterschiede auf. Seit den 2000er-Jahren werden wieder neue Modelle entwickelt und gefertigt.[3]
Juschmasch produzierte unter anderem die erste Nuklearrakete der Sowjetunion, die R-5, aber auch die Modelle R-12, R-14, R-16 (die erste ICBM der Sowjetunion), R-36, MR UR-100. Während der sowjetischen Zeit konnten jährlich etwa 120 Raketen hergestellt werden. In den späten 1980er Jahren wurde Juschmasch als Hauptproduzent der Topol-M ausgewählt.
Im Zuge der Perestroika sank die Nachfrage signifikant und Juschmasch wurde teilweise in eine zivile Maschinenfabrik umgewandelt, weshalb bis heute auch Verkehrsmittel, Windturbinen und andere zivile Maschinen hergestellt werden.
Leonid Kutschma, langjähriger Direktor des Unternehmens, wurde anschließend Ministerpräsident und 1994 Präsident der Ukraine.
Heutige Situation
Piwdenmasch ist mit seinen 13.000 (Januar 2003) Mitarbeitern einer der größten Industriebetriebe der Ukraine, aktuell werden 7000 Arbeiter beschäftigt. Im Jahr 2001 wurden Produkte im Wert von 335,6 Millionen Hrywnja verkauft. Des Weiteren gehört auch die Maschinenfabrik Pawlohrad zum Unternehmen. Aktueller Direktor ist Wiktor Schjogol. Das Unternehmen ist zusammen mit dem KB Juschnoje mit 15 Prozent an Sea Launch beteiligt.
Heute werden hier unter anderem Zenit-Trägerraketen und die Dnepr-Raketen gefertigt. Der überwiegende Teil der Produktion wird nach Russland geliefert. Während des Krieges in der Ukraine seit 2014 musste das Unternehmen aufgrund fehlender russischer Aufträge die Produktion reduzieren und Kurzarbeit einführen.[4] Zwar waren zivile Projekte formell nicht von einem Bann betroffen, wegen der Unsicherheit kam die Zusammenarbeit dennoch zum Erliegen. Im 2017 war die Herstellerfirma so weit, alle zuvor aus Russland stammenden Komponenten selber herstellen zu können.[5]
Nach Angaben des grünen Politikers Hans-Josef Fell befindet sich Piwdenmasch im Besitz von Zugriffscodes zu 85 % der russischen Atomabwehrwaffen. Am 29. August 2014 stellte das Unternehmen der russischen Regierung ein auf fünf Tage befristetes Ultimatum, ihre anlässlich des Konfliktes in der Ostukraine ins Land gebrachten Waffen und Soldaten wieder abzuziehen. Werde dies nicht befolgt, wolle man die Informationen an die NATO und die USA übergeben.[6]
Das International Institute for Strategic Studies (IISS) vermutet, dass die nordkoreanischen Raketen vom Typ Hwasong-12 und Hwasong-14 mit Antrieben von Juschmasch versehen sind, was das Unternehmen dementierte.[7]
Weblinks
- Unternehmenshomepage (englisch; aus Deutschland nicht abrufbar)
- Unternehmenshomepage (russisch; aus Deutschland nicht abrufbar; Archivkopie vom 30. Juni 2019)
Einzelnachweise
- Zur Geschichte des Werks vor 1951 (russisch)
- Uwe Siemer: Traktoren aus der Sowjetunion. Eine Chronik von den Anfängen bis 1990. TRAKULA, Rastede. Ohne ISBN, etwa 2015, S. 18.
- Geschichte des Juschny Maschinostroitelny Sawods, insbesondere zur zivilen Fahrzeugproduktion (russisch)
- Ukraine factories equip Russian military despite support for rebels, The Washington Post vom 15. August 2014
- «Rocket City» sucht neue Umlaufbahn, NZZ, 6. Mai 2017, Seite 35
- Die Machtpolitik in der Welt ändert sich rasant (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive). Mitteilung auf der Website von Hans-Josef Fell, 29. August 2014, abgerufen am gleichen Tag.
- Nordkoreas Raketenantrieb stammt wahrscheinlich aus der Ukraine, t-online.de, 14. August 2017.