Hezhen
Die Hezhen (auch Hezhe; Mandschu: Heje; in Russland Nanai bzw. Nanaier oder Nanaien, herkömmliche Namen in westlicher Literatur: Gold bzw. Golden; Samagir; Eigenbezeichnungen in IPA: [xədʑən], [nanio] und [kilən]; chinesisch 赫哲族, Pinyin Hèzhézú; russisch нанайцы, гольды) sind ein Volk in Russland und der Volksrepublik China (dort eine der 55 offiziell anerkannten ethnischen Minderheiten, in Russland sind sie als eines der indigenen Völker des Nordens, Sibiriens und des Fernen Ostens anerkannt).
Allgemeines
Nach der letzten Volkszählung im Jahr 2010 gibt es in China 5.354 Hezhen und in Russland 12.160 (von denen 12.111 die russische Sprache beherrschen; nur 3.886 Personen sprechen die nanaische Sprache).[1] Sie leben vor allem an den Flüssen Amur und Ussuri im Nordosten der Provinz Heilongjiang und in Russland in den Regionen Chabarowsk (10.993; 90,4 %) – dort vor allem im Nanaiski rajon rund 200 km von der Gebietshauptstadt Chabarowsk entfernt – Primorje (417; 3,4 %) und der Oblast Sachalin (179; 1,5 % der Gesamtzahl, alle Angaben nach der Volkszählung 2002).
Die Sprache der Hezhen gehört zur südlichen oder mandschurischen Gruppe der tungusischen Sprachen und zerfällt in die beiden Dialekte Hezhen und Kili (Kileng). Traditionell kannten sie keine eigene Schrift, in einigen Fällen bediente man sich der Mandschu- bzw. der chinesischen Schrift. In der Sowjetunion war eine nanaiische Schriftsprache geschaffen worden, die heute noch an 13 Schulen in der Region Chabarowsk unterrichtet wird. In China wurde diese Schriftsprache nie verwendet. In China sprechen nur noch ca. 50 Personen Hezhenisch im Kili-Dialekt, während die drei Personen, die Mitte der 80er Jahre noch den Hezhen-Dialekt beherrschten, inzwischen vermutlich verstorben sind.
Traditionell lebten die Hezhen von Fischfang und Jagd, selten wurde etwas Gemüse oder Getreide angebaut. Hund und Schwein waren die einzigen Haustiere, letzteres war zudem das wichtigste Opfertier. Aus den bearbeiteten Häuten der Fische wurden Gewänder angefertigt, weshalb die Hezhen traditionell den Chinesen auch als Yupi Dazi („Fischhaut-Tataren“) bekannt waren.
Teil ihrer religiösen Vorstellungen war der Schamanismus; als Schamane wurde nur jener Heiler bezeichnet, der psychische Leiden behandelte und als Psychopomp tätig war, d. h. die Seelen Verstorbener ins Jenseits brachte (Ling Chunsheng). Für andere Leiden waren weitere Heiler zuständig, unter denen der bedeutendste der „Aha“ (Sklave) war, zuständig für die Pockengeister. In der in der Volksrepublik China vorherrschenden religionswissenschaftlichen Lehrmeinung und Literatur wird der Schamanismus als Religion behandelt und alle Heiler der Hezhen werden als „Schamanen“ bezeichnet.
Verbreitung der Hezhen in China
Die große Mehrheit der Hezhen Chinas lebt konzentriert in sechs Gemeinden (davon drei Nationalitätengemeinden):
- Gemeinde Bacha der Hezhen;
- Gemeinde Jiejinkou der Hezhen;
- Gemeinde Sipai der Hezhen;
- Großgemeinde Aoqi;
- Großgemeinde Fuyuan;
- Großgemeinde Zhuaji.
Provinzebene
Beim Zensus im Jahre 2000 wurden in China 4.640 Hezhen gezählt.
- Verteilung der hezhenischen Bevölkerung in China
Verwaltungsgliederung | Anzahl Hezhen | %-Anteil aller Hezhen Chinas |
---|---|---|
Provinz Heilongjiang | 3.910 | 84,27 % |
Provinz Jilin | 190 | 4,09 % |
Stadt Peking | 84 | 1,81 % |
Provinz Liaoning | 82 | 1,77 % |
Autonomes Gebiet Innere Mongolei | 54 | 1,16 % |
Provinz Hebei | 46 | 0,99 % |
Rest Chinas | 274 | 5,91 % |
Kreisebene
- Verbreitungsgebiete der Hezhen auf Kreisebene (2000)
Hier wurden nur Werte ab 0,45 % berücksichtigt. AG = Autonomes Gebiet.
übergeordnete Provinzebene | übergeordnete Bezirksebene | Kreis, Stadt, Stadtbezirk | Anzahl der Hezhen | % aller Hezhen Chinas |
---|---|---|---|---|
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Stadt Tongjiang | 1.060 | 22,84 % |
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Stadtbezirk Jiao | 657 | 14,16 % |
Provinz Heilongjiang | Stadt Shuangyashan | Kreis Raohe | 529 | 11,4 % |
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Kreis Fuyuan | 468 | 10,09 % |
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Stadtbezirk Xiangyang | 131 | % | 2,82
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Stadtbezirk Qianjin | 97 | % | 2,09
Provinz Heilongjiang | Stadt Harbin | Stadtbezirk Nangang | 88 | % | 1,9
Provinz Jilin | Stadt Jilin | Stadtbezirk Changyi | 71 | % | 1,53
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Kreis Huachuan | 67 | % | 1,44
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Stadt Fujin | 65 | % | 1,40
Provinz Heilongjiang | Stadt Hegang | Kreis Suibin | 52 | % | 1,12
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Stadtbezirk Dongfeng | 51 | % | 1,1
Provinz Heilongjiang | Stadt Harbin | Kreis Yilan | 45 | % | 0,97
Stadt Peking | keine | Stadtbezirk Haidian | 43 | % | 0,93
Provinz Heilongjiang | Stadt Heihe | Kreis Xunke | 43 | % | 0,93
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Kreis Huanan | 42 | % | 0,91
Provinz Heilongjiang | Stadt Jiamusi | Kreis Tangyuan | 30 | % | 0,65
Provinz Jilin | Stadt Jilin | Kreis Yongji | 29 | % | 0,63
Provinz Jilin | Stadt Changchun | Stadtbezirk Chaoyang | 27 | % | 0,58
Provinz Heilongjiang | Stadt Qiqihar | Stadtbezirk Jianhua | 26 | % | 0,56
Provinz Heilongjiang | Stadt Qiqihar | Kreis Longjiang | 26 | % | 0,56
AG Innere Mongolei | Stadt Hulun Buir | Autonomes Banner der Ewenken | 22 | % | 0,47
Provinz Heilongjiang | Stadt Shuangyashan | Kreis Baoqing | 21 | % | 0,45
Rest Chinas | 950 | 20,47 % |
Dersu Usala
Der russische Forscher Wladimir Klawdijewitsch Arsenjew reiste mit dem Nanaier Dersu Usala, der als Führer diente, Anfang des 20. Jahrhunderts durch bis dahin noch nicht kartografiertes Gebiet am Unterlauf des Ussuri. Der japanische Regisseur Akira Kurosawa verfilmte in den 1970er-Jahren das Zusammenleben der beiden.
Literatur
- Tatiana Bulgakova: Nanai Shamanic Culture in Indigenous Discourse. Fürstenberg: Kulturstiftung Sibirien, 2013 ISBN 978-3-942883-14-6 (verfügbar als PDF)
- Mareile Flitsch, Ingo Nentwig: Sammlung und Erforschung der Volksliteratur und des Volkstums des Nordostens der Volksrepublik China. In: Central Asiatic Journal. 30, 1986, S. 243–265.
- J. Hefter: Moculin. Ein Heldenepos der Golden. In: Sinica. 14, 1939, S. 108–150.
- V. N. Jernakov: Goldi in Northeast China. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 122, 1972, S. 173–179.
- H. M. Jettmer: Der Stamm der oberen Golden (die Sungari-Ussuri Gruppe). In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien. 67, 1936/37, S. 245–276 und 3 Tafeln.
- Эрих Кастен (Hrsg.): Нанайские сказки. (deutsch "Erzählungen der Nanai") Fürstenberg: Kulturstiftung Sibirien, 2012 ISBN 978-3-942883-06-1 (verfügbar als PDF)
- Owen Lattimore: The Gold tribe of the lower Sungari. In: Memoires of the American Anthropological Association. 40, 1933, S. 1–77.
- Ling Chunsheng: Songhua Jiang xiayou de Hezhe zu. (Die Hezhen am Unterlauf des Sungari). 2 Bände, 1 Bildband. Taibei 1978. (Reprint der Ausgabe Nanjing 1934).
- Bruno Richtsfeld: Die Mandschu-Erzählung „Nisan saman-i bithe“ bei den Hezhe. In: Münchner Beiträge zur Völkerkunde. 2, 1989, S. 117–155.
- Bruno Richtsfeld: Der Schamanismus der Tungusen und Daghuren in China unter Ausschluß der Mandschu. (= Völkerkundliche Arbeiten. Band 5). Bonn 1996.
- Zhixian You 尤志贤, Wanjin Fu 傅万金: 简明赫哲语汉语对照读本 Jianming Hezhe yu Hanyu duizhao duben (Kleines Hezhenisch-Chinesisches zweisprachiges Lesebuch). 黑龙江省民族研究所 Heilongjiang sheng minzu yanjiu suo (Nationalitäten-Forschungsinstitut der Provinz Heilongjiang), 哈尔滨 Harbin 1987, OCLC 46151979.
Siehe auch
Weblinks
- The Hezhe ethnic minority (chinesische Regierungsseite)
- Galina M. Volkova: Association of Indigenous Minority Peoples of the North of Khabarovsk Krai For the Protection of Indigenous Peoples’ Rights. (Memento vom 15. Juli 2007 im Internet Archive) (PDF)
Einzelnachweise
- Ergebnisse der Volkszählung 2002: Bevölkerung nach Ethnien und Beherrschen der russischen Sprache (MS Excel; 38 kB), Verbreitung der Sprachen (außer der russischen) (russisch; MS Excel; 29 kB)