Hypervalenz
Als Hypervalenz [griech. hyper: über, zu viel, siehe Liste griechischer Präfixe] wird die positive Abweichung zur Valenzstrukturtheorie bezeichnet, nach der die äußere Schale eines Atoms mehr als die nach der Edelgaskonfiguration von s- und p-Orbitalen möglichen acht Elektronen aufnehmen kann (Oktettregel). Sie tritt bei Verbindungen von schweren Hauptgruppenelementen der 3. bis 8. Hauptgruppe mit starken Elektronenakzeptoren wie Sauerstoff oder Fluor auf.[1] So zum Beispiel in Selenhalogeniden wie Selenhexafluorid (SeF6) oder Iodfluoriden (z. B. IF5, IF7), generell in vielen Edelgas- und Interhalogenverbindungen. Es wurde eine Beteiligung der d-Orbitale des Zentralatoms angenommen, was allerdings inzwischen als nicht korrekt gilt. Heutzutage wird die Beschreibung durch eine elektronenreiche Mehrzentrenbindung realisiert.
Beispiele
Hypervalente Iodverbindungen
In der organischen Synthesechemie werden hypervalente Iodverbindungen als milde Oxidationsmittel vielfach eingesetzt. Zu diesen „modernen“ Oxidationsmitteln zählen u. a:
Iodosylbenzol[2][3] | Di-acetoxy-iodbenzol (DIB)[2][3][4] | Dess-Martin-Periodinan (DMP)[2][3] | 2-Iodoxybenzoesäure (IBX)[2][3][4] |
Dess-Martin-Periodinan wird besonders in der so genannten Dess-Martin-Oxidation eingesetzt. Weiterhin gibt es Reagenzien mit hypervalentem Iod, die zur elektrophilen Einführung von Iod (Angriff von I+ auf Nucleophile, z. B. C=C-Doppelbindungen) dienen:
Di-sym-collidin-iodoniumperchlorat[5] |
Einzelnachweise
- Eintrag zu hypervalency. In: IUPAC (Hrsg.): Compendium of Chemical Terminology. The “Gold Book”. doi:10.1351/goldbook.HT07054 – Version: 2.3.2.
- V. V. Zhdankin, P. J. Stang: In: Chemical Reviews. 102, 2002, S. 2523–2584.
- T. Wirth: In: Angew. Chem. 117, 2005, S. 3722–3731.
- R. D. Richardson, T. Wirth: In: Angew. Chem. 118, 2006, S. 4510–4512.
- D. A. Griffith, S. J. Danishefsky: In: J. Am. Chem. Soc. 112, 1990, S. 5811–5819.