Edmund Lill
Edmund Lill (* 26. September 1874;[1] † 1958) war ein deutscher Kaufmann[2] und Fotograf,[3] der insbesondere als Architekturfotograf der im Bauhaus-Stil durch den Architekten Walter Gropius errichteten Fagus-Werke bekannt wurde.[4]
Geschichte
Edmund Lill „hat von den bekannten Meistern Dürkopp, Raupp und anderen gelernt“, war in Düsseldorf tätig[3] und um 1900 „langjähriger Geschäftsführer der Firma Hubert Lill, Hofphotograph“ mit Firmenstandorten in Mannheim und Stuttgart gewesen.[5] Nachdem er 1907 einen „1. Preis im Wettbewerb der Berufsfotografen“ gewonnen hatte,[6] übernahm Lill zum 1. Oktober 1908 das Atelier Tiedemann in Hannover, Georgstraße 14, und bat im Hannoverschen Anzeiger desselben Datums „höflichst um Besichtigung“ der Exponate in seiner Schauhalle.[5] Schon im Folgejahr wurden in der Tageszeitung die Porträt-Fotografien Lills angepriesen, die sich abwandten von den seinerzeit noch üblichen „Posen“ und den sogenannten „schönen“ Bildern. Stattdessen sollten die Fotos von Lill den jeweils richtigen Zeitpunkt für die charakteristische Eigenschaft der abgebildeten Person abgepasst haben, mit einer abgestimmten Verteilung von Licht und Schatten, die die Formen eher plastisch betonten.[3]
Noch zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs veröffentlichte Edmund Lill in der gemeinsam mit dem Hannoverschen Anzeiger von der Illustrirten Zeitung (IZ) herausgegebenen Zeitschriften-Sondernummer 3538 vom 20. April 1911 unter dem Titel Hannover und Grenzgebiete eine ganzseitige Anzeige mit vier punktgerasterten, beispielhaften und von einem Jugendstil-Zierband aus der Hand des Plakatmalers Paul Kammüller umrahmte Fotografien. Zwei davon zeigen Innenaufnahmen aufwendig eingerichteter Villen, die beiden anderen rückten eine junge Dame und zwei lesende Mädchen in der Kleidung der gehobenen Gesellschaftsschicht ins rechte Licht[7]
Ab den Jahren 1911 und 1912 fertigte Lill Architekturaufnahmen zum Baufortschritt der von Walter Gropius in Alfeld erbauten Schuhfabrik Fagus-Werke.[4]
Durch den Ersten Weltkrieg mangelte es auch dem Unternehmen Lill an den ab 1914 als Soldaten eingezogenen Foto-Facharbeitern, aber auch an Fotomaterialien.[8] Auch die ab dem Beginn der Weimarer Republik galoppierende deutsche Hyperinflation lähmte das Geschäft.[9] 1926 fördert die Verleihung der Goldenen Medaille des Nordwestdeutschen Photographenbundes, „für hervorragende Leistungen [...] auf dem Gebiete der Berufsphotographie“ und verliehen vom Vorstand des „Preisgerichts“ sowie des Direktors der Deutschen Photographischen Ausstellung in Frankfurt am Main das allmählich wieder prosperierende Geschäft.[10] Im Folgejahr konnte Edmund Lill zum 1. September 1927 eine Zweigstelle im vom Bauhaus beeinflussten Stil einrichten als Spezialgeschäft für Fotoapparate und Zubehör an der Georgstraße 39 mit den Schaufenstern zur Andreaestraße. Die lichtdurchflutete Einrichtung erregte durch ihre klaren sachlichen Formen Aufmerksamkeit sowie durch eine Beschränkung auf die seinerzeit in der Fotografie üblichen „Farben“ Schwarz, Weiß und Grau.[2] 1927 arbeiteten neben dem Inhaber 40 Angestellte in dem Unternehmen.[11]
Für 1930 erhielt Edmund Lill, „trotz starker Konkurrenz“, vom Norddeutschen Lloyd (NDL) den Auftrag, während der Jungfernfahrt des Passagier-Dampfschiffes Europa[12] von Hamburg[13] nach New York sämtliche Innenräume sowie technische Einrichtungen des Schnelldampfers des NDL abzulichten.[12] Mindestens 200 Aufnahmen lieferte Lill schließlich nach New York.[14]
In den 1930er Jahren gingen zweimal „Reichssieger in den Photografen-Wettbewerben“ aus dem Mitarbeiterstab des Unternehmens hervor.[6] 1935 begann der spätere „Juniorchef“ Klaus Zeug seine Arbeit bei Photo-Lill. Er hatte zuvor ab 1926 eine kaufmännische Lehre bei Rudolf Lichtenberg in der „Photo-Centrale Lichtenberg - Smits“ in Osnabrück durchlaufen und dann in Düsseldorf, Bremen und Hamburg gearbeitet.[15]
Die Zeit des Nationalsozialismus ging auch an Foto-Lill nicht spurlos vorbei; die Fliegerbomben während der Luftangriffe auf Hannover legten schließlich beide Betriebstätten in Trümmer,[16] wodurch das gesamte Lillsche Negativ-Archiv vernichtet wurde.[17]
Als einer der ersten Fotografen erhielt Edmund Lill von der Britischen Militärregierung die Genehmigung, zerstörte Häuser fotografieren zu dürfen. Dadurch konnte er Architekten und Bauherren als wichtige Stütze beim Wiederaufbau dienen.[17] Rund ein Jahr nach dem Kriegsende nahm der nunmehr 72-jährige Firmengründer Edmund Lill am 1. Juli 1946 seinen früheren Angestellten Klaus Zeug als „Operateur“ und persönlich haftenden Gesellschafter auf; mit Zustimmung der britischen Besatzer konnte das nun als Offene Handelsgesellschaft deklarierte Unternehmen rückwirkend am 13. August des Jahres beim hannoverschen Amtsgericht angemeldet werden.[18] Doch der Wiederaufbau war mühsam: Zwar fand mancher Mitarbeiter aus früheren Zeiten aus den Kriegswirren zurück, doch Geräte waren verloren gegangen, Material konnte nicht geliefert werden. In behelfsmäßig angemieteten Räumen am Lister Platz[16] in der Jakobistraße 1[18] gab es nur stundenweise elektrischen Strom.[16] Kaputte Schaufenster mussten anfangs mühsam durch kleinere Fenstereinbauten ersetzt, Aufschriften wie etwa Kodak in Handarbeit aufgemalt werden.[18] Zehn Tage nach der Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen begann die Instandsetzung des vom Krieg nur teilbeschädigten Gebäudes an der Oskar-Winter-Straße 9 an der Ecke Bödekerstraße, wohin Photo-Lill verlegt wurden.[19]
Die neue, weit ausladende Betriebseinrichtung der 1950er Jahre[18] sah den bald 80-jährigen Firmengründer, der kurz nach seinem runden Jubiläum am 29. September 1954 vom Centralverband des Deutschen Photographenhandwerks „für seine Verdienste um die Förderung der Photographie [...]“ mit der Silbernen Ehrennadel ausgezeichnet wurde.[1] Noch im selben Jahr adoptierte Edmund Lill, der „seine Firma“ als Familienunternehmen fortgeführt wissen wollte, 1954 seinen langjährigen Mitarbeiter und Kompagnon[20] Klaus Zeug.[18]
Zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum 1958 stellten die Mitarbeiter einen Klemmbinder als Unikat mit einer aufwendig gestalteten Chronik der Firma zusammen. Das dem Seniorchef gewidmete Werk wurde von 20 Mitarbeitern unterzeichnet und mehr als 50 „Gästen“ der Feierlichkeiten.[21]
Mittlerweile wird das Unternehmen durch die Inhaberin Shahnaz Taheri fortgeführt, heute am Standort Eichstraße 13.[22]
Auszeichnungen
- 1907: „1. Preis im Wettbewerb der Berufsfotografen“[6]
- 1926: Goldene Medaille des Nordwestdeutschen Photographenbundes in Frankfurt am Main[10]
- in den 1930er Jahren gingen zweimal „Reichssieger in den Photografen-Wettbewerben“ aus dem Mitarbeiterstab hervor[6]
- 29. September 1954: Silberne Ehrennadel des Centralverbandes des Deutschen Photographenhandwerks mit Sitz in Düsseldorf[1]
Publikationen (unvollständig)
- Doris Reichmann: Gymnastik mit den Kleinsten. Ein Lehrbuch der Säuglingsgymnastik, [Neuauflage der 1930 im Verlag Adolf Sponholtz mit einem Vorwort von Bruno Valentin versehenen Auflage] mit Fotos von Edmund Lill und Reinhold Lessmann, Frankfurt am Main: Limpert, 1961[23]
Ausstellungen
- 2013 bis 2014 präsentierte das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg im Rahmen der Ausstellung Neue Baukunst! Architektur der Moderne in Bild und Buch vom 10. November 2013 bis 23. Februar 2014 „eine einzigartige Sammlung von Vintage-Fotografien, Architektenbriefen, Plänen und Skizzen zur Architektur der Moderne“, darunter eine Aufnahme des Fagus-Werkes von Edmund Lill aus dem Nachlass des ehemaligen Museumsdirektor Walter Müller-Wulckow.[24]
Literatur
- N.N.: 50 Jahre im Dienst der Photographie. Photo-Lill. Die Geschichte einer Firma von 1908–1958, bisher (Stand: 07/2014) unveröffentlichte Schrift zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum, „von den Mitarbeitern der Firma Photo-Lill zusammengestellt, gestaltet und Ihrem Seniorchef Herrn Edmund Lill“ gewidmet, Hannover: Photo-Lill, 1958
- Ludwig Hoerner: 1908 Photo Lill GmbH & Co. KG, in: Das photographische Gewerbe in Deutschland 1839 - 1914, Düsseldorf: GFW-Verlag, 1989, ISBN 3-87258-000-0, S. 243f.
- Annemarie Jaeggi: Edmund Lill, in: Fagus. Industriekultur zwischen Werkbund und Bauhaus. Jovis, Berlin 1998, ISBN 3-931321-83-5.
- Annemarie Jaeggi: Edmund Lill, in: Fagus : industrial culture from Werkbund to Bauhaus. Princeton Architectural Press, New York, 2000, S. 107–112.
Weblinks
- photo-lill.de
- Edmund Lill in den Harvard Art Museums der Harvard University
- vom Atelier Lill angefertigtes Visitkartenporträt auf der Seite privatsammlungen.net
- Edmund Lill auf der Seite fotografenwiki.org
Einzelnachweise
- Transkription der abgebildeten Urkunde und eines nicht näher spezifizierten Zeitungsausschnittes [o. O., o. D.] auf der Seite „Edmund Lill, der Achtzigjährige“, in: N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Ein neuer Zweig, in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Zwei nicht näher spezifizierte Zeitungsausschnitte [Hannoverscher Anzeiger?] auf der Seite mit „1909“ gekennzeichneten Seite in: N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Vergleiche etwa die Angaben (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. unter dem Titel Das Fagus-Werk und die Denkmalpflege auf der Seite des Niedersächsischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, zuletzt abgerufen am 24. Juli 2014
- eingeklebter Zeitungsausschnitt vom 1. Oktober 1908 in: N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Zitat eines nicht näher spezifizierten, aufgeklebten Zeitungsausschnittes auf der Seite „Die Mitarbeiter der dreißiger Jahre“, in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- o.a.O., S. VII
- 1914, in: N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Das lähmende Gespenst der Inflation, in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Transkription der abgebildeten Urkunde, in: N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Folgeseite mit drei Fotos des „Spezialhauses“ mit einem aufgeklebten Zeitungsausschnitt [o. O., o. D.], in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Ein ehrenvoller Auftrag, in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Vergleiche die Bilduntertitelung auf dem durch eine Kooperation des deutschen Bundesarchivs mit Wikimedia Deutschland bei Commons zur Verfügung gestellten Digitalisates des Bildes 102-09253
- 1933 - Fünfundzwanzig Jahre später, in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Abbildung des Lehrvertrages und Kommentar, in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Der Krieg ist aus ... in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- o.V.: 75 Jahre Photo Lill, in Reimar Hollmann, Brigitte Huhn, Martina Liedtke, Klaus Meyer, Bob Scholber, Wolfgang Steinweg, Helmut Zimmermann: Hannover, Gesamtredaktion mit Unterstützung des Presse- und Informationsamtes der Landeshauptstadt Hannover, München: Kunstverlag Josef Bühn, 1983, [ohne Seitennummer im Teil Wirtschaftschroniken der Stadt Hannover]
- Vergleiche die Dokumentation bei Commons (siehe unter dem Abschnitt Weblinks)
- Photo-Lill am Lister Platz ... in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Ein weiteres Ergebnis, in N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- N.N.: 50 Jahre ... (siehe Literatur)
- Vergleiche das Impressum auf der Webseite des Unternehmens
- Vergleiche die Angaben der Deutschen Nationalbibliothek
- Manfred Lanfermann (V.i.S.d.P), Birgit Neuhäuser (Red.): Neue Baukunst! Architektur der Moderne in Bild und Buch | 10. November 2013 bis 23. Februar 2014, online (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. zuletzt abgerufen am 20. August 2014