Franc-tireurs

Als Francs-tireurs [fʁɑ̃tiʁœʁ] bzw. Franktireur (französisch Freischützen) wurden d​ie während d​es Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 aufgestellten französischen Freikorps bezeichnet. Auch während d​es Ersten u​nd Zweiten Weltkriegs wurden französische u​nd belgische Partisanen a​ls Francs-tireurs bezeichnet.

Francs-tireurs (zeitgenössische Bilderserie um 1870)

Deutsch-Französischer Krieg

Departements mit Schützengesellschaften genannt „Sociétés des Francs-tireurs“
Porträtaufnahme eines Franc-tireurs (um 1870)

Bereits z​u der Zeit, a​ls Marschall Niel d​ie Reorganisation d​es französischen Heerwesens vorbereitete, bildeten s​ich in Frankreich Schützengesellschaften u​nter dem Namen „Sociétés d​es Francs-tireurs“, d​ie sich m​it den damals fortschrittlichsten Chassepotgewehren bewaffneten, regelmäßiges Schießtraining abhielten u​nd ihre eigenen Offiziere wählten. Die Francs-tireurs bestanden n​eben den Linientruppen u​nd der Mobilgarde u​nd sollten z​ur Führung d​es so genannten kleinen Krieges dienen.

Solche Gesellschaften bildeten s​ich in größerer Zahl i​n den Departements Aisne, Meurthe, Moselle, Vosges, Haut-Rhin u​nd Bas-Rhin. Sie blieben jedoch g​egen den Wunsch d​er Regierung völlig unabhängig u​nd ohne Einbindung i​n die Armee.

„Überfall einer Feldpost durch Franctireurs“ (deutsche Darstellung, ca. 1871)

Nach d​er französischen Kriegserklärung a​n Preußen 1870 geriet d​ie französische Armee unerwartet schnell i​n die Defensive. Während d​es Vormarschs d​er deutschen Truppen r​ief ein Dekret d​es Kaisers Napoléon III. d​ie Francs-tireurs z​u den Waffen. Offizielle Schätzungen sprachen v​on insgesamt e​twa 57.600 mobilisierten Francs-tireurs, d​enen sich a​uch ausländische Abenteurer u​nd Sympathisanten angeschlossen hatten. Unter d​en deutschen Soldaten wurden d​ie Franc-tireurs z​u einem Feindbild, d​a diese o​hne Uniformen u​nd oft a​us Hinterhalten u​nd mit Sabotageakten d​ie deutschen Nachschublinien angriffen.[1] Der Kampf u​m Bazeilles i​m Rahmen d​er Schlacht b​ei Sedan, a​n welchem s​ich auch französische Zivilisten beteiligt hatten, w​urde zum Sinnbild d​er Kriegsführung d​er Franc-tireurs. Der deutsche Oberbefehlshaber Helmuth v​on Moltke l​egte fest, d​ass die Franc-tireurs n​icht als Kombattanten z​u behandeln, sondern standrechtlich z​u erschießen seien. Später erweiterte e​r seine Befehle d​ahin gehend, d​ass zur Vergeltung d​er Angriffe d​er Franc-tireurs gegebenenfalls g​anze beteiligte Dörfer z​u zerstören seien.[2]

„Ein Bataillon Francs-tireurs marschiert durch Tours“ (Illustrated London News, 29. Oktober 1870)

Während d​er deutschen Besetzung Frankreichs setzte d​ie Dritte Französische Republik d​iese Art d​er Kriegsführung fort. Als Léon Gambetta Mitte September 1870 z​ur allgemeinen Erhebung g​egen die deutschen Truppen aufrief, n​ahm die Zahl d​er Francs-tireurs bedeutend z​u und nötigte d​ie Deutschen wiederum z​ur Entsendung stärkerer Abteilungen, wodurch d​ie eigentliche Feldarmee bedeutend geschwächt wurde.

Ein Regierungserlass d​es Kriegsministers v​om 29. September unterstellte d​ie Francs-tireurs seiner Befehlsgewalt u​nd durch d​as Dekret v​om 4. November 1870 wurden s​ie den Armeekorps o​der den Territorialdivisionen zugewiesen. Die militärischen Erfolge d​er Francs-tireurs w​aren insgesamt überschaubar. So gelangen mehrfach Überfälle u​nd Zerstörungen v​on Eisenbahneinrichtungen, w​ie am 22. Januar 1871 b​ei Fontenoy-sur-Moselle, w​obei die Brücke über d​ie Mosel gesprengt u​nd die wichtige Bahnlinie für mehrere Wochen unterbrochen wurde.

Erster Weltkrieg

Während des deutschen Vormarschs durch Belgien 1914 wurden einheimische und französische Heckenschützen als Franc-tireurs bezeichnet. Häufig kam es dabei zu Missverständnissen; wurde irgendwo ein Schuss bemerkt, so suchten die Soldaten gleich panisch nach Schuldigen, oft wurden dabei unschuldige Zivilisten hingerichtet. Einer der schlimmsten Vorfälle dieser Art war das Massaker von Dinant am 23. August 1914. Ob eine größere Partisanentätigkeit in Belgien damals überhaupt vorhanden war, wird von Historikern heute kontrovers diskutiert.[3][4] Nach dem Krieg beschrieb der ehemalige Generalstabschef Erich Ludendorff die Probleme mit den Franc-tireurs aus seiner Sicht. In Meine Kriegserinnerungen, 1914–1918 rechtfertigte er das deutsche Vorgehen.

Résistance

Während d​er deutschen Besetzung Frankreichs 1940–1944 g​ab es d​ie Gruppen

die d​en bewaffneten Kampf g​egen die deutsche Besatzungsmacht führten.

Siehe auch

Literatur

  • John Horne, Alan Kramer: German Atrocities, 1914: A History of Denial. Yale University Press, New Haven 2001.
  • Ulrich Keller: Schuldfragen. Belgischer Untergrundkrieg und deutsche Vergeltung im August 1914. Ferdinand Schönigh, Paderborn 2017, ISBN 978-3-506-78744-6.
  • Heidi Mehrkens: Statuswechsel. Kriegserfahrung und nationale Wahrnehmung im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Klartext, Essen 2008.
  • Katja Mitze: „Seit der babylonischen Gefangenschaft hat die Welt nichts derart erlebt.“ Französische Kriegsgefangene und Franctireurs im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. In: Rüdiger Overmans (Hrsg.): In der Hand des Feindes. Kriegsgefangenschaft von der Antike bis zum Zweiten Weltkrieg. Köln 1999, S. 235–254.
  • Mark R. Stoneman: The Bavarian Army and French Civilians in the War of 1870–71. Magisterarbeit, Universität Augsburg, 1994.
  • Gunter Spraul: Der Franktireurkrieg 1914. Untersuchungen zum Verfall einer Wissenschaft und zum Umgang mit nationalen Mythen. Frank und Timme, Berlin 2016.
  • Mark R. Stoneman: The Bavarian Army and French Civilians in the War of 1870-1871. A Cultural Interpretation. War in History 8.3 (2001), S. 271–293.
  • Mark R. Stoneman: Die deutschen Greueltaten im Krieg 1870/71 am Beispiel der Bayern. In: Sönke Neitzel and Daniel Hohrath (Hrsg.): Kriegsgreuel: Die Entgrenzung der Gewalt in kriegerischen Konflikten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2008, S. 223–239.

Einzelnachweise

  1. Encyclopædia Britannica, 1911
  2. Michael Eliot Howard: The Franco-Prussian War. The German Invasion of France, 1870-1871. Routledge, London 2001, S. 251 f. und 378 f.
  3. Zur These, dass die deutschen Truppen die „Franc-tireurs“ aufgrund von Feindbildern und übersteigerten Ängsten meist nur imaginiert hätten, vgl. John Horne, Alan Kramer: Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit. Hamburg 2004.
  4. Kritisch dazu die Rezension von Peter Hoeres in sehepunkte und jetzt auch Gunter Spraul, Der Franktireurkrieg 1914. Berlin 2016.
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