Eidgenössische Abstimmung über die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie im Schweizer Waffenrecht
Die Abstimmung über die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie im Schweizer Waffenrecht (formell: "Bundesbeschluss vom 28.09.2018 über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie [EU] 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie [Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands]") war eine Volksabstimmung des Schweizer Stimmvolks, die am 19. Mai 2019 stattfand. Dabei wurde abgestimmt, ob die vom Schweizer Parlament (Nationalrat und Ständerat) am 28. September 2018 verabschiedeten Änderungen des Schweizer Waffengesetzes in Kraft treten.
Gegen die geplanten Änderungen hatte die Interessengemeinschaft Schiessen Schweiz (IGS) schweizweit 125'000 Unterschriften gesammelt. Erforderlich wären 50'000 Unterschriften gewesen.[1] Formell wurde der Antrag auf Referendum am 17. Januar 2019 von der IGS bei der Bundeskanzlei eingereicht.[2] Bei der Abstimmung am 19. Mai 2019 wurden die vom Bundesrat und dem Parlament vorgeschlagenen Änderungen schliesslich deutlich angenommen.
Hintergrund
Am 13. Februar 2011 stimmte das Schweizer Stimmvolk über eine Verschärfung des Schweizer Waffenrechts aus dem Jahre 2008 ab. Die Eidgenössische Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt» wurde vom Stimmvolk abgelehnt.
Nach dem Pariser Anschlägen 2015 beschloss die Europäische Union die Revision und Verschärfung des europäischen Waffenrechts und gab die «EU-Waffenrichtlinie 2017 (EU) 2017/853» heraus, die von den Mitgliedsstaaten bis zum 30. Juni 2019 in nationale Gesetze umgesetzt werden mussten. Zwar ist die Schweiz kein Mitglied der EU, doch hat sie sich aufgrund des Assoziierungsabkommens mit der EU vom 26. Oktober 2004 verpflichtet, Änderungen im Waffenrecht zu übernehmen. Dementsprechend hat sie per Bundesbeschluss vom 28. September 2018 eine Änderung des Schweizer Waffenrechts angekündigt.[3] Als Frist für ein Referendum legte der Bundesrat den 17. Januar 2019 fest. Die IGS reichte daraufhin fristgerecht das Referendum bei der Bundeskanzlei ein.
Positionsbezüge
Für eine Änderung des Schweizer Waffenrechts sprachen sich alle grossen Parteien der Schweiz aus, mit Ausnahme der SVP und zwei Kantonalsektionen der Jungfreisinnigen. Bundesrat, Nationalrat und Ständerat positionierten sich für die Gesetzesänderung. Auch Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband sprachen sich für die Änderungen aus. Für ein «Nein» positionierten sich neben den Initiatoren auch die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG).[4]
Argumente der Befürworter
Befürworter der Änderung des Waffenrechts befürchteten, dass bei einem «Nein» zum Zustandekommen der Änderungen die Europäische Union wichtige Verträge – wie das Schengener Abkommen und die Dublin-Vereinbarungen – hätten kündigen können. Dadurch hätte die Schweiz in Europa alleine dagestanden und der freie Verkehr und Handel hätte gefährdet werden können. Der Bundesrat habe einen guten Kompromiss vereinbaren können: Zwar würden die in der Schweiz weitverbreiteten Sturmgewehre als «verbotene Waffen» per Waffengesetz deklariert, doch bedeutete diese Deklaration nicht automatisch, dass diese tatsächlich «verboten» werden würden. In der Regel müsste kein Besitzer eines Sturmgewehrs dieses zurückgeben, sondern müsste nach einer Übergangszeit von fünf Jahren eine «Waffenausnahmebewilligung» beantragen, um diese Waffe weiterhin besitzen zu dürfen. Wie von der EU vorgesehen, müsste er einen Bedarf nachweisen, indem er belegt, dass er Mitglied eines Schützenvereins ist oder regelmässig mit der Waffe auf einem Schiessstand trainiert. Die meisten Sturmgewehre in Privatbesitz wären sowieso nicht von der Änderung des Waffengesetzes betroffen, da es sich um Waffen handelt, die das Militär seinen Soldaten als Privatbesitz übergeben hätte und diese nicht unter die Regelungen der EU fielen. Die Kennzeichnungsfrist und Registrierung von Waffen und Waffenteilen (Magazine, Läufe usw.) müssten innerhalb von drei Jahren vorgenommen werden. Das sei in anderen Europäischen Ländern schon lange Vorschrift. Sturmgewehre mit Magazinen von weniger als 11 Patronen bzw. Pistolen mit Magazinen von weniger als 21 Patronen würden nicht als «verbotene Waffen» deklariert werden. Die jahrhundertealte Tradition von Waffenbesitz in Privathaushalten (zirka 45 % der Haushalte der Schweiz verfügen über eine oder mehrere Waffen) sei nicht bedroht; zudem sei das Schweizer Milizsystem von der Änderung des Waffenrechts nicht betroffen. Mitglieder könnten ihre Ordonnanzwaffen weiterhin zu Hause aufbewahren.[5]
Argumente der Gegner
Für die Gegner ist die Änderung des Waffengesetzes ein Angriff gegen die «Freiheitsrechte» der Schweiz. Schweizer Bürger – und die meisten in der Schweiz lebenden Ausländer – hätten ein Recht auf den Besitz eines Sturmgewehrs. Die Änderung des Waffengesetzes mache aus diesem Recht ein Privileg, über welches nicht demokratisch gewählte Beamte entschieden. Die «Volksbewaffnung» hätte das Schweizer Staatswesen erst ermöglicht. Deswegen starteten sie die Kampagne «Nein zum Entwaffnungsdiktat der EU». Auch sei die Registrierung der Waffen und Waffenteile, sowie der Nachweis eines Bedarfs, ein bürokratisches Ungeheuer, welches nichts brächte. Die Attentate von Paris seien nicht mit legalen Waffen ausgeführt worden, sagen die Gegner. Die Europäische Union hätte kein Interesse gehabt, wegen einer demokratisch legitimierten Ablehnung der Änderungen die bestehenden Verträge mit der Schweiz aufzukündigen. Die EU hätte vielmehr ein Eigeninteresse gehabt, dass die Verträge mit der Schweiz weiterhin Gültigkeit behielten.
Abstimmung
Die vom Bundesrat vorschlagene Anpassung des Waffenrechts wurde in der Abstimmung am 19. Mai 2019 mit deutlicher Mehrheit angenommen.
Kanton | Ja (%) | Nein (%) | Beteiligung (%) |
---|---|---|---|
Aargau | 59,4 | 40,6 | 42,1 |
Appenzell Ausserrhoden | 64,3 | 35,7 | 43,2 |
Appenzell Innerrhoden | 52,9 | 47,1 | 36,7 |
Basel-Landschaft | 62,4 | 37,6 | 41,8 |
Basel-Stadt | 75,0 | 25,0 | 53,0 |
Bern | 61,2 | 38,8 | 43,8 |
Freiburg | 62,0 | 38,0 | 40,9 |
Genf | 72,8 | 27,2 | 45,3 |
Glarus | 55,6 | 44,4 | 36,7 |
Graubünden | 55,7 | 44,3 | 49,0 |
Jura | 61,9 | 38,1 | 38,9 |
Luzern | 65,9 | 34,1 | 45,7 |
Neuenburg | 72,6 | 27,4 | 39,3 |
Nidwalden | 53,4 | 46,6 | 48,6 |
Obwalden | 51,7 | 48,3 | 47,6 |
Schaffhausen | 59,0 | 41,0 | 63,8 |
Schwyz | 51,6 | 48,4 | 47,0 |
Solothurn | 58,8 | 41,2 | 42,9 |
St. Gallen | 64,0 | 36,0 | 42,0 |
Tessin | 45,5 | 54,5 | 46,3 |
Thurgau | 59,1 | 40,9 | 40,0 |
Uri | 56,5 | 43,5 | 39,0 |
Waadt | 71,6 | 28,4 | 44,5 |
Wallis | 57,1 | 42,9 | 44,6 |
Zug | 67,0 | 33,0 | 47,5 |
Zürich | 70,6 | 29,4 | 42,7 |
Schweizerische Eidgenossenschaft | 63,7 | 36,3 | 43,3 |
Weblinks
Einzelnachweise
- «Schweizer Waffenrecht geht die EU nichts an». In: 20min.ch. 17. Januar 2019, abgerufen am 13. April 2019.
- Aktuell: Teilrevision Waffenrecht. Bundespolizei Schweiz fedpol, abgerufen am 12. April 2019.
- Bundesbeschlussüber die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie (EU) 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie. (PDF) federal-gazette, abgerufen am 12. April 2019.
- Die Vorlage zum Waffenrecht auf einen Blick – Am 19. Mai stimmt der Souverän über die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie im Schweizer Waffenrecht ab. Die Gegner wollen das Ende des Schweizer Schiesswesens verhindern, die Befürworter das Ende der Schengen-Mitgliedschaft. Neue Zürcher Zeitung, abgerufen am 12. April 2019.
- Teilrevision Waffenrecht: Was ändert, was ändert nicht? Bundesamt Polizei fedpol, abgerufen am 12. April 2019.
- Volksabstimmung vom 19. Mai 2019: Vorlage Nr. 628: Vorläufige amtliche Endergebnisse. Schweizerische Bundeskanzlei, abgerufen am 19. Mai 2019.