Johannes Hartmann (Bildhauer)
Johannes Hartmann (* 6. Dezember 1869 in Leipzig; † 29. März 1952 in Naumburg) war ein deutscher Bildhauer. Er war auch als Betreuer des Nachlasses des Malers und Bildhauers Max Klinger tätig.
Leben
Hartmann studierte von 1885 bis 1890 an der Dresdner Kunstakademie bei Ernst Hähnel. Er wurde durch zahlreiche Personendenkmäler in Sachsen und Sachsen-Anhalt bekannt. Als sein Hauptwerk gilt das Robert-Schumann-Denkmal in Zwickau, das er 1901 schuf. Nach der Gründung 1903 wurde Hartmann Mitglied des Deutschen Künstlerbundes.[1] Neben seinem Freund Max Klinger war er ab 1912 als Mitbegründer Vorsitzender des Vereins Leipziger Jahresausstellung.[2]
Einen bizarren Verlauf nahm Hartmanns weiteres Leben, nachdem Klinger am 4. Juli 1920 auf seinem Weinberg in Großjena gestorben war.[3] Auf ausdrücklichen Wunsch des Toten hin wurde Klinger am 8. Juli in unmittelbarer Nähe des Weinberghauses beerdigt. Die Gestaltung des Grabmals übernahm Johannes Hartmann. Zwei Hermen mit den Porträts von Max Klinger und Gertrud Bock, sein langjähriges Modell, das er acht Monate vor seinem Tod geheiratet hatte, bilden den Eingang der Grabanlage. Hinter dem Grabmal stellte Hartmann die von Klinger geschaffene Bronzefigur „Der Athlet“ auf, so wie es sich der verstorbene Künstler gewünscht hatte.
Bereits kurz nach der Beerdigung bot Hartmann Klingers Witwe seine Hilfe bei der Ordnung des Nachlasses an. In seinem Testament hatte Max Klinger seine Frau Gertrud zur Alleinerbin eingesetzt. Nur Klingers gemeinsame Tochter mit Elsa Asenijeff, Desirée Klinger (1900–1973), sollte als Legat jährliche Zinserträge von 7.000 Mark erhalten, und einige Diener und Winzer wurden mit kleinen Summen aus dem Nachlass bedacht. Schon am 18. Mai 1922 – weniger als zwei Monate nach dem Tod von Hartmanns erster Frau – heirateten Gertrud Klinger und Johannes Hartmann. 1926 wurde ihre gemeinsame Tochter Waltraute geboren. Weil Klingers Geschwister Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen des Testaments hatten, wollten sie es anfechten. Da jedoch durch mehrere Aussagen bewiesen werden konnte, dass Klinger beim Verfassen seines letzten Willens geschäftsfähig war, gaben sie auf. Daraufhin strengte Klingers Tochter mehrere Prozesse gegen das Ehepaar Hartmann an, welche sich fast 20 Jahre lang hinzogen. Durch die mittlerweile eingetretene Inflation konnten die Hartmanns den Wert der Erbschaft extrem niedrig ansetzen, obwohl dazu das Wohn- und Atelierhaus in der Karl-Heine-Straße 6 sowie weitere Leipziger Grundstücke, das Großjenaer Weinberggrundstück und der gesamte künstlerische Nachlass Klingers gehörten.
Gertrud Hartmann erkrankte 1927 an Lungentuberkulose und bekam 1930 ein schweres Augenleiden. Für die Behandlung dieser Krankheiten mussten hohe Summen aufgebracht werden. Deshalb wurde 1931 auf Wunsch Gertruds der Weinberg mit den darauf befindlichen Gebäuden an die Stadt Naumburg verkauft, Gertrud und Johannes Hartmann ließen sich jedoch ein Wohnrecht bis zum 1. Oktober 1946 zusichern. Nachdem Gertrud Hartmann im April 1932 von einer Kur in Davos zurückgekehrt war, pflegte ihre Schwester Ella die Schwerkranke. Ella von Wunsch, geb. Bock, die sich von ihrem Ehemann hatte scheiden lassen, kümmerte sich auch um ihre Nichte Waltraute. Im Mai 1932 starb Gertrud Hartmann. Ihre Urne wurde in Klingers Grab beigesetzt. Im Dezember 1932 heiratete Johannes Hartmann seine Schwägerin Ella von Wunsch.
1945, nach der Zerstörung seines Leipziger Wohnhauses in der Karl-Heine-Straße 6 handelte Hartmann mit der Stadt Naumburg gegen Überlassung eines Teils des noch vorhandenen Klinger-Nachlasses ein Wohnrecht für Ella und sich „auf Lebenszeit“ aus.
Johannes Hartmann starb 1952. Seine Urne wurde – ebenso wie die seiner am 25. April 1955 verstorbenen Frau Ella – in Klingers Grab in Großjena beigesetzt.
Hartmann war Mitglied der Leipziger Freimaurerloge Minerva zu den drei Palmen.
Werk (Auswahl)
In Leipzig
- 1896: zwei Karyatiden am Portal des Augusteums der Universität
- 1900: Relief im Speisesaal und Portal Zentralstraße des Künstlerhauses
- 1902: Standfiguren von Moses, Johannes dem Täufer und Paulus über den drei Westportalen der Johanniskirche
- 1903: allegorische Figur „Die Gerechtigkeit“ auf der Balkonbrüstung der Südwest-Fassade und Personifikation „Das Amtsgeheimnis“ auf dem Giebel der Westseite des Neuen Rathauses[4]
- 1904: Marmorrelief „Abschied“ für das Grabmal Löffler auf dem Südfriedhof
- 1905: Hochzeitszimmer mit Holzschnitzarbeiten im Rathaus Schönefeld (1906 auf der Dresdner Kunstgewerbeausstellung präsentiert)
- 1909: Gröppler-Döring-Denkmal[5]
- 1909: Brunnen „Badendes Mädchen“ unter den Arkaden des Alten Rathauses[6]
- 1911: Grabmal für den Brauereibesitzer Friedrich August Ulrich (1846–1911) auf dem Südfriedhof[7]
- 1914: Schillerdenkmal in den Promenadenanlagen an der Schillerstraße
- 1916: Wappenhalterfiguren links und rechts der Statuen über dem Haupteingang der Deutschen Bücherei
- 1916: Fedor-Flinzer-Denkmal auf dem Neuen Johannisfriedhof[8]
- 1919: Denkmal für die Gefallenen der Landsmannschaft Cheruscia Leipzig
- 1921: Grabmal für den Bankier und Vorsteher der israelitischen Religionsgemeinde Friedrich Nachod (1853–1911) auf dem Südfriedhof nach einem Entwurf von Max Klinger[9][10][11]
- 1924: Überarbeitung des Sockels für das Richard-Wagner-Denkmal von Max Klinger[12]
- 1926: Sitzfiguren Petrus und Paulus in der Westfassade der Apostelkirche
- 1930: Nachbildungen der 1737 von Christian Döring am Portal von Jöchers Haus geschaffenen Frauenfiguren (heute am Haus Katharinenstraße 8)[13]
- Museum der bildenden Künste:
- Robert-Schumann-Büste (1903)
- Semele (Bronze, 1912)
- weiblicher Torso (1917)
In anderen Orten
- 1901: Robert-Schumann-Denkmal auf dem Hauptmarkt in Zwickau
- 1910: Grabmal für Robert Tümmler auf dem Niederfriedhof in Döbeln[14]
- 1910: Grabmal für Carl Gotthilf Schlegel auf dem Niederfriedhof in Döbeln[15]
- 1912: Friedhofskapelle in Jugendstilformen einschließlich Altar mit Keramikrelief in Waldheim
- 1912: Taubenbrunnen vor dem Döbelner Rathaus auf dem Obermarkt[15]
- 1915: Brunnen „Jesus. Der gute Hirte“ auf dem Niederfriedhof in Döbeln[16]
- 1921: Grabmal für Max Klinger auf Klingers Weinberg in Großjena
- 1925: Kriegerdenkmal in Großjena[17]
- 1948: VVN-Denkmal in Naumburg[18]
- Kreuzigungsrelief an der Friedhofskapelle in Loschwitz
- Brunnen „Nixe mit Seehund“ in Geislingen
- Brunnen in Taucha
Literatur
- Hartmann, Johannes. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 16: Hansen–Heubach. E. A. Seemann, Leipzig 1923, S. 81.
- Hartmann, Johannes. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 2: E–J. E. A. Seemann, Leipzig 1955, S. 381.
- Siegfried Wagner: Max Klingers Weinberg. In: Leipziger Blätter. Sonderheft Max Klinger, Leipzig 2007, S. 47 ff. (In überarbeiteter Form findet sich der Artikel auch auf der Website des Museumsvereins Naumburg; Stadt Naumburg/Saale: Max Klingers Weinberg in Großjena.).
Weblinks
- Fedor Bochow: Hartmann, Johannes. In: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (Hrsg.): Sächsische Biografie.
Einzelnachweise
- Deutscher Künstlerbund: Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes seit der Gründung 1903. (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (abgerufen am 27. September 2016).
- Verein. Abgerufen am 20. Januar 2022.
- Siegfried Wagner: Max Klingers Weinberg. In: Leipziger Blätter. Sonderheft Max Klinger, S. 47 ff.
- Leipzig entdecken: Neues Rathaus
- Sidonie Gröppler, geb. Thieme (* 15. August 1820 in Torgau; † 30. März 1904 in Leipzig) und ihre Schwester Ottilie Döring (* 7. April 1823 in Torgau; † 6. März 1903 in Leipzig) übergaben im Jahr 1890 der Stadt Leipzig den Erlös von 600.000 Mark aus dem Verkauf von Schwägrichens Garten zur „Gewährung und Unterstützung innerhalb der gebildten Stände“. Vgl. Gina Klank; Gernot Griebsch: Lexikon Leipziger Straßennamen. Verlag im Wissenschaftszentrum Leipzig, Leipzig 1995, ISBN 3-930433-09-5, S. 56 u. 90.
- Im Jahr 2000 wurde die 1992 gestohlene Plastik durch eine freie Nachbildung von Klaus Schwabe (1939–2017) ersetzt.
- Hartmann schuf die Figuren des zusammen mit dem Büro Weidenbach & Tschammer entworfenen Grabmals. Vgl. Katrin Löffler; Iris Schöpa; Heidrun Sprinz: Der Leipziger Südfriedhof. Geschichte, Grabstätten, Grabdenkmäler. Edition Leipzig, Berlin 2004, ISBN 3-361-00526-4, S. 47.
- Felix Becker: Denkmäler. Die Einweihung des Fedor-Flinzer-Denkmals in Leipzig. In: Kunstchronik, Neue Folge, 27. Jg., Nr. 20 vom 11. Februar 1916, E. A. Seemann, Leipzig 1916, Sp. 199.
- Die Grabstelle (VI. Abteilung, Wahlstelle 35) mit dem 1921 errichteten Grabmal wurde 1974 eingezogen und die Grabstele auf das Grabfeld für anonyme Urnenbeisetzung umgesetzt (VIII. Abteilung).
- Katrin Löffler; Iris Schöpa; Heidrun Sprinz: Der Leipziger Südfriedhof. Geschichte, Grabstätten, Grabdenkmäler. Edition Leipzig, Berlin 2004, ISBN 3-361-00526-4, S. 113.
- Alfred E. Otto Paul: Das Grabmal des Bankiers Friedrich Nachod. In: Die Kunst im Stillen. Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen. Bd. 1, Leipzig 2009, S. 78–81. Sichtbar sind auch die Buchstabensignaturen von Klinger und Hartmann.
- Den von Klinger begonnenen Denkmalssockel überführte Johannes Hartmann 1924 von Laas nach Leipzig, wo er ihn weiter überarbeitete und im Klingerhain des Palmengartens in der Nähe des Elsterwehrs aufstellte. Im November 2010 wurde der restaurierte Sockel auf der 1970 entfernten, bis 1990 als verschollen geglaubten und 2010 wieder errichteten Treppenanlage am ehemaligen Matthäikirchhof aufgestellt. Vgl. Sylvia Hüggelmeier: Wagner ans Licht. Ein Richard-Wagner-Denkmal für Leipzig zum 200. Geburtstag. In: TABULA RASA, Nr. 52/2010 und Max-Klinger-Treppe und Sockel erstmals vereint. In: Leipziger Volkszeitung vom 27./28. November 2010, S. 20
- Christoph Kaufmann: Fotoatelier Hermann Walter. Leipzig 1918–1935. Pro Leipzig, Leipzig 2010, ISBN 978-3-936508-61-1, S. 186.
- Peggy Zill: Tümmler-Grabmal auf dem Niederfriedhof restauriert. In: Döbelner Anzeiger vom 14. November 2009.
- Der Kaufmann Johann Carl Gotthilf Schlegel (* 14. Juni 1827 in Döbeln; † 25. August 1910 in Döbeln) stiftete den anlässlich der Rathausweihe am 14. Oktober 1912 eingeweihten „Taubenbrunnen“ (nach der angebrachten Aufschrift auch „Schlegelbrunnen“ genannt) auf dem Döbelner Obermarkt. Vgl. C. Schwender: Döbelner Heimatschatz, Band 6, 1927 (Döbeln in alten Ansichten: Schlegelbrunnen auf dem Obermarkt.)
- Andreas Tümmler: Verantwortung für die Gesellschaft. Robert Tümmler ruft Stiftungen für Belegschaft und Niederfriedhof ins Leben. In: Leipziger Volkszeitung vom 16. September 2009.
- Naumburger Heimat: Beilage zum Naumburger Tageblatt vom 14. März 1928 Nr. 7.
- s. Hartmann, Johannes. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 2: E–J. E. A. Seemann, Leipzig 1955, S. 381.