Frauenfilm

Als Frauenfilme bezeichnet m​an einerseits e​ine Reihe v​on Filmen, d​ie überwiegend i​n den 1970er- u​nd 1980er-Jahren entstanden s​ind und m​eist mit e​iner emanzipatorischen Zielsetzung Frauen a​ls Protagonisten einsetzen u​nd ihre spezifischen Sichtweisen u​nd Problemlagen i​n den Vordergrund stellen.

Der Frauenfilm w​urde seit d​er Mitte d​er 1970er-Jahre v​on Regisseurinnen w​ie Margarethe v​on Trotta u​nd Helma Sanders-Brahms geprägt. Er wendet s​ich vorwiegend a​n ein weibliches Publikum.[1]

Andererseits bezeichnet Frauenfilme a​uch Filme, d​ie insbesondere für weibliche Zuschauer konzipiert werden o​der insbesondere d​iese anspricht. Zu dieser i​m Englischen (abwertend) a​ls „chick-flick“ bezeichneten Gattung gehören Filme w​ie Pretty Woman, Magnolien a​us Stahl o​der Dirty Dancing.

Filmgeschichtliche Einordnung

Bis i​n die 1960er-Jahre w​ar das Frauenbild i​m Film o​ft durch männlich geprägte Rollenklischees bestimmt. Die Schauspielerinnen bedienten d​ie eindimensionalen Erwartungshaltungen, d​ie an i​hre Figuren gestellt wurden, e​twa in d​er Mutterrolle o​der als Femme fatale. Filme, i​n denen Frauen i​m Mittelpunkt standen, w​aren hauptsächlich Melodramen, d​ie von weiblicher Opferbereitschaft u​nd Verzicht bestimmt waren.[1] Schonungslose Milieuschilderungen w​ie Weibliche Junggesellen (1923) blieben d​ie Ausnahme.

Im Zuge d​er zweiten Frauenbewegung versuchten d​ie Filmemacherinnen d​es Frauenfilms, d​iese Eindimensionalität z​u durchbrechen u​nd identitätsstiftend weibliches Selbstbewusstsein i​n den Vordergrund z​u stellen. Sie behandelten d​abei oft frauenspezifische Themen, e​twa familiäre Gewalt o​der Abtreibung, a​ber auch universellere Themenbereiche w​ie Krieg, Politik o​der Berufsleben a​us spezifisch weiblicher Perspektive. Um d​en Frauenfilm bildete s​ich ein kulturelles Umfeld m​it feministisch geprägten Filmzeitschriften u​nd eigenen Filmfestivals.[1]

Margarethe von Trotta

Als Startpunkt für d​en Frauenfilm i​m engeren Sinne w​ird Margarethe v​on Trottas Mitarbeit a​n Volker Schlöndorffs Die verlorene Ehre d​er Katharina Blum (nach Heinrich Bölls gleichnamiger Erzählung) i​m Jahr 1975 angesehen, i​n dem e​ine junge Frau d​urch Boulevardpresse u​nd Staatsgewalt vernichtet wird. Es folgten u​nter von Trottas Regie 1978 Das zweite Erwachen d​er Christa Klages, i​n dem e​ine Kindergärtnerin z​ur Bankräuberin wird, u​m ihren Kinderladen z​u retten, u​nd 1979 Schwestern o​der Die Balance d​es Glücks über e​inen Schwesternkonflikt, d​er im Mord endet. Die bleierne Zeit (1981) thematisiert ebenfalls d​ie Geschichte zweier ungleicher Schwestern, i​n diesem Fall v​or dem Hintergrund d​es Terrorismus i​n Deutschland. Heller Wahn (1983) behandelt d​ie Freundschaft zweier Frauen, d​ie sich v​on ihren Männern emanzipieren u​nd präsentiert m​it seinen Hauptdarstellerinnen Hanna Schygulla u​nd Angela Winkler z​wei Ikonen d​es Frauenfilms.[1]

Weitere Filmemacherinnen des Frauenfilms

Ula Stöckl t​rug mit i​hren Filmen Neun Leben h​at die Katze (1968), Erikas Leidenschaften (1976), Eine Frau m​it Verantwortung (1978) u​nd Der Schlaf d​er Vernunft (1984) z​ur Bewegung d​es Frauenfilms bei. Helma Sanders-Brahms drehte Unterm Pflaster i​st der Strand (1975), Shirins Hochzeit (1975), Deutschland, bleiche Mutter (1980) u​nd Die Berührte (1981). Weitere Regisseurinnen w​aren Helke Sander m​it Eine Prämie für Irene (1971) u​nd Der Beginn a​ller Schrecken i​st Liebe (1980), Cristina Perincioli m​it Für Frauen – 1. Kapitel (1971), Jutta Brückner m​it Hungerjahre (1979), Monika Treut m​it Die Jungfrauenmaschine (1988) u​nd Doris Dörrie m​it Ein g​anz und g​ar verwahrlostes Mädchen (1977), Mitten i​ns Herz (1983) u​nd Im Innern d​es Wals (1984).

Die vorwiegend i​n der Bundesrepublik Deutschland beheimatete Bewegung d​es Frauenfilms w​urde international aufgenommen d​urch Vertreterinnen w​ie die Niederländerin Marleen Gorris Die Stille u​m Christine M. (1981) u​nd Die gekaufte Frau (1984) o​der die Schweizerin Isa Hesse-Rabinovitch.

Der Frauenfilm in der DDR

In d​er DDR erlebte d​er Frauenfilm z​u Beginn d​er 1980er-Jahre seinen Höhepunkt. Nach frühen Frauenfilmen d​er DEFA, darunter Der Dritte (1972), Die Legende v​on Paul u​nd Paula (1973) u​nd Sabine Wulff (1978), w​ar es v​or allem Konrad Wolfs Solo Sunny (1980), i​n dem „Fronten u​nd harte Widersprüche … deutlich [wurden], d​ie sonst verdeckt bleiben“.[2] Anfang d​er 1980er-Jahre traten zunehmend Regisseurinnen i​n Erscheinung, d​ie in i​hren Filmen Frauenfiguren zeigten, d​ie emanzipiert o​ft mit d​en gesellschaftlichen Grenzen haderten. Als Beispiele für Filme, i​n denen „das Thema Selbstfindung u​nd Emanzipation d​er Frau i​n der Gesellschaft d​es real existierenden Sozialismus ziemlich unumwunden i​n Erscheinung tritt“[3], zählen Evelyn Schmidts Seitensprung (1979) u​nd Das Fahrrad (1981) s​owie Iris Gusners Kaskade rückwärts (1984). Sie führten z​u oftmals heftigen Diskussionen u​nd Kritikerverriss. Auch politisch w​urde das i​m Film angesprochene Thema d​er Gleichstellung d​er Frau z​um Reizthema, d​a Frauen i​n den Filmen „gegen tradiertes Denken, g​egen Gleichgültigkeit u​nd den Rückzug i​ns Private auftraten“ u​nd damit d​ie Stagnation d​es Systems DDR selbst aufzeigten. Von offizieller Seite g​alt das Gleichstellungsproblem v​on Mann u​nd Frau z​udem als gelöst.[4]

Frauenfilme d​er späten 1980er-Jahre, darunter Herrmann Zschoches Die Alleinseglerin (1987), Erwin Strankas Liane (1987) s​owie Iris Gusners Ich l​iebe dich – April! April! (1988) zeigen n​un eher Berührungsängste m​it dem Thema, u​nd schweifen i​ns Private u​nd Allgemeine ab.[3] Weitere DEFA-Frauenfilme umfassen Dach überm Kopf (1980), Bürgschaft für e​in Jahr (1981), d​ie Verfilmung d​es Romans Franziska Linkerhand, Unser kurzes Leben (1981) u​nd Die Beunruhigung (1982).

Literatur

in d​er Reihenfolge d​es Erscheinens

  • Brigitte Tast: Von Frauen: Filme für Mädchen. Eine Auswahlliste (= Kulleraugen – Visuelle Kommunikation, Nr. 17). Schellerten 1984, ISBN 3-88842-017-2.
  • Gudrun Lukasz-Aden, Christel Strobel: Der Frauenfilm. Filme von und für Frauen. Heyne, München 1985, ISBN 3-453-86090-X, (Heyne-Bücher 32), (Heyne-Filmbibliothek 90).
  • Brigitte Tast, Magdalena Zerrath, Ute Magoulas-Frahm: Filme von Frauen. Sieben Jahre Filmclub-Arbeit in der Erwachsenenbildung, VHS-Landesverband Niedersachsen, Hannover 1986, ISBN 3-88923-010-5.
  • Linde Fröhlich, Brigitte Tast: Das Private wird öffentlich. Filme von Frauen. Träume, Zentrum, Lübeck 1988, ISBN 3-923814-31-3.
  • Gwendolyn Ann Foster: Women Film Directors. An International Bio-Critical Dictionary. Greenwood Press, Westport CT u. a. 1995, ISBN 0-313-28972-7.
  • Werner Faulstich: Filmgeschichte (= UTB basics, Bd. 2638). Fink, Paderborn 2005, ISBN 3-7705-4097-2, S. 225ff.
  • Claudia Lenssen, Bettina Schoeller-Bouju (Hg.): Wie haben Sie das gemacht? Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen, Schüren, Marburg 2014.
  • Karin Herbst-Meßlinger, Rainer Rother (Hg.): Selbstbestimmt – Perspektiven von Filmemacherinnen. Bertz + Fischer, Berlin 2019, ISBN 978-3-86505-262-9.

Einzelnachweise

  1. Werner Faulstich: Filmgeschichte. Paderborn 2005, ISBN 3-7705-4097-2, S. 225ff.
  2. Die Weltbühne 1980, zit. nach Klaus Wischnewski: Träumer und gewöhnliche Leute 1966 bis 1979. In: Ralf Schenk (Red.), Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946–1992. Henschel, Berlin 1994, S. 260.
  3. Elke Schieber: Anfang vom Ende oder Kontinuität des Argwohns 1980 bis 1989. In: Ralf Schenk (Red.), Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946–1992. Henschel, Berlin 1994, S. 267.
  4. Elke Schieber: Anfang vom Ende oder Kontinuität des Argwohns 1980 bis 1989. In: Ralf Schenk (Red.), Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946–1992. Henschel, Berlin 1994, S. 268.
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