Homosexualität in Ungarn
Ungarn gilt beim Thema Homosexualität als ein sehr konservatives mitteleuropäisches Land. Seit 2021 ist jegliche öffentliche Aufklärung von Kindern verboten und auch Werbespots mit homosexuellen Inhalten sind verboten.
Legalität
Das erste ungarische Strafgesetzbuch von 1878 bestrafte homosexuelle Handlungen zwischen Männern („természet elleni fajtalanság“) mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Homosexualität wurde 1961 für Männer über 20 Jahre dekriminalisiert. Im Jahre 1978 wurde das Schutzalter durch das neue Strafgesetzbuch auf 18 Jahre herabgesenkt. Seit 2002 wurde die Homosexualität der Heterosexualität gleichgestellt und das Schutzalter auf 14 Jahre infolge höchstgerichtlicher Entscheidung des ungarischen Verfassungsgerichts angeglichen. Homosexuelle Menschen können in der Armee dienen.
Im April 2012 brachte die rechtsextreme Partei Jobbik zwei Gesetzesanträge ins Parlament, nach denen Homosexuelle, die ihre Sexualität in der Öffentlichkeit thematisieren oder erkennbar werden lassen, mit bis zu acht Jahren Haft bestraft werden können. Des Weiteren beinhalten die Anträge ein Verbot zum Betrieb von Schwulenbars und -clubs, der Durchführung von CSDs und ähnlicher Festivals sowie der positiven Darstellung Schwuler und Lesben in den Medien.[1]
Gesetze
Im Jahre 2000 urteilte das ungarische Verfassungsgericht, dass die ungarische Verfassung auch den Schutz der sexuellen Orientierung erfasst. Seit 1997 besteht auf gesetzlicher Ebene ein Antidiskriminierungsgesetz durch den Act on Public Health. 2003 erging der Act on Equal Treatment and the Promotion of Equal Opportunities, der eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Eigentum, Gesundheitswesen und den Zugang zu Waren und Dienstleistungen verbietet. Das Gesetz erging als Umsetzung der Antidiskriminierungsvorschriften der Europäischen Union.
Am 15. Juni 2021 beschloss das ungarische Parlament mit Stimmen der Regierungspartei Fidesz unter Viktor Orbán und der rechtsextremen Partei Jobbik ein Gesetz, das die Darstellung von Homosexualität gegenüber Minderjährigen verbietet.[2]
Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
Seit 1996 können gleichgeschlechtliche Paare eine unregistrierte Partnerschaft eingehen, die vom ungarischen Staat anerkannt wird. Eine Eintragung wird hierbei nicht vorgenommen. Die Paare erhalten einige spezielle Rechte und Vergünstigungen.
Im November 2007 brachte die Regierung unter Ferenc Gyurcsány ein Gesetz ins ungarische Parlament ein, das eingetragene Partnerschaften ermöglicht hätte, die bis auf das Adoptionsrecht identisch mit der Ehe gewesen wären und auch Heterosexuellen offengestanden hätten. Die damaligen linken bzw. liberalen Regierungsparteien unterstützten das Gesetz, wobei die liberale Partei es als ersten Schritt zur vollständigen Öffnung der Ehe ansah.
Die ausgearbeitete Gesetzesvorlage konnte dann aber nicht wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten, da sie nach Auslegung des ungarischen Verfassungsgerichts gegen den verfassungsgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie verstoße, weil das Gesetz auch heterosexuellen Paaren offengestanden hätte. Eine Gesetzesvorlage nur für gleichgeschlechtliche Partnerschaften würde aber verfassungskonform sein.[3] Das ungarische Parlament setzte die Vorgaben des Verfassungsgerichts im April 2009 mit einem Gesetz zur Zulassung eingetragener Lebenspartnerschaft um, das im Juli 2009 in Kraft trat. Das Gesetz räumt verpartnerten Paaren weitgehend gleiche Rechte wie Eheleuten ein, schließt aber die Möglichkeit der Adoption von Kindern aus.
Seit der 2010 erfolgten Machtübernahme durch die konservative Partei von Viktor Orbán hat sich die rechtliche Lage für Homosexuelle verschlechtert.[2] 2013 wurde durch eine Verfassungsänderung der Schutz der Familie ausdrücklich auf heterosexuelle Paare beschränkt.[4]
Am 5. Juni 2018 urteilte der Europäische Gerichtshof aufgrund der Klage eines ungarischen Staatsbürgers, der in Brüssel seinen US-amerikanischen Partner geheiratet hatte. Ungarn verweigerte dem US-Amerikaner ein Aufenthaltsrecht länger als drei Monate. Der EuGH urteilte, dass der Begriff „Ehegatte“ („spouse“) geschlechtsneutral zu werten sei und auch für gleichgeschlechtliche Ehegatten gelte, dem US-Amerikaner sei ein Aufenthaltsrecht einzuräumen. Andernfalls werde der Ungar in seiner Freizügigkeit nach Art. 21 Abs. 1 AEUV beschränkt, in einem anderen Mitgliedsstaat der Union zu arbeiten, eine gleichgeschlechtliche Ehe einzugehen und diese in seinem Heimatstaat zu leben.[5][6]
Gesellschaftliche Situation
Eine homosexuelle Community findet sich vorrangig in der Hauptstadt Budapest, wo jedes Jahr ein CSD stattfindet. Allerdings kam es hier mehrfach zu gewaltsamen Gegenprotesten.[7] Die EuroGames konnten im Sommer 2012 ohne Zwischenfälle stattfinden.[8]
In den letzten Jahren stieg die Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe stark an: 2006 waren es lediglich 18 % der Bevölkerung, welche die Gleichstellung im Eherecht befürworteten, 2015 waren es 39 %.[9]
Weblinks
- Shibu Thomas: Hungary Bans Trans People From Legally Changing Gender. In: StarObserver.com.au. 20. Mai 2020 (englisch; „the Hungarian Parliament has voted to ban trans and gender diverse persons from changing the gender assigned to them at birth in official documents“).
- Judit Takács: Social visibility and acceptance of LGBT people in Hungary. In: policy.hu. 2004 (englisch; ausführliche Abhandlung).
- Andreas Bock: Wir müssen draußen bleiben. (Memento vom 22. Dezember 2009 im Internet Archive) In: the-international-online.com. 7. September 2009 (über den CSD 2009: Budapest Pride unter Ausschluss der Öffentlichkeit).
Einzelnachweise
- Meldung: Russische Verhältnisse in der EU? Ungarn: Jobbik will Schwule und Lesben kriminalisieren. In: Queer.de. 12. April 2012, abgerufen am 23. Mai 2020.
- Henryk Jarczyk: Orbans Welt: Das steckt hinter Ungarns Homosexuellen-Gesetz. Bayerischer Rundfunk, 23. Juni 2021
- Meldung: Ungarn: Gericht verbietet Eingetragene Partnerschaften. In: Queer.de. 16. Dezember 2008, abgerufen am 23. Mai 2020.
- Bundeszentrale für politische Bildung: Ungarns Parlament verabschiedet weitreichende Verfassungsänderung. In: bpb.de. 12. März 2013, abgerufen am 23. Mai 2020.
- Pressemitteilung des Gerichtshof vom 5. Juni 2018 (PDF, 222 kB)
- Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2018
- Meldung: Gericht: CSD in Budapest darf stattfinden. In: Queer.de. 13. April 2012, abgerufen am 23. Mai 2020.
- Chris Karnak: EuroGames in Budapest gingen ohne Zwischenfälle zu Ende. In: GGG.at. 2. Juli 2012, abgerufen am 23. Mai 2020.
- Europäische Kommission: Special Eurobarometer 437: Discrimination In The Eu In 2015. Report. Europäische Union, Oktober 2015, ISBN 978-92-79-50342-9, S. ?? (englisch; PDF: 14,2 MB, 396 Seiten auf equineteurope.org (Memento vom 22. Januar 2016 im Internet Archive)).