Ende Gelände
Ende Gelände ist nach eigenen Angaben „ein europaweites Bündnis von Menschen aus vielen verschiedenen sozialen Bewegungen“[1] der Anti-Atom- und Anti-Kohlekraft-Bewegung, das seit 2015 jährlich eine Großaktion (2017 und 2019 zwei[2]) in deutschen Braunkohlerevieren organisiert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezeichnet das Bündnis als „linksextremistisch beeinflusst“.[3]
Forderungen und Ziele
Ende Gelände sieht sich selbst als Teil der Bewegung für Klimagerechtigkeit und „für den globalen Erhalt der Umwelt und für gelebte Solidarität mit unseren Mitmenschen weltweit, insbesondere denen, die schon heute von der Klimakrise bedroht sind.“[4] Die Bewegung fordert einen sofortigen Kohleausstieg sowie einen „tiefgreifenden, sozial-ökologischen Wandel“ durch eine „Abkehr vom fossilen Kapitalismus“ („System Change not Climate Change“, „Systemwandel statt Klimawandel“[1]). Darin eingeschlossen ist die Forderung nach dem Erhalt der vom Braunkohletagebau bedrohten Dörfer.[5] Nach Einschätzung des Berliner Verfassungsschutzes geriere sich die Berliner Ortsgruppe von Ende Gelände in ihrer Außendarstellung als Klimaschutz-Akteur, verschleiere aber, dass ihre tatsächlichen Ziele weit darüber hinausgingen.[6] Laut der Philosophin Eva von Redecker ist für das Aktionsbündnis Ende Gelände kennzeichnend, dass es „in direkten Aktionen zivilen Ungehorsams Umweltfragen mit Kapitalismuskritik“[7] verbinde.
Vorgehensweise und Aktionsform
Die Kampagne hat Stand Juli 2019 nach eigenen Angaben in Deutschland 59 lokale Gruppierungen, die u. a. bei der Mobilisierung für die Massenaktionen unterstützen, aber auch eigene kleinere Aktionen planen. Zusätzlich gibt es einzelne Gruppen in Belgien, Tschechien, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz.[8] Als Sprecherinnen von Ende Gelände treten u. a. Nike Mahlhaus und Sina Reisch in Erscheinung.
Als Aktionsform nutzt Ende Gelände laut eigener Darstellung „angekündigte Massenblockaden zivilen Ungehorsams“ als „symbolischen und bewussten Verstoß gegen rechtliche Normen“ mit dem Ziel der „direkten Verhinderung einer Unrechtssituation“.[1] Grundlage für die Aktionen bilde ein Aktionskonsens, der festlegt, dass keine Gewalt von den Teilnehmenden ausgehen dürfe.[9][10]
Auf Bündnistreffen komme die Bewegung regelmäßig in unterschiedlichen Städten zusammen; die Arbeit sei in mehreren Arbeitsgruppen (AG) organisiert: Aktions-AG, Aktionslogistik-AG, Anti-Repressions-AG, Homepage-Redaktion, Camp-AG, AG Internationales, Sani-AG, Mobilisierungs-AG, Finanz-AG, Moderations-AG, Prozess-AG, Polizeikontakt-AG, Presse-AG, Kleingruppe „gegen Rechts“.[1] Laut Berliner Verfassungsschutz werden Gewaltanwendungen von dem Bündnis „zumindest billigend in Kauf genommen“[11] und „Angriffe auf Polizisten positiv bewertet“. Ende Gelände hat dem widersprochen.[12]
Das Bündnis sieht sich getragen „von Menschen aus den Anti-Atom- und Anti-Kohle-Bewegungen, aus den Vorbereitungsgruppen der Klimacamps in Rheinland und Lausitz, von der Waldbesetzung im Hambacher Forst, aus klimapolitischen Graswurzelinitiativen und Bürgerinitiativen, aber auch größeren Umweltorganisationen, aus linken Politgruppen und anderen“.[13] Die linksextreme Organisation Interventionistische Linke war nach Ermittlungen des Verfassungsschutzes „maßgeblich an der Organisation und Mobilisierung zu den Aktionstagen beteiligt“ und erwies „sich als zuverlässiger und aktiver Partner“ im Bündnis. Nach Angaben des Verfassungsschutzes „wertete auch die IL die Protestaktion als großen Erfolg und sieht Anknüpfungspunkte für weitere Aktionen.“[14]
Das Bündnis nutzt neben der Herausgabe von konventionellen Pressemitteilungen zur Kommunikation eine Vielzahl von Kanälen für die externe Kommunikation.
Nach eigenen Angaben finanziert sich die Arbeit des Bündnisses zu 100 Prozent aus Spenden. Neben Geld würden auch oft Materialien, Essen, Kleidung, Decken und andere Dinge gespendet.[15] Die Arbeit im Bündnis, das nicht als Verein eingetragen ist, geschieht ehrenamtlich, Honorare oder Lohnausgleiche werden nicht gezahlt. Ausgaben entstehen vor allem durch die Beschaffung von Demonstrationsmaterialien, Betrieb der Camp-Infrastruktur inklusive Verpflegung, Reisekosten und für Nutzung digitaler Infrastruktur. Ende Gelände entschädigt mit den erhaltenen Spenden auch Landwirte, deren Flächen durch Teilnehmer der Aktionen beschädigt wurden, z. B. während der Aktionen im Frühsommer 2019 mit Beträgen etwa „zwischen mehreren hundert und mehreren tausend Euro pro Feld“.[16]
Einstufung durch den Verfassungsschutz und Kritik
Der bundesdeutsche Verfassungsschutz sieht eine Instrumentalisierung durch linksextreme Gruppierungen wie die Interventionistische Linke und leitet daraus eine Einstufung als „linksextremistisch beeinflusst“ ab.[17][18] Die interventionistische Linke bekennt sich offen zur Mitarbeit an Ende Gelände. Das Aktionsbündnis selbst sieht darin als auch in der Forderung nach Überwindung des Kapitalismus keinen Bruch der Verfassung.
Der Berliner Verfassungsschutz verortet die 30 Mitglieder zählende Berliner Ortsgruppe des Bündnisses in seinem Jahresbericht 2019 im linksextremistischen Spektrum.[19] Die linksextremistische Interventionistische Linke bezeichne sich selbst als wesentlichen Bestandteil von Ende Gelände.[20]
Linksextremistische Akteure von Ende Gelände brandmarken laut Berliner Verfassungsschutz eine vermeintliche Tatenlosigkeit von Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft in Bezug auf die Klimaerwärmung. Sie würden dabei Frustrationserfahrungen von jungen Menschen nutzen, um eigene weitergehende Forderungen anzubringen und „die Klimakrise zu einer Krise des politischen Systems zuzuspitzen“.[21]
Gegen mehrere Personen aus den Reihen des Bündnisses wurde 2019 nach der Blockade des Tagebaus Garzweiler Ermittlungsverfahren u. a. wegen Hausfriedensbruchs, Gefangenenbefreiung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Zahlreiche Aktivisten der Gruppierung wurden wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu Haftstrafen verurteilt. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul übte in diesem Zusammenhang Kritik an den „gewalttätigen Aktionen aus den Reihen von ‚Ende Gelände‘“.[22]
Die Einordnung als linksextremistisch stieß in der rot-rot-grünen Regierungskoalition in Berlin auf Kritik und mündete in der Forderung von Linkspartei und Grünen in Berlin nach Auflösung des Verfassungsschutzes.[23] Diese Forderung wird von den Bundesverbänden der Parteijugendorganisationen Grünen Jugend, der Linksjugend Solid und den Jusos unterstützt.[24]
Aktionen 2015–2020
- Ende Gelände 2015 – August im Braunkohletagebau Garzweiler, ca. 1.600 Teilnehmer
- Ende Gelände 2016 – Mai im Lausitzer Braunkohlerevier, ca. 4.000 Teilnehmer
- Ende Gelände 2017 – August im Rheinischen Braunkohlerevier und November anlässlich der UN-Klimakonferenz in Bonn, ca. 2.500 bzw. 3.000 Teilnehmer
- Ende Gelände 2018 – Oktober um die Tagebaue Hambach und Inden, ca. 5.000 Teilnehmer
- Ende Gelände 2019 – Juni im Rheinischen Braunkohlerevier, ca. 5.500 Teilnehmer und im November im Lausitzer Braunkohlerevier, ca. 4.000 Teilnehmer
- Ende Gelände 2020 – September im Rheinischen Braunkohlerevier, wegen der COVID-19-Pandemie von Veranstalter auf 3.200 Teilnehmer beschränkt worden.
Alle Teilnehmerzahlen laut eigenen Angaben des Veranstalters.[1]
Weblinks
Einzelnachweise
- Lausitz-Ende-Gelände-Präsentation-2019. Ende Gelände, 12. November 2019, abgerufen am 28. November 2019.
- Pressemitteilung vom 23.09.2019. In: ende-gelaende.org. Ende Gelände, 23. September 2019, abgerufen am 21. November 2019.
- Linksextremisten instrumentalisieren „Klimaschutz“-Proteste. Bundesamt für Verfassungsschutz, 18. Oktober 2018, abgerufen am 26. September 2019.
- Pressemitteilung am 27.10.2018 https://www.ende-gelaende.org/press-release/pressemitteilung-vom-27-10-2018-um-0900-uhr/
- Website Ende Gelände am 13. Juli 2019, abgerufen am 13. Juli 2019
- Verfassungsschutz Berlin, Bericht 2019, S. 162, online abrufbar unter: https://www.berlin.de/sen/inneres/verfassungsschutz/publikationen/verfassungsschutzberichte
- Eva von Redecker: Revolution für das Leben. Philosophie der neue Protestformen. S. Fischer, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-10-397048-7, S. 237.
- Website Ende Gelände, Ortsgruppen, abgerufen am 13. Juli 2019
- https://www.tagesspiegel.de/berlin/vor-blockadeaktion-von-ende-gelaende-cottbuser-spd-sucht-im-braunkohle-streit-allianz-auch-mit-der-afd/25253260.html
- https://www.ende-gelaende.org/aktionskonsens-2020/
- Verfassungsschutz Berlin, Bericht 2019, S. 163.
- Verfassungsschutz verteidigt Einordnung von „Ende Gelände“. In: rbb24.de. 28. Mai 2020, abgerufen am 9. Juni 2020.
- Kontakt. In: Ende Gelände. Abgerufen am 28. November 2019.
- Bundesministerium des Innern, Berlin (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2015. S. 120 f.
- Merle Sievers: Bündnis für Klimaschutz: Wie finanziert „Ende Gelände“ eigentlich seine Aktionen? Abgerufen am 29. November 2019.
- Alev Dogan: Rommerskirchen: Bauern sollen für zerstörte Felder entschädigt werden. Abgerufen am 29. November 2019.
- „Massenaktion zivilen Ungehorsams“ der linksextremistisch beeinflussten Kampagne „Ende Gelände“ gegen den Braunkohleabbau im Rheinland, BfV-Newsletter Nr. 2/2019 - Thema 5, verfassungsschutz.de
- Linksextremisten instrumentalisieren „Klimaschutz“-Proteste, verfassungsschutz.de, 8/2018
- Verfassungsschutz Berlin, Bericht 2019, S. 146 f., 150, 162 f.
- Markus Wehner: Warum der Berliner Verfassungsschutz „Ende Gelände“ als linksextrem einstuft. In: FAZ.net. 21. Mai 2020, abgerufen am 4. September 2020.
- Verfassungsschutz Berlin, Bericht 2019, S. 163.
- Klima-Proteste beendet – Innenminister Reul kritisiert „gewalttätige Aktionen“. In: WELT. 23. Juni 2019, abgerufen am 28. November 2019.
- Frank Jansen: „Ende Gelände“ und Linksextremismus: Linke und Grüne in Berlin sprechen von Abschaffung des Verfassungsschutzes. In: tagesspiegel.de. 19. Mai 2020, abgerufen am 19. Mai 2020.
- Ende Gelände: Jugendorganisationen fordern Abschaffung des Verfassungsschutzes. In: Zeit Online. 21. Mai 2020, abgerufen am 31. August 2020.