Fuge (Bauwesen)
Eine Fuge ist im Bauwesen ein gewollter oder toleranzbedingter Spalt oder Zwischenraum zwischen zwei Teilbereichen, Bauteilen oder Materialien. Neben einem bautechnischen Zweck kann sie auch der Gestaltung dienen. Als Fugenbild bezeichnet man Anordnung und Aussehen der Fugen auf einer bestimmten Oberfläche, wie Mauerwerk oder Fliesenböden. Das Fugenbild wird beeinflusst von der Form der verwendeten Steine bzw. Fliesen, dem verwendeten Fugenmaterial, der Fugenfarbe und der Ausführung der Fuge. Fugenschnitt bezeichnet die Ornamentierung eines Bauwerks mit in den Verputz geschnittenen Scheinfugen.
Um das Eindringen von Wasser zu verhindern, werden Fugen verschlossen mit pastösen, spritzbaren Dichtstoffen wie Acryl oder Silikon oder mit vorgefertigten Profilen, Fugenbändern, Fugenblechen oder Quellbändern. Siehe: Fugenabdichtung
Arten
Anschlussfuge
Anschlussfugen entstehen zwangsläufig, wenn zwei unterschiedliche Bauteile aneinandertreffen, und der gebildete Spalt nicht überspachtelt, überputzt oder tapeziert werden kann. Viel Beachtung finden die Anschlussfugen im Sanitärbereich, wie etwa der Anschluss von Duschwanne (Duschtasse), Badewanne oder Waschbecken zu Wand und Fußboden, die typischerweise als Silikonfugen ausgeführt werden. In den meisten Anschlussfugen treten nur geringe Relativbewegungen auf, sodass auch Dichtstoffe mit geringer Elastizität verwendet werden können.
Arbeitsfuge
Arbeitsfugen sind Trennlinien innerhalb von Bauteilen. Sie entstehen beispielsweise im Betonbau als Absetzfugen zwischen zeitlich aufeinanderfolgenden Betonierabschnitten. Das Betonieren in mehreren Abschnitten ist aufgrund des Bauablaufs oft unvermeidlich. Ziel ist es, einen möglichst guten Verbund zwischen den angrenzenden Betonierabschnitten herzustellen. Da in Arbeitsfugen die Bewehrung durchläuft, wäre eine traditionelle Abschalung des Betonierabschnitts mit Holz aufwändig. Heute wird hierzu meist Streckmetall verwendet, welches sich leicht schneiden und zurechtbiegen lässt und eine gewisse Verzahnung der Betonierabschnitte gewährleistet. Wenn etwa aus ästhetischen Gründen ein geradliniger Fugenverlauf gewünscht ist, können Schaltafeln in Kombination mit Rückbiegeanschluss für die Bewehrungseisen verwendet werden, welche beim Fortsetzen des Betoniervorgangs eine nachträgliche Verzahnung durch Aufbiegen der Bewehrungsstäbe erlauben. Bei Ingenieurbauwerken wie dem Brückenbau werden wegen der größeren Lasten Schraubanschlüsse verwendet, mit denen der Bewehrungsstahl über Arbeitsfugen hinweg verbunden wird. Dichte Arbeitsfugen ist sind besonders bei Konstruktionen wie der Weißen Wanne wichtig. Zur Abdichtung von Arbeitsfugen gegen Grundwasser werden Verpress- oder Quellfugendichtbänder verwendet. Beim Bau von Kellern aus Fertigteilen (wie Massivwand- oder sogenannte Doppelwand-Keller) hat sich der Einsatz von außenliegenden, streifenförmigen Flächenabdichtungen aus Kunststoff bewährt, die mit dem Untergrund druckwasserdicht verklebt werden (siehe auch Hohlkehle).
Bauwerksfuge
Eine Bauwerksfuge oder auch Bautrennfuge ist eine Fuge, die dadurch entsteht, dass Bauwerke, Bauwerksflügel oder spätere Bauabschnitte unmittelbar, aber ohne Verzahnung neben dem benachbarten Bauteil errichtet werden. Sie läuft durchgängig zwischen den beiden benachbarten Bauwerken, aber nicht unbedingt auch durch die Fundamente. Bauwerksfugen zwischen Neubauten (zum Beispiel Reihenhäusern) werden als Gebäudetrennfugen ausgeführt, indem ein durchgängiger Spalt von mehreren Zentimetern Breite mit nichtbrennbarem, elastischem Material wie Mineralwolle aufgefüllt wird, um eventuell auftretende Setzungen aufzunehmen, die Schallübertragung zu reduzieren und den Eintritt von kalter Aussenluft zu vermeiden.
Bewegungsfuge
Eine Bewegungsfuge, Dehnfuge, Dehnungsfuge oder Dilatationsfuge ist eine Fuge zur Unterbrechung von Bauteilen, um Spannungsrissen vorzubeugen. Diese Risse entstehen durch unterschiedliche Bewegungen der angrenzenden Flächen durch Wärmedehnung, Dehnung durch Feuchtigkeitaufnahme oder lastbedingte Lage- und Längenänderungen (sog. Kriechen). Zur Entstehung möglicher Spannungsrisse siehe auch Dilatation. Durch die Fuge werden die hieraus entstehenden Kräfte (Zwängungen) ebenso vermieden, wie unkontrollierte Risse innerhalb von Bauteilen oder an Anschlussstellen.
- Einsatzbereiche
- Brücken: Ausbildung von Übergangskonstruktionen zur Vermeidung von Zwangspannungen, vor allem aufgrund der Wärmedehnung
- Parkett- oder Laminatböden: Vermeidung von Spannungen, vor allem infolge von Quellung und Schrumpfung bei Änderung der Feuchtigkeitsgehalts (zumeist aufgrund von Luftfeuchtigkeit, aber auch Kondenswasser). So wird verhindert, dass das Holz oder Laminat gegen angrenzende Bauteile presst, sich aufwirft oder klaffende Trocknungsrisse entwickelt.
- Fußböden allgemein, sowie Beläge wie Bodenfliesen: Die Anschlussfuge zwischen schwimmendem Estrich sowie Fußbodenbelag zur Wand wird generell als Dehnfuge ausgebildet.
- Verblendmauerwerk wird in der Regel mittels Dehnfugen in regelmäßige Felder aufgeteilt, um Rissbildung aufgrund von der Erwärmung der steifen Mauerwerksschale zu vermeiden (traditionelles Ziegelmauerwerk ist weniger gefährdet, weil die Steine und der Mauermörtel elastischer waren als Klinker und heutige Vormauersteine. Die massive Mauerwerkswand erwärmte sich auch weniger stark als das dünne Blendmauerwerk)
Krampfaderfuge
Feldsteinbauten mit kräftigen, dachartig vorstehenden Fugen bezeichnen Fachleute recht treffend als Krampfaderfugen.
Mauerwerkfuge
Im Mauerwerksbau wird zwischen Stoßfugen und Lagerfugen unterschieden: die vertikalen Stoßfugen befinden sich zwischen den Köpfen der Steine innerhalb einer Mauerlage; die horizontalen Lagerfugen liegen zwischen den Steinlagen.
Raumfuge
Raumfugen werden verwendet bei Betondecken im Straßenbau. Raumfugen trennen die Betonplatten in ihrer ganzen Dicke. Ein breiter, vorgebildeter Fugenspalt ermöglicht eine Ausdehnung der Platten und verhindert das unkontrollierte Entstehen von Spannungsrissen.
Schattenfuge
Eine Schattenfuge ist eine angedeutete, vertieft liegende Fuge zwischen Bauteilen, zum Beispiel zwischen einer Seitenwand und einer abgehängten Holz-Unterdecke oder zwischen der Zarge einer bündig in der Wandebene liegenden Tür und der angrenzenden Wandoberfläche. Es handelt sich dabei nicht unbedingt um eine tatsächliche Trennfuge. Bei der Konstruktion von Bilderrahmen dient die Schattenfuge der räumlichen Trennung zwischen Bild und Rahmen.
Sollrissfuge und Scheinfuge
Sollrissfugen werden gezielt angelegt, damit in Estrich und Stahlbeton unvermeidbare Risse nicht zufällig und unregelmäßig, sondern geradlinig und dort entstehen, wo man sie auch am besten kontrollieren kann. Betonrisse dürfen im Allgemeinen nicht breiter werden als 0,2 mm. Wenn die Fläche auch in gerissenen Zustand luft- oder wasserdicht bleiben soll, was besonders bei einer Weißen Wanne wichtig ist, so werden in die Sollbruchstellen Dichtprofile eingelegt.[1]
Im Estrich sowie im Straßenbau werden Sollbruchstellen oft in Form eines einfachen Kellenschnitts durchgeführt, um eine Querschnittsschwächung eines Bauteils zu bewirken. Beim Schwinden während des Erhärtungsprozesses (Abbinden), durch Witterungseinflüsse oder Abnutzung, entsteht so an dieser Stelle kontrolliert ein Riss. Scheinfugen durchtrennen das Bauteil nicht vollständig, sondern sind an der Oberfläche angebrachte Kerben, die ein bis zwei Tage nach dem Einbringen des Betons oder Estrichs an den gewünschten Stellen eingeschnitten oder gekerbt werden. Alternativ können bereits während des Betonierens Einlagen an den gewünschten Stellen eingebracht werden.
Wie Schattenfugen werden Scheinfugen auch als gestalterisches Mittel eingesetzt, etwa indem Trapez- oder Dreikantleisten in die Betonschalung eingelegt werden.
Lichtfuge
Eine Lichtfuge ist ein Spalt zwischen zwei Bauteilen, der als Lichtstreifen gestalterisch in Erscheinung tritt.
Schwindfuge
Als Schwindfuge bezeichnet man eine Fuge, die beim Betonieren zwischen Betonbauteilen offen gelassen wird. Erst nachdem der Schwindvorgang weitgehend abgeschlossen ist, wird die Fuge verfüllt. Da diese Vorgehensweise den Bauablauf behindert, kommt sie nur noch selten zur Ausführung.
Pressfuge
Pressfugen werden bei Betondecken im Straßenbau verwendet. Sie durchtrennen die Betonplatten in ihrer ganzen Dicke. Zwischen den einzelnen Platten ist jedoch kein Fugenspalt ausgebildet, so dass sich die Platten nicht ausdehnen können.
Wartungsfuge
Die Wartungsfuge ist eine mit Dichtstoff gefüllte Fuge, die durch chemische, biologische, mechanische oder Witterungs-Einflüsse von schnellem Verschleiß betroffen ist. Wartungsfugen sind darum regelmäßig einer Sichtprüfung bzw. einer Dichtigkeitsprüfung zu unterziehen und gegebenenfalls zu erneuern. Die DIN 52460 (Fugen- und Glasabdichtungen, Begriffe) beinhaltet nur Definitionen und sagt nichts zur Gewährleistung.
Siehe auch
Literatur
- Hansjörg Frey: Bautechnik – Fachkunde Bau. Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 2003, ISBN 3-8085-4460-0, S. 516 und 517.
- Manfred Pröbster: Baudichtstoffe, erfolgreich Fugen abdichten. 2. Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-8348-0952-0.
- Eberhard Baust, W. Fuchs: Praxishandbuch Dichtstoffe. 5. Auflage. HS Public Relations Verlag, Düsseldorf 2004, OCLC 314653349.
- Friedrich Kobler: Fuge (Baukunst). In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Band X, 2014, Sp. 1133–1169 (rdklabor.de).
Weblinks
Einzelnachweise
- Alfred Becker, Harald S. Müller: Betonbauwerke im Untergrund – Infrastruktur für die Zukunft. Universitätsverlag Karlsruhe, 2008, ISBN 978-3-86644-214-6 (online; PDF; 17 MB).