Haupt- und Landgestüt Marbach
Das Haupt- und Landgestüt Marbach ist das Landgestüt des Landes Baden-Württemberg, das auch eines der vier noch bestehenden Hauptgestüte in Deutschland ist. Das Gestüt wird als Landesanstalt des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg betrieben. Es liegt im Landkreis Reutlingen im Ortsteil Marbach an der Lauter der Gemeinde Gomadingen.
Zum Haupt- und Landgestüt (HUL) Marbach gehören auch die Gestütsanlage in Offenhausen und der Fohlenhof in St. Johann.
Geschichte
Das Gestüt besitzt eine jahrhundertelange württembergische Tradition. 1491 richtete Graf Eberhard im Bart in Oberfeld bei Marbach ein Gestüt ein. Neben Tieren, die aus seinem 1460 in Betrieb genommenen Hofgestüt Einsiedel bei Tübingen stammten, stellte er auch Pferde ein, die von Pilgerreisen ins Heilige Land mitgebracht oder aus Ungarn, Böhmen, Siebenbürgen, der Türkei und Holstein eingeführt worden waren. In der Mitte des 16. Jahrhunderts verlegte man den Sitz des Gestüts nach Marbach. Die Pferdezucht in Marbach wurde 1554 erstmals urkundlich erwähnt. Ab 1590 wurden neben Pferden auch Maultiere gezüchtet, die im herzoglichen Marstall und in den Gärtnereien als Zugtiere verwendet wurden.
Bereits unter Herzog Christoph von Württemberg (1550–1568)[1] setzte der Ausbau Marbachs zum herrschaftlichen Gestüt ein; 1590 legte Herzog Ludwig Zuchtziele für die Reitpferde fest, die in Marbach gezüchtet wurden. Er ließ andalusische, englische und Berberhengste ankaufen. Der Dreißigjährige Krieg bedeutete jedoch einen gewaltigen Rückschlag. Durch eine Pferdesteuer, die 7820 Gulden einbrachte, gelang es dem Herzog, nach diesem Krieg wieder einen Bestand an Hengsten zu finanzieren. Die Tiere wurden in Lippe, Friesland, Holstein und Dänemark gekauft. Damit setzte die Zucht von leistungsfähigen und anspruchslosen Pferden für die Landwirtschaft ein, aus denen sich im Laufe von 200 Jahren die Rasse des Württemberger Warmbluts herausbildete. 1687 wurde die erste „Wirtembergische Gestütsverordnung“ des Gestütsleiters Lewin Freiherr von Kniestedt in Kraft gesetzt, der die Entwicklung dieser Rasse fördern sollte. Nur vom Oberstallmeister in Marbach zugelassene Hengste durften noch zur Zucht verwendet werden. Die Körung ist heute noch Voraussetzung zur Zulassung zur Zucht; der Leistungsnachweis wird jedoch nicht mehr in der täglichen Arbeit auf dem Feld erbracht, sondern im Rahmen der hunderttägigen Marbacher Hengstleistungsprüfung.
1817 wurde Marbach zum Landgestüt des Königreichs Württemberg erhoben. Es erhielt die Gestütshöfe Offenhausen, St. Johann und Güterstein zugesprochen. Der Gebäudebestand entspricht noch heute weitgehend dem des 19. Jahrhunderts.
1816 kam die erste echte Vollblutaraberstute aus Syrien nach Württemberg. Ihr Name war Murana I. König Wilhelm I., an den der Stutenbrunnen im Gestütshof erinnert, gründete mit ihr in Weil bei Esslingen ein Privatgestüt. Dies war das erste Gestüt mit Reinzucht-Arabern außerhalb des Orients. Nachkommen Muranas leben heute in der Arabergruppe des Haupt- und Landgestüts Marbach. Mit Hilfe seiner Gattin Katharina konnte Wilhelm I. weitere reinblütige Araber einführen. Bis 1838 wurde mit Bairactar, Wilhelms Leibpferd, gezüchtet. Bairactar wurde ein Stempelhengst der württembergischen Araberzucht. Sein Skelett wurde nach seinem Tod präpariert und zunächst in Hohenheim aufbewahrt. Heute steht es im Gestütsmuseum in Offenhausen.
Wilhelm I. hatte testamentarisch verfügt, dass seine Araberzucht niemals aufgelöst werden dürfe. Seine Urenkelin Pauline zu Wied konnte aber nach der Weltwirtschaftskrise das Gestüt nicht mehr eigenständig fortführen und übergab die Araberzucht 1932 an das Haupt- und Landgestüt. Zu den herausragenden und bekanntesten arabischen Hengsten dieser Zucht nach Bairactar gehörten Hadban Enzahi, dem ein Denkmal auf dem Gestütsgelände gesetzt wurde, und Gharib.
2005 wurde ein Sanierungsplan erarbeitet, um das von Defiziten geplagte Haupt- und Landgestüt vor der Privatisierung zu bewahren. Im Zuge dieser Sparmaßnahmen wurden die meisten der 20 Außendeckstationen geschlossen und teilweise durch Beratungszentren ersetzt. In Offenhausen befindet sich eine Besamungsstation, die weltweit Sperma von Marbacher Hengsten verschickt.
Ferner wurde verstärkt auf touristische Vermarktung des Betriebs und intensiveren Einsatz der Pferde im Sport gesetzt.[2]
Im August 2017 brannte eine denkmalgeschützte Halle des Gestüts in St. Johann ab. Aus bislang ungeklärter Ursache entzündete sich das in der Halle gelagerte Getreide. Bei dem Brand entstand ein Schaden von geschätzt 2 Millionen Euro, Menschen und Tiere kamen nicht zu Schaden.[3]
Aufgaben
Das Gestüt ist eine wichtige Anlaufstelle für Pferdezüchter und Reitsportler, sehr bekannt ist die dortige Araberzucht. Der in Ägypten gezogene Schimmelhengst Hadban Enzahi war stilprägend für die Vollblutaraberzucht des Gestütes. Die jährlich stattfindende Hengstparade ist eine international bekannte Attraktion. An zwei Wochenenden im September/Oktober werden hier Hengste und Stuten verschiedener Rassen präsentiert. In Marbach stehen ca. 520 bis 600 Pferde.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Zucht des Württemberger Warmblüters mit dem Trakehnerhengst Julmond, der mit dem großen Treck nach Westdeutschland gekommen war, vom schweren Arbeitspferd, das nun nicht mehr benötigt wurde, auf ein modernes Reitpferd umgestellt. Das Brandzeichen ist eine Hirschgeweih-Stange.
Mit dem Schwarzwälder Kaltblut kümmert man sich auch um die Zucht von Arbeitspferden z. B. für die Waldarbeit.
CIC Marbach
[4] Die Internationale Marbacher Vielseitigkeit findet jedes Jahr im Mai auf dem Gelände des Haupt- und Landgestüt Marbach statt.
Im Rahmen des Turniers finden die Baden-Württembergischen Meisterschaften der Vielseitigkeitsreiter, sowie das Deutsche Berufsreiterchampionat statt.
Sieger seit 2010
Jahr | Sieger CIC*** | Sieger CIC* | Baden-Württembergische Meisterschaften | Berufsreiterchampionat |
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2010 | Michael Jung mit La Biosthetique Sam FBW | Michael Jung mit Halunke FBW | Michael Jung mit Halunke FBW | Michael Jung mit La Biosthetique Sam FBW |
2011 | Michael Jung mit La Biosthetique Sam FBW | Iris Pemen mit Acroliance Embregts | Michael Jung mit La Biosthetique Sam FBW |
Siehe auch
Literatur
- Karl-Hermann Windel: Die Geschichte des Gestüts Marbach a.L. von der Verstaatlichung bis zum 2. Weltkrieg (1817-1939). Dissertation Tübingen 1994.
- Sabine Kraume-Probst: „An guten und gesunden Weiden fehlt es nicht …“. Das Haupt- und Landgestüt in Gomadingen-Marbach. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 35. Jg. 2006, Heft 3, S. 172 f. (Volltext)
- Alexandra Lotz: Haupt- und Landgestüt Marbach. Untersuchungen zur Baugeschichte. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 41. Jg. 2012, Heft 2, S. 101–106 (Volltext (PDF))
- Gabriele Boiselle: Haupt- und Landgestüt Marbach. 500 Jahre Pferdezucht, Müller Rüschlikon, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-275-01964-9.
- Hans-Jürgen Philipp: Aus der Geschichte des Hofgestüts Marbach (1491-1817) auf der Schwäbischen Alb. Uelvesbüll. 2014. ISBN 978-3-86247-484-4.
- Hans-Jürgen Philipp: Das Hofgestüt Marbach (1491-1817) des Hauses Württemberg auf der Schwäbischen Alb, LIT, Berlin/Münster 2017 (Geschichte, Band 149), ISBN 978-3-643-13970-2.
Weblinks
Quellen
- Archivlink (Memento vom 27. September 2011 im Internet Archive)
- http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=5775012/property=download/nid=660374/uz3jo2/swr2-wissen-20100126.pdf
- Bei einem Großbrand auf dem Gestütshof St. Johann ist ein Schaden von 2 Mio Euro entstanden. In: Schwäbisches Tagblatt online. (tagblatt.de [abgerufen am 16. August 2017]).
- Internationale Marbacher Vielseitigkeit