Homosexualität in Litauen
Homosexualität wird in Litauen zwar toleriert, ist gleichwohl in Teilen der überwiegend katholischen Gesellschaft ein Tabuthema.
Gesetzliche Bestimmungen
Legalität
Homosexualität wurde 1993 in Litauen vollständig entkriminalisiert.[1] Homosexualität ist im Schutzalter der Heterosexualität gleichgestellt. Das Schutzalter wurde 2004 auf 14 Jahre angeglichen.
Gesetzgebungen zur Diskriminierung
Seit 2005 besteht auf gesetzlicher Ebene ein Antidiskriminierungsgesetz, das eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Eigentum, Gesundheitswesen, sowie Zugang zu Waren und Dienstleistungen verbietet. Das Gesetz erging als Umsetzung der Antidiskriminierungsvorschriften der Europäischen Union. Homosexuelle Menschen können im Militär dienen.
Das litauische Parlament diskutierte seit Herbst 2008 einen Gesetzesentwurf mit der Zielsetzung, die „Förderung von Homosexualität“ bei Kindern zu verbieten. Das „Propagieren einer nicht-traditionellen sexuellen Orientierung“ und die „Konfrontation mit einem positiven Bild homosexueller Beziehungen“ würde sich negativ auf die „körperliche, geistige und vor allem moralische Entwicklung Minderjähriger“ auswirken. Zu diesem Zweck seien alle öffentlichen Informationen, die zu homosexuellen Beziehungen „anregen“ würden und sich gegen die „Werte der Familie“ richten, zu verbieten; wobei die Begriffe „anregen“ und „Werte der Familie“ nicht im Gesetz definiert sind.
Am 16. Juni 2009 stimmten schließlich, bei drei Gegenstimmen und vier Enthaltungen, 67 Abgeordnete der Seimas für ein Gesetz, das die Thematisierung von Homosexualität an Schulen und öffentlichen Orten, an denen sich Jugendliche aufhalten könnten, verbietet. Ein weitergehender Gesetzentwurf, der auch Haftstrafen für das „Propagieren von Homosexualität“ beinhaltete und die Unterstützung der Mitte-rechts-Regierung erhalten hatte, scheiterte eine Woche zuvor. Ein ähnliches Gesetz, welches „nur noch“ Geldstrafen vorsieht, scheiterte ebenfalls im Seimas. 2011 wurde hingegen ein Mediengesetz verabschiedet, das eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbietet.[2]
Am 14. Mai 2020 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Litauen rechtskräftig wegen strafrechtlicher Duldung homophober Hassreden im Internet.[3]
Ein Gesetzentwurf seitens der sozialdemokratischen und liberalen Parteien aus dem Jahre 2021 sah Gleichstellungen wie unter anderem Erbrechte, gemeinsames Eigentum und die Möglichkeit der Änderung des Nachnamens für homosexuelle Partner vor, dessen Durchsetzung zunächst aufgrund Uneinigkeit im Parlament scheiterte. Im Mai 2021 gab es in der Hauptstadt Vilnius vermehrt Demonstrationen gegen den genannten Entwurf.
Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
In Litauen ist weder eine gleichgeschlechtliche Ehe noch eine eingetragene Partnerschaft gesetzlich zugelassen. Eine gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare staatlicherseits steht bisher aus. Die in Litauen bestehende Eingetragene Partnerschaft ist nur für heterosexuelle Paare ausgestaltet. In einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes wurde dies im November 2013 im Falle Griechenlands als Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht gewertet, wo ebenso wie in Litauen die Eingetragene Partnerschaft nicht für homosexuelle Paare ausgestaltet wurde.[4] Seit 2015 wird im Parlament ein Gesetzentwurf für eine eingetragene Partnerschaft beraten. Der Rechtsausschuss des Parlaments entschied im Mai 2015, dass die Verfassung von Litauen einer eingetragenen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare nicht entgegensteht.[5]
Gesellschaftliche Lage
Eine kleine homosexuelle Community findet sich aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte des Landes nur in Vilnius, Kaunas und Klaipėda.
Baltic-Pride
2010 kam es zum ersten Baltic-Pride in Vilnius mit 300 Teilnehmern. Die Veranstaltung war ursprünglich verboten worden. Zwei Tage vor der Demonstration hob das oberste Verwaltungsgericht Litauens das entsprechende Verbot auf. Zu den Teilnehmern gehörten auch Schwedens Europaministerin Birgitta Ohlsson und der Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Es kam zu einer Gegendemonstration mit 2.000 bis 3.000 Demonstranten. Auf Grund von Angriffen auf die Demonstration löste die Litauische Polizei die Gegendemonstration auf.[6] Unter den Organisatoren der litauischen Anti-Gay Proteste und der Gegendemonstrationen von Baltic Pride Parade in Vilnius befand sich auch das Parlamentsmitglied Petras Gražulis (* 1954)[7] 2013 wurde er bei Parade wegen der Störungen festgehalten.[8]
Weblinks
- Lithuanian Gay League (englisch)
- queeramnesty.ch: Petition an den Staatspräsidenten, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, 24. Juni 2009 (deutsch/englisch)
Einzelnachweise
- gay.lt: General description of the situation of homosexuals in Lithuania (Memento vom 22. Juli 2011 im Internet Archive)
- Queer.de: Litauen stampft homophobes Gesetz ein
- Case of Beizaras and Levickas v. Lithuania. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte. 14. Mai 2020, abgerufen am 16. August 2021
- queer.de:Siege für Homo-Aktivisten in Straßburg
- Gaystarnews: Lithuanian parliament committee: ‘constitution no barrier to gay civil partnerships’
- Tagesschau.de: Erster „Baltic-Pride“ in Litauen – Gewaltsame Proteste gegen Schwulen-Parade in Vilnius (Memento vom 11. Mai 2010 im Internet Archive), 8. Mai 2010
- Baltic Pride Parade in Vilnius Disrupted By Hundreds Of Anti-Gay Protesters – Video
- Parade 2013 (Petras Gražulis ir jo bendraminčiai susistumdė su policija, Seimo narys buvo sulaikytas)