Jeanne Moreau
Jeanne Moreau (* 23. Januar 1928 in Paris; † 31. Juli 2017 ebenda) war eine französische Schauspielerin, Filmregisseurin und Sängerin. Sie wirkte in über 120 Filmproduktionen mit, zählte in den 1950er und 1960er Jahren zu den populärsten Filmstars der Nouvelle Vague und galt als eine der führenden Charakterdarstellerinnen Frankreichs. Eine ihrer bekanntesten Rollen hatte sie 1962 in der melancholischen Dreiecksgeschichte Jules und Jim.
Leben und Schaffen
Die Tochter einer britischen Tänzerin und eines französischen Gastronomen studierte ab 1946 am Konservatorium in Paris und setzte ihre Ausbildung von 1948 bis 1952 an der Comédie-Française fort, wo sie die hohe Schule des klassischen Theaters kennenlernte. Schon bald bewährte sich Moreau als feinfühlige, differenzierte Charakterdarstellerin, etwa im Klassiker Le Cid von Pierre Corneille und in Prinz Friedrich von Homburg von Heinrich von Kleist (beide 1951, an der Seite von Gérard Philipe). 1952 wechselte sie ans experimentelle Théâtre National Populaire von Jean Vilar, der auch das renommierte Festival von Avignon gründete, auf dem auch Moreau auftrat. Ab dem folgenden Jahr war sie an verschiedenen Bühnen engagiert und spielte auch am Broadway. Moreau, die sich in den 50er Jahren den Ruf erarbeitete, eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation zu sein, wurde mit zahlreichen Theaterpreisen geehrt. Zu ihren gefeierten Rollen zählen auch die Heldinnen in George Bernard Shaws Pygmalion und Jean Cocteaus Die Höllenmaschine (beide in Inszenierungen von Jean Marais, 1954).
1948 debütierte Moreau im Film. Nach kleineren Rollen wie in Jacques Beckers Wenn es Nacht wird in Paris (an der Seite von Jean Gabin, 1953) hatte sie einen ersten größeren Erfolg mit Louis Malles Fahrstuhl zum Schafott (1957). Mit dem seinerzeit kontrovers aufgenommenen Film Die Liebenden (1958), ebenfalls unter der Regie von Louis Malle, gelang ihr der Durchbruch zum Star. Darauf folgten zahlreiche Hauptrollen in französischen und internationalen Produktionen, u. a. in Filmen von Michelangelo Antonioni (Die Nacht), Orson Welles (Der Prozeß), Luis Buñuel (Tagebuch einer Kammerzofe), François Truffaut (Die Braut trug schwarz), Roger Vadim (Gefährliche Liebschaften), Tony Richardson (Mademoiselle) und Peter Brook (Moderato Cantabile). Ihren großen, anhaltenden Ruhm begründete sie indes vor allem mit der Rolle der Catherine in dem Kultfilm Jules und Jim von François Truffaut (1962). Mit dem Film Lumière gab sie 1976 zudem ihr Regiedebüt. Auch die deutschen Regisseure Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders verpflichteten Moreau für ihre Filme Querelle (1982) und Bis ans Ende der Welt (1991).
Daneben kehrte sie auch immer wieder auf die Bühne zurück. So brillierte sie 1973 in der Pariser Inszenierung von Der Ritt über den Bodensee von Peter Handke. Mit dem Einpersonenstück Die Erzählung der Magd Zerline nach einer Novelle von Hermann Broch (in der Inszenierung von Klaus Michael Grüber) feierte sie ab 1986 in Paris und auf zahlreichen Gastspielen, auch im Ausland, während mehrerer Jahre einen geradezu triumphalen Erfolg. Im Jahr 2000 wirkte Moreau als Protagonistin in Rosa von Praunheims Dokumentarfilm Für mich gab’s nur noch Fassbinder mit.
Jeanne Moreau war zweimal verheiratet. Aus ihrer ersten Ehe (1949–1951) mit dem Schauspieler Jean-Louis Richard (1927–2012) stammt Sohn Jérôme, der heute ein erfolgreicher Maler ist. Von 1977 bis 1980 war Moreau mit dem Regisseur William Friedkin verheiratet. Eine Affäre mit dem Regisseur Tony Richardson führte 1967 zu dessen Scheidung von seiner Ehefrau Vanessa Redgrave. Von 1966 an war Moreau mehrere Jahre mit dem Modeschöpfer Pierre Cardin liiert, dessen Kreationen sie fortan trug.
In Frankreich war Jeanne Moreau auch als Sängerin populär und wurde 1964 mit dem Grand Prix du Disque ausgezeichnet. Seit dem Jahr 2000 war sie außerdem Mitglied der Académie des Beaux-Arts.
Am Morgen des 31. Juli 2017 wurde Jeanne Moreau von ihrer Putzfrau tot in der Wohnung am Square du Roule in Paris aufgefunden.[1] Sie wurde auf dem Cimetière de Montmartre (Division 27) beerdigt.[2]
Jeanne Moreau wurde überwiegend von Eva Katharina Schultz (1922–2007) und Rosemarie Fendel (1927–2013) synchronisiert.
Werke
Kino
- 1949: Letzte Liebe (Dernier amour)
- 1950: Klagt mich an! (Meurtres)
- 1952: Der Mann meines Lebens (L’homme de ma vie)
- 1952: Es ist Mitternacht, Dr. Schweitzer (Il est minuit, docteur Schweitzer)
- 1953: Julietta
- 1953: Im Schlafsaal der großen Mädchen (Dortoir des grandes)
- 1954: Wenn es Nacht wird in Paris (Touchez pas au grisbi)
- 1954: Bartholomäusnacht (La reine Margot)
- 1955: Gas-Oil
- 1956: Hinter verschlossenen Türen (Le salaire du péché)
- 1957: Polizeiaktion Dynamit (Échec au porteur)
- 1958: Fahrstuhl zum Schafott (Ascenseur pour l’échafaud)
- 1958: Die Liebenden (Les amants)
- 1959: Sie küßten und sie schlugen ihn (Les quatre cents coups)
- 1959: Gefährliche Liebschaften (Les liaisons dangereuses)
- 1959: Mit dem Rücken zur Wand (Le dos au mur)
- 1960: Opfergang einer Nonne (Le dialogue des Carmélites)
- 1960: Jovanka und die Anderen (Jovanka e le altre)
- 1960: Stunden voller Zärtlichkeit (Moderato cantabile)
- 1961: Die Nacht (La notte)
- 1961: Eine Frau ist eine Frau (Une femme est une femme)
- 1961: Jules und Jim (Jules et Jim)
- 1962: Der Prozeß (Le procès)
- 1962: Die blonde Sünderin (La baie des anges)
- 1962: Eva
- 1963: Heißes Pflaster (Peau de Banane)
- 1963: Die Sieger (The Victors)
- 1963: Das Irrlicht (Le feu follet)
- 1964: Tagebuch einer Kammerzofe (Le journal d’une femme de chambre)
- 1964: Der Zug (The Train)
- 1964: Mata Hari, Agent H. 21 (Mata-Hari, agent H21)
- 1964: Der gelbe Rolls-Royce (The Yellow Rolls-Royce)
- 1965: Viva Maria!
- 1965: Falstaff – Glocken um Mitternacht (Chimes at Midnight / Campanadas a medianoche)
- 1966: Mademoiselle
- 1967: Nur eine Frau an Bord (The Sailor from Gibraltar)
- 1967: Das älteste Gewerbe der Welt (Le plus vieux métier du monde)
- 1967: Die Braut trug schwarz (La mariée était en noir)
- 1968: Die große Katharina (Great Catherine)
- 1970: Monte Walsh
- 1970: The Deep (unvollendet)
- 1971: Der Boß (Comptes à rebours)
- 1972: Die Affaire (Chère Louise)
- 1974: Die Ausgebufften (Les valseuses)
- 1975: Erinnerungen aus Frankreich (Souvenirs d’en France)
- 1976: Monsieur Klein (Mr. Klein)
- 1976: Der letzte Tycoon (The Last Tycoon)
- 1979: Mädchenjahre (L’adolescente) (auch Regie)
- 1982: Tausend Milliarden Dollar (Mille milliards de dollars)
- 1982: Querelle
- 1982: Eine Frau wie ein Fisch (La truite)
- 1986: Der Tölpel (Le paltoquet)
- 1987: Das Wunder des Papu (Le miraculé)
- 1990: Nikita
- 1991: Der schwebende Schritt des Storches (To meteoro vima tou pelargou)
- 1991: Die Dame, die im Meer spazierte (La vieille qui marchait dans la mer)
- 1991: Bis ans Ende der Welt (Jusqu’au bout du monde)
- 1992: Flucht aus dem Eis (Map of the Human Heart)
- 1992: Der Liebhaber (L’amant), Sprechrolle
- 1993: Auf fremden Felde (A foreign field)
- 1994: 101 Nacht – Die Träume des Monsieur Cinéma (Les cent et une nuits)
- 1995: Jenseits der Wolken (Al di là delle nuvole)
- 1997: Der Hexenclub von Bayonne
- 1998: Auf immer und ewig (Ever After: A Cinderella Story)
- 2001: Diese Liebe (Cet amour-là)
- 2005: Die Zeit die bleibt (Le temps qui reste)
- 2005: Go West
- 2006: Roméo et Juliette
- 2006: Sortie de clown
- 2007: Trennung (Désengagement)
- 2007: Chacun son cinéma ou Ce petit coup au cœur quand la lumière s’éteint et que le film commence (Segment Trois minutes)
- 2008: Der vierzehnte Stein (Sous les vents de Neptune)
- 2008: Plus tard, tu comprendras …
- 2009: Visage
- 2009: Leon und die magischen Worte (Kerity, la maison des contes), Sprechrolle
- 2011: Bouquet final
- 2011: La Mauvaise rencontre
- 2012: Lullaby to my Father
- 2012: Gebo et l’ombre
- 2012: Eine Dame in Paris (Une estonienne à Paris)
Fernsehen
- 1968: Stunde der Wahrheit (Histoire immortelle)
- 1995: Katharina die Große (Catherine the Great)
- 1999: Balzac – Ein Leben voller Leidenschaft (Balzac)
- 2000: Les Misérables – Gefangene des Schicksals (Les misérables)
- 2006: La contessa di Castiglione
- 2008: Ein Schloss in Schweden (Château en Suède)
Hörspiele
- 2012: Marguerite Duras: Das ist alles. C'est tout. – Regie: Kai Grehn (Hörspiel – RBB)
Diskografie (Auswahl)
- 1963: Douze chansons de Cyrus Bassiak (LP)
- 1965: Viva Maria! (LP)
- 1966: Douze nouvelles chansons de Bassiak (LP)
- 1968: Les Chansons de Clarisse (LP)
- 1970: Jeanne chante Jeanne (LP)
- 1981: Jeanne Moreau chante Norge (LP)
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1960: Preis in der Kategorie Beste Darstellerin bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes für Stunden voller Zärtlichkeit
- 1964: Preis in der Kategorie Beste Darstellerin beim Internationalen Filmfestival Karlovy Vary für Tagebuch einer Kammerzofe
- 1979: Nominierung für den Silbernen Bären bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin für Mädchenjahre
- 1992: César in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin für Die Dame, die im Meer spazierte
- 1992: Preis der Internationalen Filmfestspiele von Venedig für ihr Lebenswerk
- 1995: Ehren-César
- 1996: Ehrenpreis der British Academy of Film and Television Arts (BAFTA)
- 1997: Europäischer Filmpreis für ihr Lebenswerk
- 1997: Preis des Festival Internacional de Cine de Donostia-San Sebastián für ihr Lebenswerk
- 2000: Goldener Bär für ihr Lebenswerk
- 2004: Goldene Palme für ihr Lebenswerk
- 2007: Commandeur des Ordre national du Mérite
Literatur
- Stiftung Deutsche Kinemathek (Hrsg.): Jeanne Moreau. Hommage. (Anlässlich der 50. Internationalen Filmfestspiele Berlin.) Jovis, Berlin 2000, ISBN 3-931321-72-X.
- Jens Rosteck: Die Verwegene. Jeanne Moreau – Die Biographie. Aufbau, Berlin 2019, ISBN 978-3-351-03789-5.
Dokumentarfilme
- Jeanne Moreau. Von der Comédie française zur Music Hall: Eine französische Legende. Fernsehdokumentation, Österreich, 1990, 92 Min., Regie: Corinne Pulver
- Jeanne Moreau – Im Film und ganz privat. (OT: Jeanne M. – Côté cour, côté cœur.) Dokumentation, Frankreich, 2007, 90 Min., Buch: Josée Dayan, Pierre-André Boutang, Regie: Josée Dayan, Pierre-André Boutang, Annie Chevallay, Produktion: arte France, Passion Films, Rouge Films, Erstsendung: 27. Januar 2008, Inhaltsangabe von arte, (Memento vom 18. April 2013 im Webarchiv archive.today).
- Jeanne Moreau – Die Selbstbestimmte. (OT: Jeanne Moreau, l'affranchie.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2017, 53:53 Min., Buch und Regie: Virginie Linhart, Produktion: Kuiv Productions, arte France, INA, Erstsendung: 2. April 2018 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.
Weblinks
- Literatur von und über Jeanne Moreau im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jeanne Moreau in der Internet Movie Database (englisch)
- Jeanne Moreau bei prisma
- Jeanne Moreau. In: Académie des Beaux-Arts
- Fritz Göttler: Jeanne Moreau zum 80. Geburtstag: Die Musenkönigin. In: Süddeutsche Zeitung, 23. Januar 2008, mit Fotostrecke
- Eberhard Spreng: Nachruf auf Jeanne Moreau. Der dunkle Engel. In: Der Tagesspiegel, 31. Juli 2017
Einzelnachweise
- SZ.de/AFP/gal/pak/cag/liv: Französische Filmlegende. Jeanne Moreau ist tot. In: Süddeutsche.de, 31. Juli 2017.
- Fotos: Das Grab von Jeanne Moreau. In: knerger.de.