JAB Holding
Die JAB Holding Company sarl ist eine Holding, die Vermögenswerte von Familienmitgliedern der Unternehmerfamilie Reimann verwaltet, zu der unter anderem eine Mehrheitsbeteiligungen am Kosmetikhersteller Coty und dem Kaffeehersteller JDE Peets sowie zahlreiche weitere Beteiligungen gehören. Die Holding entstand aus dem Vermögen des von Johann Adam Benckiser und Karl Ludwig Reimann gegründeten Chemieunternehmens Joh. A. Benckiser GmbH mit Sitz in Pforzheim, Ludwigshafen am Rhein und Ladenburg dessen Reinigungsmittelsparte 1999 mit der britischen Reckitt & Coleman zu Reckitt Benckiser (seit 2021 Reckitt) fusionierte.
JAB Holding Company s.à r.l. | |
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Rechtsform | Société à responsabilité limitée |
Gründung | 2012 |
Sitz | Luxemburg |
Leitung | Olivier Goudet (CEO & Senior Partner) Peter Harf (Chairman & Senior Partner) |
Website | jabholco.com |
Investitionsstruktur
JAB Holding Company ist per 2021 in die folgende Investitionsbereiche aufgeteilt:[1]
- Kaffee & Getränke (Coffee & Beverages)
- JDE Peets JDE (Jacobs, Senseo, Tassimo etc.)
- Keurig Dr Pepper (Green Mountain Coffee, Tully’s, Van Houtte etc.)
- Systemgastronomie (Fast Casual Restaurants)
- Panera Bread
- Prêt à manger, Brueggers Bagels, Manhattan Bagel
- Veterinärkliniken für Haustiere (Pet care)
- NVA[2]
- Schönheit & Luxus (Beauty & Luxury):
- Genuss (Indulgence):
- Krispy Kreme (Doughnuts)
Eine historische Restbeteiligung an Reckitt Benckiser (Calgon, Airwick, Durex, Veet, Scholl, Lysol, Sagrotan etc.) wurde 2019 veräußert.[4]
Geschichte – Von Benckiser zu Reckitt Benckiser
Johann Adam Benckiser übernahm 1823 eine sich in finanziellen Schwierigkeiten befindende und seit 1804 bestehende Salmiakhütte in Pforzheim, in der aus Ammoniak und Salzsäure Salmiak hergestellt wurde.[5] Später lernte er den Chemiker Karl Ludwig Reimann kennen, mit dem er zusammen im Jahre 1851 eine Chemiefabrik gründete. Mitte der 1930er Jahre übernahm Albert Reimann senior, der Enkel von Karl Ludwig Reimann, die alleinige Leitung des mittelständischen Chemieunternehmens Johann A. Benckiser in Ludwigshafen. Er und sein Sohn Albert Reimann junior waren überzeugte Nationalsozialisten. Schon zu Hitlers Machtübernahme 1933 stellte sich das damals mittelständische Unternehmen als NS-Musterbetrieb auf. Das Chemieunternehmen Benckiser entwickelte ab 1956 Haushalts- und Industriereiniger. Die Marken Calgon (1956), Calgonit (1964), Clearasil, Sagrotan und Quanto (1966) werden entwickelt.[6]
Anfang der 1980er-Jahre wurde das Chemieunternehmen radikal umgebaut und beschränkte sich fortan auf die Sparten Waschen, Spülen, Reinigen und Kosmetik.[7] Ende 1989 wurden die Sparten Benckiser Deutschland GmbH als Vertriebsgesellschaft in Ludwigshafen am Rhein und Ladenburg und Benckiser Produktions GmbH gebildet. 1992 erwarb Benckiser den Kosmetik-Hersteller Coty Inc. für 440 Millionen Dollar.[8] Das Unternehmen wurde im Jahre 1996 in zwei Teile aufgeteilt: Benckiser für Reinigungsmittel und Coty für den Kosmetikbereich.[9] Im Jahre 1997 ging die Benckiser an die Amsterdamer Börse.[7] Mitte 1999 fusionierte die börsennotierte Benckiser mit dem britischen Konzern Reckitt & Colman und wurde zu Reckitt Benckiser.[9][7] JAB Holding hat seinen Anteil an Reckitt Benckiser von ursprünglich 16 % seither kontinuierlich abgebaut und damit Zukäufe in anderen Bereichen finanziert; ein Restanteil von zuletzt 0,7 % wurde 2019 verkauft.
Finanzholding Johann A. Benckiser
Die Finanzholding JAB s.à.r.l. mit Sitz in Luxemburg wurde 2012 gegründet, ging aus der Johann A. Benckiser GmbH mit ihren Beteiligungen an Coty und Reckitt Benckiser hervor und wird von vier Mitgliedern der Familie Reimann gehalten – Renate Reimann-Haas (* 1951), Wolfgang Reimann (* 1952), Stefan Reimann-Andersen (* 1963) und Matthias Reimann-Andersen (* 1965) – mit ihren zehn Kindern.[10] Die Adoptivkinder des Familienzweiges Reimann-Dubbers verkauften in den 1990er Jahren ihre Anteile. Ein Teil der Dubbers-Linie gründete das Family Office Reimann Investors sowie die Deutsche Kontor Privatbank AG.[11] Drei von ihnen brachten ihr Kapital in Stiftungen ein: die Elke & Günter Reimann-Dubbers Stiftung im Bereich Familie, Bildung und Gesundheit, eine Stiftung im Bereich der erneuerbaren Energien von Volker Reimann-Dubbers, beide mit Sitz in Heidelberg sowie die Dürr-Stiftung von Hedwig-Else Dürr, geborene Reimann-Dubbers mit Sitz in Hamburg.[12][13][14] [15][16] Andrea Reimann-Ciardelli gründete 2004 die gemeinnützige Emily Landecker Foundation mit Sitz in Hanover in New Hampshire in den USA; Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann, Stefan Reimann-Andersen und Matthias Reimann-Andersen 2019 die Alfred Landecker Foundation mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein und einem Büro in Berlin.
Die JAB Holding speist sich heute aus drei Finanzquellen: Dem JAB Consumer Fund externer Anleger, dem Kapital der vier Reimanns sowie dem Direktinvestment reicher Familien wie Santo Domingo, Van Damme oder Peugeot.
Das Vermögen der vier Reimann-Geschwister wurde im Herbst 2012 auf etwa 11 Milliarden Euro geschätzt,[17] laut manager magazin lag es 2017 bei geschätzten 33 Milliarden Euro.[18] Der Familie Reimann gehören rund 95 Prozent[19] von JAB, die restlichen Anteile liegen bei 8 Partnern; den Seniorpartnern Peter Harf und Olivier Goudet[20], sowie den Partnern M. Hopmann (MD), J. Creus (MD), Felix B. Schaefer (CIO), Fabien Simon (CFO), Ricardo Rittes und Jacek Szarzynski.[21][22][23][24]
Zukäufe im Bereich Genussmittel
Im Jahr 2012 erwarb JAB für eine Milliarde Dollar die kalifornische Kaffeehaus-Kette und Rösterei Peet’s Coffee & Tea und für 340 Millionen Dollar die Kaffeehaus-Kette Caribou Coffee Company.[25] Im Juni 2013 erfolgte der Börsengang von Coty in New York; nach erfolgreichem Börsengang hält JAB heute 51 Prozent[24] der Anteile. 2013 übernahm ein Konsortium unter Führung von JAB und Berkshire Hathaway den niederländischen Kaffee- und Teeproduktehersteller D.E Master Blenders 1753 (u. a. Douwe Egberts, Pickwick);[26][27] Im Mai 2014 gaben die zur JAB Holding gehörende Acorn Holdings und Mondelēz International bekannt, ihre jeweiligen Kaffee-Marken zu einem neuen Kaffeeunternehmen zusammenlegen zu wollen.[28] Von D.E Master Blenders 1753 wurden unter anderem die Marken Senseo, Douwe Egberts, L'OR und Pilão eingebracht, von Mondelēz International kommen Marken wie Jacobs, Tassimo, Gevalia und Kenco. Das daraus entstandene Unternehmen heißt Jacobs Douwe Egberts (JDE) und hat seinen Sitz weiter in den Niederlanden. JDE wird mehrheitlich von der Acorn Holdings kontrolliert mit einer Minderheitsbeteiligung (27 %) von Mondelēz.[29] Ende 2015 übernahm JAB zusammen mit anderen Investoren für rund 12,8 Milliarden Euro den US-amerikanischen Kaffeekapsel- und Kaffeemaschinenhersteller Keurig Green Mountain.[30]
Im Jahr 2017 übernahm JAB für 7,5 Milliarden US-Dollar die US-amerikanische Bäckereikette Panera Bread.[31] Anfang 2018 übernahm JAB für 10,2 Milliarden US-Dollar den US-amerikanischen Getränkegiganten Dr Pepper Snapple Group und fusionierte das Unternehmen mit Keurig Green Mountain zur Keurig Dr Pepper Inc.[32] Im Februar 2019 übernahm JAB für 1,8 Milliarden US-Dollar die Tierklinikenkette Compassion-First.[2]
Ehemalige Aktivitäten im Bereich Luxusgüter (JAB Luxury)
Im Jahre 2007 wurde von JAB die Labelux Group (seither umbenannt in JAB Luxury) als Holding für neue Akquisitionen der Luxusgüterbranche in Wien gegründet und darin durch Firmenaufkäufe neben der Londoner Schmuckdesignerfirma Solange Azagury-Partridge (2008 erworben) die Schweizer Luxus-Modemarke Bally (2008), die US-amerikanische Modemarke Derek Lam (2008),[33] der italienische Lederwarenhersteller Zagliani (2009) und die britisch-italienische Modemarke Belstaff (2011) gebündelt.[34] Im Mai 2011 kam für 576 Millionen Euro der US-Schuhhersteller Jimmy Choo zum Labelux-Portfolio hinzu.[35]
Im Jahr 2012 wurden die Marken Solange Azagury-Partridge und Derek Lam von Labelux an die jeweiligen Firmengründer zurückverkauft.[36] Im Juni 2014 löste JAB die Labelux Group auf, sodass die zu Labelux gehörenden Marken wie Bally, Jimmy Choo oder Belstaff von da an als JAB Luxury Teil der JAB Holding waren. Im Oktober 2014 brachte das Unternehmen seine Marke Jimmy Choo an die Londoner Börse und verkaufte sie Mitte 2017 für 1,2 Milliarden US-Dollar an Michael Kors. Im Frühjahr 2015 wurde die 1947 gegründete Marke Zagliani in das Unternehmen Bally integriert und somit faktisch aufgelöst.[37] Ende 2017 verkaufte JAB die Modemarke Belstaff an Ineos.[38] Eine im Februar 2018 angekündigte Übernahme von Bally[39] durch den chinesischen Textilkonzern Shandong Ruyi, zu dem auch die Marken Cerruti und Aquascutum gehören,[40] wurde im Frühjahr 2020 abgebrochen.[41] Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie konnte Shandong Ruyi den Kaufpreis von 600 Millionen Dollar nicht aufbringen.[41]
Literatur
Hans-Jürgen Jakobs: Wem gehört die Welt? Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus, Albrecht Knaus Verlag, 2016, ISBN 9783813507362
Weblinks
Einzelnachweise
- JAB Holding Company | Long Term Investments | Privately Held Group. Abgerufen am 17. Juli 2021 (default).
- Mirjam Hecking: Neue Front gegen Nestlé. Warum der Reimann-Clan jetzt in Tierkliniken investiert. In: manager magazin, 26. Februar 2019.
- Coty: THIRD QUARTER FY19 FINANCIAL RESULTS (Präsentation zu Quartalszahlen), 8. Mai 2019, Angaben zu dem Resultat eines öffentlichen Angebots von JAB an die Aktionäre von Coty mit dem Ziel den Anteil von 40 % auf 60 % zu erhöhen auf Seite 14, abgerufen am 12. August 2019 (englisch)
- JAB Holding: Geschäftsbericht 2019, abgerufen am 17. Juli 2021 (englisch, pdf)
- Klaus Sippel, Ulrich Stiehl: Archäologie im Wald. (Memento vom 17. Januar 2013 im Internet Archive). In: Landesbetrieb Hessen-Forst, Kassel, 2005 (PDF; 4,7 MB), S. 38.
- Reckitt Benckiser: RB Germany – Über uns.
- Boris Sosnizkij: Reiniger und Duftmittel: Familie Reimann. In: brainstorms42.de, Serie: Der Milliardärsclub, 29. März 2003.
- Pfizer agrees to sell Coty unit for 440 million. In: New York Times, 5. Mai 1992.
- Wolfgang Hirn: Benckiser: Von Calgon bis Bally. In: manager magazin, 11. August 2008.
- Handelsregisterauszug von Joh. A. Benckiser AG aus Ludwigshafen (HRB 60277). Abgerufen am 29. Juni 2021.
- Über uns. (Memento vom 13. März 2018 im Internet Archive). In: Deutsche Kontor.
- Günter Reimann-Dubbers Stiftung
- bildungsstiftungen.org: Günter Reimann-Dubbers-Stiftung. (Memento vom 20. Juli 2012 im Internet Archive)
- Datenblatt: VRD Stiftung für Erneuerbare Energien in Heidelberg. (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive). In: Regierungspräsidium Karlsruhe, (PDF; 14 kB).
- Zeitungsbericht aus der HNA zum Spatenstich am 23.05.2002. (Memento vom 15. April 2012 im Internet Archive). In: Hessische Niedersächsische Allgemeine (HNA) / Bioenergiehof Obernjesa / VRD Energie Stiftung, 23. Mai 2002, Nachrichtenordner.
- Dürr-Stiftung: Startseite. Abgerufen am 20. Mai 2021 (deutsch).
- Klaus Boldt: Vermögens-Ranking. Aldi-Clan dominiert Deutschlands Milliardäre. In: manager magazin / SpOn, 9. Oktober 2012.
- Christoph Neßhöver: Vermögensranking: Familie Reimann ist erstmals die reichste in Deutschland. In: SpOn, 4. Oktober 2017.
- Ursula Schwarzer und Martin Mehringer: Deutschlands unbekannteste Milliardärsfamilie. Reimann-Holding verwaltet 70 Milliarden Dollar. In: manager magazin, 28. Mai 2017.
- Rüdiger Kiani-Kreß: Familie Reimann – Deutschlands geheimnisvollste Milliardäre. In: WirtschaftsWoche, 30. März 2015.
- JAB Holding Company | Long Term Investments | Privately Held Group. Abgerufen am 26. Dezember 2017 (default).
- M. Hopmann: Geschäftsbericht JAB Holding 2018. In: jabholco.com. JAB Holding, 31. Dezember 2018, abgerufen am 5. Mai 2019 (englisch).
- Bart Becht ist im Januar 2019 „überraschend“ ausgeschieden; vgl. Grace Dobush: Reimann Family. Executive shakeup at JAB Holding. In: Handelsblatt, 15. Januar 2019; deutsche Version vgl. Christoph Kapalschinski: JAB Holding. Deutschlands wagemutigste Familie verliert mit Bart Becht einen ihrer Spitzenmanager. In: Handelsblatt, 14. Januar 2019, nur Artikelanfang frei aufrufbar.
- JAB Holding Co.: Umbau an der Spitze der Kaffee-Riesen. In: food-service.de, 14. Januar 2019.
- Reuters: D.E Master Blenders: Milliardärsfamilie will Senseo-Hersteller kaufen. (Memento vom 22. März 2016 im Internet Archive). In: Handelsblatt, 28. März 2013.
- Michael Gassmann: Diese Reimanns. In: Welt am Sonntag, 13. Juli 2014, Seite 5.
- Mark Scott: Benckiser to Buy D.E Master Blenders for $9.8 Billion. In: New York Times / DealBook, 12. April 2013.
- Pressemitteilung von D.E Master Blenders 1753
- SEC filing: AMENDED AND RESTATED SHAREHOLDERS’ AGREEMENT, 7. März 2016, abgerufen am 12. August 2019 (englisch)
- JAB Holding Company-Led Investor Group Completes Acquisition of Keurig Green Mountain, Inc. In: keuriggreenmountain.com. 3. März 2016, abgerufen am 5. April 2017 (englisch).
- Katharina Kort, Lars Ophüls, dpa: JAB Holding kauft Panera: Milliardärsfamilie Reimann landet den nächsten US-Coup. (Memento vom 25. März 2013 im Internet Archive). In: Handelsblatt, 5. April 2017.
- Internetpräsenz von Keurig Dr Pepper.
- Labelux: Mehrheitsbeteiligung an Derek Lam. (Memento vom 5. Dezember 2008 im Internet Archive). In: fashionunited.de, 9. Juli 2008.
- Report Overview: Labelux Group acquires Bally International AG from Texas Pacific Group Inc. (Memento vom 10. April 2012 im Internet Archive). In: Thomson Financial Mergers & Acquisitions, 18. Juni 2008.
- Kult-Schuhmarke aus „Sex and the City“: Deutscher Milliardär kauft Jimmy Choo. (Memento vom 17. Januar 2013 im Internet Archive). In: Rheinische Post, 23. Mai 2011.
- Vanessa Friedman: Will Labelux sell another brand? (Memento vom 11. November 2012 im Internet Archive). In: Financial Times, 8. November 2012.
- Dominique Muret: Leather goods brand Zagliani shelved; workshop taken over by Bally. In: FashionNetwork.com. 12. März 2015, abgerufen am 30. August 2017 (englisch).
- Jan Schroder: JAB verkauft Belstaff an britischen Chemiekonzern. In: fashionunited.de, 1. November 2017.
- Bye bye, Bally! In: Bilanz. 9. Februar 2018, abgerufen am 25. Februar 2021.
- Traditionsunternehmen: Chinesen kaufen Schweizer Luxusfirma Bally. In: FAZ.net, 9. Februar 2018.
- David Torcasso: Wie sich Bally nach dem geplatzten China-Deal neu erfindet. In: Handelszeitung. 22. April 2021, abgerufen am 27. Dezember 2021.