Helma Sanders-Brahms
Helma Sanders-Brahms (* 20. November 1940 in Emden, Ostfriesland; † 27. Mai 2014 in Berlin[1]) war eine deutsche Filmregisseurin, Drehbuchautorin und Filmproduzentin.
Leben
Sie war die Tochter einer Fotografin und eines Fernmeldeoberamtmanns. Seit 1977 nannte sie sich nach dem Mädchennamen ihrer Mutter.
Nach der Schulzeit und dem Abitur 1960 besuchte sie drei Semester lang eine Schauspielschule in Hannover. Ab 1962 studierte sie Theaterwissenschaft, Germanistik, Anglistik und Pädagogik (Abschluss 1965 mit dem 1. Staatsexamen) in Köln, hospitierte beim Rundfunk, wurde Fernsehansagerin beim 3. Programm des WDR und arbeitete als Fotomodell. Ihr Referendariat brach sie nach einem Jahr aufgrund ihrer nach dem Beamtenrecht unzulässigen Doppelbelastung ab.
Während eines Italienaufenthalts lernte sie 1967 Pier Paolo Pasolini und Sergio Corbucci kennen und arbeitete mit ihnen zusammen.[2] Seit 1969 machte sie eigene, häufig stark autobiografisch geprägte Filme, schrieb fast alle Drehbücher und produzierte sehr viele ihrer Filme selbst.
Ihre ersten Filme beschäftigten sich kritisch mit der Arbeitswelt und der Situation der Frauen in Westdeutschland. Unter dem Pflaster ist der Strand wurde zu einem zentralen Film der deutschen Frauenbewegung und der 68er-Bewegung. Vor allem mit Deutschland, bleiche Mutter wurde sie zu einer der wichtigsten, weltweit gefeierten Regisseurinnen Deutschlands. Neben Spielfilmen drehte sie einige Dokumentarfilme und schrieb Hörspiele.
Ihre Filme wurden mit vielen Film- und Festivalpreisen ausgezeichnet, sie wurde Officier des französischen Ordre des Arts et des Lettres und Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. 2003 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Filmakademie.
Neben ihrer Filmarbeit war Helma Sanders-Brahms auch publizistisch tätig. So schrieb sie von 1976 bis 1982 regelmäßig für die Zeitschrift epd Kirche und Film und verfasste Porträts für das Jahrbuch Film.
Helma Sanders-Brahms starb am 27. Mai 2014 nach langer Krankheit im Alter von 73 Jahren in Berlin. Bestattet wurde Helma Sanders-Brahms auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof I in Berlin-Kreuzberg.
Sie war eine Urururgroßnichte des Komponisten Johannes Brahms (1833–1897).
Filmografie
Spiel- und Fernsehfilme
- 1970: Gewalt (Fernsehfilm)
- 1973: Die letzten Tage von Gomorrha (Fernsehfilm)
- 1974: Unter dem Pflaster ist der Strand
- 1975: Erdbeben in Chili (Fernsehfilm)
- 1976: Shirins Hochzeit
- 1977: Heinrich
- 1980: Deutschland, bleiche Mutter
- 1981: Die Berührte
- 1984: Flügel und Fesseln (L’Avenir d’Emilie)
- 1986: Laputa
- 1987: Felix – Episode 1: Er am Ende
- 1989: Manöver
- 1992: Apfelbäume
- 1997: Mein Herz – Niemandem!
- 2003: Die Farbe der Seele
- 2008: Geliebte Clara
Dokumentarfilme
- 1969: Angelika Urban, Verkäuferin, verlobt (über eine Verkäuferin im Kaufhof)
- 1971: Die industrielle Reserve-Armee (über die Lage der Arbeitsmigranten)
- 1973: Die Maschine (über die Arbeit an einer Rotationsmaschine)
- 1980: Vringsveedeler Triptychon, 1. Linker Flügel: Im Reich des Schokoladenkönigs, 2. Mittelteil: Rievkooche-Madonna, 3. Rechter Flügel: Josef und die Gerechtigkeit (über den Karneval der armen Leute in Köln)
- 1985: Alte Liebe (über den alten Berliner Kinobesitzer Bruno Dunst und seine Frau)
- 1987: Hermann mein Vater (über eine Reise, die Sanders-Brahms gemeinsam mit ihrem Vater nach Frankreich unternimmt, zu den Stätten, wo er 1940 als deutscher Besatzer war)
- 1995: Jetzt leben – Juden in Berlin (über eine russisch-jüdische Familie, die aus Odessa nach Berlin übersiedelt)
- 2012: So wie ein Wunder – Das singende Kino des Herrn Heymann – über den bedeutendsten Filmkomponisten der Weimarer Republik Werner Richard Heymann
Hörspiele
- 1995: Anna Angsthase . Kinderhörspiel; Musik: Lars Kurz; Regie: Eva Demmelhuber; Produktion: BR, 1995. (Patmos Hörkassette, 1996, ISBN 3-491-22906-5)
- 1993–2001: Tausendundeine Nacht. 1. bis 14. Nacht, mit Eva Mattes, Dieter Mann, Ulrich Matthes u. a. Musik: Günter „Baby“ Sommer. Regie: Robert Matejka (1–12) und Helma Sanders-Brahms (13–14). Produktion: RIAS, später: DLR Berlin. (Der Hörverlag, 2005, ISBN 3-89940-647-8; ausgezeichnet mit dem Corine-Hörbuchpreis 2005.)
- 2002: Tausendundeine Nacht. 15. bis 17. Nacht. Mit: Eva Mattes, Dieter Mann, Ulrich Matthes u. a. Musik: Günter Baby Sommer. Regie: Helma Sanders-Brahms. Produktion: DLR Berlin.
Bücher
- Gottfried Benn und Else Lasker-Schüler, Rowohlt Berlin 1997, ISBN 3-499-22535-2
- Die Erfüllung der Wünsche. Elefanten Press, Berlin 1995, ISBN 3-88520-544-0.
- Deutschland, bleiche Mutter. Film-Erzählung, rororo neue frau, Reinbek 1980, ISBN 3-499-14453-0
Literatur
- KINEMATHEK Helma Sanders-Brahms, 35. Jahrgang, Nr. 89, Berlin: Freunde der deutschen Kinemathek e.V., 1998, 252 S.
- Gerke Dunkhase: Helma Sanders-Brahms – Regisseurin. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 6, 1986.
- Norbert Grob (Hrsg.): Das Dunkle zwischen den Bildern. Essays, Porträts, Kritiken. Verlag der Autoren, Frankfurt/M. 1992, ISBN 3-88661-132-9.
- Helma Sanders-Brahms, in: Internationales Biographisches Archiv 43/2010 vom 26. Oktober 2010, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Brigitte Tast: Helma Sanders-Brahms (Kulleraugen-Materialsammlung Nr. 8). Verlag Ekkehard Lory, Düsseldorf 1980, ISBN 3-88842-108-X.
- Steven Taubeneck: Helma Sanders-Brahms: An Introduction, in: Jacqueline Levitin et al. (Hrsg.): Women Filmmakers: Refocusing, Routledge 2003, ISBN 978-0-415-96782-2, S. 65–77
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 7: R – T. Robert Ryan – Lily Tomlin. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 40.
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Helma Sanders-Brahms im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Helma Sanders-Brahms bei filmportal.de
- Helma Sanders-Brahms in der Internet Movie Database (englisch)
- Nachrufe:
- Jutta Brückner: Der weibliche Blick – ein männlicher Mythos. Zum Tod von Helma Sanders-Brahms: Wie eine Generation von Regisseurinnen verloren ging, Texte aus FAZ-Blog und EMMA
- Berliner Filmemacherin Helma Sanders-Brahm mit 73 gestorben, Berliner Morgenpost
- Susan Vahabzadeh: Mutter der Archetypen, Süddeutsche Zeitung
- Daniela Sannwald: Die Berührbare, Der Tagesspiegel
- „Deutschland, bleiche Mutter“: Filmregisseurin Helma Sanders-Brahms gestorben, Der Spiegel
- Ute Lipperheide: Erntezeit für Helma - kurz vor Schluss, Emder Zeitung
Einzelnachweise
- stern.de – Filmemacherin Helma Sanders-Brahms gestorben (Memento vom 27. Mai 2014 im Internet Archive)
- Hartmut Palmer: Helma Sanders-Brahms: Filmen, um zu überleben in: Cicero vom 28. Oktober 2010. Aufgerufen am 23. Januar 2014