Alfred Landecker Foundation
Die Alfred Landecker Foundation ist die im Juni 2019 gegründete Stiftung der Unternehmerfamilie Reimann und hat ihren Sitz in Ludwigshafen am Rhein und einem Büro in Berlin. Die ehemalige „Benckiser Stiftung Zukunft“ wurde in die Alfred Landecker Foundation überführt.
Alfred Landecker Foundation | |
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Rechtsform: | Öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts |
Zweck: | Förderung des Andenkens an die Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland, Förderung der Hilfe für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte, Förderung von Wissenschaft und Forschung |
Vorsitz: | Dan Diner |
Bestehen: | seit 2019 |
Stifter: | Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann, Stefan Reimann-Andersen, Matthias Reimann-Andersen |
Sitz: | Ludwigshafen am Rhein (Büro in Berlin) |
Website: | www.alfredlandecker.org |
Ziele der Stiftung
Die Stiftung wurde von den Geschwistern Renate Reimann-Haas und Wolfgang Reimann sowie deren Halbgeschwister Stefan Reimann-Andersen und Matthias Reimann-Andersen 2019 gegründet. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, das Andenken an die Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismus zu fördern, über den Holocaust aufzuklären sowie politisch, rassisch oder religiös Verfolgte zu unterstützen. Ein weiterer Zweck ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Die Stiftung unterstützt ausgewählte Forschungs-, Bildungs- und Sensibilisierungsprojekte und bemüht sich um Partnerschaften mit führenden Institutionen in den Bereichen Wissenschaft, öffentliche Politik, Bildung, Geschichte und Erinnerung.
Mit der Stiftung hat sich die Familie Reimann verpflichtet, einen Spendenfonds in Höhe von zehn Millionen Euro einzurichten zwecks humanitärer Hilfe für Überlebende des Holocaust sowie die Opfer von Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg. Außerdem wird die Familie Reimann der Stiftung in den nächsten zehn Jahren 250 Millionen Euro zur Verfügung stellen.[1] Geplant ist ein fortlaufendes Engagement auf unbestimmte Zeit.[2]
Geschichte
Alfred Landecker (1884–1942) war ein deutsch-jüdischer Buchhalter. Seine Ehefrau († 1933) war katholischen Glaubens. Aus der Ehe stammten drei Kinder, die Landecker nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 katholisch taufen ließ. Landecker wurde 1942 in ein Ghetto im vom Deutschen Reich besetzten Polen deportiert, wo er kurz darauf ums Leben kam.[3][4]
Landeckers Tochter Emilie (1922–2017) sorgte nach dem Tod des Vaters für ihre zwei Geschwister und arbeitete bis zum Jahr 1965 für die von Johann Adam Benckiser gegründete Firma Joh. A. Benckiser GmbH, die von Albert Reimann sen. und Albert Reimann jun. geleitet wurde.[4] Aus ihrer langjährigen Beziehung mit dem verheirateten Reimann jun. stammten die drei Kinder Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann und Andrea Reimann-Ciardelli. Es ist unklar, ob Reimann Kenntnis über Emilies jüdische Abstammung hatte. Da Reimanns Ehe kinderlos blieb, adoptierte er im Jahr 1965 seine Kinder aus der Beziehung mit Emilie Landecker.[4]
Im Jahr 2016 beauftragte die Familie Reimann den Historiker Paul Erker vom Institut für Zeitgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, die politische Vergangenheit der Familie sowie der Firma Joh. A. Benckiser GmbH zwischen den frühen 1920er Jahren bis 1945 zu erforschen.[5] Im Januar 2019 teilte Erker der Familie als Ergebnis seiner Nachforschungen mit, dass Albert Reimann sen. und Albert Reimann jun. Antisemiten und überzeugte Anhänger Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus waren und außerdem von der Kriegswirtschaft profitierten. Darüber hinaus kam es während der Zeit des NS-Regimes in den Werken des Unternehmens zu Gewalt und Missbrauch an Zwangsarbeitern.[5][6] Im März 2019 deckte die Bild am Sonntag auf, wie stark die Reimann-Familie in des Nazi-System verstrickt war. Im Juni 2019 entschloss sich die Familie Reimann zur Gründung dieser Stiftung. Die frühere „Benckiser Stiftung Zukunft“ wurde in die Alfred Landecker Foundation überführt.[7] Mit der Namensgebung will sie zur Bewahrung seines Andenkens beitragen und auch an die Millionen von Opfern des Nationalsozialismus erinnern.
Lehrstuhl an der Universität Oxford
2020 wurde an der Universität Oxford ein neuer Lehrstuhl eingerichtet, die Alfred Landecker Professur für Werte und Public Policy, auf die der führende Philosoph Jonathan Wolff berufen wurde.[8]
„Decoding Antisemitism“ Projekt
Im September 2020 kündigte die Stiftung ein Projekt an, bei dem mit Hilfe künstlicher Intelligenz nach „Hassrede“ im Internet gesucht werden soll. Man will mit Hilfe der Technischen Universität Berlin und dem King’s College London eine open-source Lösung bereitstellen, die auf Webseiten und auf Profile in Sozialen Medien angewandt werden kann. Man wolle einen öffentlichen Diskurs fördern, der nicht von „hasserfüllten Stimmen“ dominiert wird. Die Idee sei, die Redefreiheit zu stärken und gleichzeitig sicherzustellen, dass Antisemiten und Rassisten eine respektierliche Diskussion nicht verhinderten.[9]
Struktur
Die Stiftung verfügt über einen Stiftungsrat, der die strategische Richtung der Stiftungsaktivitäten bestimmt und ein wissenschaftliches Kuratorium, das Vorschläge zur Ausrichtung und der Art der finanziellen Zuwendungen und Projekte ausarbeitet, die von der Stiftung unterstützt werden. Das Kuratorium stellt die unabhängige, solide Überprüfung der Aktivitäten der Stiftung aus wissenschaftlicher Sicht sicher. Der Stiftungsrat und das wissenschaftliche Kuratorium der Stiftung bestehen aus Personen des öffentlichen Lebens sowie wissenschaftlichen Experten. Sie entwickeln und begleiten die Aktivitäten und Programme der Stiftung und überwachen ihre Ausrichtung.[2]
Der Stiftungsrat besteht mehrheitlich aus unabhängigen Mitgliedern: Dan Diner (Vorsitzender), Ngaire Woods (Stellvertretende Vorsitzende), Dietmar Müller-Elmau, Joschka Fischer, Eldar Shafir, Norbert Frei, Stuart Eizenstat, Rachel Salamander, Peter Harf und Martin Reimann (hinter diesem Namen verbirgt sich Martin Haas, Sohn von Renate Reimann-Haas).[2]
Das wissenschaftliche Kuratorium der Stiftung besteht aus Norbert Frei, Stefanie Schüler-Springorum, Cilly Kugelmann, Sybille Steinbacher und Jonathan Wolff.[2]
Weblinks
- Offizielle Website der Alfred Landecker Stiftung
Einzelnachweise
- Bernd Freytag: Industriellenfamilie: Die Reimanns stiften 250 Millionen Euro gegen Hass. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 17. Juni 2021]).
- Alfred Landecker Stiftung - Über uns Website der Alfred Landecker Foundation. Abgerufen am 11. Juli 2019.
- Katrin Bennhold: Nazis Killed Her Father. Then She Fell In Love With One. nytimes.com, 14. Juni 2019, abgerufen am 25. Juli 2019 (englisch).
- Jennifer Smith: How the secret love affair between the daughter of a murdered Jew and a Nazi businessman sparked a dark scandal behind the company which owns Krispy Kreme and Keurig. Daily Mail Online, 14. Juni 2019, abgerufen am 21. Juli 2019 (englisch).
- Christian Rickens: Unternehmerfamilien sollten ihre Rolle unterm Hakenkreuz erforschen. Handelsblatt, 25. März 2019, abgerufen am 21. Juli 2019.
- Unternehmerfamilie Reimann arbeitet NS-Geschichte auf In: „wiwo.de“. Abgerufen am 11. Juli 2019.
- Benckiser Stiftung Zukunft | Intro. Abgerufen am 21. Juli 2019.
- „Europa ist die Lehre aus dem 8. Mai“ - Wirtschaft. Abgerufen am 17. Juni 2021.
- "Alfred Landecker Foundation launches a new ‘Decoding Antisemitism’ project to Stop Hate Online using Artificial Intelligence" alfredlandecker.org vom 20. September 2020