Fehlerfunktion

Als Fehlerfunktion o​der Gaußsche Fehlerfunktion bezeichnet m​an in d​er Theorie d​er speziellen Funktionen d​ie durch d​as Integral

Graph der Fehlerfunktion

definierte Funktion. Damit ist die Fehlerfunktion eine Stammfunktion von , und zwar die einzige ungerade (gerade Funktionen mit Stammfunktion besitzen genau eine ungerade solche).

Für ein reelles Argument ist eine reellwertige Funktion; zur Verallgemeinerung auf komplexe Argumente siehe unten.

Die Fehlerfunktion i​st eine Sigmoidfunktion, findet Anwendung i​n der Statistik u​nd in d​er Theorie d​er partiellen Differentialgleichungen u​nd hängt e​ng mit d​em Fehlerintegral zusammen.

Bezeichnungen

Die Bezeichnung kommt von error function.

Die komplementäre (bzw. konjugierte) Fehlerfunktion ist gegeben durch:

Die verallgemeinerte Fehlerfunktion wird durch das Integral

definiert.

Eigenschaften

Es gilt:

Die Fehlerfunktion i​st ungerade:

Das uneigentliche Integral von bis ist

Außerdem gilt:

Verwendung

Verwandtschaft mit der Normalverteilung

Die Fehlerfunktion hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Verteilungsfunktion der Normalverteilung. Sie hat jedoch eine Zielmenge von , während eine Verteilungsfunktion zwingend Werte aus dem Bereich annehmen muss.

Es g​ilt für d​ie Standardnormalverteilung

bzw. für die Verteilungsfunktion einer beliebigen Normalverteilung mit Standardabweichung und Erwartungswert

Falls die Abweichungen der einzelnen Ergebnisse einer Messreihe vom gemeinsamen Mittelwert durch eine Normalverteilung mit Standardabweichung und Erwartungswert 0 beschrieben werden können, dann ist die Wahrscheinlichkeit, mit der der Messfehler einer einzelnen Messung zwischen und liegt (für positives ).

Die Fehlerfunktion k​ann verwendet werden, u​m mit Hilfe d​er Inversionsmethode normalverteilte Pseudozufallszahlen z​u generieren.[1]

Wärmeleitungsgleichung

Die Fehlerfunktion u​nd die komplementäre Fehlerfunktion kommen beispielsweise i​n Lösungen d​er Wärmeleitungsgleichung vor, w​enn Randwertbedingungen d​urch die Heaviside-Funktion vorgegebenen sind.

Numerische Berechnung

Die Fehlerfunktion i​st wie d​ie Verteilungsfunktion d​er Normalverteilung n​icht durch e​ine geschlossene Funktion darstellbar u​nd muss numerisch bestimmt werden.

Für kleine reelle Werte erfolgt d​ie Berechnung m​it der Reihenentwicklung

für große reelle Werte m​it der Kettenbruchentwicklung

Für den kompletten Wertebereich gibt es folgende Approximation mit einem maximalen Fehler von :[2]

mit

und

Eine für alle reellen Werte von schnell konvergierende Entwicklung[3] erhält man unter Verwendung des Theorems von Heinrich H. Bürmann:[4][5]

Durch geeignete Wahl von und ergibt sich daraus eine Näherung, deren größter relativer Fehler bei kleiner als ist:

Wertetabelle

0,00 0,0000000 1,0000000 1,30 0,9340079 0,0659921
0,05 0,0563720 0,9436280 1,40 0,9522851 0,0477149
0,10 0,1124629 0,8875371 1,50 0,9661051 0,0338949
0,15 0,1679960 0,8320040 1,60 0,9763484 0,0236516
0,20 0,2227026 0,7772974 1,70 0,9837905 0,0162095
0,25 0,2763264 0,7236736 1,80 0,9890905 0,0109095
0,30 0,3286268 0,6713732 1,90 0,9927904 0,0072096
0,35 0,3793821 0,6206179 2,00 0,9953223 0,0046777
0,40 0,4283924 0,5716076 2,10 0,9970205 0,0029795
0,45 0,4754817 0,5245183 2,20 0,9981372 0,0018628
0,50 0,5204999 0,4795001 2,30 0,9988568 0,0011432
0,55 0,5633234 0,4366766 2,40 0,9993115 0,0006885
0,60 0,6038561 0,3961439 2,50 0,9995930 0,0004070
0,65 0,6420293 0,3579707 2,60 0,9997640 0,0002360
0,70 0,6778012 0,3221988 2,70 0,9998657 0,0001343
0,75 0,7111556 0,2888444 2,80 0,9999250 0,0000750
0,80 0,7421010 0,2578990 2,90 0,9999589 0,0000411
0,85 0,7706681 0,2293319 3,00 0,9999779 0,0000221
0,90 0,7969082 0,2030918 3,10 0,9999884 0,0000116
0,95 0,8208908 0,1791092 3,20 0,9999940 0,0000060
1,00 0,8427008 0,1572992 3,30 0,9999969 0,0000031
1,10 0,8802051 0,1197949 3,40 0,9999985 0,0000015
1,20 0,9103140 0,0896860 3,50 0,9999993 0,0000007

Komplexe Fehlerfunktion

Die komplexe Fehlerfunktion im Bereich und . Der Farbton gibt den Winkel an, die Helligkeit den Betrag der komplexen Zahl.

Die Definitionsgleichung der Fehlerfunktion kann auf komplexe Argumente ausgeweitet werden:

In diesem Fall ist eine komplexwertige Funktion. Unter komplexer Konjugation gilt

.

Die imaginäre Fehlerfunktion ist gegeben durch

mit d​er Reihenentwicklung

.

Zur Berechnung können und weitere verwandte Funktionen auch durch die Faddeeva-Funktion ausgedrückt werden. Die Faddeeva-Funktion ist eine skalierte komplexe komplementäre Fehlerfunktion und auch als relativistische Plasma-Dispersions-Funktion bekannt. Sie ist mit den Dawson-Integralen und dem Voigt-Profil verwandt. Eine numerische Implementierung von Steven G. Johnson steht als C-Bibliothek libcerf zur Verfügung.[6]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Für eine konkrete Implementierung siehe z. B. Peter John Acklam: An algorithm for computing the inverse normal cumulative distribution function. (Memento des Originals vom 5. Mai 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/home.online.no
  2. Numerical Recipes in Fortran 77: The Art of Scientific Computing. Cambridge University Press, 1992, ISBN 0-521-43064-X, S. 214.
  3. H. M. Schöpf, P. H. Supancic: On Bürmann’s Theorem and Its Application to Problems of Linear and Nonlinear Heat Transfer and Diffusion. In: The Mathematica Journal, 2014. doi:10.3888/tmj.16-11.
  4. Moritz Cantor: Bürmann, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 47, Duncker & Humblot, Leipzig 1903, S. 392–394.
  5. E. W. Weisstein: Bürmann’s Theorem. mathworld
  6. Steven G. Johnson, Joachim Wuttke: libcerf.
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