Garnisonkirche (Berlin)
Die Garnisonkirche (auch Alte Garnisonkirche genannt) in Berlin war eine evangelische Kirche für die Soldaten der dortigen Garnison in Berlin-Mitte. Die Ruine des im Zweiten Weltkrieg ausgebrannten Bauwerks wurde 1962 beseitigt.
Der Sakralbau stand auf dem Areal des heutigen Litfaß-Platzes, der seinen Namen im Januar 2011 im Zusammenhang mit der Bebauung des Hackeschen Quartiers südlich des S-Bahnhofs Hackescher Markt erhielt. Der nordwestlich anschließende Garnisonkirchplatz entstand bereits im August 1999. Zu DDR-Zeiten befand sich auf den abgeräumten Flächen hinter dem damaligen S-Bahnhof Marx-Engels-Platz (seit 1992: Bahnhof Hackescher Markt) ein Sportplatz.
Kirchbauten
Erstes Kirchengebäude 1701 bis 1720
1701–1703 wurde die erste Garnisonkirche in Brandenburg unter König Friedrich I. durch den Baumeister Martin Grünberg gebaut. Die Explosion des Pulverturms am 12. August 1720 zerstörte sie.
Zweites Kirchengebäude 1720 bis 1962
Der zweite Kirchbau folgte 1720–1722 durch den Baumeister Johann Philipp Gerlach. Nun erhielt er keinen Turm mehr, nicht einmal einen Dachreiter. Diese schlichte Erscheinung entsprach dem calvinistischen Herrschaftsverständnis König Friedrich Wilhelms I. Die Kirche wurde in der Folgezeit mehrfach umgebaut und an die Bedürfnisse ihrer Nutzer und der jeweiligen Zeit angepasst, so 1863 von August Stüler. 1873 bettete man 555 Särge aus den Grabgewölben der Kirche um. Die Bergung und Öffnung der Särge hielt Adolph Menzel in einer Serie von Bleistiftzeichnungen mit Leichenporträts fest.
Nach einer Neugestaltung des Inneren in den Jahren 1899–1900 brannte die Kirche am 13. April 1908 komplett aus. Ursache für die Brandkatastrophe war der defekte überhitzte Motor einer Orgel. Die Wiederherstellung der 2700 Menschen fassenden Kirche erfolgte bis August 1909.
Im Zweiten Weltkrieg brannte das Gotteshaus bei dem alliierten Luftangriff vom 23. November 1943 nach einem Bombentreffer vollständig aus. Nach dem Krieg wurden die unzerstörten Grüfte mehrfach geplündert. Die Überreste der dort beigesetzten etwa 200 Personen wurden 1949 in 47 Särgen zusammengefasst und in ein Gemeinschaftsgrab auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf im Block Epiphanien, Feld 1a umgebettet. Die Kirchenruine, von der die Außenmauern bis zur Traufhöhe stehengeblieben waren, wurde 1962 abgerissen.
Erhalten ist das Predigerhaus (Frommel-Haus) in der Anna-Louisa-Karsch-Straße (damals: Neue Friedrichstraße) und der Alte Garnisonfriedhof.
Berühmtheit erlangte das in goldenen Buchstaben angebrachte Motto über dem Eingangsportal von 1720: Ein Adler mit NON SOLI CEDIT (lateinisch: Er weicht der Sonne nicht) – der preußische Adler weicht dem Machtanspruch des Sonnenkönigs (Ludwig XIV. von Frankreich) nicht.
Ausstattung
Glocken
Im Kirchengebäude befand sich unter anderem eine Glockenstube mit quadratischem Grundriss (Innenseitenlänge 4,30 m). Diese beherbergte ein zweistimmiges Geläut aus Gussstahl-Glocken, die im Bochumer Verein in den 1890er Jahren gegossen worden waren. Eine Inventarliste der Gießerei enthält folgende Angaben: das Ensemble aus Glocken mit Klöppel, Lager, Achsen und Läutehebel kostete in der Herstellung 2.525 Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 19.000 Euro).[1]
Größe | Schlagton | Gewicht (kg) | Unterer Durchmesser (mm) | Höhe (mm) | Inschrift |
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größte | e | 1124 | 1387 | 1225 | unbekannt |
kleinste | g | 699 | 1170 | 1040 | unbekannt |
Im Kirchenschiff
Eine Apsis mit hohen Bildfenstern, ein Hochaltar, eine Kanzel sowie eine monumentale Säulenreihe, die das Kreuzrippengewölbe des Hauptschiffes trug, zeichneten den Kirchenraum aus. In den Seitenschiffen befanden sich Logen, über denen Seitengalereien angeordnet waren.[2] Der erste Bau enthielt keine Orgel.
Orgeln
Der zweite Kirchbau erhielt 1724 bis 1726 eine Orgel des Orgelbauers Joachim Wagner. Sie besaß folgende Disposition:
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- Koppeln: 2 Manualschiebekoppeln.
- Spielhilfen: Tremulant; Schwebung zur Vox Humana; Sonnenzug; Zug zu den Paucken-Clavieren; 4 Sperrventile; 4 Züge zu den Engeln, Trompeten und Adlern.
Eine zweite Orgel entstand 1892/93 durch Wilhelm Sauer. Mit 70 Registern auf drei Manualen war sie zum damaligen Zeitpunkt die größte Orgel Berlins und die zweitgrößte von Sauer bis dahin gebaute. Die Traktur war rein pneumatisch. Besonders hervorgehoben wurde die Crescendowalze, die frei einstellbar war: Am oberen Rande des Spieltisches befanden sich 70 den jeweiligen Registern entsprechende Registerknöpfe. Bei Betätigung der Crescendowalze konnten hierdurch gezielt Register abgestellt werden.[3] Die Orgel hatte folgende Disposition:[4]
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- Koppeln: II/I; III/I; III/II; I/P; II/P; III/P.
- Spielhilfen: Mezzoforte; Forte; Tutti; Rohrwerke; Gamben Stimmen; Flöten Stimmen.
Die nach der Brandkatastrophe 1901 wiedererrichtete Orgel orientierte sich stark an der Disposition von 1892. Die neue Orgel war wie folgt disponiert:[5]
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- Koppeln: II/I; III/I; III/II; I/P; II/P; III/P.
- Spielhilfen: Mezzoforte, Forte und Fortissimo für je I., II. und III. Manual; Pianissimo, Piano, Mezzoforte, Forte und Fortissimo für das Pedal; Tutti; Rohrwerke; Rollschweller für das ganze Werk; Piano=Pedal mit Auslösung; Druckknopf für das musikalische Beiwerk.
Berliner Garnisonsprediger an der Alten Garnisonkirche
- 1703–1713: Christoph Naumann, erster Garnisonsprediger[6]
- 1717–1736: Lambert Gedicke (1683–1736)
- 1736–1752: Johann Caspar Carstädt (1684–1752)
- 1752–1809: Vakanz
- 1816–1858: Gottlieb Friedrich Ziehe[7]
- 1858–1869: Friedrich Adolf Strauß (1817–1888)[7][8]
- 1869–1895: Emil Frommel (1828–1896), Feldprediger
- 1895–1918: Georg Goens (1858–1918)[9]
- 1881–1883: Ludwig Schneller (1858–1953) als Hilfsprediger
- 1918–1933/34: Friedrich Gottlob Erich Schlegel (1866–1938), Feldpropst der Armee und der Marine,[8] ab 1933 Feldbischof, letzter Garnisonsprediger[6]
Überreste der Garnisonkirche
1998 wurden bei Tiefbauarbeiten Reste der nordöstlichen Ecke der Umfassungsmauer und Wände der Gruftanlage gefunden. Dabei wurde auch die Altarplatte der Kirche geborgen. Die Fundamentreste stehen heute unter Denkmalschutz.[10]
Weitere Berliner Garnisonkirchen
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden für das stark vergrößerte Heer gebaut:
- St. Michael (Berlin-Mitte), katholische Garnisonkirche ab 1851
- Johannes-Basilika, katholische Garnisonkirche ab 1894
- (Neue) Evangelische Garnisonkirche auf dem Südstern
Siehe auch
Literatur
Kirchengebäude
- Förderverein (Hrsg.): Der Alte Berliner Garnisonfriedhof. Haude & Spener, Berlin 1995.
- Barbara Kündiger, Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche. Quintessenz, Berlin 2004 (garnisonfriedhof-berlin.de).
Orgel
- Johann Friedrich Walther: Die, In der Königl. Garnison-Kirche zu Berlin, befindliche Neue Orgel, Wie selbige, Nach ihrer äussern und innern Beschaffenheit erbauet, Mit wenigem beschrieben, Und Nebst einer kurtzen Vorrede, Vom Gebrauch, Kunst und Vortreflichkeit der Orgeln, zum Druck übergeben. Berlin 1726 (walcker-stiftung.de [PDF; 147 kB]).
- Heinrich Reimann: Die neue Orgel in der Berliner Garnison=Kirche. In: Urania. Band 49, Nr. 8, 1892, S. 57 f.
Weblinks
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
- Kathrin Chod, Herbert Schwenk, Hainer Weisspflug: Garnisonkirche. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Mitte. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2003, ISBN 3-89542-111-1 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
- Website des Fördervereins Alter Berliner Garnisonfriedhof
Einzelnachweise
- Zusammenstellung der nach Berlin und Umgegend gelieferten Geläute; Bochumer Verein, um 1900. Im Archiv der Köpenicker Kirche St. Josef; eingesehen am 6. August 2019.
- Ansichtskarte vom Inneren der Garnisonkirche in der Neuen Friedrichstraße. oldthing.de; abgerufen am 9. August 2019,
- Heinrich Reimann: Die neue Orgel in der Berliner Garnison=Kirche. In: Urania. Band 49, Nr. 8, 1892, S. 57 f.
- Vier neue Orgelwerke von dem Königl. preuß. Hoforgelbauer und akademischen Künstler Wilhelm Sauer in Frankfurt a./O. In: Urania. Band 49, Nr. 1, 1892, S. 4.
- Des Königl. Preußischen Hof-Orgelbaumeister Wilhelm Sauer in Frankfurt a. O. neuere Thätigkeit. In: Urania. Band 58, 1901, S. 44.
- Kathrin Chod, Herbert Schwenk, Hainer Weisspflug: Garnisonkirche. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Mitte. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2003, ISBN 3-89542-111-1 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
- Berlinische Garnisonkirche mit Garnisonschule. berlinintensiv.de; abgerufen am 25. Dezember 2012.
- Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche in der märkischen Landschaft. (Memento des Originals vom 30. September 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. garnisonfriedhof-berlin.de; abgerufen am 25. Dezember 2012.
- garnisonfriedhofberlin.de
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste