Joseph Caspar Witsch
Joseph Caspar Witsch (* 17. Juli 1906 in Kalk; † 28. April 1967 in Düsseldorf) war ein deutscher Bibliothekar und Verleger.
Leben
Joseph Caspar Witsch wurde 1906 als ältester Sohn des Dachdeckers Christian Witsch und seiner Frau Elisabeth im damals noch eigenständigen Kölner Vorort Kalk geboren. Nachdem Witschs Vater 1915 im Ersten Weltkrieg gefallen war, verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Familie zusehends, sodass Witsch sich 1921 entschloss, das Gymnasium ohne Abitur zu verlassen, um seine Mutter zu unterstützen. Er arbeitete dann zunächst als Angestellter bei der Stadtverwaltung Köln und qualifizierte sich im Selbststudium weiter. Er besuchte die 1927 gegründete Westdeutsche Volksbüchereischule in Köln und legte 1931 an der Deutschen Volksbüchereischule in Leipzig sein Examen als Volksbibliothekar ab. Neben seiner anschließenden Arbeit an der Stadtbücherei Köln, wo er 1932 die Technische Bibliothek übernahm, studierte Witsch Philosophie, Soziologie, Geschichte und Literaturgeschichte an den Universitäten in Köln und Leipzig.
Gegen Ende der Weimarer Republik sympathisierte er mit der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) und verhalf nach 1933 Emigranten zur Flucht.[1] Als Kommunist denunziert, wurde er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 entlassen, aber bereits im Oktober desselben Jahre trat er der SA bei und arbeitete 1935 in Stralsund wieder als Bibliothekar. Ebenfalls 1935 wurde er in Köln mit einer Dissertation über Der Begriff „Stand“ in der Gesellschafts- und Staatsphilosophie Fichtes promoviert. 1936 übernahm er die Leitung der Ernst-Abbe-Bibliothek und der „Staatlichen Landesstelle für das volkstümliche Büchereiwesen“ in Jena. 1937 trat er der NSDAP bei. Während der NS-Diktatur gelang ihm das Paradox, das Volksbüchereiwesen zu demokratisieren, indem er freie Buchwahl für Ausleiher einführte und so die direkte Kontrolle der Buchausgabe durch Bibliothekare abschaffte.[1] Er beteiligte sich nur zum Schein an der „Säuberungs“welle der Bibliotheken von jüdischen und sozialistischen Autoren, da er die aussortierten Exemplare im Keller der Bibliothek aufbewahrte.[1]
Während des Zweiten Weltkrieges war Witsch Soldat, wurde aber wiederholt freigestellt. Bei Kriegsende war er Flaksoldat in Italien und schlug sich von da zurück nach Thüringen durch. Hier wurde er zunächst Leiter der Thüringischen Landesstelle für Buch- und Bibliothekswesen, floh aber 1948 in den Westen nach Haspe und wohnte dort zeitweilig im Haus des Chirurgen Fritz Breuer. 1949 gründete er gemeinsam mit Gustav Kiepenheuer, der aber noch im selben Jahr in Weimar verstarb, den Verlag Kiepenheuer & Witsch. Im Rahmen des Verlagsprogramms finanzierte die CIA Übersetzungen US-amerikanischer Bücher durch den Kongress für kulturelle Freiheit.[2][3] Witsch war der Leiter der Kölner Sektion des Kongresses für kulturelle Freiheit. Starautor des jungen Verlages wurde Anfang der 1950er Jahre Heinrich Böll, der dem Verlag bis zu seinem Tode treu blieb. Bölls Reiseberichte aus Osteuropa leitete Witsch umgehend an die Pariser CIA-Zentrale weiter.[4] Joseph C. Witsch gehörte 1954 zu den Initiatoren der Buchreihe Die Bücher der Neunzehn, einem Gemeinschaftsprojekt von 19 deutschen Verlagen, und setzte sich auch für die 1960 erfolgte Gründung des Deutschen Taschenbuch Verlags (dtv) ein.[5] Witsch galt in der frühen Bundesrepublik als ein „begnadeter und medienversierter Netzwerker“, der mit international bekannten liberalen und linken Autoren als auch mit antikommunistischer Literatur und Propagandaschriften wirtschaftlichen Erfolg hatte.[1] 1963 wurde sein Schwiegersohn Reinhold Neven DuMont sein Assistent und 1969, zwei Jahre nach dem Tode Witschs, Eigentümer des Verlags.
Kurz vor seinem Tode 1967 sollte Witsch mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet werden. Diese Ehrung lehnte er aber ab, als er erfuhr, dass dem Fußballtrainer Sepp Herberger eine höhere Auszeichnung verliehen worden war.[6]
Witsch war verheiratet mit der Bibliothekarin und Schriftstellerin Elisabeth Witsch geb. Deux (1905–1978). Das Paar hatte vier Töchter: Annette (verh. Neven Dumont), Christa oder Krista (* 1937, Schauspielerin), Bettina (verh. Demolin) und Gabriele (* 1944).
Nach mehreren Herzinfarkten verstarb Witsch 1967 im Alter von 60 Jahren im Städtischen Krankenhaus Benrath.[6] Die Grabstätte der Eheleute befand sich auf dem Kölner Friedhof Melaten; sie wurde 2011 abgeräumt.[7]
Siehe auch
Literatur
- Frank Möller: Dem Glücksrad in die Speichen greifen. Joseph Caspar Witsch – Seine Autoren, sein Verlagsprogramm und der Literaturbetrieb der frühen Bundesrepublik. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015, ISBN 978-3-462-04739-4.
- Frank Möller: Das Buch Witsch. Das schwindelerregende Leben des Verlegers Joseph Caspar Witsch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, ISBN 978-3-462-04130-9.
- Birgit Boge: Die Anfänge von Kiepenheuer & Witsch. Joseph Caspar Witsch und die Etablierung des Verlags (1948–1959). Harrassowitz, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-447-06001-1.
- Everhard Hofsümmer: Joseph Caspar Witsch (1906–1967). In: Georg Mölich (Hg.): Rheinische Lebensbilder. Herausgegeben im Auftrag der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 18. Rheinland-Verlag, Düsseldorf 2000, ISBN 3-7927-1752-2, S. 225–245.
- Angelika Hohenstein: Joseph Caspar Witsch und das Volksbüchereiwesen unter nationalsozialistischer Herrschaft. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03311-8.
Weblinks
- Literatur von und über Joseph Caspar Witsch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Joseph C. Witsch im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar) vom 29. Mai 1967.
Einzelnachweise
- Oliver Pfohlmann: Das Buch Witsch. Eine genial-windige Verleger-Ikone. In: Deutschlandfunk, 17. Dezember 2014.
- Arno Frank: „Er hat sich nicht tiefer geduckt als die anderen“. Der Biograf Frank Möller und der Verleger Helge Malchow im Gespräch über Joseph Caspar Witsch. In: taz vom 9. Dezember 2014, S. 15.
- Hans-Rüdiger Minow: Benutzt und gesteuert – Künstler im Netz der CIA. In: arte / ARD, 29. November 2006, online-Video.
- Wolf-Dieter Roth: Deutsche Künstler und Journalisten als „IM“ der USA? Selbst Heinrich Böll arbeitete jahrelang – möglicherweise unwissentlich – dem CIA zu. In: Telepolis, 26. November 2006.
- Gestorben. In: Der Spiegel. Nr. 20, 1967, S. 190 (online).
- Frank Möller: Dem Glücksrad in die Speichen greifen. Joseph Caspar Witsch – Seine Autoren, sein Verlagsprogramm und der Literaturbetrieb der frühen Bundesrepublik. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015, ISBN 978-3-462-04739-4, S. 455/468.
- Bild der ehemaligen Grabstelle. In: findagrave.com. Abgerufen am 24. Juli 2018.