Niedersächsisches Landgestüt Celle
Das Niedersächsische Landgestüt Celle ist das Landgestüt des Landes Niedersachsen, das seinen Sitz in Celle hat.
Niedersächsisches Landgestüt | |
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Staatliche Ebene | Land |
Stellung | Landesbehörde |
Geschäftsbereich | Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz |
Hauptsitz | Celle, Niedersachsen |
Landstallmeister | Axel Brockmann |
Verwaltungsleiter | Frank Schulz |
Bedienstete | 84 VZÄ |
Haushaltsvolumen | 8 Mio. € |
Netzauftritt | www.landgestuetcelle.de |
Geschichte
Die Gründung des Landgestüts in Celle wurde mit Erlass vom 27. Juli 1735 durch Georg II., König von England und Kurfürst von Hannover, angeordnet. Es war eine der Institutionen, neben dem Zuchthaus und dem Oberappellationsgericht, die als Ausgleich für die Verlegung der Residenz des Kurfürsten von Celle nach Hannover gedacht waren. Zweck dieser Einrichtung war es, den Landwirten gegen geringes Entgelt gute Hengste zur Bedeckung ihrer Stuten bereitzustellen, aber auch um den Bedarf der Kavallerie an Pferden zu decken, die bis dahin überwiegend aus England eingeführt wurden. Die züchterischen Erfahrungen Englands nutzend wurden englische Vollblüter angekauft, um die in der Landwirtschaft und im Fuhrwesen tätigen, schweren Warmblutpferde zu veredeln. Die Gründung und Einrichtung des Landgestüts oblag dem Minister Gerlach Adolph von Münchhausen, der seit 1732 auch als Großvogt von Celle amtierte.
Ein Rückblick auf die ersten 50 Jahre des Gestüts wurde 1921 in der Celleschen Zeitung abgedruckt:[1]
- Aus dem Stadt- und Landkreise.
- Die ersten 50 Jahre Celler Landgestüt (1736–85).
- Im Anschluss an die gewaltige Ausdehnung des Celler Landgestütsbetriebes im letzten Jahre, in dem von 469 Hengsten auf den verschiedenen Stationen 33.222 Stuten gedeckt wurden, hat es ein historisches Interesse, einen Rückblick auf die bescheidenen Anfänge des Landgestüts zu werfen, das im Jahre 1736 mit 14 Beschälern und mit 460 gedeckten Stuten begann.
- Aus genauen Listen für die Jahre 1736 bis 1785 (also für das erste halbe Jahrhundert des Gestüts) geht im Einzelnen hervor, wie die Entwicklungslinie sich gestaltet hat. Im Allgemeinen ging sie zwar von Jahr zu Jahr in allmählicher Steigung nach oben. Aber nicht immer. Dann und wann gab es auch Rückschläge von verschiedener Stärke. Im Siebenjährigen Krieg (1756–63) ging es mit dem Gestüt stark bergab, allein eine völlige Schließung des Betriebes ist selbst in dieser Notzeit vermieden worden.
- In den ersten 50 Jahren bedeutet das Jahr 1781 einen Gipfelpunkt; die Hengstzucht stieg in ihm bis auf 87, was damals sehr viel war, und 2797 Füllen wurden von Mutterstuten des Landes in diesem Jahre geboren. Ein solches Ergebnis hatte bisher noch niemals die Tätigkeit der Beschäler erreicht. Im ersten halben Jahrhundert kamen auf die Gestütshengste auf allen Stationen im Ganzen [Zahl unleserlich] Füllen, deren Handelswert man auf 2 Millionen Taler einschätzte, damals eine kaum vorstellbare Summe.
- Jeder Deckakt kostete in den ersten Jahrzehnten einen Himten Hafer, etwa 40 bis 50 Pfund (Springhafer genannt), und für die Geburt eines Füllens war jedes Mal ein Taler zu zahlen. Daraus erzielte das Celler Gestüt in dem genannten Zeitraum 123.620 Taler, zu denen der Staat noch 337.000 Taler beisteuern musste, um die Betriebskosten zu decken.
- Das Celler Gestüt stand zuerst unter dem Oberstallmeister Croix de Freychapelle, dem zwei Stallmeister, ein Bereiter, ein Stallsekretär und eine kleine Zahl von Stallknechten, wie es damals hieß, untergeordnet waren. Freychapelle war gleichzeitig Leiter des Gestüts in Hannover. Nach und nach wuchs auch das Personal mit der Zunahme der Beschäler.
- Die Celler Gestütsverwaltung war immer bemüht, das Beste zu leisten, um hinter der Pferdezucht namentlich der größeren deutschen Staaten nicht zurückzubleiben. Und damals hatte sie auch den erwünschten Erfolg. Das hannoversche Pferd wurde neben dem preußischen, bayrischen, hessischen und oldenburgischen im Inlande und Auslande immer gern gekauft, da es kräftig und ausdauernd war und auch gut aussah.
- Jetzt verfügt das Celler Gestüt über eine Hengstzahl, die es mit in die vorderste Reihe der preußischen Gestüte stellt. (O. S.)
Beginnend im Jahre 1735 mit einem Hengstbestand von 13 Hengsten aus dem Holsteiner Zuchtgebiet hatte das Landgestüt um das Jahr 1800 bereits rund 100 Hengste, die alljährlich auf 50 Deckstationen entsandt wurden. Um diese Zeit wurde auch damit begonnen, für die Fohlen die von den Hengsten des Landgestütes abstammen, Herkunftsnachweise anzulegen. Damit war die Grundlage für die hannoversche Pferdezucht gelegt. 150 Jahre später wurden von insgesamt 560 Landbeschälern der Landgestüte Celle, Osnabrück-Eversburg (gegründet 1925) und Harzburg-Büntheim (gegründet 1815) 34.000 Stuten gedeckt. Nach diesem zahlenmäßigen Höchststand brachte die technische Entwicklung in den Folgejahren jedoch einen erheblichen Rückgang der Pferdezucht und -haltung mit sich, der sich auch auf die Gestütshengsthaltung auswirkte.
In den Jahren 1960/61 wurden die Gestüte Osnabrück und Harzburg aufgelöst und der Hengst- und Personalbestand vom Landgestüt Celle übernommen. Im Jahre 1960 waren von 179 Gestütshengsten nur noch 4240 Stuten gedeckt worden. Von 1958 bis 1979 leitete Christian von Stenglin als Landstallmeister das Landgestüt. Unter seiner Leitung meisterte das Landgestüt diese Existenzkrise: Mit der Umstellung des Hengstbestandes und Ausrichtung auf ein Sport-Warmblutpferd legte er mit den Grundstein für die moderne Hannoversche Pferdezucht.[2]
Anlässlich des 250-jährigen Jubiläums des Landgestüts 1985 wurde die Bronzeplastik „Hengst Wohlklang in der Freiheitsdressur“ aufgestellt. Sie befand sich zunächst auf dem Paradeplatz im Landgestüt und wurde nach den Hengstparaden im Schlosspark platziert.
- Hauptstall (Blickrichtung Nordwesten)
- Hauptstall (Blickrichtung Osten)
- Königlich Hannoversches Wappen
- Pferdeboxen
- Remise mit Kutschen
- Weihnachtszauber
Zugehörige Einrichtungen
Hengstaufzuchtgestüt Hunnesrück
Neben der privaten Hengstaufzucht ist das Hengstaufzuchtgestüt Hunnesrück ein Standbein zur Ergänzung des Hengstbestandes. In der Nähe der Stadt Dassel am Fuße des Sollings gelegen, dient es der Aufzucht von etwa 40 Hengstfohlen pro Jahrgang.
Hengstprüfungsanstalt Adelheidsdorf
Bei Celle befindet sich die Hengstprüfungsanstalt Adelheidsdorf mit einem 32 ha großen Trainingsgelände. Hier werden im November etwa 40 Junghengste im Alter von zweieinhalb Jahren zu einer elfmonatigen Leistungsprüfung angeliefert. Sie kommen zum Teil aus privater Aufzucht über den jährlichen Hengstmarkt in Verden und zum Teil aus Hunnesrücker Aufzucht. Nach dem abschließenden Leistungstest Mitte Oktober des Folgejahres fällt die Entscheidung, welche Junghengste eine Beschälerbox im Landgestüt beziehen.
Daneben absolvieren jährlich 50 bis 60 Hengste privater Eigentümer den 70-Tage-Test sowie die Veranlagungsprüfung in Adelheidsdorf. Außerdem werden dort rund 20 Ponys in einem 30-Tage-Test geprüft, und im November findet auch die Zugleistungsprüfung des Niedersächsischen Kaltblutzuchtverbandes statt.
Zentrale Niedersächsische Pferdebesamungsstation Celle
1973 wurde auf dem Gelände des Landgestüts eine zentrale Pferdebesamungsstation eingerichtet. Im Zuchtgebiet betreibt das Landgestüt zehn weitere Besamungshauptstellen mit bis zu fünf angeschlossenen Nebenstellen, auf denen die Frischsamenübertragung praktiziert wird. Seit 2000 wird in der Pferdebesamungsstation auch Embryotransfer durchgeführt.
Hengstbestand
Auf der Grundlage der ländlichen Reiterei hat sich der Stellenwert des Reitsports, aber auch des Fahrsports, vergrößert. Dies brachte auch eine Weiterentwicklung des Turniersports mit sich. Zu diesen Zwecken erfolgt die Zucht des Hannoveraners. Gezüchtet wird ein harmonisches, unkompliziertes Reitpferd mit gutem Charakter und Veranlagung für Reitsportdisziplinen. Die Grundlage dafür bildet ein Hengstbestand von 130 aktiven Zuchthengsten, denen jährlich 7000 Stuten auf 40 Deck- und Besamungsstellen zugeführt werden.
Events
Celler Hengstparade
An den beiden letzten Wochenenden im September sowie am ersten Wochenende im Oktober findet die Celler Hengstparade auf dem Gestütsgelände statt. Um 13 Uhr mit dem Glockenschlag der Turmuhr über dem Grabenseestall beginnt ein dreistündiges Programm. In 20 Programmpunkten werden alle 150 Hengste an der Hand, unter dem Reiter oder vor dem Wagen vorgestellt.
Besondere Höhepunkte stellen die große Dressurquadrille und die bis zum Dreizehnspänner gezeigten Gespannvorführungen dar.
Weihnachtszauber
Seit 2012 findet alljährlich Anfang Dezember auf dem Hof und in den Gebäuden des Landgestüts die Veranstaltung „Weihnachtszauber“ statt, eine Mischung aus Weihnachtsmarkt und Landpartie.
Literatur
- Matthias Blazek: „Das Maultiergestüt zur Behre (1774–1800) – Die Geschichte von Celles ältestem Gestüt“. In: 50 Jahre Reit- und Fahrverein St. Georg Burgdorf e. V. 1959–2009. Burgdorf 2009, ISBN 978-3-00-027790-0.
- Matthias Blazek: Die Anfänge des Celler Landgestüts und des Celler Zuchthauses sowie weiterer Einrichtungen im Kurfürstentum und Königreich Hannover 1692–1866. Ibidem, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-8382-0247-1.
- Matthias Blazek: „Erster Gestütsleiter war Celler – Kein Engländer: Ein Blick in die Familiengeschichte der Callins und Bruns“. Sachsenspiegel 31, Cellesche Zeitung vom 23. September 2017.
- Michael Ende, Urs Müller: Die Celler Hengstparade – über 100 Jahre Tradition. Medienverlag Schubert, Hamburg 2008, ISBN 978-3-937843-16-2.
- Michael Römling: PASSION: 275 Jahre Pferde, Zucht und Kultur. Chronik zum 275. Jubiläum. Celle 2010.
- Eckart Rüsch: Zur Baugeschichte der klassizistischen Reithalle von 1838 bis 1842 auf dem Landgestüt Celle, in: Celler Chronik 23, Beiträge zur Geschichte und Geographie der Stadt und des Landkreises Celle, Hrsg. Museumsverein Celle e.V., Celle 2016, ISSN 0177-719X, S. 47–100.
Weblinks
Einzelnachweise
- Cellesche Zeitung vom 1. September 1921, Beitrag der heutigen Rechtschreibung angepasst.
- Erich Klug: Landstallmeister a. D. Dr. Christian Freiherr von Stenglin verstorben. In: TiHo-Anzeiger 30 (2002), Heft 2, April 2002, S. 15 (Digitalisat; PDF; 1,2 MB).