Immunantwort
Eine Immunantwort ist die Reaktion des Immunsystems auf Organismen oder Substanzen, die es als fremd erkannt hat. Unterschieden wird dabei zwischen der angeborenen und der erworbenen (oder auch adaptiven) Immunantwort. Die angeborene Immunantwort erkennt fremde Reize über vererbte Mechanismen, während die erworbene Immunantwort dazu Rezeptoren verwendet, die in beinahe unbegrenzter Zahl und in jedem Individuum neu gebildet werden. Die erworbene Immunantwort kann auf einen fremden Reiz flexibel reagieren: Wird er als ungefährlich eingestuft, löst dieser Reiz in Zukunft keine Reaktion mehr aus (Immuntoleranz). Wird er als gefährlich eingestuft, wird eine produktive Immunantwort ausgelöst, die eine Beseitigung des als fremd erkannten Reizes zum Ziel hat.
Übergeordnet |
Reizantwort Prozess des Immunsystems |
Untergeordnet |
Angeborene I. Adaptive I. Humorale I. Gewebespezifische I. Typ-2-Immunantwort |
Gene Ontology |
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QuickGO |
Auslöser einer Immunantwort können in den Körper eingedrungene Erreger (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten) oder krankhaft veränderte Zellen des eigenen Körpers sein (Krebszellen). Eine Immunantwort gegen normale Körperzellen kann auftreten, wenn körpereigene Stoffe fälschlich als fremd erkannt werden (Autoimmunität). Auch an sich harmlose Substanzen aus der Umwelt können als gefährlich eingestuft werden und eine Reaktion hervorrufen (Allergie). Wenn es dagegen Krankheitserregern gelingt, einer Immunantwort zu entkommen, wird dies als Immunescape oder Immunflucht bezeichnet.[1][2]
Die Mechanismen, die im Verlauf einer Immunantwort die Beseitigung von eingedrungenen Erregern bewirken, sind äußerst vielfältig. Das Komplementsystem besteht aus sich selbst organisierenden Proteinkomplexen, die Erreger markieren oder direkt abtöten können. Mikrobizide Substanzen werden auch von Zellen außerhalb des Immunsystems freigesetzt, unterschiedlichste Fress- und Killerzellen können aktiviert werden, und Antikörper binden hochspezifisch an fremdartige Strukturen. In der Regel sind mehrere dieser Effektormechanismen gleichzeitig aktiv, um eine vollständige Beseitigung der Erreger zu gewährleisten. Eine Überreaktion des Immunsystems muss jedoch verhindert werden, da sie starke Gewebeschäden oder sogar den Tod verursachen kann (siehe anaphylaktischer und septischer Schock). Weiterhin muss eine Reaktion gegen den eigenen Körper weitgehend ausgeschlossen werden, um Autoimmunerkrankungen zu vermeiden. Daher bestehen innerhalb des Immunsystems vielfältige Regulationsmechanismen, um Selbstschädigung durch fehlerhafte oder übertriebene Immunantwort zu vermeiden.
Angeborene Immunantwort
An der angeborenen Immunantwort ist eine Vielzahl von Zelltypen und löslichen Faktoren beteiligt, die zusammen ein eng verzahntes und gut abgestimmtes Abwehrsystem bilden. Ausgelöst wird sie durch charakteristische Merkmale von Erregern, die durch angeborene Rezeptoren erkannt werden – daher auch die Bezeichnung „angeborene Immunantwort“. Sie erfolgt schnell und effizient: Nur Minuten nach dem Eindringen werden die meisten Erreger erkannt und angegriffen, und bereits nach wenigen Stunden sind sie vollständig beseitigt.
Erworbene Immunantwort
Ein, zum Beispiel, durch Phagozytose eines Virus aktivierter Makrophage ("Fresszelle") setzt anschließend die erworbene Immunantwort, auch spezifische oder adaptive Immunantwort, in Gang. Diese unterteilt sich wiederum in zwei Bereiche; die humorale und zelluläre Immunantwort.
Humorale Immunantwort
(von lat. [h]umor = Feuchtigkeit auch Saft, Flüssigkeit) Abwehrstoffe gegen Krankheitserreger, die in den Körperflüssigkeiten Blut und Lymphe vorkommen und im zellfreien Blutplasma oder Serum nachgewiesen werden können. Antikörper, auch Immunglobuline genannt, kommen als Proteine sowohl im Blut, als auch in der Lymphe vor und werden durch Plasmazellen hergestellt und freigesetzt.
Die Aktivierung einer B-Zelle wird durch Bindung eines passenden Antigens an die B-Zell-Rezeptoren eingeleitet. Diese sind spezielle Immunglobuline, die in der Zellmembran der B-Zelle verankert sind. Wurde der Antigen-Antikörper-Komplex erst einmal in die Zelle aufgenommen, so wird in deren Lysosomen das Antigen durch Proteasen auf eine Länge von 12 bis 16 Aminosäuren gekürzt, von den MHC2-Proteinen gebunden und auf der Oberfläche der Zelle präsentiert. Dank des T-Zell-Rezeptors sind die T-Helferzellen vom Typ 2 wiederum in der Lage, das durch antigenpräsentierende Zellen an MHC2 präsentierte Fragment des Antigens zu erkennen. Durch die Erkennung sowie durch Bindung mindestens eines weiteren Signals (Kostimulator) wird die T-Helfer-Zelle aktiviert und gibt daraufhin Zytokine ab, die auf den B-Zellen gebunden werden und somit zur Aktivierung der B-Zelle und letztlich auch zur Reifung neuer Plasmazellen führen.
Einige dieser B-Zellen differenzieren zu Gedächtniszellen und sind in der Lage, bei erneuter Infektion durch denselben Erreger Antikörper abzugeben, die dann spezifisch an die jeweiligen Antigene binden und eine erneute Immunreaktion auslösen können. Andere B-Zellen differenzieren zu Plasmazellen.
Zelluläre Immunantwort
Die zelluläre Immunantwort wird durch professionelle antigenpräsentierende Zellen und cytotoxische T-Zellen ausgelöst und durch T-Helfer-Zellen vom Typ 1 verstärkt. Die cytotoxische T-Zelle muss von einem spezifischen Antigen und durch verschiedene kostimulatorische Signale aktiviert werden, bevor sie ihre Funktion, das Abtöten infizierter oder entarteter Zellen, effektiv erfüllen kann. Cytotoxische T-Zellen können zum Beispiel durch zelluläre Proteine, die im Zytosol von Krebszellen oder virusbefallenen Zellen gebildet und anschließend an der Zelloberfläche präsentiert werden, aktiviert werden.
Bei der Aktivierung wird die cytotoxische T-Zelle zunächst von einer professionellen antigenpräsentierenden Zelle, häufig von reifen dendritischen Zellen, stimuliert. Das spezifische Antigen wird hierbei durch das Proteasom in kurze Fragmente von acht bis elf Aminosäuren zerlegt. Diese Fragmente werden von den sogenannten MHC I-Proteinen gebunden und den cytotoxischen T-Zellen an der Zelloberfläche präsentiert. Die cytotoxischen T-Zellen können die Antigenfragmente mit Hilfe ihrer T-Zell-Rezeptoren erkennen und werden dadurch erstmals aktiviert. Erst durch die von den antigenpräsentierenden Zellen gebildeten Kostimulatoren und von T-Helferzellen des Typs 1 abgegebenen Zytokinen, die zu den cytotoxischen T-Zellen diffundieren und dort von Cytokin-Rezeptoren gebunden werden, werden die cytotoxischen T-Zellen dazu veranlasst, sich zu vollständig aktivierten cytotoxischen T-Zellen auszudifferenzieren. Wenn die nun aktivierte cytotoxische T-Zelle spezifisch mit ihrem Rezeptor an eine erkrankte Zelle bindet, leitet die aktivierte T-Killerzelle in dieser die Apoptose ein. Dazu geben sie Perforin ab, das die erkrankte Zelle perforiert. Ist die Zellmembran erst einmal durchlöchert, dringen sogenannte Granzyme ein und aktivieren dort mehrere Enzyme, die die Zelle verdauen.
Einige cytotoxische T-Zellen differenzieren sich zudem zu T-Gedächtniszellen und stehen von nun an für die erneute Zerstörung von erkrankten Körperzellen zur Verfügung.
Überempfindlichkeiten und Allergien
Auch die Überempfindlichkeiten (antikörpervermittelte Anaphylaxien und zellvermittelte Allergien; englisch Delayed Type Hypersensitivity, DTH) sind erworbene Immunreaktionen mit Erinnerung. Auch gegen chemisch reine Substanzen kann nach einmaligem oder vielfach wiederholten Kontakt eine solche Immunreaktion als eine Kontaktallergie auftreten. Die Abstoßung körperfremder Organtransplantate kann ebenfalls eine zellvermittelte Immunreaktion sein.
Evolution
In Bakterien werden verschiedene Resistenzmechanismen ausgebildet, wie z. B. Restriktionsenzyme, die zellfremde Molekülstrukturen erkennen und zerstören. Darüber hinaus besitzen verschiedene Bakterienarten eine Form adaptiver Immunität durch das CRISPR. Kieferlose besitzen noch keine getrennten B- und T-Zellen und entsprechende Rezeptoren für eine adaptive Immunantwort, sondern einen Variable lymphocyte receptor. Bei Vögeln reifen antikörperproduzierende B-Zellen in der Bursa Fabricii, und sie besitzen nur einen Typ Antikörper, Immunglobulin Y.
Literatur
- C. Janeway et al.: Immunobiology. 6. Auflage ISBN 0-8153-4101-6. Die 5. englische Ausgabe ist online auf den Seiten des NCBI-Bookshelf verfügbar, (online).
- J. Hacker, J. Heesemann: Molekulare Infektionsbiologie. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/ Berlin 2000, ISBN 3-86025-368-9.
- M. T. Madigan, J. M. Martinko: Brock biology of microorganisms. 11., internationale Auflage. Pearson Prentice Hall, Upper Saddle River 2006, ISBN 0-13-196893-9.
- Peter F. Zipfel, Peter Kraiczy, Jens Hellwage: Das tägliche Versteckspiel: Wie Mikroorganismen der Immunabwehr entgehen. In: Biologie in unserer Zeit. Band 32, Nr. 6, 2002, S. 371–379, ISSN 0045-205X
Weblinks
- Lukas Brausch: Artikel von Science-2Day zum Thema Immunreaktion (Memento vom 15. Juli 2010 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- Katja Maurer: HIV spezifische Immunität und virale Fluchtmechanismen. Dissertation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Naturwissenschaftliche Fakultät, 2008.
- G7-Gesundheitsminister beraten über Omikron. Salzburger Nachrichten, 29. November 2021.
- Spektrum: Immunantwort