Janusz Zarzycki
Janusz Zarzycki (Geburtsname: Janusz Neugebauer; * 15. April 1914 in Pruszków; † 15. Februar 1995 in Warschau) war ein Politiker der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei PZPR (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza) und Offizier der Volksarmee in der Volksrepublik Polen, der unter anderem zwischen Mai und Dezember 1956 sowie erneut von Mai 1960 bis Dezember 1967 als Vorsitzender des Präsidiums des Nationalrates von Warschau Bürgermeister der Hauptstadt war. Zwischenzeitlich war er von 1956 bis 1960 als Generalmajor Vize-Minister für Nationale Verteidigung. Für seine Verdienste in Warschau während des Zweiten Weltkrieges verlieh ihm 1988 die Gedenkstätte Yad Vashem den Titel Gerechter unter den Völkern aus Polen.
Leben
Architekturstudium, Artillerieoffizier und Zweiter Weltkrieg
Janusz Zarzycki, der als Sohn von Edmund und Jadwiga Neugebauer geboren wurde, begann nach dem Besuch des Warschauer „Tadeusz Czacki“-Gymnasiums 1932 ein Architekturstudium an der Technischen Universität Warschau, welches er 1935 abschloss. In dieser Zeit trat er in den Verband der Polnischen Demokratischen Jugend ZPMD (Związek Polskiej Młodzieży Demokratycznej) und war zwischen 1937 und 1938 Absolvent der Masowischen Schule für Reserve-Artillerieoffiziere (Mazowiecka Szkoła Podchorążych Rezerwy Artylerii) in Zambrów. Im August 1939 wurde er als Leutnant (Podporucznik) in den aktiven Militärdienst berufen und nahm als Angehöriger der 28. Schweren Artillerieabteilung (28 Dywizjon Artylerii Ciężkiej) am Zweiten Weltkrieg nach dem Überfall auf Polen durch die deutsche Wehrmacht teil. Nach der Niederlage Polens ging er in die Sowjetunion und studierte bis 1941 an der Nationalen Polytechnischen Universität Lwiw.
Nach seiner Rückkehr nach Polen 1941 trat Zarzycki unter dem Tarnnamen „Wojtek“ der Union für den Befreiungskampf ZWW (Związek Walki Wyzwoleńczej) sowie bald darauf als Hauptmann (Kapitan) der am 6. Januar 1942 entstandenen Volksgarde GL (Gwardia Ludowa) bei. Im April 1942 wurde er Major der Volksgarde. Später nahm Zarzycki mit dieser an den Kämpfen des Aufstand im Warschauer Ghettos zwischen dem 19. April und dem 16. Mai 1943 teil. Er geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft und befand sich bis zu seiner Befreiung im April 1945 in den Konzentrationslagern (KZ) Auschwitz und KZ Buchenwald.
Vorsitzende des Jugendverbandes, Bürgermeister von Warschau und Vize-Verteidigungsminister
Nach seiner Befreiung wurde Janusz Zarzycki im Juni 1945 als Oberstleutnant (Podpułkownik) in die Polnische Volksarmee (Ludowe Wojsko Polskie) übernommen und bereits im Dezember 1945 zum Oberst (Pułkownik) übernommen. Er war in der Folgezeit Offizier in der Politischen Hauptabteilung der Volksarmee und erhielt dort im Dezember 1946 seine Beförderung zum Brigadegeneral (Generał brygady). Auf dem I. (Gründungs-)Parteitag der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei PZPR (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza) (15. bis 22. Dezember 1948) wurde er Mitglied des Zentralkomitees (ZK) und gehörte diesem Führungsgremium der Partei bis zum II. Parteitag (10. bis 17. März 1954) an. 1949 übernahm er zudem die Funktion als Vorsitzender des Hauptvorstandes des neu gegründeten Polnischen Jugendverbandes ZMP (Związek Młodzieży Polskiej) und behielt diese Funktion bis zum 24. Juni 1949, woraufhin Władysław Matwin seine Nachfolge antrat.
Am 14. Mai 1956 wurde er als Nachfolger von Jerzy Albrecht Vorsitzender des Präsidiums des Nationalrats von Warschau (Przewodniczący Prezydium Rady Narodowej miasta stołecznego Warszawy) und damit Bürgermeister der Hauptstadt. Er hatte dieses Amt bis zum 17. Dezember 1956 inne und wurde daraufhin von Zygmunt Dworakowski abgelöst.
Während der Zeit des Polnischen Oktober 1956 gehörte er im Machtkampf innerhalb der PZPR unter Führung von Roman Zambrowski und Leon Kasman der nach einem Komplex modernistischer Mietshäuser in der Ul. Puławska 24 und 26 in Warschau benannten „Pulawy“-Gruppe (Puławianie), die hauptsächlich aus Intellektuelle und Aktivisten bestand, die im ersten Jahrzehnt Volkspolens aktiv waren.[1][2][3] Die Puławian-Fraktion stand in Opposition zur Natolin-Fraktion um Zenon Nowak, Wiktor Kłosiewicz, Hilary Chełchowski, Aleksander Zawadzki, Władysław Kruczek, Władysław Dworakowski, Kazimierz Mijal, Franciszek Mazur, Bolesław Rumiński, Franciszek Jóźwiak und Stanisław Łapot, die gegen die Liberalisierung des kommunistischen Systems war, und die nationalistische und antisemitische Parolen proklamierte, um in der PZPR an die Macht zu kommen.
Im Dezember 1956 wurde Zarzycki Nachfolger von Generalmajor Marian Spychalski als Leiter der Politischen Hauptverwaltung der Volksarmee (Główny Zarząd Polityczny Wojska Polskiego) und bekleidete diese Funktion bis Juni 1960, woraufhin Generalmajor Wojciech Jaruzelski seine Nachfolge antrat. Zugleich war er in Personalunion zwischen Dezember 1956 und Juni 1960 auch Vize-Minister für Nationale Verteidigung (Wiceminister obrony narodowej). Er selbst wurde im Juli 1957 zum Generalmajor (Generał dywizji) befördert.
Sejm-Abgeordneter und zweite Amtszeit als Warschauer Bürgermeister
Am 20. Februar 1957 wurde Janusz Zarzycki zum Mitglied des Sejm gewählt und vertrat in diesem in der zweiten Legislaturperiode (20. Februar 1957 bis 17. Februar 1961) den Wahlkreis Nr. 16 Tuchola, in der dritten Legislaturperiode (15. Mai 1961 bis 31. März 1965) den Wahlkreis Nr. 3 Warschau-Praga sowie zuletzt in der vierten Legislaturperiode (24. Juni 1965 bis 29. April 1969) den Wahlkreis Nr. 2 Warschau-Wola. Er war zugleich zwischen Februar 1957 und April 1969 in den drei Legislaturperioden jeweils Mitglied des Präsidiums der PZPR-Fraktion sowie von Mai 1961 bis April 1969 auch Mitglied des Ausschusses für Bau- und Kommunalwirtschaft. Auf dem III. Parteitag (10. bis 19. März 1959) wurde er darüber hinaus auch wieder Mitglied des ZK der PZPR und gehörte diesem Führungsgremium nunmehr bis zum IV. Parteitag (15. bis 20. Juni 1964) an.
Am 5. Mai 1960 übernahm Zarzycki als Nachfolger von Zygmunt Dworakowski wieder das Amt als Vorsitzender des Präsidiums des Nationalrats von Warschau und damit wieder als Bürgermeister der Hauptstadt. Er hatte dieses Amt sieben Jahre lang bis zum 29. Dezember 1969 inne, woraufhin Jerzy Majewski ihn ablöste. 1969 wurde er erstmals zum Mitglied des Obersten Rates des Verbandes der Kämpfer für Freiheit und Demokratie ZBoWiD (Związek Bojowników o Wolność i Demokrację) und wurde in dieser Funktion 1974, 1979 und 1985 bestätigt.
Für seine langjährigen Verdienste in der Volksrepublik Polen wurde er mehrfach ausgezeichnet und erhielt unter anderem den Orden Virtuti Militari, die Kommandeurswürde des Ordens Polonia Restituta, den Orden des Banners der Arbeit (Order Sztandaru Pracy) Erster und Zweiter Klasse, den Orden des Grunwald-Kreuzes (Order Krzyża Grunwaldu) Dritter Klasse, das Partisanenkreuz (Krzyż Partyzancki), die Medaille für Warschau 1939–1945 (Medal za Warszawę 1939–1945), die Medaille „Streitkräfte im Dienste der Heimat“ (Medal „Siły Zbrojne w Służbie Ojczyzny“) sowie die Medaille zum 10. Jahrestag von Volkspolen (Medal 10-lecia Polski Ludowej). Zarzycki hatte im August 1942 zwei Juden uneigennützig geholfen: Er brachte einen Juden einige Tage bei sich unter und half diesem und einem weiteren unterzutauchen. Für diese Rettungstaten verlieh ihm 1988 die Gedenkstätte Yad Vashem den Titel Gerechter unter den Völkern aus Polen. Nach seinem Tode wurde er auf dem Militärfriedhof des Warschauer Powązki-Friedhofes beigesetzt.
Weblinks
- Zarzycki Janusz (1914-1995). In: Sejm. Abgerufen am 16. Dezember 2021 (polnisch).
- Janusz Zarzycki. In: Biuletyn Informacji Publicznej. Abgerufen am 16. Dezember 2021 (polnisch).
- The Governments of People’s Republic of Poland 1944–1989. In: kolumbus.fi. Abgerufen am 16. Dezember 2021 (englisch).
- The Politburo of the PZPR. In: kolumbus.fi. Abgerufen am 16. Dezember 2021 (englisch).
- Zarzycki Janusz. The Yad Vashem – Righteous Among the Nations Database.
Einzelnachweise
- Weitere Mitglieder der „Pulawy“-Gruppe neben Roman Zambrowski, Leon Kasman und Janusz Zarzycki waren: Jerzy Albrecht, Antoni Alster, Celina Budzyńska, Tadeusz Daniszewski, Ostap Dłuski, Edward Gierek, Romana Granas, Piotr Jaroszewicz, Helena Jaworska, Julian Kole, Wincenty Kraśko, Stanisław Kuziński, Władysław Matwin, Jerzy Morawski, Marian Naszkowski, Roman Nowak, Mateusz Oks, Józef Olszewski, Mieczysław Popiel, Jerzy Putrament, Mieczysław Rakowski, Adam Schaff, Artur Starewicz, Stefan Staszewski, Jerzy Sztachelski, Michalina Tatarkówna-Majkowska, Roman Werfel sowie ferner Tadeusz Dietrich, Henryk Jabłoński, Oskar Lange, Lucjan Motyka, Adam Rapacki, Andrzej Werblan.
- Jerzy Eisler: Zarys dziejów politycznych Polski 1944–1989, Warschau 1992, ISBN 83-7066-208-0
- Wojciech Roszkowski: Najnowsza historia Polski 1914-1993, Warschau 1995