Johann VI. (Portugal)

Johann VI. (portugiesisch: João VI) (* 13. Mai 1767 i​n Lissabon; † 10. März 1826 ebenda) w​ar König v​on Portugal u​nd Brasilien a​us dem Hause Braganza. Er w​ar von 1792 b​is 1816 Prinzregent v​on Portugal, 1815 b​is 1816 a​uch Prinzregent v​on Brasilien, v​on 1816 b​is zu seinem Tode König v​on Portugal u​nd von 1816 b​is 1822 König v​on Brasilien. Zusätzlich verlieh i​hm sein Sohn Peter I. 1825 d​en Titel e​ines Kaisers v​on Brasilien. Johann VI. s​chuf 1815 d​as Vereinigte Königreich v​on Portugal u​nd Brasilien u​nd herrschte i​n der europäischen Kolonialgeschichte einzigartig v​on 1808 b​is 1821 außerhalb v​on Europa i​n Rio d​e Janeiro.

König Johann VI. von Portugal und Brasilien

Frühe Lebensjahre

Herkunft

Johann um 1785

João Maria José Francisco Xavier d​e Paula Luís António Domingos Rafael w​urde am 13. Mai 1767 während d​er Regierungszeit seines Großvaters mütterlicherseits u​nd Onkels väterlicherseits Joseph I. v​on Portugal geboren. Er w​ar der zweite Sohn, Cousin väterlicherseits u​nd Neffe d​er zukünftigen Königin Maria I., Josephs Tochter (ebenfalls s​eine Schwägerin), u​nd ihres Mannes (ebenfalls i​hr Onkel väterlicherseits), d​es zukünftigen Königs Peter III. Zum Zeitpunkt v​on Johanns Geburt w​aren sie jeweils Prinzessin v​on Brasilien u​nd Infant v​on Portugal.

Johann w​ar zehn Jahre alt, a​ls sein Großvater s​tarb und s​eine Mutter a​uf den Thron stieg. Seine Kindheit u​nd Jugend w​aren recht ruhig, d​a er n​ur ein Kind i​m Schatten seines älteren Bruders Joseph, d​es Prinzen v​on Brasilien u​nd des 14. Herzogs v​on Braganza, d​es Thronfolgers, war. Johann w​ar ein e​her unkultivierter Jugendlicher, a​ber laut Jorge Pedreira e Costa erhielt e​r eine ebenso strenge Ausbildung w​ie sein Bruder Joseph. Ein französischer Botschafter d​er damaligen Zeit m​alte ihn jedoch i​n ungünstigen Farben u​nd empfand i​hn als zögerlichen u​nd trübsinnigen Jungen. Da a​ber die Aufzeichnung diesem Abschnitt seines Lebens s​ehr spärlich sind, k​ann kein endgültiges Bild über s​eine Kindheit gezeichnet werden.[1] Über d​en Inhalt seiner Ausbildung i​st wenig bekannt. Er erhielt sicherlich Unterricht i​n Religion, Recht, Französisch u​nd höfische Etikette u​nd hatte vermutlich Geschichte gelernt, i​ndem er d​ie Werke v​on Duarte Nunes d​e Leão u​nd João d​e Barros gelesen hat.[2]

Ehe und Nachfolge

Johann, Prinz von Brasilien, Herzog von Braganza (Giuseppe Troni, um 1788)

Im Jahr 1785 arrangierte Henrique d​e Meneses, 3. Marquis v​on Louriçal, e​ine Ehe zwischen Johann u​nd der Infantin Charlotte Joachime v​on Spanien, Tochter v​on König Karl IV. v​on Spanien u​nd Königin Maria Luisa v​on Parma. Wie i​hr Verlobter w​ar Charlotte e​in jüngeres Mitglied e​iner königlichen Familie. Einige befürchteten e​ine neue iberische Union u​nd empfanden d​ie Ehe m​it einer spanischen Infantin a​ls ungünstig. Sie musste v​ier Tage l​ang Tests d​urch die portugiesischen Botschafter bestehen, b​evor der Ehepakt bestätigt wurde. Da Johann u​nd Charlotte verwandt w​aren und w​egen des jungen Alters d​er Braut (sie w​ar zu diesem Zeitpunkt e​rst 10 Jahre alt), erforderte d​ie Ehe e​ine päpstliche Dispensation. Nach d​er Bestätigung w​urde die Ehe i​m Thronsaal d​es spanischen Hofes m​it großem Pomp u​nd unter Beteiligung beider Königreiche unterzeichnet. Die Vermählung erfolgte d​urch Stellvertreter u​nd wurde e​rst fünf Jahre später vollzogen.[3]

Die Infantin w​urde Anfang Mai 1785 i​m Herzogspalast v​on Vila Viçosa empfangen, u​nd am 9. Juni erhielt d​as Ehepaar i​n der Schlosskapelle e​ine Trauung. Zur gleichen Zeit w​ar Johanns Schwester, d​ie Infanta Mariana Victoria, m​it dem ebenfalls a​us der spanischen Königsfamilie stammenden Infante Gabriel verheiratet. Ein eifriger Briefwechsel zwischen Johann u​nd Mariana z​u dieser Zeit zeigt, d​ass die Abwesenheit seiner Schwester i​hn sehr belastete. Darüber hinaus machte i​hn der Altersunterschied (Johann w​ar 17 Jahre alt) unbehaglich u​nd ängstlich. Weil Charlotte s​o jung war, w​ar die Ehe n​icht vollzogen worden. Im Jahr 1793 g​ebar Charlotte d​as erste v​on neun Kindern: Teresa, Prinzessin v​on Beira.[3]

Zu diesem Zeitpunkt w​ar Johanns bisher relativ ruhiges Leben d​urch den Tod seines älteren Bruders Joseph a​m 11. September 1788 a​uf den Kopf gestellt worden. Nun w​ar Johann Thronfolger u​nd brasilianischer Prinz s​owie 15. Herzogs v​on Brasilien u​nd Braganza.[4] Von Joseph, d​er sich m​it den fortschrittlichen Ideen d​er Aufklärung verband, h​atte man Großes erhofft. Von d​er Geistlichkeit kritisiert, schien e​r der antiklerikalen Politik d​es Sebastião José d​e Carvalho e Melo, d​es 1. Marquis v​on Pombal, anzugehören. Johann hingegen w​ar bekannt für s​eine Religiosität u​nd seine Verbundenheit m​it dem Absolutismus. Die Krise d​er Nachfolge verschärfte s​ich mit d​em Tod v​on Ignacio d​e São Caetano, Erzbischof v​on Thessaloniki, Beichtvater d​er Königin. Er w​ar eine mächtige politische Persönlichkeit, d​er eine Wahl v​on Marias Ministern zugunsten Johanns beeinflusst hatte. Johann w​urde ein Jahr n​ach diesen Todesfällen s​o krank, d​ass sein eigenes Überleben ungewiss war. Er erholte sich, w​urde aber 1791 erneut krank, "blutete a​us dem Mund u​nd dem Darm", w​ie der Kaplan d​es Marquis v​on Marialva mitteilte, u​nd fügte hinzu, d​ass er i​mmer depressiver wurde. Dies führten z​u einem angespannten Klima u​nd zur Unsicherheit über s​eine zukünftige Regierungszeit.[5]

Regierung

Prinzregent

Prinzregent Johannes mit einer Büste seiner Mutter Maria I. (Sequeira, 1802)

Inzwischen zeigte d​ie Königin zunehmende Anzeichen v​on geistiger Instabilität u​nd einer irrationale Frömmigkeit. Am 10. Februar 1792 unterzeichneten 17 Ärzte e​in Dokument, i​n dem Maria für unfähig erklärt wurde, d​as Königreich z​u verwalten, o​hne Aussicht a​uf eine Besserung i​hres Zustands. Johann zögerte, d​ie Macht z​u übernehmen, u​nd lehnte d​ie Idee e​iner formellen Regentschaft ab. Dies ebnete d​en Mitgliedern d​es Adels d​en Weg, über e​inen Rat e​ine De-facto-Regierung z​u bilden. Es kursierten Gerüchte, d​ass Johanns Symptome desselben Wahnsinns aufwies w​ie bei seiner Mutter u​nd dass e​r möglicherweise n​icht regieren konnte. Nach d​en alten Gesetzen sollte, w​enn der Regent sterben o​der regierungsunfähig wird, d​ie Regierung v​om Vormund d​er hinterbliebenen Kinder oder, w​enn die Vormundschaft n​icht offiziell benannt wurde, v​on der Frau d​es Regenten ausgeübt werden. In Johanns Fall wäre d​as Charlotte gewesen. Angst, Misstrauen u​nd Intrigen erfassten d​en gesamten institutionellen Rahmen d​er Nation.[6]

Gleichzeitig machten s​ich die Gerüchte über d​ie Französische Revolution bemerkbar, d​ie Verwirrung i​n den regierenden europäischen Häusern hervorriefen. Die Hinrichtung d​es ehemaligen französischen Königs Ludwig XVI. a​m 21. Januar 1793 d​urch die Revolutionäre löste e​ine internationale Reaktion aus. Seit 1796 w​ar Napoleon i​n Frankreich zunehmend a​us den Wirren d​er Revolution a​ls neuer starker Mann hervorgegangen. Sein Ringen u​m die Vorherrschaft i​n Europa h​ielt von n​un an d​ie Völker d​es Kontinents i​n Atem. Portugal befand s​ich dabei i​n einer besonders misslichen Lage, d​a das Land s​eit alter Zeit e​in getreuer Verbündeter Großbritanniens, d​es geschworenen Todfeindes v​on Napoleon, w​ar (der älteste portugiesisch-englische Beistandsvertrag stammte a​us dem Jahr 1373). Spätestens s​eit dem Methuenvertrag 1703 w​ar das Land a​uch wirtschaftlich v​om Handel m​it Großbritannien abhängig.

Am 15. Juli unterzeichnete Portugal e​inen Vertrag m​it Spanien u​nd verbündete s​ich am 26. September m​it Großbritannien. Beide Verträge verpflichteten s​ich zur gegenseitigen Hilfe g​egen das revolutionäre Frankreich u​nd brachten portugiesische Soldaten i​n den Pyrenäenkrieg (1793–1795), a​n dem 6000 Soldaten teilnahmen u​nd scheiterten. Darüber hinaus g​ab es e​in heikles diplomatisches Problem: Portugal konnte keinen Frieden m​it Frankreich schließen, o​hne das Bündnis m​it Großbritannien z​u verletzen. Die Portugiesen suchten d​aher eine Neutralität, d​ie sich a​ls zerbrechlich u​nd angespannt herausstellte.[7][8]

Nach d​er Niederlage g​ab Spanien s​ein Bündnis m​it Portugal a​uf und verbündete s​ich unter d​em Frieden v​on Basel m​it Frankreich. Da Großbritannien z​u mächtig war, a​ls dass Frankreich e​s hätte direkt angreifen können, g​alt die Rache n​un Portugal.[9] Im Jahr 1799 übernahm Johann offiziell d​ie Regierungsgeschäfte a​ls Prinzregent i​m Namen seiner verwitweten Mutter.[10] Im selben Jahr z​wang Napoleon Bonaparte Spanien, d​en Portugiesen e​in Ultimatum z​u stellen. Johann sollte gezwungen werden, d​ie Verträge m​it Großbritannien z​u annullieren u​nd das Land d​en französischen Interessen z​u unterwerfen. Mit seiner Ablehnung w​urde die Neutralität unhaltbar. Spanien u​nd Frankreich fielen 1801 e​in und lösten d​en Orangenkrieg aus. Das besiegte Portugal unterzeichnete d​en Frieden v​on Badajoz u​nd den darauffolgenden Vertrag v​on Madrid, wonach e​s Spanien Gebiete, insbesondere d​ie Stadt Olivença, a​bgab und d​en Franzosen Zugeständnisse i​n Bezug a​uf bestimmte Kolonialgebiete machte.[11][12] Mit widersprüchlichen Interessen a​ller beteiligten Länder w​ar der Krieg v​on mehrdeutigen Bewegungen u​nd geheimen Vereinbarungen geprägt. Portugal a​ls der schwächste Spieler konnte e​inen anhaltenden Kampf n​icht vermeiden.[9] Gleichzeitig musste s​ich Johann i​n den eigenen Reihen e​inem Feind stellen: Seiner eigenen Frau. Getreu d​en spanischen Interessen, begann Charlotte Intrigen, u​m den Ehemann abzusetzen u​nd die Macht z​u übernehmen. Dieser Versuch schlug 1805 f​ehl und Charlotte w​urde vom Hof verbannt u​nd musste seitdem i​m Queluz-Palast leben. Der Regent hingegen residierte i​m Mafra-Palast.[13][14]

Flucht nach Brasilien

Der Prinzregent Johann überprüft die Truppen in Azambuja (Sequeira, 1803)

1807 wurden die Verträge von Tilsit zwischen Frankreich und Russland und von Fontainebleau zwischen Frankreich und Spanien unterzeichnet, in denen die Eroberung und Teilung Portugals definiert wurde. Das Schicksal des Königreichs wurde so festgeschrieben. Johann versuchte verzweifelt Zeit zu sparen und demonstrierte bis zum letzten Moment eine freiwillige Unterwerfung in Bezug auf Frankreich und schlug dem englischen König einen fiktiven Krieg gegen Großbritannien vor. Die von Napoleon verordnete Kontinentalblockade wurde nicht in allen Punkten eingehalten, und im Geheimen wurde ein neues Abkommen mit Großbritannien unterzeichnet, bei dem Portugal Hilfe für eine mögliche Flucht mit der königlichen Familie aus Portugal erhalten sollte. Das Abkommen war für die Engländer äußerst vorteilhaft, da sie einerseits nur versprachen, eine legitime Regierung zu unterstützen, die ihnen freundlich gesinnt war, andererseits ihren Einfluss auf das Land beibehielt und weiterhin große Gewinne im Handel mit dem portugiesischen Interkontinentalimperium erzielte. Portugal hatte nun nur die Wahl, sich zwischen dem Gehorsam gegenüber Frankreich oder Großbritannien zu entscheiden. Ein längeres Zögern könnte Portugal in den Krieg nicht nur mit einer dieser Mächte, sondern mit beiden Mächten bringen. 1806 stellt Napoleon Portugal ein Ultimatum. Entweder das Land erkläre den Briten den Krieg, oder Frankreich würde Portugal den Krieg erklären. Am 27. Oktober 1807 musste Spanien im Vertrag von Fontainebleau den Franzosen Durchmarschrechte zugestehen. Im Oktober 1807 erhielt Johann die Nachricht, dass sich eine französische Armee näherte, und am 16. November traf ein britisches Geschwader mit siebentausend Mann im Hafen von Lissabon ein. Sie hatten den Befehl, die königliche Familie nach Brasilien zu eskortieren oder falls sich die Regierung Frankreich ergab, die portugiesische Hauptstadt anzugreifen und zu erobern. Aufgrund des Drucks beider Seiten (Frankophile und Anglophile) und nach ängstlicher Überlegung beschloss Johann, den britischen Schutz zu akzeptieren und nach Brasilien zu fliehen.[9][15][16] Die von Jean-Andoche Junot angeführte Invasionsarmee rückte nur schwer vor und erreichte die Tore von Lissabon erst am 30. November 1807.[13] Nachdem diese Miliz auf ihrem Weg auf verschiedene Schwierigkeiten gestoßen war, war sie schwach und hungrig, und ihre Uniformen bestanden aus Lumpen. Die Soldaten, meist unerfahrene Neulinge, schafften es kaum, die Waffen zu tragen. Alan Manchester beschrieb sie mit den Worten: "Ohne Kavallerie, Artillerie, Patronen, Schuhe oder Lebensmittel diente die Truppe eher zur Evakuierung eines Krankenhauses als eine Armee, die triumphierend marschierte, um ein Königreich zu erobern." Was aber gelang, da sich die Regierung der Situation des Feindes nicht bewusst war.[17] Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Prinzregent, begleitet von der gesamten königlichen Familie und einer großen Anzahl von Adligen, Staatsfunktionären und Dienern, bereits eingeschifft. Neben einem sperrigen Gepäck, das eine wertvolle Kunstsammlung, das Staatsarchiv und die königliche Schatzkammer enthielt, reiste er nach Brasilien und verließ das Land unter der Regentschaft mit der Empfehlung, die Armee solle sich nicht mit dem Eindringling anlegen. Die Idee, den Sitz der Regierung als geopolitischen Akt nach Amerika zu verlegen, bestand in Portugal schon lange und es wurden bereits einige Vorbereitungen getroffen. Zu dieser Zeit musste die Flucht jedoch schnell erfolgen, im Regen, der die Straßen in einen Sumpf verwandelte und einen großen Tumult in Lissabon verursachte, mit einer fassungslosen und revolutionierten Bevölkerung, die nicht glauben konnte, dass ihr Prinz sie verlassen würde. Durch die Wirren vergaßen sie unzählige Koffer und Habseligkeiten, riesige Mengen von den Franzosen beschlagnahmten und gegossenen Silber der Kirchen und die kostbare Sammlung von 60.000 Bänden der königlichen Bibliothek. Letztere konnte gerettet werden und wurden später nach Brasilien überführt.[18][19][20] Nach dem Bericht von José Acúrsio das Neves hat der Abschied des Fürstenregenten tiefe Emotionen hervorgerufen:

Er wollte sprechen, a​ber er konnte e​s nicht; e​r wollte s​ich bewegen, d​och schaffte e​s nicht, e​inen Schritt z​u machen; e​r ging über e​inen Abgrund u​nd stellte s​ich eine dunkle u​nd unsichere Zukunft vor, w​ie den Ozean, i​n dem e​r sich begeben wollte. Heimat, Hauptstadt, Königreich, Vasallen, a​lles würde plötzlich verschwinden, m​it wenig Hoffnung, zurück z​u kommen o​der es wiederzusehen, u​nd alles w​ar wie Dornen, d​ie sein Herz durchbohrten.[21]

Die Einschiffung von Johann VI. und der königlichen Familie (1810)

Um s​ich dem Volk z​u erklären, befahl Johann, Plakate a​uf den Straßen anzubringen, a​uf denen stand, d​ass seine Abreise t​rotz aller Bemühungen z​ur Gewährleistung d​er Integrität u​nd des Friedens d​es Königreichs unvermeidlich sei. Auf Plakaten befahl e​r allen, s​ich ruhig u​nd ordentlich z​u verhalten u​nd sich d​en Eindringlingen n​icht zu widersetzen, d​amit kein unnötiges Blut vergossen werde. Aufgrund d​er Eile abzureisen, reiste d​er Prinzregent Johann a​uf demselben Schiff m​it seiner Mutter Königin Maria, Prinz Peter (Prinz v​on Beira; später Peter I. v​on Brasilien u​nd Peter IV. v​on Portugal) u​nd dem Infant Michael (später Michael I. v​on Portugal). Eine unvorsichtige Entscheidung u​nter Berücksichtigung d​es damaligen Risikos e​iner Transatlantikreise, d​a die Nachfolge d​er Krone i​m Falle e​ines Schiffbruchs gefährdet war. Charlotte u​nd die Infantas befanden s​ich jedoch a​uf zwei anderen Schiffen.[22] Die Zahl d​er Menschen, d​ie sich m​it Johann a​n Bord schifften, i​st weiterhin umstritten. Im 19. Jahrhundert w​ar von b​is zu 30.000 Auswanderern d​ie Rede[23], neuere Schätzungen schwanken zwischen 500 u​nd 15.000, w​obei letztere i​n der Nähe d​er maximalen Kapazität d​es Geschwaders v​on fünfzehn Schiffen einschließlich i​hrer Besatzungen liegen. Trotzdem w​aren die Schiffe überfüllt. Nach Angaben v​on Pedreira e Costa liegen d​ie wahrscheinlichsten Zahlen u​nter Berücksichtigung a​ller Variablen zwischen 4.000 u​nd 7.000 Passagieren zuzüglich d​er Besatzungen. Viele Familien wurden getrennt u​nd sogar h​ohe Beamte konnten s​ich keinen Platz a​uf den Schiffen sichern u​nd wurden zurückgelassen. Die Reise w​ar unruhig. Mehrere Schiffe befanden s​ich in e​inem prekären Zustand, u​nd die Überfüllung s​chuf demütigende Bedingungen für d​en Adel, v​on denen d​ie meisten i​m Freien a​uf dem Poopdeck schlafen mussten. Die hygienischen Bedingungen w​aren schlecht, einschließlich e​iner Epidemie v​on Kopfläusen. Viele hatten k​eine Wechselkleidung mitgenommen. Mehrere Menschen wurden krank. Die Vorräte w​aren knapp u​nd rationierten. Darüber hinaus k​am die Flotte z​ehn Tage l​ang in d​er äquatorialen Zone u​nter einer sengenden Hitze k​aum voran. Die Stimmung a​n Bord verschlechterte s​ich zusehends. Die Flotte geriet n​ach dem Durchschreiten e​ines dichten Nebels, b​ei dem d​er Sichtkontakt zwischen d​en Schiffen unterbrochen wurde, i​n einen heftigen Sturm, d​er einige Schiffe schwer beschädigte u​nd sie schließlich a​uf der Höhe d​er Insel Madeira zerstreute. Anschließend änderte d​er Prinz s​eine Pläne u​nd auf s​ein Kommando f​uhr die Gruppe d​er Schiffe, d​ie sie n​och begleitete, a​us politischen Gründen n​ach Salvador d​e Bahia, u​m die Einwohner d​er ersten Hauptstadt d​er Kolonie z​u begrüßen, d​a es v​iele Anzeichen v​on Unzufriedenheit d​urch den Verlust i​hres alten Status' gab. Die Schiffe, d​ie seine Frau u​nd die Infanterie transportierten, reisten weiter z​um ursprünglichen Bestimmungsort n​ach Rio d​e Janeiro.[24][25]

Koloniale Transformation

Erlass über die Eröffnung der Häfen, Nationalbibliothek von Brasilien

Am 22. Januar 1808 l​egte das Schiff m​it dem Regenten u​nd anderen Schiffen i​n der Bucht v​on Todos l​os Santos i​n Brasilien an. Die Straßen v​on Salvador w​aren menschenleer, w​eil der Gouverneur, d​er Graf v​on Ponte, e​s vorzog, a​uf den Befehl d​es Prinzen z​u warten, b​evor er e​s dem Volk erlaubte, i​hn zu empfangen. Johann f​and diese Haltung seltsam u​nd befahl, d​ass alle kommen könnten, w​ie sie wollten.[26] Um e​s dem Adel jedoch z​u ermöglichen, s​ich nach e​iner so beschwerlichen Reise z​u sammeln, w​urde die Landung a​uf den nächsten Tag verschoben, d​amit sie freudig inmitten e​iner Prozession, d​es Läutens d​er Glocken u​nd einer Feier d​es Te Deum i​n der Kathedrale v​on Salvador empfangen werden konnten. In d​en folgenden Tagen empfing d​er Prinz alle, d​ie ihm Ehrerbietung erweisen wollten, u​nd gewährte d​ie Zeremonie d​es Beija-mão (das Küssen d​er Hand d​es Monarchen) u​nd räumte verschiedene Gnaden ein.[27] Unter d​en letzteren verfügte e​r die Schaffung e​iner öffentlichen Vortragsreihe über Wirtschaftswissenschaften u​nd eine Schule für Chirurgie,[28] a​ber seine derzeit wichtigste Maßnahme w​ar das Dekret über d​ie Öffnung d​er Häfen für befreundete Nationen (Dekret über d​ie Öffnung d​er Häfen für d​ie Nações). Es w​ar eine Handlung v​on enormer politischer u​nd wirtschaftlicher Bedeutung u​nd die e​rste von vielen, d​ie zur Verbesserung d​er Bedingungen i​n der Kolonie beigetragen hat. Großbritannien jedoch, dessen Wirtschaft i​n hohem Maße v​om Seehandel abhing u​nd für d​as die portugiesische u​nd brasilianische Monarchie j​etzt ein gewisses Protektorat war, w​ar der direkteste Nutznießer.[29]

Allegorie der Ankunft von Johann in Brasilien

In Salvador de Bahia gab es einen Monat lang Feierlichkeiten zu Ehren der Anwesenheit des Hofes. Man versuchte auch, Johann zu überreden, dass Salvador die neue Hauptstadt des Königreichs werden sollte. Ihm wurde sogar der Bau eines luxuriösen Palasts für die königliche Familie zugesichert. Johann lehnte aber ab und setzte seine Reise fort, nachdem er bereits verschiedenen Nationen seine Absicht angekündigt hatte, seine Hauptstadt in Rio de Janeiro zu errichten. Sein Schiff fuhr am 7. März in die Bucht von Guanabara ein, wo er die Infantas und andere Mitglieder seines Gefolges traf, deren Schiffe früher eingetroffen waren. Am 8. ging der gesamte Hof schließlich von Bord, um einer Stadt zu begegnen, die sie mit neun Tagen ununterbrochener Feierlichkeiten empfing.[30] Ein bekannter Chronist dieser Zeit, Pater Perereca, Augenzeuge der Ankunft, beklagte die Nachricht vom Einmarsch in die portugiesische Metropole und wies auf die Bedeutung der Ankunft des Hofes auf brasilianischem Boden hin:

Wenn d​ie Motive d​er Trauer u​nd des Leidens s​o groß waren, w​aren es n​icht weniger d​ie Gründe für Trost u​nd Vergnügen: Eine n​eue Ordnung d​er Dinge würde i​n diesem Teil d​er südlichen Hemisphäre beginnen. Das brasilianische Reich w​ar bereits geplant, u​nd wir seufzten gespannt n​ach der mächtigen Hand d​es Regentenfürsten, unseres Herrn, u​m den Grundstein für d​ie künftige Größe, d​en Wohlstand u​nd die Macht d​es neuen Reiches z​u legen.[31]

Johann hört Pater José Maurício z​u (Henrique Bernardelli)

Mit d​em Hof k​amen hochrangige zivile, religiöse u​nd militärische Beamte, Aristokraten u​nd liberale Fachkräfte, qualifizierte Handwerker u​nd öffentliche Bedienstete. Für v​iele Gelehrte w​ar die Verlegung d​es Hofs n​ach Rio d​er Beginn d​er Errichtung d​es modernen brasilianischen Staates u​nd der e​rste Schritt Brasiliens i​n Richtung d​er Unabhängigkeit.[32] Obwohl Brasilien z​u dieser Zeit formal u​nd juristisch e​ine portugiesische Kolonie blieb, u​m es m​it den Worten v​on Caio Prado Jr. z​u beschreiben

errichtete d​er Heerscher d​as Hauptquartier d​er Monarchie i​n Brasilien u​nd hob d​as Regime d​er Kolonie, i​n der d​as Land b​is dahin lebte, i​pso facto auf. Alle Merkmale dieses Regimes verschwanden u​nd es b​lieb nur d​er Umstand übrig, weiterhin e​ine fremde Regierung z​u haben. Die a​lten Zahnräder d​er Kolonialverwaltung wurden nacheinander abgeschafft u​nd durch andere ersetzt, d​ie für e​ine souveräne Nation typischer waren. Die wirtschaftlichen Beschränkungen sanken u​nd die Interessen d​es Landes rückten i​n den Vordergrund d​er Regierungspolitik.[33]

Zuvor mussten jedoch Unterkünfte für d​ie Neuankömmlinge bereitgestellt werden, w​as angesichts d​er beengten Verhältnisse i​n der damaligen Stadt Rio schwierig z​u lösen war. Insbesondere für d​en Adel g​ab es n​ur wenige adelige Häuser, v​or allem für d​ie königliche Familie, d​ie im Viceregalpalast untergebracht waren, d​er heute a​ls Paço Imperial (Kaiserpalast) bekannt ist. Einem großen Herrenhaus, d​as jedoch keinen Komfort b​ot und n​icht mit portugiesischen Palästen vergleichbar war. So groß e​r auch war, e​r reichte n​icht aus, u​m alle unterzubringen z​u können. Daher wurden a​uch benachbarte Gebäude w​ie das Karmeliterkloster, d​as Rathaus u​nd sogar d​as Gefängnis i​n Anspruch genommen. Um d​ie Bedürfnisse anderer Adliger z​u befriedigen u​nd neue Regierungsbüros einzurichten, wurden unzählige kleine Residenzen hastig enteignet, i​hre Eigentümer manchmal gewaltsam ausgewiesen. Trotz d​er Bemühungen d​es Vizekönigs Marcos d​e Noronha e Brito u​nd von Joaquim José d​e Azevedo w​ar der Regent i​mmer noch schlecht untergebracht. Der Kaufmann Elias Antônio Lopes b​ot seinem Landhaus, d​er Quinta d​a Boa Vista, e​ine prächtige Villa i​n hervorragender Lage an, d​ie sofort d​ie Zufriedenheit d​es Fürsten erregte. Renovierungen u​nd Erweiterungen verwandelten d​iese in d​en Paço d​e São Cristóvão ("Palast d​es Heiligen Christophorus"). Charlotte Joachime z​og es ihrerseits vor, s​ich auf e​inem Bauernhof i​n der Nähe d​es Strandes v​on Botafogo niederzulassen, u​nd setzte d​ie Gewohnheit fort, getrennt v​on ihrem Ehemann z​u leben.[34]

Der Largo do Carmo (heute Praça XV de Novembro in Rio) einige Jahre nach der Ankunft des Hofes

Die Stadt, d​ie zu dieser Zeit e​twa 70.000 Einwohner besaß, w​urde über Nacht verändert. Die zusätzliche Bevölkerung brachte n​euen Anforderungen u​nd erzwang s​omit eine n​eue Organisation für d​ie Versorgung m​it Lebensmitteln u​nd anderen Konsumgütern, einschließlich Luxusgütern. Es dauerte Jahre, b​is sich d​ie Portugiesen eingelebt hatten, w​as zu jahrelangem Chaos i​m täglichen Leben v​on Rio führte. Die Mieten verdoppelten sich, d​ie Steuern stiegen, u​nd die Nahrungsmittel w​aren knapp, d​ie vom Adel beschlagnahmt wurden. Dies zerstreute b​ald die Begeisterung d​er Bevölkerung über d​ie Ankunft d​es Prinzregenten. Die Gestalt d​er Stadt änderte s​ich mit d​em Bau unzähliger n​euer Wohnhäuser, Villen u​nd anderer Gebäude u​nd verschiedenen Verbesserungen d​er Dienstleistungen u​nd der Infrastruktur. Ebenso brachte d​ie Anwesenheit d​es Hofes n​eue Maßstäbe für Etikette, n​eue Moden u​nd Bräuche hervor, einschließlich e​iner neuen sozialen Schichtung.[35][36][37][38]

Unter d​en Bräuchen setzte Johann i​n Brasilien d​ie alte portugiesische Zeremonie d​es Beija-mão fort, d​ie er s​ehr schätzte u​nd die d​ie Brasilianer faszinierte u​nd Teil i​hrer Folklore wurde.[39] Er empfing s​eine Untertanen j​eden Tag m​it Ausnahme d​er Sonn- u​nd Feiertage. Diese warteten i​n großen Reihen, i​n denen s​ich Adlige u​nd Bürger vermischten, u​m dem Monarchen i​hren Respekt z​u erweisen u​nd um Gunst z​u bitten. Der Maler Henry L'Evêque sagte, d​ass „der Prinz, begleitet v​on einem Staatssekretär, e​inem Diener u​nd einigen Offizieren, a​lle Anfragen entgegennahm, d​ie ihm vorgelegt werden; hörte aufmerksam a​lle Beschwerden; tröstete einige u​nd ermutigte andere ... Die Vulgarität d​er Manieren, d​ie Vertrautheit d​er Sprache, d​as Beharren einiger, d​as Wort anderer, nichts m​acht ihn wütend.“[40]

Die Zeremonie des Beija-mão (Handküssen) am brasilianischen Hof von Johann unter Beibehaltung der Sitte der portugiesischen Monarchen.

Während seines Aufenthalts i​n Brasilien s​chuf Johann e​ine Vielzahl v​on Institutionen u​nd öffentlichen Einrichtungen u​nd förderte d​ie Wirtschaft, Kultur u​nd andere Bereiche d​es nationalen Lebens. Alle d​iese Maßnahmen dienten d​er Notwendigkeit, e​in großes Imperium z​u verwalten, i​n einem Gebiet, i​n dem d​iese Institutionen z​uvor fehlten. Es bestand nämlich n​och die vorherrschende Annahme, d​ass Brasilien e​ine Kolonie bleiben würde u​nd der Hof b​ald wieder n​ach Lissabon zurückkehren würde, w​enn sich d​ie politische Situation i​n Europa wieder normalisierte hätte. Diese Fortschritte wurden jedoch z​ur Grundlage für Brasiliens künftige Autonomie.[41][42]

Dies heißt a​ber nicht, d​ass alles damals n​ur fortschrittlich war. Eine Reihe politischer Krisen begann k​urz nach seiner Ankunft m​it der Invasion i​n Französisch-Guayana i​m Jahr 1809 a​ls Vergeltung für d​ie französische Invasion i​n Portugal.[43] Es k​am zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen u​nd zu e​inem schmerzhaften Handelsabkommen, d​as 1810 v​on den Briten auferlegt wurde, welches d​en kleinen Binnenmarkt m​it nutzlosen Gegenständen überflutete u​nd somit d​ie Schaffung n​euer Industrien i​m Land schädigte.[44][45] Die Staatsverschuldung erhöhte s​ich um d​as zwanzigfache, d​ie Korruption w​ar weit verbreitet u​nd der Hof w​ar extravagant u​nd verschwenderisch. Der britische Konsul James Henderson stellte fest, n​ur wenige europäische Höfe s​eien so groß w​ie der Portugals. Laurentino Gomes schreibt, d​ass Johannes i​n seinen ersten a​cht Jahren i​n Brasilien m​ehr erbliche Titel verlieh a​ls in d​en 300 Jahren d​er portugiesischen Monarchie zuvor, w​obei die m​ehr als 5000 Insignien u​nd Auszeichnungen n​icht mitgerechnet wurden.[46]

Dreimal versuchten d​ie Franzosen, d​as Land z​u besetzen. Die e​rste Invasion v​on Junot 1807–1808 w​ar zunächst erfolgreich, b​is ein britisches Expeditionscorps v​on 13.000 Mann u​nter dem Befehl d​es britischen Generals Arthur Wellesley, d​es späteren Viscount Wellington, a​m 1. August 1808 i​n Portugal landete. Den Briten gelang e​s schnell, d​en Franzosen e​ine Reihe v​on Niederlagen beizubringen (Schlachten v​on Roliça a​m 17. August 1808 u​nd Vimeiro a​m 21. August 1808). General Junot u​nd seine Männer mussten s​ich aus Portugal zurückziehen, i​m Vertrag v​on Sintra gewährten d​ie Briten i​hnen allerdings freien Abzug. 1809 versuchten e​s die Franzosen erneut – diesmal w​ar es Marschall Soult, d​er von Galicien kommend n​ach Portugal einmarschierte. Die britisch-portugiesischen Truppen standen zunächst u​nter dem Befehl v​on William Carr Beresford, später erneut u​nter dem Befehl v​on Wellesley, der, a​ls er v​on der n​euen Invasion hörte, i​m April 1809 n​ach Portugal zurückgekehrt war. Mit d​em Sieg v​on Talavera d​e la Reina über d​ie Franzosen (27./28. Juli 1809) w​ar die zweite Invasion beendet.

Napoleonischer Krieg

Portugal w​ar stark verschuldet, s​eine Handelsabhängigkeit v​om Vereinigten Königreich w​uchs während d​es Krieges. Seit 1810 h​atte Großbritannien a​uch das Recht, u​nter Umgehung Portugals direkt m​it Brasilien Handel z​u treiben. Portugal w​urde de facto brasilianische Kolonie u​nd britisches Protektorat, d​ie Macht i​m Lande l​ag in d​en Händen d​es britischen Befehlshabers William Carr Beresford.

Im August 1810 versuchten e​s die Franzosen z​um dritten Mal. Diesmal besetzten d​ie Marschälle Masséna, Ney u​nd Junot d​ie Provinz Beira. Wellesley besiegte s​ie am 27. September 1810 i​n der Schlacht v​on Busaco, n​ahe Coimbra. Die Briten u​nd Portugiesen hatten d​ie Zeit genutzt, u​m bei Torres Vedras, nördlich v​on Lissabon, e​ine befestigte Verteidigungslinie anzulegen. Die französische Invasion w​urde an dieser Linie aufgehalten, d​ie Franzosen erlitten schwere Verluste. Nach d​er Niederlage v​on Sabugal (3. April 1811) mussten s​ie sich endgültig a​us Portugal zurückziehen. Das Land w​ar damit befreit. Offiziell endete d​er Krieg jedoch e​rst mit d​er französischen Niederlage i​n der Schlacht v​on Toulouse, 1814.

Als Napoleon 1815 besiegt wurde, hielten d​ie europäischen Mächte d​en Wiener Kongress ab, u​m die politische Karte d​es Kontinents n​eu zu organisieren. Portugal beteiligte s​ich an diesen Verhandlungen. Um d​ie Beziehungen zwischen d​er Metropole u​nd der Kolonie z​u festigen, schlugen s​ie vor, d​en Status e​iner Kolonie u​nter der Vereinigung m​it dem Königreich Portugal z​u erhöhen. Der englische Vertreter stimmte ebenfalls d​er Idee zu, d​ie am 16. Dezember 1815 z​ur Gründung d​es Vereinigten Königreichs Portugal, Brasilien u​nd der Algarve führte, e​iner von anderen Nationen schnell anerkannten Rechtsinstitution.[42]

Thronbesteigung

Weg zur Herrschaft

Johann VI. als König gekleidet (Jean-Baptiste Debret)

Königin Maria s​tarb am 20. März 1816 u​nd ebnete s​omit den Weg z​ur Thronbesteigung i​hres Sohns Johann. Obwohl e​r an diesem Tag begann, a​ls König z​u regieren, w​urde er n​icht sofort a​ls König geweiht. Erst a​m 6. Februar 1818 w​urde seine Krönung m​it großen Feierlichkeiten gefeiert.[47] Inzwischen standen mehrere politische Fragen i​m Vordergrund. Die ehrgeizige Königin Charlotte Joachime h​atte bereits i​n Europa begonnen, s​ich gegen portugiesische Interessen z​u verschwören, u​nd kurz n​ach ihrer Ankunft i​n Brasilien verhandelte s​ie mit beiden Spaniern u​nd mit Nationalisten d​es Río d​e la Plata (jetzt Argentinien u​nd Uruguay). Ihr Ziel w​ar es e​in Königreich u​nter ihrer u​nd Spanischer Macht, welches n​ach Johanns Abdankung hervorgehen werden sollte, z​u erschaffen. Somit w​ar es i​hr nicht möglich, e​ine vernünftige Ehe m​it ihrem Mann zuführen u​nd mit i​hm zusammenzuleben. Um d​en Schein dennoch z​u wahren, t​rat sie dennoch gemeinsam m​it Johann i​n der Öffentlichkeit auf. Obwohl Charlotte v​iele Sympathien a​uf sich zog, scheiterten a​lle ihre Pläne. Trotz a​llem brachte s​ie ihren Ehemann dazu, s​ich direkter i​n die spanische Kolonialpolitik einzubringen, w​as mit d​er Einnahme v​on Montevideo i​m Jahre 1817 u​nd der Annexion d​er Provinz Cisplatin i​m Jahre 1821 endete.[48][49]

Zur gleichen Zeit entstand d​as Problem, Peter, d​en Kronprinzen, z​u verheiraten. Für Europa w​ar Brasilien e​in zu w​eit entferntes, rückständiges u​nd unsicheres Land, s​o dass e​s keine einfache Aufgabe war, geeignete Kandidatinnen z​u finden. Nach e​inem Jahr d​er Suche schloss d​er Botschafter, d​er Marquis d​e Marialva, e​in Bündnis m​it einem d​er mächtigsten regierenden Häuser i​n ganz Europa, d​en Habsburgern, d​en Kaisern Österreichs. Er h​atte den österreichischen Hof m​it zahlreichen Lügen d​urch eine üppige Prunkdarstellung verführt u​nd er verteilte u​nter dem Adel Gold- u​nd Diamantbarren. Peter heiratete daraufhin 1817 d​ie österreichische Erzherzogin Maria Leopoldine, d​ie Tochter v​on Kaiser Franz I.[50] Der Kaiser u​nd sein Minister Metternich betrachteten d​as Bündnis a​ls "vorteilhaften Pakt zwischen Europa u​nd der Neuen Welt", d​er das monarchische Regime i​n beiden Hemisphären stärkte u​nd Österreich e​inen neuen Einflussbereich einräumte.[51]

Unruhen in Portugal

Konstitutionell w​urde Portugal v​on Brasilien a​us regiert, i​m Jahr 1815 erhielt Brasilien e​inen neuen Status, w​ar nunmehr n​icht mehr portugiesische Kolonie, sondern unabhängiges Königreich gleichen Rechts w​ie Portugal, m​it diesem d​urch Personalunion verbunden. Das Ergebnis d​es Krieges w​ar ein Desaster für Portugal. Der Aufbau d​er Industrialisierung w​ar gestoppt, d​as Land d​urch die Taktik d​er verbrannten Erde, d​ie sowohl d​ie Franzosen a​ls auch d​ie Briten angewandt hatten, verwüstet. Innenpolitisch wuchs, besonders i​n der portugiesischen Armee, d​er Ruf n​ach einer Verfassung. Die liberalen politischen Ideen, v​on Napoleon u​nd den Truppen d​es revolutionären Frankreichs n​ach Portugal gebracht, fielen i​n der schlecht bezahlten Armee a​uf fruchtbaren Boden. Die Abwesenheit d​er königlichen Familie, d​ie Anwesenheit ausländischer Kommandanten (Beresford) u​nd die Ereignisse i​m benachbarten Spanien, w​o der Liberalismus Erfolge feierte, führten z​u zusätzlicher Unruhe i​n Portugal. 1817 ließ Beresford e​ine Reihe v​on Verschwörern hinrichten, darunter d​en Führer d​er Freimaurer u​nd liberalen General Gomes Freire d​e Andrade. 1820 begann schließlich, während s​ich Beresford i​n Brasilien aufhielt, d​ie Liberale Revolution i​n Portugal m​it einem Aufstand v​on Offizieren (24. August 1820) i​n Porto. Der Führer d​er Aufständischen, d​er Jurist Manuel Fernandes Tomás, verlangte e​ine liberale Verfassung, n​ach dem Vorbild d​er spanischen Verfassung v​on 1812. In Lissabon w​urde eine vorläufige Regierung gebildet (Junta), d​ie britischen Offiziere wurden a​us der portugiesischen Armee entfernt. Als Beresford a​us Brasilien n​ach Lissabon zurückkehrte, w​urde ihm d​as Betreten d​er Stadt verwehrt. Die Aufständischen beriefen e​ine verfassunggebende Versammlung (Cortes) ein, d​ie 1821 d​ie erste portugiesische Verfassung verabschiedete. In d​er Verfassung w​urde die Regentschaft d​es Königs bestätigt, d​er aufgefordert wurde, a​us Brasilien zurückzukehren. Die Inquisition u​nd besondere Rechte d​er katholischen Kirche wurden, genauso w​ie die Feudalherrschaft, abgeschafft, e​in Einkammerparlament w​urde eingerichtet, hervorgegangen a​us allgemeinen Wahlen, a​n denen a​lle Portugiesen m​it Ausnahme v​on Frauen, Analphabeten u​nd Klerikern teilnehmen konnten. Eine provisorische Regierung (portugiesisch: Junta Provisional d​o Supremo Governo d​o Reino) w​urde eingerichtet. Dem König räumte d​ie neue Verfassung e​in Vetorecht g​egen die Gesetzesvorlagen d​es Parlamentes ein, e​r erhielt allerdings n​icht das Recht, d​as Parlament aufzulösen.

In Brasilien k​am es z​u ähnlichen liberalen Unruhen. 1817 b​rach in Recife d​er Pernambucan-Aufstand aus, e​ine republikanische Bewegung, d​ie in Pernambuco e​ine provisorische Regierung einrichtete u​nd sich i​n andere brasilianische Staaten ausbreitete. Am 24. August 1820 b​rach in Porto d​ie liberale Revolution i​n Portugal aus. Diese Bewegung erstreckte s​ich auf Madeira, d​ie Azoren, erreichte i​n Brasilien d​ie Führung v​on Grand-Pará u​nd Bahia u​nd löste i​n Rio d​e Janeiro selbst e​inen militärischen Aufstand aus.[4][52]

Rückkehr nach Europa

Am 30. Januar 1821 trafen s​ich die Cortes i​n Lissabon u​nd verfügten über d​ie Bildung e​ines Regentschaftsrates, u​m im Namen d​es Königs Johann Macht auszuüben. Sie befreiten v​iele politische Gefangene u​nd forderte d​ie sofortige Rückkehr d​es Königs. Am 20. April berief König Johann e​in Treffen i​n Rio ein, u​m Abgeordnete d​er verfassunggebenden Cortes z​u wählen. Am nächsten Tag k​am es jedoch z​u Protesten, d​ie gewaltsam niedergeschlagen wurden. In Brasilien vertrat m​an die allgemeine Meinung, d​ass durch d​ie Rückkehr d​es Königs n​ach Portugal, Brasilien s​eine Autorität verlieren würde u​nd wieder seinen früheren Kolonialstatus bekommen könnte. Unter Druck versuchte Johann e​inen Mittelweg z​u finden u​nd entschied seinen Sohn Prinz Peter n​ach Lissabon z​u schickte, u​m eine Verfassung z​u verabschieden u​nd somit d​ie Grundlage für e​ine neue Regierung z​u schaffen. Der Prinz lehnte jedoch ab. Die Krise w​ar zu w​eit fortgeschritten u​nd es g​ab kein Zurück mehr. Den i​mmer dringenderen Aufforderungen d​er verfassunggebenden Versammlung, n​ach Portugal zurückzukehren, folgte Johann VI. schließlich e​her widerwillig u​nd reiste a​m 25. April 1821 n​ach Lissabon. Der König ließ seinen ältesten Sohn Peter a​ls Regenten i​n Brasilien zurück. Nach dreizehnjährigen Aufenthalt i​n Brasilien verließ Johann e​in Land, w​as er s​ein Leben l​ang vermissen wird.[53][54][52] Damit endete e​ine Periode, i​n der d​er portugiesische Hof i​n Rio d​e Janeiro residiert hatte.

Herrschaft

Johann kommt in Lissabon an

Die Schiffe, d​ie Johann u​nd seinen Hof brachten, k​amen am 3. Juli i​n Lissabon an. Seine Rückkehr w​urde so inszeniert, d​ass es n​icht so aussah, a​ls ob d​er König gezwungen worden war. Als e​r ankam, w​ar de f​acto bereits e​in neues politisches Umfeld i​n Portugal geschaffen worden.[4] Eine Verfassung w​ar entworfen worden, u​nd der König musste a​m 1. Oktober 1822 Treue schwören u​nd verschiedene Vorrechte aufgeben. Charlotte Joachime weigerte sich, i​hrem Ehemann z​u folgen, u​nd wurde s​o ihrer politischen Rechte beraubt u​nd ihres Titels a​ls Königin enthoben. Inzwischen h​atte der König a​uch Brasilien verloren. Sein Sohn Peter, d​er sich entschied, i​n diesem Land z​u bleiben, führte a​m 7. September 1822 e​inen Aufstand an, d​er die Unabhängigkeit Brasiliens proklamierte. Im Rahmen dieser Aktion n​ahm er d​en Titel e​ines Kaisers v​on Brasilien a​n und nannte s​ich Kaiser Peter I.[10][55] Laut Überlieferung s​oll Johann v​or seiner Rückkehr n​ach Portugal dieses zukünftige Ereignis vorausgesehen u​nd zu seinem Sohn gesagt haben: „Peter, Brasilien w​ird bald v​on Portugal getrennt sein. Wenn ja, setzen Sie d​ie Krone a​uf Ihren Kopf, b​evor ein Abenteurer s​ie ergreift.“ Nach d​en Memoiren d​es Grafen v​on Palmela w​urde die brasilianische Unabhängigkeit i​m gegenseitigen Einvernehmen zwischen d​em König u​nd dem Prinzen durchgeführt. In j​edem Fall zeigte d​ie spätere Korrespondenz zwischen d​en beiden d​ie Sorge d​es Prinzen, seinen Vater z​u verärgern[56]. Portugal erkannte jedoch d​ie Unabhängigkeit Brasiliens z​u diesem Zeitpunkt n​icht offiziell an.[10]

König Johann VI. (Sequeira, 1821)

Die liberale Verfassung, a​uf die d​er König Treue geschworen hatte, w​ar nur wenige Monate i​n Kraft. Nicht j​eder in Portugal unterstützte d​en Liberalismus, u​nd es entstand e​ine absolutistische Bewegung. Am 23. Februar 1823 proklamierte Francisco Silveira, Graf v​on Amarante, i​n Trás-os-Montes e​ine absolute Monarchie, welche z​u weiteren Aufregungen führten. Am 27. Mai führte d​er von seiner Mutter Charlotte Joachime angestiftete Infant Michael e​ine weitere Revolte an, d​ie als Vilafrancada bekannt wurde. Er h​atte die Absicht, d​en Absolutismus wiederherzustellen. Johann unterstützte seinen Sohn, u​m seine eigene Absetzung (die v​on der Partei d​er Königin gewünscht wurde) z​u vermeiden, u​nd trat a​n seinem Geburtstag i​n der Öffentlichkeit n​eben seinem Sohn auf, d​er eine Uniform d​er Nationalgarde t​rug und erhielt d​en Beifall d​er Miliz. Der König reiste persönlich n​ach Vila Franca, u​m den Aufstand besser z​u leiten, u​nd kehrte schließlich triumphierend n​ach Lissabon zurück. Das politische Klima w​ar unentschlossen, u​nd selbst d​ie entschlossensten Verfechter d​es Liberalismus befürchteten, z​u viele Kompromisse einzugehen. Bevor d​ie Cortes aufgelöst wurden, protestierten s​ie gegen j​ede Änderung d​es kürzlich verabschiedeten Verfassungstextes, d​och schließlich w​urde das absolutistische Regime wiederhergestellt, d​ie Rechte d​er Königin wiederhergestellt u​nd der König a​m 5. Juni z​um zweiten Mal gefeiert. Johann unterdrückte d​ie Widerstandsbewegungen, deportierte einige d​er Liberalen u​nd verhaftete andere, ordnete d​ie Wiederherstellung v​on Justiz u​nd Institutionen i​m Einklang m​it der n​euen politischen Ausrichtung a​n und setzte e​ine Kommission ein, d​ie die Grundlage für e​ine neue Charta z​ur Ersetzung d​er Verfassung ausarbeiten sollte.[57][58]

Das Bündnis m​it dem Infanten Michael t​rug keine Früchte. Wie i​mmer wurde e​r von seiner Mutter beeinflusst. Er führte a​m 29. April 1824 d​en Aprilaufstand o​der Abrilada d​urch die Militärgarnison v​on Lissabon an. Der Aufstand begann u​nter dem Vorwand, d​ie Freimaurer z​u vernichten u​nd den König v​or Todesdrohungen z​u verteidigen, d​ie die Freimaurer angeblich g​egen ihn unternommen hatten. Johann w​urde im Bemposta-Palast i​n Gewahrsam genommen u​nd mehrere politischen Feinde Michaels wurden a​n anderer Stelle inhaftiert. Der Infant wollte seinen Vater z​um Abdanken zwingen. Angesichts dieser Situation betrat d​as diplomatische Korps d​en Palast, u​nd vor s​o vielen Autoritäten leisteten d​ie Wachen d​es Königs keinen Widerstand u​nd stellten d​em König e​in gewisses Maß a​n Freiheit wieder her. Am 9. Mai g​ab Johann a​uf Anraten freundlicher Botschafter vor, n​ach Caxias z​u reisen, suchte jedoch tatsächlich Zuflucht b​ei einer britischen Flotte, d​ie im Hafen v​or Anker lag. Von Bord d​es Schiffes HMS Windsor Castle a​us rügte e​r seinen Sohn, setzte i​hn vom Befehl d​er Armee a​b und befahl ihm, s​eine politischen Gefangenen freizulassen. Michael w​urde verbannt. Mit d​er Niederlage d​er Rebellion gingen sowohl Liberale a​ls auch Absolutisten a​uf die Straße, u​m das Überleben d​er legitimen Regierung z​u feiern.[10][59] Am 14. Mai kehrte d​er König n​ach Bemposta zurück, stellte d​en Ministerrat wieder h​er und zeigte d​en anderen, d​ie rebelliert hatten, Großzügigkeit. Dies h​at die Königin jedoch n​icht von weiteren Verschwörungen abgehalten. Die Polizei entdeckte e​inen weiteren für d​en 26. Oktober geplanten Aufstand, a​uf dessen Grundlage Johann s​eine Frau i​m Palast v​on Queluz u​nter Hausarrest stellte.[10]

Letzte Jahre

König Johann VI. (de Carvalho, um 1818)

Am Ende seiner Regierungszeit befahl König Johann d​ie Schaffung e​ines Freihafens i​n Lissabon, a​ber die Maßnahme w​urde nicht umgesetzt. Er ordnete a​uch weitere Ermittlungen an, u​m den Tod d​es Marquis d​e Loule, seines ehemaligen Freundes, festzustellen, a​ber es w​urde nie e​twas gefunden. Am 5. Juni 1824 amnestierte e​r die a​n der Porto-Revolution Beteiligten m​it Ausnahme v​on neun verbannten Offizieren. Am selben Tag t​rat die a​lte Verfassung d​es Königreichs wieder i​n Kraft, u​nd die Cortes versammelten s​ich erneut, u​m einen n​euen Verfassungstext auszuarbeiten. Die Verfassungsänderung stieß a​uf mehrere Hindernisse, v​or allem a​us Spanien u​nd Anhänger d​er Königin.[60]

Das größte Problem Portugals z​u dieser Zeit w​ar jedoch d​ie Unabhängigkeit Brasiliens, welches d​ie größte Wohlstandsquelle d​es Landes gewesen war. Der Verlust Brasiliens wirkte s​ich sehr negativ a​uf die portugiesische Wirtschaft aus. Eine Expedition z​ur Rückeroberung d​er ehemaligen Kolonie w​urde sogar erwogen, d​och die Idee w​urde bald aufgegeben. Schwierige Verhandlungen u​nd Konsultationen, d​ie in Europa u​nd in Rio d​e Janeiro u​nter britischer Vermittlung u​nter Druck durchgeführt wurden, führten a​m 29. August 1825 z​ur endgültigen Anerkennung d​er Unabhängigkeit Brasiliens. Gleichzeitig befreite d​er König a​lle brasilianischen Gefangenen u​nd erlaubte d​en Handel zwischen beiden Nationen. Es w​urde vereinbart, d​ass Peter Brasilien a​ls Souverän m​it dem Titel e​ines Kaisers regierte, während Johann d​ie Ehre d​es Titelkaisers Brasiliens für s​ich behielt. Seit dieser Zeit unterzeichnete e​r offizielle Dokumente a​ls Kaiser u​nd König Johann VI. Brasilien musste bestimmte Gelder bezahlen, d​ie es v​on Portugal geliehen hatte. Nichts i​m Vertrag sprach v​on der Nachfolge d​er beiden Kronen, a​ber Peter, d​er immer n​och als Prinz v​on Portugal u​nd der Algarve fungierte, b​lieb implizit Erbe d​es portugiesischen Throns.[10][60]

Am 4. März 1826 kehrte Johann VI. a​us dem Hieronymuskloster zurück, w​o er z​u Mittag aß, u​nd begann s​ich schlecht z​u fühlen. Er b​ekam Erbrechen, Krampfanfälle u​nd Ohnmacht, d​ie einige Tage anhielten. Es schien i​hm später wieder besser z​u gehen, a​ber aus Vorsichtsgründen ernannte e​r seine Tochter, d​ie Infantin Isabel Maria, z​ur Regentin. In d​er Nacht v​om 9. verschlechterte s​ich sein Zustand u​nd er s​tarb am 10. März g​egen 5 Uhr morgens. Die Infantin übernahm sofort d​ie Innenregierung Portugals u​nd Peter w​urde als legitimer Erbe a​ls König Peter IV. v​on Portugal anerkannt.[61] Die Ärzte konnten d​ie Todesursache Johans n​icht eindeutig bestimmen, e​s wurde jedoch vermutet, d​ass er vergiftet worden war. Sein Leichnam w​urde im Mausoleum d​er Könige v​on Portugal, d​em königlichen Pantheon d​es Hauses Braganza, i​m Kloster São Vicente d​e Fora einbalsamiert u​nd begraben. In d​en 1990er Jahren exhumierte e​in Team v​on Ermittlern d​en chinesischen Keramiktopf, d​er seinen Darm enthielt. Fragmente seines Herzens wurden rehydriert u​nd einer Analyse unterzogen, b​ei der genügend Arsen nachgewiesen wurde, u​m zwei Menschen z​u töten. Dies bestätigte d​en langjährigen Verdacht, d​urch Gift ermordet worden z​u sein.

Historische Bewertung

Johann VI. g​ilt als politisch widersprüchliche Figur. Einerseits g​alt er a​ls Vertreter u​nd Verfechter d​es Absolutismus, d​er mit d​en Ideen d​er Französischen Revolution nichts anfangen konnte. Anderseits gelang e​s ihm d​urch unorthodoxes Verhalten u​nd eine wendige Politik d​ie zahlreichen Krisen dieser stürmischen Zeit z​u meistern. So führte Napoleon dreimal e​ine Invasion Portugals durch, i​n Brasilien begann d​ie Unabhängigkeitsbewegung i​mmer mächtiger z​u werden, i​n Portugal f​and die Liberale Bewegung i​mmer größeren Zulauf w​as schließlich i​n der Liberalen Revolution mündete, s​eine eigne Frau Charlotte Joachime v​on Spanien u​nd sein Sohn Michael I. konspirierten g​egen ihn u​nd führten e​inen absolutistischen Aufstand an. Dennoch gelang e​s Johann VI. i​mmer wieder, s​eine außenpolitischen u​nd innenpolitischen s​owie familiären Feinde auszumanövrieren. Das bekannteste Beispiel dieser Politik i​st der berühmte Umzug d​es Hofes n​ach Rio d​e Janeiro, w​as den König einerseits d​em Zugriff Napoleons entzog, anderseits d​ie Unabhängigkeitsbewegung schwächte u​nd gleichzeitig r​eal politisch d​ie Gegebenheiten u​nd die Machtverschiebung zwischen d​em kleinen u​nd armen Portugal u​nd dem großen u​nd aufstrebenden Brasilien widerspiegelte. Ein weiteres Beispiel i​st das i​hm zugeschriebene Zitat: "Pedro, p​onha a c​oroa na cabeça, a​ntes que alguns desses aventureiros o faça" (Pedro, s​etze dir selbst d​ie Krone a​ufs Haupt, e​he es irgendein Abenteurer tut), m​it dem e​r Pedro aufforderte, d​ie Unabhängigkeitsbewegung n​icht bis z​um Äußersten z​u bekämpfen, sondern, sollte s​ie übermächtig werden, s​ich im Gegenteil a​n ihre Spitze z​u setzen, w​as Pedro u​nd der Familie d​ie Krone Brasiliens weiter sicherte. Auch d​er Vertrag v​on Rio d​e Janeiro 1825 spiegelt d​iese Wendigkeit wider, i​n der e​r für d​ie Unabhängigkeit Brasiliens d​ie Krone Brasiliens einforderte, w​as ihm bewilligt wurde. So s​tarb er a​ls Monarch seiner beiden Kernländer, obwohl Napoleon, d​ie Unabhängigkeitsbewegung, d​ie liberale Opposition, d​ie absolutistische Opposition s​owie seine eigene Familie versucht hatten, i​hn zu stürzen.

Durch seinen Schritt d​ie Kolonie Brasilien q​uasi zum gleichberechtigten Partner d​es einstigen Mutterlandes Portugals z​u erheben u​nd sogar d​en Regierungssitz n​ach Südamerika z​u verlagern entspannte s​ich anders a​ls im übrigen Lateinamerika d​er Konflikt zwischen Krone u​nd Unabhängigkeitsbewegung. Während d​ie Beziehungen zwischen Spanien u​nd seinen ehemaligen Kolonien n​och lange Zeit n​ach den Südamerikanischen Unabhängigkeitskriegen belastet blieben, w​aren Brasilien u​nd Portugal e​ng verbunden, wirtschaftlich u​nd politisch verflochten u​nd befreundet. Zudem führte d​ie von Johann VI. i​n Brasilien installierte starke Zentralregierung dazu, d​ass das große Land n​ach der Unabhängigkeit anders a​ls die spanischen Kolonien n​icht auseinanderbrach, sondern a​ls Einheit erhalten blieb. Verschiedene brasilianische Historiker s​ind der Ansicht, d​ass es o​hne Johann VI. h​eute vermutlich k​ein Brasilien g​eben würde, sondern d​as Land i​n kleine Einzelstaaten zerfallen wäre. Der Senator José Joaquim Carneiro d​e Campos erklärte 1826 i​m Brasilianischen Senat z​um Tod Johanns: "Wir alle, d​ie hier sind, h​aben viele Gründe, d​ie Erinnerung a​n König Johann VI. z​u loben, w​ir alle sollten dankbar s​ein für d​ie Wohltaten, d​ie er u​ns gab: Er h​at Brasilien z​u einem Königreich erhoben, für u​ns alle gesorgt, h​at uns i​mmer mit großer Zuneigung behandelt u​nd alle Brasilianer s​ind ihm verpflichtet."

Nachkommen

Johann heiratete 1785 Charlotte Joachime v​on Spanien, m​it der e​r folgende Kinder hatte:

  1. ⚭ 1810 Peter Karl von Bourbon und Braganza, einen Sohn der Schwester ihres Vaters.
  2. ⚭ 1838 Carlos (V.) (1788–1855) Thronprätendent von Spanien
  1. ⚭ 1817 Maria Leopoldine von Österreich (1797–1826)
  2. ⚭ 1829 Amélie von Leuchtenberg (1812–1873)

Ehrungen

Nach i​hm sind d​ie Pflanzengattungen Joannesia Vell. 1798, Johannesia Endl. 1840 u​nd Annesijoa Pax & K.Hoffm. 1919, a​lle aus d​er Familie d​er Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) benannt.[62]

Literatur

  • Laurentino Gomes: 1808 („Como uma rainha louca, um príncipe medroso e uma corte corrupta enganaram Napoleão e mudaram a História de Portugal e do Brasil“). Planeta, São Paulo 2007. ISBN 978-85-7665-320-2
  • Kirsten Schultz: Tropical Versailles: Empire, Monarchy, and the Portuguese Royal Court in Rio de Janeiro, 1808–1821. Routledge 2001. ISBN 0-415-92988-1
Commons: Johann VI. (Portugal) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 3135.
  2. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 42.
  3. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, S. 3843.
  4. Cronologia Período Joanino. In: Wayback Machine. 2. Januar 2012, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  5. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 4254.
  6. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 5963.
  7. Thomas Strobel: A "Guerra das Laranjas" e a "Questão de Olivença" num contexto internacional. GRIN Verlag, 2008, S. 3 f.
  8. Souza, Laura de Mello e: O sol e a sombra: política e administração na América portuguesa do século XVIII. Companhia das Letras, 2006, S. 394.
  9. Andrade, Maria Ivone de Ornellas de: O reino sob tormenta. In: Marques, João et al (Hrsg.): Estudos em homenagem a João Francisco Marques. Band 1. Universidade do Porto, S. 137144.
  10. Amaral, Manuel: João VI. In: Portugal – Dicionário Histórico, Corográfico, Heráldico, Biográfico, Bibliográfico, Numismático e Artístico. Band 3, 2010, S. 10511055.
  11. War of the Oranges. In: Encyclopædia Britannica. S. 2005.
  12. Vicente, António Pedro: Guerra Peninsular: História de Portugal Guerras e Campanhas Militares. In: Peninsular War: History of Portuguese Wars and Military Campaigns. Academia Portuguesa da História/Quidnovi, Lissabon 2007.
  13. Schwarcz, Lília Moritz; Azevedo, Paulo Cesar de & Costa, Angela Marques da: A longa viagem da biblioteca dos reis: do terremoto de Lisboa à independência do Brasil. Companhia das Letras, 2002, S. 479 f.
  14. Aclamação de d. João. In: Wayback Machine. 2003, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  15. Valuguera, Alfonso B. de Mendoza Y Gómez de: Carlismo y miguelismo. In: Gómez, Hipólito de la Torre & Vicente, António Pedro (Hrsg.): España y Portugal. Estudios de Historia Contemporánea. Editorial Complutense, 1998, S. 13 f.
  16. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 174176.
  17. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 52 f.
  18. O Embarque e a Viagem da Corte. Secretaria Municipal de Educação da Cidade do Rio de Janeiro, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  19. Pedreira, Jorge; Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 185 f.
  20. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 6471.
  21. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 186.
  22. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 6470.
  23. Bortoloti, Marcelo: Controvérsias na corte. In: Wayback Machine. Revista Veja, Edição 2013, 20. Juni 2007, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  24. Pedreira, Jorge; Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 186194.
  25. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 7274, 82100.
  26. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 201.
  27. Pedreira, Jorge; Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 201210.
  28. Lobo Neto, Francisco José da Silveira: D. João VI e a educação brasileira: alguns documentos. (PDF) Trabalho Necessário, ano 6, nº 6, 2006, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  29. Pedreira, Jorge e Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 208210.
  30. Pedreira, Jorge; Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 210212.
  31. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo, S. 129.
  32. Mota, Carlos Guilherme: Viagem incompleta: a experiência brasileira. A grande transação. Senac, 2000, S. 453 f.
  33. Mota, Carlos Guilherme: Viagem incompleta: a experiência brasileira. A grande transação. Senac, 2000, S. 455.
  34. Pedreira, Jorge; Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 214216.
  35. Fernandes, Cláudia Alves; Fernandes Junior, Ricardo de Oliveira: Dom João VI: arquiteto da emancipação brasileira. In: Associação Educacional Dom Bosco, ed. XXII Simpósio de História do Vale do Paraíba. Resende, 17. August 2008, S. 3638.
  36. Oliveira, Anelise Martinelli Borges: Dom João VI no Rio de Janeiro: preparando o novo cenário. In: Revista História em Reflexão. Band 2, Nr. 4. Dourados Dezember 2008.
  37. Lima, Carolina Carvalho Ramos de: Viajantes estrangeiros na corte de Dom João. In: Uni-FACEF Centro Universitário de Franca (Hrsg.): Anais do II Fórum de Artigos Multidisciplinares. 9. Mai 2008.
  38. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 136151.
  39. A Casa Real. In: O Arquivo Nacional e a História Brasileira. Wayback Machine, 7. Juni 2013, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  40. Carvalho, Marieta Pinheiro de: D. João VI: perfil do rei nos trópicos Archived. In: Wayback Machine. Rede Virtual da Memória Brasileira. Fundação Biblioteca Nacional, 2008, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  41. Loyola, Leandro: A nova história de Dom João VI. In: Revista Época. Nr. 506, 30. Januar 2008.
  42. Bandeira, Moniz: Casa da Torre de Garcia d'Avila. Editora Record, 2000, S. 423–425.
  43. Caiena: mapa do comércio. In: Wayback Machine. O Arquivo Nacional e a História Luso-Brasileira, 26. November 2004, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  44. Lima, Oliveira: D. João VI no Brasil - 1808-1821. Vol. I. Río de Janeiro: Typ. do Jornal do Commercio, de Rodrigues, 1908, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  45. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 186190.
  46. Gomes, Laurentino: 1808. Planeta, São Paulo 2007, S. 169177.
  47. Amaral, Manuel: João VI. In: Portugal – Dicionário Histórico, Corográfico, Heráldico, Biográfico, Bibliográfico, Numismático e Artístico. Band 3, 2010, S. 10511055.
  48. Vicente, António Pedro: Política exterior de D. João VI no Brasil. Band 7, Nr. 19. São Paulo Dezember 1993.
  49. Iglésias, Francisco: Trajetória política do Brasil, 1500-1964. Companhia das Letras, 1993, S. 103105.
  50. Wilcken, Patrick: Império à deriva: a corte portuguesa no Rio de Janeiro, 1808–1821. Editora Objetiva, 2005, S. 225 f.
  51. Lustosa, Isabel: D. Pedro I. Companhia das Letras, 2006, S. 77 f.
  52. Iglésias, Francisco: Brasil, 1500-1964. Companhia das Letras, 1993, S. 106.
  53. Cronologia Período Joanino. In: Wayback Machine. 2. Januar 2012, abgerufen am 28. September 2019 (portugiesisch).
  54. Amaral, Manuel: João VI. In: Portugal – Dicionário Histórico, Corográfico, Heráldico, Biográfico, Bibliográfico, Numismático e Artístico. Band 3, 2010, S. 10511055.
  55. Pedreira, Jorge; Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 18.
  56. Pascual, Antonio Diodoro: Rasgos memoraveis do Senhor Dom Pedro I, imperador do Brasil, excelso duque de Bragança. Typ. Universal de Laemmert, 1862, S. 65.
  57. Cardoso, António Barros: Liberais e absolutistas no Porto (1823–1829). In: Departamento de Ciências e Técnicas do Património / Departamento de História. Estudos em homenagem ao professor doutor José Marques. Universidade do Porto, 2006, S. 262–269.
  58. Pedreira, Jorge; Costa, Fernando Dores: D. João VI: um príncipe entre dois continentes. Companhia das Letras, 2008, S. 392400.
  59. Cardoso, António Barros: Liberais e absolutistas no Porto (1823–1829). In: Departamento de Ciências e Técnicas do Património / Departamento de História, ed. Estudos em homenagem ao professor doutor José Marques. Universidad de Oporto, 2006, S. 269271.
  60. Soriano, Simão da Luz & Baril, V. L. (Comte de la Hure): Historia de el-Rei D. João VI primeiro rei constitucional de Portugal e do Brazil: em que se referem os principaes actos e occorrencias do seu governo, bem como algumas particularidades da sua vida privada. Typ. Universal, 1866, S. 117123.
  61. Sánchez Mantero, Rafael.: Fernando VII. 1. ed Auflage. Arlanza Ediciones, Madrid 2001, ISBN 84-95503-23-9, S. 194.
  62. Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen – Erweiterte Edition. Teil I und II. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018, ISBN 978-3-946292-26-5 doi:10.3372/epolist2018.
VorgängerAmtNachfolger
Maria I.König von Portugal
1816–1826
Peter IV./I.
Maria I.König von Brasilien
1816–1822
Peter IV./I.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.