Léon Gambetta
Léon Gambetta (* 2. April 1838 in Cahors; † 31. Dezember 1882 in Ville-d’Avray bei Paris) war ein französischer Staatsmann der Dritten Republik.
Leben
Gambetta war Sohn eines nach Frankreich eingewanderten genuesischen Kaufmanns und einer gascognischen Mutter. Im Alter von 15 Jahren verlor Gambetta sein rechtes Auge, als er einem Messerschmied zusah und von einem abgebrochenen Bohrer getroffen wurde. Gambetta nahm 1859 die französische Staatsbürgerschaft an. Von 1857 bis 1860 studierte er Jura in Paris, erhielt die 'Licence en droit en France' und wurde Anwalt. Als er 1868 den Journalisten Charles Delescluze in einem Gerichtsprozess verteidigte, wurde er als Gegner des Zweiten Kaiserreichs bekannt. 1869 wurde er in der Loge La Réforme in Marseille in den Bund der Freimaurer aufgenommen.[1]
1869 gewann er einen Sitz in der Nationalversammlung. Im Wahlkampf hatte er das „Programm von Belleville“ mit formuliert, das mit seinen weitreichenden Forderungen nach Freiheitsrechten zum grundlegenden Manifest der radikalen Linken wurde. Im Parlament schloss Gambetta sich der republikanischen Minderheit an, die Gegner des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 war.
Mit Jules Favre rief Léon Gambetta am 4. September 1870, nach der Niederlage bei Sedan und der Abdankung Napoleons III., in Paris die „Dritte Republik“ aus und wurde deren erster Innenminister. Am 7. Oktober 1870 wurde er von der Regierung der Nationalen Verteidigung beauftragt, den Krieg in der Provinz zu leiten. Gambetta verließ darauf das belagerte Paris in einem Ballon, aber sein Plan, die Hauptstadt zu befreien, scheiterte. In Tours organisierte er eine neue Regierung, die in Bordeaux zusammentreten sollte.
Als Paris am 28. Januar 1871 kapitulierte, befürwortete Gambetta die Fortsetzung des Krieges. Adolphe Thiers bezeichnete ihn deshalb als fou furieux (zornigen Verrückten). Schließlich musste Gambetta den Waffenstillstand akzeptieren und trat am 6. Februar 1871 von seinem Regierungsamt zurück. Nach dem Krieg war Gambetta ein entschiedener Vertreter des Revanchismus gegenüber Deutschland und prägte den Satz: „Toujours y penser, jamais en parler.“ („Immer daran denken, nie davon sprechen!“)
In der Nationalversammlung vertrat er vom 8. Februar bis zum 1. März 1871 das Département Bas-Rhin im Elsass; nach der Annexion durch die Deutschen gab er sein Mandat aus Protest zurück. Er zog sich einige Monate nach Spanien und in die Schweiz zurück und ließ sich am 2. Juli 1871 zum Abgeordneten für das Département Seine wählen. Im weitgehend monarchistisch gesinnten Parlament war er der wichtigste Vertreter der kleinen republikanischen Opposition, der Partei der „Radikalen“. Zunehmend vertrat er moderatere Positionen, wodurch er zur Verabschiedung der Verfassungsgesetze von 1875[2] und 1877/1878 zum Sturz Präsident Mac-Mahons beitrug.
1879 bis 1881 war er Präsident der Kammer und vom 14. November 1881 bis zum 27. Januar 1882 Präsident des Ministerrates (Premierminister). Praktisch gleichzeitig amtierte er auch als Außenminister. Seine Regierung, die sich auf die äußere Linke und Rechte stützen musste, wurde wegen Gambettas Versuch gestürzt, ein Listenwahlsystem einzuführen.
Gambetta starb im Alter von 44 Jahren an einer Blutvergiftung infolge einer Verletzung seiner Hand. Gemäß offiziellen Berichten hatte er sich diese versehentlich beim Reparieren seiner Pistole zugezogen, aber es gibt auch Mutmaßungen, seine Geliebte Léonie Léon könnte sie verursacht haben.
Ehrungen
Am 11. November 1920 wurde Gambettas Herz in das Panthéon überführt, am selben Tag, als das Grabmal des unbekannten Soldaten unter dem Triumphbogen errichtet wurde.
Gambetta wurde posthum durch zahlreiche Denkmäler und Benennungen geehrt. In Frankreich gibt es 1501 Straßen, die nach ihm benannt sind; damit steht er in der Rangliste der nach Personen benannten Straßen auf dem 6. Platz.[3] Auch eine Pariser Metro-Station trägt seinen Namen.
Literatur
- Pierre Antonmattei: Léon Gambetta, héraut de la République. Michalon, Paris 1999, ISBN 2-84186-100-7.
- Pierre Barral: Léon Gambetta. Triibun et stratège de la République (1838 - 1882). Privat, Toulouse 2008, ISBN 978-2-7089-6889-9.
- Colmar von der Goltz: Léon Gambetta und seine Armeen. F. Schneider & Co., Berlin 1877 (Digitalisat)
- Jean-Marie Mayeur: Léon Gambetta. La patrie et la République. Fayard, Paris 2008, ISBN 978-2-213-60759-7.
- Daniel Mollenhauer: Auf der Suche nach der »wahren Republik«. Die französischen »radicaux« in der frühen Dritten Republik (1870–1890). (Pariser Historische Studien, 46). Bouvier, Bonn 1997, ISBN 3-416-02783-3 (Digitalisat)
- Kurt Lothar Tank: Gambetta. Ein politischer Kämpfer gegen Despotismus u. Anarchie. Essener Verlagsanstalt, Essen 1937
- Kurt Lothar Tank: Gambetta als Publizist. Sein Kampf gegen das Zweite Kaiserreich 1860 - 1870. Essener Verlagsanstalt 1937
- Kurt Lothar Tank: Frankreich zwischen Freiheit und Diktatur. Gambettas Kampf gegen Napoleon III. Holsten-Verlag, Hamburg 1958
- Eduard Schmidt-Weißenfels: Der Bannerträger der französischen Republik. In: Die Gartenlaube. Heft 1, 1878, S. 15–19 (Volltext [Wikisource]).
Weblinks
- Literatur von und über Léon Gambetta im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Karikaturen von Léon Gambetta in HeidICON
Einzelnachweise
- Jürgen Holtorf: Die Logen der Freimaurer. Nikol Verlag, Hamburg, ISBN 3-930656-58-2 S. 145.
- Verfassungsgesetz über die Organisation der französischen Staatsgewalt vom 25. Februar 1875 – auf der Site sind Links zur Verfassung des Senats vom 24. Februar und der französischen Staatsgewalten untereinander vom 16. Juli 1875
- Redaktion: Le top 10 des noms les plus donnés à vos rues. In: Le Dauphiné libéré, 17. April 2016.