Günther Enderlein
Günther Enderlein (* 7. August 1872[1][2][3] in Leipzig; † 11. August 1968 in Wentorf bei Hamburg) war ein deutscher Zoologe, Entomologe (Insektenkundler) und späterer Hersteller von pharmazeutischen Produkten in der Nähe von Hamburg.
Neben seiner Arbeit über Insekten wurde Enderlein aufgrund seiner Hypothesen zum Konzept des Pleomorphismus von Mikroorganismen und zur Entstehung von Krebs bekannt, die teilweise auf Ansichten anderer Forscher fußen und die heute widerlegt sind. Einige seiner Ansichten sind auch heute noch begrenzt populär, und aus ihnen entwickelten sich in der Folge mehrere neue Konzepte und Hypothesen (siehe: Alfons Weber).
Das umstrittene alternativmedizinische diagnostische Verfahren, die Dunkelfeldmikroskopie nach Enderlein, ist nach ihm benannt.
Leben
Enderlein, Sohn eines Lehrers, studierte in Leipzig und Berlin und promovierte 1898 als Zoologe. Von 1900 bis 1906 war er Assistent am zoologischen Museum in Berlin und danach bis 1919 Kustos des städtischen Museum in Stettin. 1924 habilitierte er und erwarb den Titel eines Professors als Dienstbezeichnung. Über eine Lehrtätigkeit ist nichts bekannt. 1914 meldete er sich als Dienstfreiwilliger in der Medizinalabteilung des II. Armeekorps in Stettin und wurde im Rang und Gehalt eines Stabsarztes eingestellt. Von 1919 bis 1937 war er Kustos des zoologischen Museum der Universität Berlin. Nach seiner Pensionierung verlegte Enderlein seine Tätigkeit in die Pharmazie und war Produktionsleiter beim Pharmaunternehmen Sanum. 1944 gründete er seine eigene pharmazeutische Firma IBICA (die Abkürzung steht für Immunobiologica) in Berlin, später Hamburg. Enderlein erscheint zudem als Begründer und Herausgeber von vier Schriftenreihen, dem "Archiv für klassifikatorische und phylogenetische Entomologie" (1928) in Wien, dem "Archiv für Entwicklungsgeschichte der Bakterien" (1931–1944) in Berlin sowie der Schriftenreihen "Immunobiologica" (1946–1954) und "AKMON. Bausteine zur Vollgesundheit und Akmosophie" (1955–1959). Aufgrund der Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung 1961 erhielt die IBICA 1972 keine erneute Zulassung ihrer Produkte und musste die Produktion einstellen. Die Firma wurde 1974 stillgelegt. 1975 übernahm Heinrich Kehlbeck die Produktionsanlagen der Firma und fusionierte die IBICA des inzwischen verstorbenen Enderlein mit den Sanum-Werken zu der Sanum-Kehlbeck GmbH & Co KG in Hoya.
Wissenschaftliches Werk und Theorien über den Pleomorphismus
Enderlein publizierte an die 500 wissenschaftliche Arbeiten, in der Hauptsache über Insekten. Er arbeitete in der Taxonomie und Systematik zahlreicher Dipterenfamilien (Zweiflügler, eine Insektenart). Zahlreiche Insekten sind von ihm wissenschaftlich beschrieben und benannt worden, wobei es dabei auch zu Konflikten mit anderen Wissenschaftlern kam, die die Taxonomie Enderleins anhand von äußeren Merkmalen nicht immer anerkannten. (Einzelheiten dazu siehe Zwick 1995.) Enderlein interessierte sich insbesondere für Simuliidae (Diptera).
1916 erschienen seine ersten bakteriologischen Studien über den Diphtherie-Erreger und eine kurze einführende Zusammenfassung in sein bakteriologisches Hauptwerk, Bakterien-Cyclogenie, die kriegsbedingt erst 1925 veröffentlicht werden konnte.
Zeitgleich und unabhängig von Enderlein erschien 1916 in den USA die Vorveröffentlichung der bakteriologischen Studien von dem Agrarbakteriologen Felix Löhnis mit dem Titel Life Cycles of the Bacteria. Löhnis hatte ebenso zyklische Entwicklungsvorgänge innerhalb der Bakterien beobachtet.
Größeres Aufsehen als seine Arbeiten über Insekten erweckten seine Ansichten und Hypothesen zum Konzept des Pleomorphismus der Bakterien, das um die Jahrhundertwende und zuvor bereits heftig unter Wissenschaftlern diskutiert worden war, bis schließlich um 1870 das Konzept des Monomorphismus von dem Botaniker Ferdinand Cohn die Oberhand gewann. Dieser schuf die erste Bakterienklassifikation, die in ihrer Grundstruktur auch heute noch gültig ist. Mit den Arbeiten von Louis Pasteur und Robert Koch setzte sich diese auch innerhalb der medizinischen Bakteriologie durch.
Der Begriff Pleomorphismus (griechisch pleion = mehr, morphe = Gestalt) bezieht sich auf die Wuchsformen der Bakterien. Vertreter dieser Auffassung sind der Ansicht, dass Bakterien ein vielgestaltiges Wachstum zeigen, Generationswechsel vollziehen und einem Formenwandel unterliegen. In Frankreich war die Auffassung eines pleomorphen Wachstums der Bakterien weit verbreitet. Bekannte Vertreter dieser Auffassung waren z. B. Felix Dujardin (1841), Charles-Philippe Robin und der Chemiker und Mediziner Pierre Jacques Antoine Bechamp (1816–1908). Aber auch in Italien, Österreich, Schweiz, Schweden, Deutschland und Amerika gab es viele Vertreter dieser Richtung. In Deutschland wird der Begriff auch von dem Arzt Ferdinand Hueppe (ein Schüler von Koch) im 19. Jahrhundert benutzt.
Ähnliche Ansichten – die jedoch bereits im 18. Jahrhundert experimentell widerlegt waren – gab es bereits im Altertum als Abiogenesekonzepte einer Urzeugung.
Enderlein entwickelte seine Pleomorphismus-Hypothese aufgrund seiner vergleichend morphologischen Untersuchungen an Bakterien während des Ersten Weltkrieges. Demnach würden alle Bakterien einen Entwicklungskreislauf durchlaufen, den er Zyklode nannte.
Bechamp hatte zuvor die Vorstellung geäußert, dass in sämtlichen tierischen und pflanzlichen Zellen winzige Körnchen enthalten seien, die er Mikrozyme (Mikrozymas) oder granulations moleculaires nannte. Aus diesen Körnchen würden unter bestimmten Umständen pathogene Bakterien entstehen können. Louis Pasteur widersetzte sich dieser Vorstellung; der französische Physiologe Claude Bernard (1813–1878) beteiligte sich ebenfalls an den damaligen Diskussionen.
Die verschiedenen Entwicklungsstadien der die Malaria verursachenden Plasmodien waren möglicherweise ebenfalls ein weiterer Ausgangspunkt für Enderleins Beginn der Pleomorphismus-Studien etwa zur Zeit des Ersten Weltkrieges.
1925 veröffentlichte Enderlein sein bakteriologisches Hauptwerk Bakterien-Cyklogenie. Prolegomena (wissenschaftliche Einführung) zu Untersuchungen über Bau, geschlechtliche und ungeschlechtliche Fortpflanzung und Entwicklung der Bakterien. Es war der Versuch, eine neue Bakterienklassifikation auf vergleichend morphologischer Grundlage zu schaffen. Enderlein hatte in seinen Untersuchungen zeigen können, dass Bakterien Kernäquivalente besitzen und über sexuelle Fortpflanzungsmechanismen verfügen. Aufgrund der Beobachtung des Schwindens der anfärbbaren Kernsubstanz der Bakterien im „Hungerversuch im hängenden Tropfen“ und den dadurch provozierten Verlust der Keimfähigkeit der Bakterien sowie die anschließende Wiedergewinnung der Keimfähigkeit durch Einbringen des Materials in eine flüssige Nährlösung führten Enderlein zur Vorstellung eines „Ur-Kerns“ (Mych) der Bakterien. Dieser „Ur-Kern“, so meinte er, bestünde aus reinem Eiweißmaterial. Filtrate von Bakterien durch bakteriendichte Filter ergaben die Darstellung von zellplasmalosen kleinsten Eiweißkörnchen, die er „Symprotite“ nannte. Aus den Symprotiten konnten, in Abhängigkeit vom Nährmedium, vollständige Bakterien regeneriert werden. Die Beobachtung des Zerfalls der Symprotite führten Enderlein zu der Annahme, dass diese aus noch kleineren Bausteinen zusammengesetzt seien, die er „Protite“ nannte und deren Größe er auf 10 bis 20 Nanometer schätzte.
Enderleins Vorstellung zufolge handelt es sich bei den Kerneiweißbausteinen um primäres Leben. Diese Kerneiweiße würden sich aus sich selbst heraus vermehren und über einen Substratstoffwechsel verfügen. Durch Zusammenlagerung dieser Kerneiweiße entstünden die Vorstufen der Kerneinheiten der Bakterien und Schimmelpilze. Eine Beschreibung der direkten Verwandlung von Bakterien in Schimmelpilze findet sich bei Enderlein nicht. Der festgestellte Zusammenhang betraf das gemeinsame „Kleinkörnchen-Stadium“ (Chondrit-Stadium).
Vorstufen von Bakterien und Schimmelpilzen im „Kleinkörnchen-Stadium“ fand Enderlein auch im Blut und Gewebe gesunder und kranker Menschen. In seinen Studien zum Krebsproblem, die er von 1931 bis 1937 zusammen mit dem Danziger Onkologen Egbert Frick durchführte, beschrieb er einen vielgestaltigen Mikroorganismus im Blut, den er für die Krebsentstehung verantwortlich machte. Dieser seltsam wandelbare Mikroorganismus im Blut sei in seiner Primitivphase unschädlich und würde sogar symbiontische Eigenschaften besitzen und eine Reihe physiologische Funktionen im Organismus erfüllen. Im Laufe des Lebens – und getriggert durch eine Vielzahl von Faktoren – könne dieser Mikroorganismus parasitäre Eigenschaften erwerben und vorgeschädigte Gewebe und Organe angreifen. Dabei würde sich der potentielle „Krebs-Erreger“ in den roten Blutzellen vermehren und entwickeln. Das primäre Stoffwechselprodukt des Erregers sei die Milchsäure.
Die pflanzlichen Urkeime seien bereits in der Ei- und Samenzelle vorhanden, daher würde sich eine diaplazentare Übertragung erübrigen. Der Erreger begleite den Menschen sozusagen von der „Wiege bis zur Bahre“. Die Endobionten seien letztendlich nach dem Tode auch für die Verwesung und Fäulnis von Bedeutung.
Die endogenen Mikroorganismen im Blut, von Enderlein Endobionten genannt, seien in ihren Primitivformen unschädlich, vermehrten sich im Laufe des Lebens zu Mengen von astronomischen Zahlen, entwickelten sich bei naturwidriger Lebensführung ferner zu hoch valenten (wertigen/energiereichen) Formen und würden sich mit den Artgenossen, die auf benachbarten Erythrozyten lebten, zu Kolonien zusammenschließen und auf diese Weise Blutzusammenballungen (Thrombosen) verursachen und könnten, da das Blut alle Organe und Gliedmaßen durchströme, überall Störungen der jeweils befallenen Organe hervorrufen, die bis zur völligen Lähmung der Funktionen der betreffenden Organe führen könnten. So entstünden die verschiedenartigsten Krankheiten, die alle in dem einen gleichartigen Vorgang – eben in jener quasi Verstaatlichung von Primitivformen zu höheren Formen – ihre Ursache hätten.
Nach Enderlein unterliegen die Mikroorganismen im Blut einem Regulationsmechanismus: So könnten die „Spermite“ genannten Einheiten durch Kopulation mit den Kernen der höher entwickelten virulenten Formen diese abbauen. Die Abbauprodukte würden schließlich über Haut, Darm, Lungen oder die Nieren ausgeschieden.
Eine Störung des symbiotischen, sozusagen friedlichen Zusammenlebens zwischen den Mikroben niederer Wuchsform und dem menschlichen Organismus werde durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht. Dazu gehöre an erster Stelle die Überernährung, vor allem mit Fleischkost, aber auch eine Reihe von Genussgiften wie z. B. Alkohol und Tabak, Chemikalien, physikalische Einwirkungen wie z. B. radioaktive Strahlung und Stress könne zu einer krankmachenden Aufwärtsentwicklung der Endobionten führen.
Die Entwicklung der Bakterien erfolgt nach Enderlein in einem dreifachen Koordinatensystem, bestehend aus:
- der vermehrenden Entwicklung durch fortwährende Zweiteilung (Auxanogenie)
- dem allmählichen Aufbau bis zum Höhepunkt der Entwicklung (Kulminante) und dem Wiederabbau bis zur morphologischen Einheit (Probaenogenie)
- dem Aufbau der Kernwertigkeit (Dynamogenie)
Mit „Mochlose“ (Riegelung) bezeichnete Enderlein das alleinige Herrschen der „Auxanogenie“ unter Ausschaltung bzw. Hemmung der „Probaenogenie“ und „Dynamogenie“. Das heißt, eine Bakterienart könne in einem bestimmten Entwicklungszustand verharren und sich fortwährend nur durch Zweiteilung vermehren, ohne sich weiter fortzuentwickeln, solange die Kulturbedingungen konstant blieben. Die Aufhebung der Entwicklungshemmnisse bezeichnete Enderlein mit Mochlolyse (Entriegelung). In Bezug auf die „Endobionten“ wird dieser Begriff von Enderlein nicht verwendet, da dieser Erreger zu den stark „isoben“ Arten gehöre. Stark isobe Arten besäßen eine große Anzahl von Wuchsformen unter gleichen äußeren Lebensbedingungen. Im Unterschied zu den meisten anderen Mikroorganismen könne der Endobiont in all seinen Entwicklungsstadien Krankheiten verursachen.
In-vitro-Experimente mit den isolierten Mikroorganismen aus dem Blut hatten ergeben, dass die pathologische Aufwärtsentwicklung der „Endobionten“ mit einem fallenden pH-Wert der Nährlösung einherging. Dies bezeichnete Enderlein mit dem Begriff „anartatisches Grundgesetz“. Er war der Ansicht, dass eine chronische Übersäuerung des Blutes die Ursache für eine Vielzahl von Beschwerden sei. Da der Blut-pH-Wert vom Organismus streng reguliert wird und nur geringe Abweichungen um einen mittleren pH-Wert von 7,4 toleriert werden, war diese Auffassung bereits zu Enderleins Lebzeiten nicht haltbar. Da die chronische Übersäuerung des Organismus im Krankheitsverständnis der naturheilkundlich orientierten Ärzte eine zentrale Rolle spielte, sprach man ab Anfang der 1950er Jahre in diesem Zusammenhang nur noch von einer „latenten Azidose“ (vgl. Friedrich F. Sander) und vermutete, das Depot für die Säuren aus dem Blut könne das Bindegewebe sein (vgl. Alfred Pischinger).
Enderleins Auffassung zufolge handelt es sich bei dem Endobionten um einen komplexen „Chondrit-Bakterie-Schimmelorganismus“, dessen höchst mögliche Entwicklungsstufe der Mucor racemosus Fresen (ein Zygomycet/Jochpilz) sei. Er betrachtete den Mucor racemosus als „Ur-Symbionten“ aller Wirbeltiere, der vor hunderten Millionen Jahren in den Vorläuferorganismus der Wirbeltiere eingedrungen sei und die Entwicklung der Säugetiere erst möglich gemacht habe. Denn das Fibrin und auch die Thrombozyten stellen nach Enderlein Phasen der Entwicklung des Endobionten dar.
Enderlein begreift allgemein die Primitivformen der Bakterien (Chondrite), zu denen er auch die Viren zählt, Bakterien und Pilze nicht als getrennt voneinander existierende Organismenreiche, sondern als eine entwicklungsgeschichtliche Einheit. Wie in einem Bausteinkasten-Modell würden sich die lebenden Kerneiweiß-Kolloide zu eindimensionalen Fäden (Filiten) und dreidimensionalen Körnchen (Symprotite) zusammenlagern. An den Symprotiten vollziehe sich der Kern- und Zellaufbau zu immer komplexer werdenden Kern- und Zelleinheiten. Die Entwicklung schreite über eine ganze Anzahl von bakteriellen Entwicklungsstufen und Generationen hinweg, bei denen immer mehr Kernmaterial angehäuft und organisiert werde, bis schließlich die höchst mögliche Entwicklungsstufe (Kulminante) erreicht werde, die bei einigen Bakterienarten mit der Bildung eines Schimmelpilzes ihren Höhepunkt erreiche. Die allmähliche Anreicherung der Energien, der Valenzen der Kerneinheiten, löst nach Enderlein den quantenbiologischen Sprung in das nächste Entwicklungsstadium aus. Während nun die Quantenanreicherungen, die den sprunghaften Vorgängen vorausgingen, den Sinnen nicht zugänglich seien, würden sich die quantenbiologischen Vorgänge durch ihre zeitlichen Verschiebungen zeigen und sich im rhythmischen Wechsel zweier Wuchsformen eines Cyclostadiums zu erkennen geben.
Den entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Chondrit-Bakterie-Schimmelpilz stellte Enderlein erstmals 1931 am Beispiel des Koch’schen Tuberkulose-Erregers (Mycobacterium tuberculosis) her, dessen Kulminante der Schimmelpilz Aspergillus niger van Tieghem sei. Ausgangspunkt der Untersuchungen waren die Aspergillus-Schimmel, die sich in aller Regelmäßigkeit auf den älteren Tuberkulose-Bakterien-Kulturen gebildet hatten.
Unabhängig von Enderlein bestätigte der Botaniker Hugo Schanderl die Entwicklungsreihe Chondrit-Bakterie-Pilz.
Enderlein und Schanderl kamen zur gleichen Schlussfolgerung: Nicht die Zelle sei die letzte biologische Einheit der belebten Materie, sie sei bereits ein Staatengebilde, bestehend aus autonom lebensfähigen Individuen, die sich nach dem Untergang der Zelle zu selbstständigen Mikroorganismen, Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen entwickeln würden.
In seinen Studien zum Krebsproblem überprüfte Enderlein die Krebsforschungen des 1926 verstorbenen Kölner Gynäkologen Otto Schmidt. Dieser hatte 1903 über einen wandelbaren polymorphen Mikroorganismus im Blut berichtet, den er für die Krebsentstehung verantwortlich machte. Schmidt hatte auch eine immunbiologisch und isopathisch wirksam genannte „Krebs-Vakzine“ entwickelt, die er aus auf Tumorzell-Kulturen gewachsenen Schimmelpilzen der Gattung Mucor racemosus herstellte. Schmidt hatte angenommen, der potentielle „Krebs-Erreger“ würde sich in dem Schimmel quasi als Symbiose-Partner vermehren.
Enderlein begann 1939 mit der Herstellung eines eigenen „Krebsheilmittels“, das nach seinen Angaben die Spermite genannten Einheiten des Mucor racemosus enthielten, die die höher valenten (energiereicheren) Entwicklungsformen der Endobionten abzubauen in der Lage seien.
Der Endobiont sei durchaus anzüchtbar, doch würden sich die zarten Kolonien im Primitivstadium erst nach Wochen zeigen und es sei eine Temperatur von 25 °C erforderlich.
Enderlein führte viele neue Fachbegriffe ein, die das Lesen seiner Texte in heutigen Zeiten erschweren, da viele dieser Begriffe nicht mehr benutzt werden. Manche Textpassagen sind aus kritischer Sicht de facto unverständlich.
Weitere spätere Anhänger des Pleomorphismus waren oder sind: Wilhelm von Brehmer, Wilhelm Reich mit seinem Konzept des Bions im Jahre 1936 sowie Royal Rife und Gaston Naessens. Zurzeit werden diese Theorien ebenfalls von Hulda Regehr Clark und Tamara Lebedewa in veränderter Form oder in Teilen übernommen und im alternativmedizinischen Bereich angewandt.
Therapiekonzepte
Enderlein bezeichnete seine Heilpräparate als isopathische Mittel, da diese die gleichen Symbionten enthalten sollen, auf die der Mensch angewiesen sei und diese an dem Prozess der Rückwandlung von höher valenten Wuchsformen zurück zur Chondritform beteiligt seien. Die Krankheit soll also durch dieselben Erreger geheilt werden, durch die sie hervorgerufen wird. Eine Antibiose der wissenschaftlichen Medizin hielt er nicht für hilfreich, da sie auch die harmlosen Symbionten schädige.
Dunkelfeldmikroskopie nach Enderlein
In seinem humoralpathologischen Forschungslaboratorium führte Enderlein seine vergleichend-morphologischen Blutuntersuchungen zur graduellen Erfassung des Endobiosis-Komplexes durch. Mit Endobiosis bezeichnete Enderlein die Erkrankungen, die seiner Ansicht nach durch die körpereigenen Endobionten, in allen ihren Entwicklungsstadien, verursacht werden. Die Untersuchung beinhaltete die medizinisch übliche hämatologische Untersuchung an gefärbten Blutausstrich-Präparaten sowie eine Untersuchung von unbehandeltem Blut mittels Phasenkontrastmikroskopie und Dunkelfeldmikroskopie. Beurteilt wurden die Stärke des Befalls der Erythrozyten und Leukozyten mit den Endobiontenformen sowie die Ermittlung der Valenz. Mit Valenz, oder auch Dynamovalenz, bezeichnete Enderlein die Kernwertigkeit, die sich auf die Größe und Anzahl der Kerneiweißkörnchen Symprotit und Mych bezieht. Die Größe dieser Körnchen konnte zwischen 0,01 – 1 Mikrometer betragen, wobei eine Steigerung der Valenz mit der Schwere der Endobiosis-Erkrankung einherginge.
Bei der Nativ-Blutuntersuchung im Dunkelfeld- und Phasenkontrast wurde beurteilt:
- Protit-Schleier (Eiweiß-Schleier, entstünden durch massenhaft frei werdende Kolloide, Zeichen für relativ hohe Alkalität des Blut-pH)
- Kolloid-Thecite (Zelle ohne Kern, nativ) von dem höchstmöglichen pH-Wert abhängige Ansammlung von Kolloiden zu mehr oder weniger begrenzten Gebilden.
- Diökothecite (entsprechen den Kolloidtheciten, unterscheiden sich von diesen durch einen fadenförmigen feinsten Randsaum)
- Filit-Phase (im Dunkelfeld) (fadenförmige Strukturen unterschiedlicher Stärke, entsprechen dem Fibrin)
- Symprotitit-Phase (freie lichtbrechende Körnchen verschiedener Größen)
- Macrosymprotite (besonders große lichtbrechende Körnchen)
- Sporoide Symprotite (bis zu einem Viertel der Erythrozytengröße anwachsende, stark lichtbrechende, ringförmige Strukturen)
- Spermite (im Dunkelfeld) (Aufbaugebilde bestehend aus Symprotit-Köpfchen und anhängendem Filum-Geißel)
- Freie Chondrite (Symprotite, Filite und Spermite, die sich frei schwimmend im Blutserum im Verband zu verästelten bäumchen- und netzartigen Strukturen angeordnet haben. Dies sei ein Zeichen einer beginnenden Endobiosis-Erkrankung, Ausschlaggebend für die schwere der Erkrankung ist hierbei die Valenz, d. h. die relative Größe der Symprotite und Dicke der Filite).
- Kolloid-Symplast (Zusammenballungen von mehr oder weniger zahlreichen Kolloid-Gebilden zu einer größeren Masse)
- Mychite (Bakterienkugel mit einem Kernelement)
- Thrombozyten (entsprechen bei Enderlein vergleichend morphologisch Theciten. Ausschlaggebend ist die Kernzahl. Thrombozyten haben eine Kernzahl zwischen 3–8 Kerneinheiten)
- Thecite (zellartige, unregelmäßig begrenzte Aufbauformen verschiedener Größen mit mehreren Kerneinheiten)
- Ascite (Bakterienstäbchen)
- Synascite (dicke, plumpe Bakterienstäbchen)
Im gefärbten Präparat wurde beurteilt:
- Erythrozyten:
- Anisozytose
- Poikilozytose und Erythrozyten-Trümmer
- Stärke des Befalls der Erythrozyten
- Valenz des Befalls der Erythrozyten
- Vakuolen der Erythrozyten
- Leukozyten:
- Ball der Granulozytenkerne
- Befall des Granulozytenplasmas (neutrophile, eosinophile, basophile Granulozyten)
- Befall der Monozytenkerne
- Befall des Monozytenplasmas
- Befall der Lymphozytenkerne
- Befall des Lymphozytenplasmas
- Dendroid-Zerfall der Leukozyten (sich auflösende Leukozyten unter Bildung eines ausgedehnten Chondrit-Netzwerkes, dessen Verästelungen an Dicke zunehmen)
- Dendroid-Vakuolen der Leukozyten (sich auflösende Leukozyten unter Bildung eines Chondrit-Netzwerkes und Vakuolen)
- Sklerotische Parasiten-Gebilde (Bildung von pseudokristallinen Trockeneiweiß-Formationen, die aus den Kolloid-Massen des Endobionten entstünden und sich zu verschiedenen Aufbaugebilden zusammenlagern, z. B. sichelartig, fliegenartig, moos- oder fächerartig, kreuzförmig, nadelförmig oder tafelförmige Gebilde)
- Derosynascite (größere Gruppe von sklerotischen Gebilden; bakterienähnliche Formationen, die doppelt so groß wie Erythrozyten imponieren, angeblich charakteristisch für lymphatische Leukämien)
- Symplast-Bildung (Zusammenfließen von kernhaltigen Endobiontenformen zu einer unregelmäßig begrenzten Zytoplasma-Masse, in der die freien Mych (Kerneinheiten) kopulieren. Auch das Zusammenballen von Blutplättchen (Thrombozyten) bezeichnet eine Symplast-Bildung)
- Systatogenetische Vorgänge (Beurteilung bezieht sich auf die Stärke der Ausbildung der Sklerotischen Parasiten-Gebilde)
Das Gesamturteil bezieht sich auf die Valenz des Endobionten. Diese konnte mit: gering – mäßig hoch – hoch – oder sehr hoch angegeben werden.
Ob mit der vergleichend-morphologischen Blutuntersuchung eine Diagnose z. B. auf Krebs gestellt werden könne, hat Enderlein wie folgt beantwortet:
„Es kann natürlich nicht erwartet werden, daß diese Untersuchung eine Diagnose (z. B. auf Krebs) ermöglicht; sie läßt lediglich Rückschlüsse auf eine Ca-Bereitschaft zu. Diese Frage erübrigt sich schon, nachdem man sich Klarheit über den Charakter und den Begriff des ‚Endobiosis-Komplexes’ verschafft hat. Der Krebs als solcher läßt sich nur in Verbindung mit histologischen und klinischen Befunden etc. diagnostizieren. Den Mittelpunkt der Untersuchung bildet u. a. die Feststellung der Stärke des Befalls der Erythrozyten, der Leukocyten-Kerne und des Leukocyten-Plasmas und gleichzeitig die Ermittlung der Valenz.“ (G. Enderlein:IBICA-Information. Juni 1954)
In Deutschland, aber auch international, wird jedoch die Vitalblutuntersuchung mittels Dunkelfeldmikroskopie von einigen Ärzten und Heilpraktikern im alternativmedizinischen Bereich zur Krebserkennung eingesetzt. Eine Studie aus dem Jahre 2005 an der Justus-Liebig Universität Gießen bestätigte die Unbrauchbarkeit der Methode für die Krebs-Diagnostik. Ihre Schlussfolgerung: „Mit der Dunkelfeldmikroskopie ist es scheinbar nicht möglich, das Vorhandensein einer Krebserkrankung sicher zu erkennen. Die Methode sollte in der klinischen Praxis nicht eingesetzt werden, bevor weitere Untersuchungen vorliegen.“ Eine weitere wissenschaftliche Studie von Michael Teut kam im Jahre 2006 zum gleichen Ergebnis.
In der medizinisch-hämatologischen Diagnostik spielt die Dunkelfeldmikroskopie keine Rolle.
Kritik an Enderlein
Im Jahre 1952 geriet Enderlein im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen das umstrittene Krebsheilmittel Endobiont-Chondritin, das er vermarktete, in die Schlagzeilen. Sein herstellendes Institut musste vorübergehend schließen.[4]
Dass sich im Blut eines gesunden Menschen in geringer Konzentration Bakterien finden lassen, ist heute wissenschaftlich unumstritten: Eine in einem Brutschrank angelegte Blutkultur eines Gesunden zeigt nach einiger Zeit stets die Anwesenheit von Bakterien, allerdings auch (die wissenschaftliche Aussage verfälschend) bedingt durch Keime, die bei der Blutabnahme von der Haut in die Probe gelangen.
Durch moderne Untersuchungsmethoden (die allerdings erst zu Zeiten zur Verfügung standen, als Enderlein bereits ein höheres Alter erreicht hatte) lassen sich genetische Unterschiede zwischen Organismen genau feststellen. Dazu zählt beispielsweise die Serologie. Mit derartigen Methoden lässt sich zweifelsfrei nachweisen, dass die (prokaryontischen, zellkernlosen) Bakterien zum Beispiel nicht mit den (eukaryontischen, kernhaltigen) Pilzen verwandt sind. Auch sind Gene isolierter Zellen eines menschlichen Tumors nicht mit Genen von Bakterien oder Pilzen identisch. Bei nur etwa 15 % aller Tumorerkrankungen spielen Viren (Onkoviren) eine Rolle; diese durchlaufen jedoch nicht den oben beschrieben Zyklodekreislauf.
Kritisiert wird auch Enderleins Vorliebe für das Zeichnen seiner mikroskopischen Beobachtungen, und dies zu Zeiten der objektiveren Fotografie.
Literatur
- Elke Krämer: Leben und Werk von Prof. Dr. phil. Günther Enderlein. St. Goar 2006, ISBN 3-87667-285-6.
- Bakterien-Cyclogenie. Prolegomena zu Untersuchungen über Bau, geschlechtliche und ungeschlechtliche Fortpflanzung und Entwicklung der Bakterien. Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin/ Leipzig 1925. (Neudruck: Semmelweis-Verlag, Hoya 1980)
- S. El-Safadi u. a.: Erlaubt die Dunkelfeldmikroskopie nach Enderlein die Diagnose von Krebs? Eine prospektive Studie. In: Forsch Komplementärmed Klass Naturheilkd. 2005;12, S. 148–151 doi:10.1159/000085212
- M. Teut u. a.: Reliability of Enderlein's darkfield analysis of live blood. In: Altern Ther Health Med. 2006 Jul-Aug;12(4), S. 36–41.
- Felix Löhnis: Life Cycles of the Bacteria. Preliminary Communication. In: Journal of Agricultural Research. Vol. 7, 1916, S. 675–702.
- Günther Enderlein: Einige neue Erreger aus der Verwandtschaft des Diphtherie-Erregers. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Jg. 1916, S. 395–400.
- Günther Enderlein (Hrsg.): Akmon. Bausteine zur Vollgesundheit und Akmosophie. Ibica-Verlag, Aumühle 1955–59. (Zeitschrift)
Weblinks
Einzelnachweise
- Günther Enderlein im Munzinger-Archiv, abgerufen am 27. Juni 2015 (Artikelanfang frei abrufbar)
- Biografien der Entomologen der Welt – Günther Enderlein. In: sdei.senckenberg.de. Abgerufen am 27. Juni 2015.
- Wolfdietrich Eichler: In memoriam Günther Enderlein. In: Dtsch. Ent. Z. Band 16, Nummer 4/5, 1969, S. 451–463.
- Günther Enderlein. In: Der Spiegel. Nr. 34, 1952, S. 24 (online).