Hedy Hahnloser-Bühler
Hedy Hahnloser-Bühler (* 5. Februar 1873 in Winterthur; † 9. Mai 1952 ebenda) war eine Schweizer Malerin, Kunsthandwerkerin, Kunstsammlerin und Mäzenin.
Leben
Hedwig (Hedy) war das zweite von vier Kindern des Ehepaares Carl und Ida Bühler-Blumer. Die Familie Bühler war in Winterthur und Umgebung eine angesehene Industriellenfamilie, die verschiedene Spinnereien betrieb. Auch die Mutter stammte aus einer Familie, die im Kanton Glarus eine Spinnerei besass. Hedy wird als neugieriges und aufgewecktes Kind beschrieben, das sehr unter der strengen, bedingungslosen Gehorsam verlangenden Erziehung der Eltern gelitten habe. Im Hause Bühler gab es keinen Zweifel: Der weibliche Nachwuchs sollte eine musische Bildung erhalten und ansonsten auf die Rolle der zukünftigen Hausherrin und Mutter vorbereitet werden.[1] So durfte Hedy 1889 in die Zeichenschule für Industrie und Gewerbe in St. Gallen eintreten.
Im Jahr 1891 lernte das 18-jährige Mädchen an einem Schützenfest den Medizinstudenten Arthur Hahnloser kennen und verliebte sich in ihn. Die Eltern stemmten sich aber vehement gegen diese Beziehung zu einem katholischen Sohn einer Kaufmannsfamilie. Sie verboten ihr den Umgang mit ihm. Von 1894 bis 1898 besuchte Hedy die Malschule in Gauting bei München. Die Eltern hofften, dass sie da Arthur Hahnloser vergessen würde, und Hedy hoffte, dass sie da die Beziehung zu ihm besser leben könnte, die bis dahin im Geheimen weiter gepflegt worden war. Hahnloser-Bühler schilderte später, dass diese Münchner Jahre sehr glücklich waren und ein andauerndes Fest. Sie verkehrte mit den Künstlern Wassily Kandinsky, Paul Klee, Franz Marc und Arnold Böcklin. Als ihr Vater gestorben war, heiratete sie am 24. Oktober 1898 den Augenarzt Arthur Hahnloser. Sie zogen in die «Villa Flora» in Winterthur, die schon im Familienbesitz der Bühlers war. Das Ehepaar Hahnloser-Bühler richtete dort eine Augenklinik ein und bewohnte die anderen Räume privat. Hedy Hahnloser-Bühler unterstützte ihren Mann in der Führung der Praxis. In den Jahren 1899 und 1901 wurden der Sohn Hans und die Tochter Lisa geboren.
Daneben betätigte sich die junge Frau auch als Kunsthandwerkerin, was in diesen Jahren sehr en vogue war. In der «Flora» hatte sich etwa um 1905 eine Sitte eingebürgert, die für die Stadt Winterthur weitreichende Folgen haben sollte: Jeden Dienstagnachmittag versammelte sich um den runden Tisch im «Salon Rittmeyer» eine kleine Gesellschaft zum schwarzen Kaffee.[2] Es waren Freunde und Verwandte, die sich für Kunst, Denkmalpflege und Architektur interessierten. Dazu gehörten Robert Rittmeyer (Architekt), Jules de Praetere (Direktor der Kunstgewerbeschule Zürich), Richard Bühler (Hedy Hahnloser-Bühlers Cousin) und andere. Sie waren sehr unzufrieden mit der Arbeit des Kunstvereins Winterthur und erreichten, dass an der Generalversammlung von 1907 verschiedene Vorstandsmitglieder zurücktreten mussten und Teilnehmer ihres Kreises in den Vorstand gewählt wurden. Von nun an bestimmten sie den Kurs des Vereins und prägten sein Wirken.
1907/1908 wurde die Augenklinik von der «Villa Flora» in das neu gebaute «Privatkrankenhaus Lindberg» verlegt. In der umgebauten Villa fanden nun die Gemälde Platz, die durch die Sammelleidenschaft des Ehepaares Hahnloser immer zahlreicher wurden. 1908 reisten sie nach Paris, wo sie die Maler Felix Vallotton, Odilon Redon, Pierre Bonnard und andere kennenlernten und sich mit ihnen anfreundeten. In der Schweiz hielten sie Kontakt zu Ferdinand Hodler, Giovanni Giacometti und vielen anderen Künstlern. Eine schwierige Zeit brach an, als 1909 bei Hedy Hahnloser-Bühler eine Lungentuberkulose diagnostiziert wurde. 1911 verschlechterte sich ihr Zustand, sodass verschiedene Kuraufenthalte nötig wurden. Für Hahnloser-Bühler war die Beschäftigung mit der Kunst eine Quelle der Energie. Nach dem Ersten Weltkrieg verschob sich die Pariser Künstlerszene (Henri Matisse, Henri Manguin, Aristide Maillol) an die Côte d’Azur. Die Hahnlosers besuchten sie auch da und entschieden sich 1923, in Cannes die «Villa Pauline» zu erwerben. Das Klima wirkte sich positiv auf Hahnloser-Bühlers Krankheit aus, und sie verbrachten von nun an den Winter in Südfrankreich. Eine Erbschaft aus der Familie Hahnloser ermöglichte es ihnen, ihre Kunstsammlung auch mit teuren Werken von Vincent van Gogh usw. zu erweitern. Am 17. Mai 1936 starb Arthur Hahnloser in Cannes an einem Herzinfarkt. Seine Witwe betrachtete damit die Sammlung als abgeschlossen und stellte ihre Sammlertätigkeit ein. Sie fuhr auch nicht mehr nach Südfrankreich, da viele ihrer Künstlerfreunde auch verstorben waren.
Hedy Hahnloser-Bühler blieb weiterhin aktiv, machte Beratungen und führte Interessierte durch ihre Privatsammlung in der «Villa Flora». Im Jahre 1952 verstarb sie in ihrem 79. Altersjahr in Winterthur. Die Gemäldesammlung wurde durch die Nachkommen in der «Villa Flora» als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in eine Stiftung überführt.
Schaffen
Hedy Hahnloser-Bühler war Malerin und Kunsthandwerkerin, doch ihr eigentliches Wirken entfaltete sie als Kunstsachverständige, Sammlerin und Mäzenin. Der Kreis, der sich in ihrem Heim regelmässig traf, war ihr Forum, wo sie ihre Ideen und Vorschläge einbringen konnte und so ihren Einfluss auf den Winterthurer Kunstverein ausübte. Dazumal waren keine Frauen zum Verein zugelassen. Auch die Sammlertätigkeit des Ehepaares war sehr von ihr geprägt. Als Mäzenin gab sie einige Porträtbilder von sich und ihren Kindern in Auftrag. Im Selbststudium entwickelte sie sich zu einer angesehenen Kunstexpertin und veröffentlichte viele Kunstkritiken in Zeitschriften und Zeitungen. Es besteht eine umfangreiche, zum Teil veröffentlichte Korrespondenz zwischen der Kunstliebhaberin und den vielen befreundeten Künstlern. Durch ihr Schaffen avancierte Winterthur zu einem wichtigen Ziel für Kunstliebhaber. So war die Stadt lange Zeit der einzige Ort in der Schweiz, wo man sich in musealem Rahmen mit moderner Kunst auseinandersetzen konnte, und nirgendwo in der Schweiz betrieb man die Pflege der modernen Kunst so beständig und ausdauernd wie in dieser kleinen, regsamen Industriestadt.[3]
Schriften (Auswahl)
- Felix Vallotton. In: Das Graphische Kabinett, 2. Jg. Nr. 2, 1916
- Honoré Daumier in seiner Bedeutung für unsere Zeit. In: Das Graphische Kabinett, Jg. 3, Nr. 7, 1917.
- Vorbilder der schweizerischen Kunst. In: National-Zeitung (Basel), Nr. 364, 18. August 1919.
- Kunstpflege in der Schweiz. In: National-Zeitung (Basel), Sondernummer «Schweizer Kunst», Nr. 431, 26. September 1919.
- Odilon Redon als Graphiker. In: Das Graphische Kabinett, Jg. 4, Nr. 5/6, 1919.
- Eugène Delacroix. In: Das Graphische Kabinett, Jg. 6, Nr. 6, 1921.
- Felix Vallotton. In: Das Graphische Kabinett, Jg. 11, Nr. 2, 1926.
- Die Trachtenfrage im Knonaueramt. In: Das Werk : Architektur und Kunst = L'oeuvre : architecture et art, Bd. 13, 1926, H. 5, S. 265–267. Digitalisat
- Felix Vallotton 1865–1925, Bd. 1, Der Graphiker, Bd. 2, Der Maler. Neujahrsblatt. Verlag der Zürcher Kunstgesellschaft, Kunsthaus Zürich, 1927 und 1928.
- Um Felix Vallotton. Urteile von Künstlern und Kritikern über Felix Vallotton. In: Das Werk. Architektur, freie Kunst, angewandte Kunst, Jg. 8, Nr. 10, 1931.
- Felix Vallotton et ses amis. Sedrowski, Paris 1936. [Mit Œuvrekatalog][4]
- Felix Vallotton et ses amis. In: Galerie und Sammler (Zürich), Jg. 4, Nr. 8, 1936.
- Les Impressionnistes dans la collection Hahnloser. Vorwort zum Ausstellungskatalog La Peinture française du XIX e siècle en Suisse. In: Gazette des Beaux-Arts, Paris 1938.
- Pierre Bonnard. In: Hauptwerke des Kunstmuseums Winterthur. 1949.
- Erinnerungen an Bonnard. In: Neue Zürcher Zeitung, 11. Juni 1949.
Ehrungen und Gedenken
Im Jahre 2006 wurde in Winterthur die Hedy Hahnloser-Strasse nach ihr benannt.
Literatur
- Bettina Hahnloser: Revolution beim schwarzen Kaffee. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2008, ISBN 978-3-03823-414-2.
- Margrit Hahnloser-Ingold (Hg.): Die Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser. Benteli Verlag, Bern 2011, ISBN 978-3-7165-1681-2.
Weblinks
- Matthias Frehner: Hedy Hahnloser-Bühler. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Hahnloser Hedy im Winterthur-Glossar
- Marino Marini: Una poesia imaginata. Porträtbüste von Hedy Hahnloser (1944). Abbildung in: Du – Kulturelle Monatsschrift, Bd. 23, 1963.
Einzelnachweise
- Bettina Hahnloser: Revolution beim schwarzen Kaffee. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2008, ISBN 978-3-03823-414-2, S. 28.
- Bettina Hahnloser: Revolution beim schwarzen Kaffee. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2008, ISBN 978-3-03823-414-2, S. 69.
- Margrit Hahnloser-Ingold (Hrg.): Die Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser. Benteli Verlag, Bern 2011, ISBN 978-3-7165-1681-2, S. 61.
- Besprechung in: Das Werk : Architektur und Kunst = L'oeuvre : architecture et art, Bd. 24, 1937, H. 5, S. 153–156. Digitalisat