Henri Schaller (Politiker)
Henri Gaspard de Schaller (* 8. Oktober 1828 in Versailles, Frankreich; † 18. Mai 1900 in Freiburg) war ein Schweizer Politiker und Staatsrat des Kantons Freiburg.
Leben
Schaller war katholisch und entstammt einer Familie der privilegierten Bürgerschaft der Stadt Freiburg. Seine Eltern waren Jean-François Schaller (1784–1860), Hauptmann in französischen Diensten, der den Spanien- (1808) und Russlandfeldzug (1812) überlebte, und Almire geb. de Clermont-Gallerande, die dem französischen Adel angehörte. Nachdem Jean-François Schaller nach Freiburg zurückgekehrt war, wurde er Oberst der Bundestruppen und Generalinspektor der Freiburger Truppen. Henri-Gaspard Schaller, Vetter ersten Grades von Julien Schaller, heiratete 1853 Henriette de Spaur (1827–1900), aus altem Südtiroler Adel.
Nach dem Besuch des Kollegiums St. Michael diente Henri Schaller als Freiwilliger in einer Reservekompanie während des Sonderbundskriegs (November 1847). Er studierte Rechtswissenschaften an der Freiburger Rechtsakademie sowie an den Universitäten Würzburg, Heidelberg und Paris, bevor er ein Praktikum bei Anwalt Louis de Wuilleret absolvierte. 1855 ernannte ihn der radikale Staatsrat zum Schreiber des Kantonsgerichts. Die liberal-konservative Regierung beförderte ihn zum Oberamtmann des Sensebezirks (1857–1858). Von 1857 bis 1900 war er Abgeordneter des Sensebezirks im Grossen Rat.
Am 11. Mai 1858 wurde Henri Schaller vom Kantonsparlament mit 40 von 66 Stimmen in den Staatsrat des Kantons Freiburg gewählt, dem er bis 1900 angehörte, das heisst 43 Jahre lang, ein Rekord, der ihn noch vor Georges Python platziert (42 Jahre von 1886 bis 1927). Schaller präsidierte die Regierung 1881, 1893 und 1899. In Bern sass er im Ständerat (1870–1896), den er 1892 präsidierte, nach den Parlamentswahlen 1896 bis zu seinem Tod im Nationalrat.
Schaller leitete nacheinander die Kultusdirektion (1858–1862), die Direktion des Innern (1862–1872), die Erziehungsdirektion (1872–1886) und die Polizeidirektion (1886–1900). Er war ein Workaholic, der ein umfangreiches Werk hinterliess. Während seiner kurzen Zeit als Kultusdirektor setzte er Romain Werros Politik fort, die darauf abzielte, wieder gute Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche zu schaffen, insbesondere in Hinsicht auf die Verwaltung der Kirchengüter und der beschlagnahmten Güter einiger Klöster. Als Direktor des Innern erneuerte er das Gesetz über die Gemeinden und Pfarreien (1864), mit dem in grösseren Ortschaften Generalräte geschaffen wurden. Er unterstützte die Gründung des Spitals von Billens (1866) und der psychiatrischen Klinik in Marsens (1869), schaffte Gesetze über die Fürsorge und das Bettelwesen (1869) sowie über die Heimatlosen (1870) und unterstützte die Landwirtschaft (Hilfen für die Verbesserung der Viehzucht 1863, für die Milchgenossenschaften und Käsereien 1867), die Forstwirtschaft, die Wasserverbauungen und die Trockenlegung von Sumpfgebieten. Zudem setzte er sich für die Wasser- und Forstgesellschaft sowie die Industrialisierungsbemühungen Guillaume Ritters im Kantonshauptort ein.
Schaller übernahm die Erziehungsdirektion zu einem Zeitpunkt, da die finanzielle Lage des Staats weniger angespannt war. So konnte er die Löhne der Lehrer (1872) und ihre Pensionen (1881) verbessern. Er schaffte das Gesetz über die Sekundarschulen (1875) und erhielt eine gute Dotation für das Lehrerseminar in Hauterive, erweiterte das Kollegium St. Michael um eine Handelsschule und gewährte den Kollegiumslehrern eine Gehaltserhöhung (1872). Darüber hinaus unterstützte er die historischen und naturwissenschaftlichen Museen. Er bereitete das Terrain für seinen Nachfolger Georges Python vor, indem er neue Primarschulen eröffnete, ihr Material vereinheitlichte und Turnstunden einführte. 1884 trat das neue Schulgesetz in Kraft. Für die von ihm eingeführten Maturitätsprüfungen erhielt er die Anerkennung des Bundes. Nachdem er die Erziehungsdirektion verlassen hatte, unterstützte er Georges Pythons Bemühungen um die Gründung einer Universität.
Als Polizeidirektor richtete Schaller eine Strafkolonie in Bellechasse ein (1899). Er bekämpfte die Zunahme der Pinten im Kanton, die er für Brutstätten des Alkoholismus hielt, und verbesserte die Brandbekämpfung, indem er die Feuerwehr verstärkte. Schliesslich verbesserte er die Versicherung gegen Viehkrankheiten (1899).
Schaller war ein gemässigter Konservativer mit einigen liberalen Ideen. Besonders deutlich zeigten dies seine Aktivitäten in den eidgenössischen Kammern, da er sich dort weniger von den Freiburger Verhältnissen eingeengt fühlte. In Freiburg hielt er sich fern von Intrigen und Verschwörungen, näherte sich aber allmählich den ultramontanen Konservativen an, Ausdruck eines gewissen Opportunismus und eines Sinns für politisches Überleben. Neben der Politik hatte er weitere Interessen und begeisterte sich beispielsweise für die Kantons- und Landesgeschichte. Er war Mitglied der Société d’histoire du canton de Fribourg, die er 1877 präsidierte, der Société d’histoire de la Suisse romande, der Ökonomischen Gesellschaft, der Société des Beaux-Arts und verschiedener weiterer wissenschaftlicher, ökonomischer und künstlerischer Vereinigungen. Mehrere historische Werke und Artikel stammen aus seiner Feder. Schaller war ein Beamter, der auf ein beachtliches Werk blicken konnte. Liebenswürdig und fröhlich, in Gesellschaft gern gesehen und ein ausgezeichneter Redner, musste er eine harte Prüfung bestehen, als seine Frau Henriette dem Wahnsinn verfiel. Am 18. Mai 1900 starb er nach langer Krankheit im Alter von 72 Jahren. Er zählt zu den letzten Vertretern der Generation von Politikern, die 1856 das liberal-konservative Regime errichteten. Sein Werk ist beachtlich, wird aber durch jenes von Louis de Weck-Reynold und Georges Python in den Schatten gestellt.
Literatur
- Georges Andrey, John Clerc, Jean-Pierre Dorand et Nicolas Gex: Der Freiburger Staatsrat: 1848–2011. Geschichte, Organisation, Mitglieder. Editions La Sarine, Freiburg 2012, ISBN 978-2-88355-153-4.
Weblinks
- Jean-Pierre Dorand und ASCH: Schaller, Henri Gaspard de. In: Historisches Lexikon der Schweiz.