Familienunternehmen
Ein Familienunternehmen oder Familienbetrieb ist ein Unternehmen, das maßgeblich von einer Familie oder einem in der Anzahl beschränkten Eigentümerkreis mit verwandtschaftlichen Beziehungen beeinflusst wird. Die Unternehmensgröße spielt dabei keine Rolle.
Definition von Familienunternehmen
Die Begriffe Familienunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind Ausprägungen des Oberbegriffes Mittelstand. In der Praxis sind viele kleine und mittlere Unternehmen als Familienunternehmen organisiert, gleichwohl sind die beiden Begriffe unterschiedlich definiert.
- Kleine und mittlere Unternehmen sind durch bestimmte quantitative Größengrenzen festgelegt. Die Einordnung eines Unternehmens in eine bestimmte Größenkategorie erfolgt hierbei aus praktischen Gründen anhand der Anzahl der Beschäftigten oder der Höhe des Umsatzes.
- Familienunternehmen sind hingegen durch ihre Eigentums- und Leitungsstrukturen charakterisiert. Sie unterliegen also keinerlei Größenbeschränkungen. In der Praxis erweist sich jedoch die Abgrenzung als schwierig[1], zumal eine Definition von Familie fehlt. Eine Expertengruppe der EU schlägt vor, eine in Finnland entwickelte Definition zu übernehmen: Ein Unternehmen jeder Größe ist ein Familienbetrieb,
- wenn die natürliche(n) Person(en), die das Unternehmen gegründet hat/haben, oder die das Aktienkapital der Firma erworben hat/haben, oder deren Nachkommen im Besitz der Mehrheit der Entscheidungsrechte ist/sind,
- die Mehrheit der Entscheidungsrechte direkt oder indirekt besteht, oder
- wenn mindestens einer der genannten formal an der Unternehmensleitung beteiligt ist, oder
- wenn bei börsennotierten Unternehmen 25 % der Stimmrechte bei den genannten liegen.[2]
Gemäß einer Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn sind Familienunternehmen durch die Einheit von Eigentum und Leitung geprägt. Kapitalmäßig oder kontrollrechtlich maßgebliche Eigentümer leiten ihr Unternehmen selbst oder gemeinsam mit Fremdmanagern.
Neben der engen Definition des IfM Bonn gibt es weitere Definitionen mit weniger strengen Kriterien. In der Definition der Stiftung Familienunternehmen werden beispielsweise auch bestimmte Unternehmen eingeschlossen, bei denen zwar eine Trennung zwischen Eigentum und Leitung besteht, solange das Unternehmen aber von einer überschaubaren Anzahl natürlicher Einzelpersonen oder Familien kontrolliert wird[3]. Der Verband Die Familienunternehmer sieht neben den oben genannten Eigentums- und Leitungsstrukturen die Einheit von Risiko und Haftung als wichtigstes Merkmal eines Familienunternehmens, da der Unternehmer mit seinem eigenen Kapital für betriebswirtschaftliche Entscheidungen aufkommt.
Sinnvoller als eine strikte Trennung zwischen Familien- und Nichtfamilienunternehmen vorzunehmen ist es, vom Grad des Familieneinflusses zu sprechen. Familieneinfluss kann über verschiedene Dimensionen ausgeübt werden. Dazu gehören beispielsweise Stimmrechte, Positionen im Aufsichtsrat, Positionen im Management aber auch eine besondere Familienunternehmenskultur, welche sich über die Zeit aufbaut. Insbesondere bei großen, börsennotierten Unternehmen ist es häufig so, dass die Familie nicht mehr im Management des Unternehmens präsent ist. Durch Firmenanteile und Positionen im Aufsichtsrat können die Familien jedoch weiterhin einen großen Einfluss auf das Unternehmen ausüben (vgl. hierzu beispielsweise den Einfluss der Familie Quandt/Klatten auf BMW). Großzahlige wissenschaftliche Studien zu börsennotierten Familienunternehmen, vor allem im US-Kontext, nehmen häufig an, dass eine Familie mind. 5 % der Unternehmensanteile besitzen muss, um als Familienunternehmen klassifiziert zu werden[4]. Europäische Studien arbeiten häufig mit abweichenden Definitionen, die 20 % bzw. 25 % Eigentumsanteil durch die Familie voraussetzen[5]. Diese Definitionen schließen oft sogenannte „Gründer-geführte Unternehmen“ mit ein.
Geschichte
Das älteste Familienunternehmen der Welt und zugleich das älteste Unternehmen überhaupt war bis zu seiner Liquidation 2006 der japanische Tempelbauer Kongō Gumi, gegründet 578. Abgelöst wurde es von dem ebenfalls japanischen Gasthaus (Ryokan) Hōshi, gegründet 718. An dritter Stelle folgt das etwa 800 Jahre alte französische Weingut Château de Goulaine.[6] In Deutschland zählt der seit um 910 (erste urkundliche Erwähnung 950) in Besitz der Familie Poßberg befindliche landwirtschaftliche Betrieb in Ratingen (Kreis Mettmann) zu den ältesten Familienbetrieben.[7] Die Thurn und Taxis betrieben knapp 600 Jahre lang das europäische Postwesen. Von den heute noch wirtschaftsaktiven Familienunternehmen Deutschlands, die sich seit ihrer Gründung ununterbrochen in Besitz einer Familie befinden, ist nach aktuellem Wissensstand das älteste die 1502 gegründete Verzinkerei The Coatinc Company in Siegen.[8] Das Unternehmen führt eine Liste der ältesten Familienunternehmen Deutschlands an, die von der Stiftung Familienunternehmen kontinuierlich fortgeführt wird. Traditionsreiche Familienunternehmen sind in der Association les Hénokiens zusammengeschlossen.
Nachdem die Bedeutung von großen Familienunternehmen in Europa und den USA im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts insbesondere durch beschränkte Finanzierungsmöglichkeite rasch abnahm, gingen führende Wirtschaftshistoriker wie z. B. Alfred Chandler davon aus, dass die Tage der Familienunternehmen gezählt seien und Eigentümerkontrolle durch Managerherrschaft abgelöst werde. Jedoch zeigen Beispiele wie das der Franz Haniel & Cie. GmbH, dass es sich bei der Verwandlung von Familienunternehmen in Publikumsgesellschaften nicht um eine Einbahnstraße handelt. Faktisch ist Haniel heute ein Private-Equity-Unternehmen im Besitz von etwa 500 Familienmitgliedern, das sich jedoch kaum in die operative Arbeit der etwa 800 Beteiligungen einmischt.
Eigenschaften von Familienunternehmen
Der Einfluss der Familie kann über verschiedene Informations- oder Organisationskanäle wahrgenommen werden. Einerseits kann die Familie durch Stimmrechte, Beteiligung an der Geschäftsleitung oder über die Aufsichtsgremien die Geschicke des Unternehmens maßgeblich bestimmen. Zum anderen entsteht Einfluss über Erfahrung von Generationen, die sich in der Eigentümerfamilie angesammelt hat. Des Weiteren zeichnen sich viele Familienunternehmen durch eine von der Eigentümerfamilie geprägte Unternehmenskultur aus, die sich jedoch in unterschiedlichem Umfang für externe Einflüsse öffnen kann – bis hin zur Dominanz des professionellen Fremdwissens. In einer Analyse der 1000 größten Familienunternehmen in Deutschland ergibt sich, dass in 61 % dieser Unternehmen ein Inhabervertreter auch aktiv als erster Geschäftsführer oder CEO im Unternehmen tätig ist.[9]
Der Einfluss einer Familie auf ein Unternehmen ist laut herrschender Meinung nicht, wie früher von einigen Autoren angenommen wurde, dichotom (vorhanden oder nicht vorhanden), sondern kontinuierlich abgestuft. Eine validierte Skala zur Messung des Familieneinflusses ist der sogenannte F-PEC.[10] William G. Dyer postuliert demgegenüber vier Typen der Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Eigentümerfamilie und den Nichtmitgliedern in Führungspositionen: den paternalistischen, den laissez-faire-, den partizipativen und den professionellen Typ.[11]
Familienunternehmen gibt es in allen marktwirtschaftlich orientierten Ländern. In den meisten dieser Länder stellen sie die große (zahlenmäßige) Mehrheit der Unternehmen dar, EU-weit ca. 60 %. In Deutschland ist der Anteil der Familienunternehmen an allen aktiven Unternehmen – ohne öffentliche Unternehmen – 90 %.[12] Sie tragen oftmals zu mehr als der Hälfte des BIP und der Beschäftigung bei.[13] Immer mehr Familienunternehmen entwickeln heute internationale (Multi-)Standortstrategien.
Kleine Familienunternehmen tendieren oft zu einer Art langfristiger Totalrechnung im Sinne Eugen Schmalenbachs. Sie bilanzieren über sehr viel längere Perioden als dies Kapitalunternehmen können, die von ihren Anteilseignern abhängig sind.[14] Zwar gelten sie als eher renditeschwach, aber als besonders resilient in Krisenzeiten. Dies gilt auch für die USA, wo die Vermont Business School dieses Phänomen nach der Finanzkrise 2008–10 untersucht hat.[15]
Die Enge der Aktionsfelder vieler kleiner Familienunternehmen muss keinen Konkurrenznachteil darstellen: Oft teilen sie das Wertesystem ihrer lokalen Kunden und Lieferanten. Das Wertesystem als Erfolgsfaktor ist bisher kaum untersucht worden, obwohl es ein wichtiger Faktor zur Erklärung der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit sowohl des einzelnen Familienunternehmens als auch des gesamten Unternehmenstyps ist. Während das Konzept der corporate values und einer werteorientierten Unternehmensführun zumindest theoretisch als Erfolgsfaktor vom Corporate Management akzeptiert wird,[16] ist nur wenig über die Art und den Beitrag der Wertorientierungen von Familienunternehmen zu ihrer Stabilität und Nachhaltigkeit bekannt.
Problematisch ist bei familiengeführten Unternehmen allerdings oft die Nachfolgeregelung der Geschäftsführung. Nach Schätzungen des IfM Bonn stehen bis 2018 jährlich rund 27.000 Übergaben an.[17] Auch können sich familieninterne Streitigkeiten negativ auf die Geschäftsführung auswirken, insbesondere wenn in späterer Generation der Grad der Verwandtschaft breiter wird und dadurch die strategische Einheitlichkeit verloren geht. Da für viele Familienunternehmen die öffentliche Bekanntgabe von Finanzkennzahlen und Unternehmensentwicklungen nicht gesetzlich gefordert wird, erschwert die dadurch entstehende Intransparenz möglichen Kapitalgebern eine detaillierte (Risiko-)Bewertung des Unternehmens. Problematisch ist zudem, wenn Schlüsselpositionen in Familienunternehmen nicht an den besten Kandidaten (bzw. die beste Kandidatin) vergeben werden, sondern an ein Familienmitglied, das nur auf Grund der Verwandtschaft für diesen Posten ausgewählt wurde. Solche Stellenbesetzungen können sich langfristig negativ auf den Unternehmenserfolg auswirken.
Familienunternehmen zeichnen sich jedoch auch durch einige Vorteile aus. Hierzu gehören die langfristige Planung, die oft hohe Reputation, die mögliche Schnelligkeit in der Umsetzung von Entscheidung, sowie das oft positive Betriebsklima[18]. Zudem belegen Meta-Analysen die oft hohe Innovationsfähigkeit von Familienunternehmen.[19]
Eine Paneluntersuchung von über 7400 westeuropäischen Familienunternehmen über 10 Jahre hinweg (1995–2004) zeigte, dass insbesondere große Familienunternehmen robuster gegenüber plötzlichen Nachfrageschwankungen sind als andere Unternehmen, da sie risikoaversiver agieren und nicht jede sich ergebende Wachstumschance nutzen (sog. control-versus-growth-Hypothese).[20]
Die größten deutschen Familienunternehmen konnten in den Jahren 2007 bis 2009 ihre Eigenkapitalausstattung trotz Finanz- und Wirtschaftskrise sogar von 30,1 % auf 33,5 % steigern, wie die Studie Die größten Familienunternehmen in Deutschland des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn ergab. Damit verfügen die Familienunternehmen in Deutschland im Vergleich zu den nicht familiengeführten Unternehmen über eine deutlich höhere Eigenkapitalquote.[21]
Der DAXplus Family 30 Index bildet die Entwicklung von börsennotierten Familienunternehmen ab, bei denen die Gründerfamilie mindestens einen 25-prozentigen Stimmrechtsanteil besitzt oder in Vorstand oder Aufsichtsrat sitzt und einen Stimmrechtsanteil von mindestens 5 % hält. Er umfasst deutsche und internationale Unternehmen aus dem Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse.[22]
Die 500 umsatzstärksten Familienunternehmen der Welt sind im "Global Family Business Index"[23] aufgeführt, welcher erstmals 2015 vom Center for Family Business der Universität St. Gallen und Ernst & Young veröffentlicht wurde. Als Familienunternehmen gelten in diesem Index einerseits die privat gehaltenen Unternehmen, bei den eine Familie mindestens 50 % der Stimmrechte hält und andererseits die börsennotierten Unternehmen, bei denen eine Familie mindestens 32 % der Stimmrechte am Unternehmen hält.
Volkswirtschaftliche Bedeutung
Familienunternehmen und ihre mittelständische Strukturen gelten als besonders stabil. Sie brauchen sich wegen der geringen Abhängigkeit von Fremdkapital nicht am Aktienkurs zu orientieren und können mittelfristig planen. Kommt eine Rezession, dann seien sie eher als börsennotierte Großunternehmen bereit, ihre Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Der Wirtschaftsjournalist Wolfgang Münchau sah demgegenüber in der Eigenschaft als Familienunternehmen hingegen keine volkswirtschaftlich relevanten Vorteile, sondern sprach 2015 im Spiegel die Familienunternehmen wegen ihrer Lobbymacht und Eigennützigkeit als Oligarchen an. Er forderte deshalb: „Zerschlagt die Familienunternehmen“ und eine Besteuerung vererbten Großbesitz.[24]
Deutschland
Aus der Liste der 1000 größten Familienunternehmen 2017[25] des Mediums Die Deutsche Wirtschaft ergibt sich, dass diese einen Gesamtumsatz von rund 1,73 Billionen Euro erzielen und rund 7,2 Millionen Arbeitsplätze bereitstellen. Von den 1000 umsatzstärksten Familienunternehmen haben demnach die meisten (270) ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Es folgen Baden-Württemberg (200) und Bayern (196)[26]. Nach Städten finden sich die Top-1000-Familienunternehmen deutschlandweit in 578 Städten, davon die meisten in Hamburg (57), München (28), Düsseldorf (21) sowie Stuttgart und Berlin (je 15).[27]
Laut Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) erwirtschaften familiengeführte Unternehmen – dazu gehören in Deutschland eben auch sehr große – im Schnitt eine höhere Rendite, haben jedoch mit einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote von 16 % eine geringere Eigenkapitaldecke als sonstige Unternehmen mit 22 %.[28]
Eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und des Instituts für Mittelstandsforschung Mannheim aus dem Jahr 2019 weist nach, dass die „Top 500“ Familienunternehmen im Jahr 2016 2,54 Millionen Menschen im Inland beschäftigten und damit im Zeitraum zwischen den Jahren 2007 und 2016 die Zahl der Beschäftigten im Inland um 23 % erhöhten.[29]
Entgegen der weit verbreiteten Ansicht stellen Familienunternehmen auch ein bedeutendes Phänomen an deutschen Aktienmärkten dar. Bei der Hälfte aller börsennotierten Unternehmen, die im CDAX gelistet sind – ausgenommen Finanztitel, handelt es sich eigentlich um Familienunternehmen.[30]
Neben den großen Wirtschaftsverbänden übernehmen der Verband Die Familienunternehmer – ASU und die Stiftung Familienunternehmen die politische Interessenvertretung speziell für Familienunternehmen.
Trotz dieser hohen Bedeutung für die Wirtschaft hat sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit familiengeführten oder -gesteuerten Unternehmen erst über die letzten Jahre entwickelt. Mit Familienunternehmen beschäftigen sich unter anderem die "Stiftung Familienunternehmen" mit Sitz in München, das IFF Institut für Familienunternehmen mit Sitz in Stuttgart, das „Institut für Familienunternehmen“ an der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar, das „Wittener Institut für Familienunternehmen“ an der Universität Witten/Herdecke, das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM), das Hamburger Institut für Familienunternehmen sowie das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen.
Österreich
Etwa 80 % aller Unternehmen in Österreich (= 240.000) waren 2008 in Familienbesitz. Österreich liegt damit 10 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. Familienunternehmen beschäftigen hier mehr als 70 % aller Arbeitnehmer und können somit als das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bezeichnet werden.[31] Der größte Teil von ihnen wird bereits in zweiter Generation geführt. In den letzten Jahren verstärkt sich der Trend zur Umwandlung in Kapitalgesellschaften. Im Zeitraum 2006 bis 2012 sind über 44 % der befragten Unternehmen von Übergabe- oder Nachfolge-Fragen betroffen.[32]
Schweiz
In der Schweiz sind 88 % aller Unternehmen Familienunternehmen, wobei ein Großteil wiederum Klein- und Mittelunternehmen sind. An der Schweizer Börse sind 30 % der Unternehmen familiendominiert. Das „Familienphänomen“ an der Börse geht auf die sogenannten „vinkulierten Namenaktien“ zurück. Weil bei diesen Aktien mit einer Aktie relativ mehr Stimmrechtsanteile verbunden sind als mit normalen Aktien, ist der Familieneinfluss trotz geringerer Kapitalanteile sichergestellt. Die größten nicht börsennotierten Familienunternehmen waren 2008 die DKSH-Gruppe, Tetra Pak (Suisse) SA und die Hilti-Gruppe.[33] Ein zentrales Thema der Familienunternehmen ist die Unternehmensnachfolge. Man kann davon ausgehen, dass jeweils innerhalb von 5 Jahren 18,5 % aller Unternehmen vor dieser Aufgabe stehen. Im Bereich der Wissenschaft beschäftigt sich das Center for Family Business der Universität St. Gallen[34] mit (nationalen und internationalen) Familienunternehmen.
Europa
Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission hat sich umfassend mit der Definition von Familienunternehmen und deren volkswirtschaftlicher Bedeutung im europäischen Kontext auseinandergesetzt. Von der Studie erfasst sind alle Mitgliedsländer der Europäischen Union, die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und die Beitrittskandidaten zur Europäischen Union (Türkei, Kroatien, Mazedonien). Im Durchschnitt aller betrachteten Länder zählen rund 70 % bis 80 % aller Unternehmen zu den Familienunternehmen. Ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung beträgt 40 % bis 50 %.[35]
USA
Im Jahr 2003 waren 89 % aller Unternehmen in den USA Familienunternehmen. Sie erwirtschafteten etwa 59 % des Bruttoinlandprodukts. In Familienunternehmen arbeiteten etwa 58 % aller Beschäftigten.[36]
Mehr-Generationen-Familienunternehmen
Die erfolgreiche Leitung großer Unternehmen setzt beim Unternehmer entsprechende Ausbildung und Fähigkeiten voraus, die in der Gründer-Generation unerlässlich sind. In den folgenden Generationen entsteht früher oder später ein Spannungsverhältnis zwischen den Begabungen der Erben, ihren Interessen und den Erfordernissen eines erfolgreichen Managements und des Marktes. Auch und insbesondere die Verteilung der Anteile auf mehrere Gesellschafter kann zu Problemen in der Geschäftstätigkeit führen, da gegensätzliche Interessen und Vorstellungen innerhalb der Gesellschaftergruppe vorliegen können. Vorteilhaft ist eine frühzeitige Steuerung der Nachfahren nach ihren Fähigkeiten und das Heranführen an das Unternehmen.[37]
Family Business Governance
Familienunternehmen unterscheiden sich in ihrer Corporate Governance zur typischen, an der Börse gelisteten Publikumsgesellschaft. Die Governance von Familienunternehmen wird Family Business Governance genannt. Sie ist definiert als Organisation von Kontrolle und Führung sowie Sicherung des Zusammenhalts der Familie mit den Zielen der Steigerung des Markterfolgs des Familienunternehmens über Generationen hinweg und der Vermeidung von Konflikten in der Familie. Die Family Business Governance[38] ist gekennzeichnet durch Themen wie
- Identität von Leitung und Eigentum,
- Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt,
- Nachfolge von Familienmitgliedern im Management,
- Ausstieg von Familieneigentümern,
- Beirat und Aufsichtsrat als Familienrat und Gesellschafterausschuss und
- Gewinnverteilung.
Die individuelle, situationsadäquate „Family Business Governance“ eines Familienunternehmens wird in einer Familienverfassung,[39] einem Familienkodex[40] oder einer Familienstrategie zusammengefasst.[41] Empfehlungen zur optimalen Regelung dieser Governancethemen gibt der speziell für Familienunternehmen entwickelte „Governance Kodex“.[42] Neben dieser institutionalisierten Family Governance gibt es auch eine informelle, die über Kommunikation, Rollenerwartungen und -modelle ausgeübt wird.
Forschung
Forschung über Familienunternehmen wird unter anderem von der International Family Enterprise Research Academy (IFERA[43]) sowie der Family Enterprise Research Conference (FERC) angeregt.[44] Auch das International Council of Small Business and Entrepreneurship (ICSB) und sein europäischer Zweig, das European Council of Small Business and Entrepreneurship (ECSB) rufen zur Forschung an Familienunternehmen auf. Wichtigste Zeitschriften mit Fokus auf Familienunternehmen sind Entrepreneurship Theory and Practice, Family Business Review und das Journal of Family Business Strategy. Eine Übersicht über internationale, im Bereich Familienunternehmen aktive Forschungseinrichtungen liefert das Wittener Institut für Familienunternehmen. Die internationale Forschung im Bereich Familienunternehmen wird stark durch das Family Firm Institute (FFI) vorangetrieben, das nicht nur Eigentümer der Zeitschrift Family Business Review ist, sondern jährlich Auszeichnungen für Dissertationen, Arbeitspapiere, Gutachter und veröffentlichte Artikel im Bereich Familienunternehmen vergibt[45]. Forschung über Familienunternehmen wird unter anderem von der International Family Enterprise Research Academy (IFERA[46]) sowie der Family Enterprise Research Conference (FERC) angeregt. Auch das International Council of Small Business and Entrepreneurship (ICSB) und sein europäischer Zweig, das European Council of Small Business and Entrepreneurship (ECSB) rufen zur Forschung an Familienunternehmen auf. Wichtigste Zeitschriften mit Fokus auf Familienunternehmen sind Entrepreneurship Theory and Practice, Family Business Review und das Journal of Family Business Strategy.[47] Eine Übersicht über internationale, im Bereich Familienunternehmen aktive Forschungseinrichtungen liefert das Wittener Institut für Familienunternehmen. Die internationale Forschung im Bereich Familienunternehmen wird stark durch das Family Firm Institute (FFI) vorangetrieben, das nicht nur Eigentümer der Zeitschrift Family Business Review ist, sondern jährlich Auszeichnungen für Dissertationen, Arbeitspapiere, Gutachter und veröffentlichte Artikel im Bereich Familienunternehmen vergibt[48].
Arbeitgeber
Familienunternehmen als Arbeitgeber werden in vielen Untersuchungen den klassischen Konzernen oder Publikumsgesellschaften gegenübergestellt. So gibt es Untersuchungen zu Arbeitsplatzpräferenzen oder Arbeitgeberattraktivität; auch werden Arbeitsplatzcharakteristika von Familienunternehmen im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen gegenübergestellt und bewertet.[49]
Literatur
- David Landes: Die Macht der Familie. Wirtschaftsdynastien in der Weltgeschichte. Siedler, München 2006, ISBN 3-88680-676-6.
- Panikkos Poutziouris, Kosmas Smyrnios, Sabine Klein (Hrsg.): Handbook of Research on Family Business. Edward Elgar, Cheltenham Nor 2006, ISBN 1-84542-410-7.
- Alexander Koeberle-Schmid: Family Business Governance: Aufsichtsgremium und Familienrepräsentanz. Gabler, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8349-1350-0.
- Markus Plate, Torsten Groth, Volker Ackermann, Arist von Schlippe: Große deutsche Familienunternehmen – Generationenfolge, Familienstrategie und Unternehmensentwicklung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-40338-9.
- Alexander Surdej, Krzysztof Wach (Hrsg.): Managing Ownership and Succession in Family Firms. Scholar, Warschau 2009, ISBN 978-3-940755-67-4.
- Felix-Michael Weber: Der Einfluss der Postgründer-Generation auf die Performance : eine empirische Analyse deutscher und österreichischer Familienunternehmen. Mit einem Geleitwort von Bernward Brenninkmeijer (= Förderkreis Gründungs-Forschung: FGF-Entrepreneurship-research-Monographien, Band 50), Eul, Lohmar / Köln 2005, ISBN 978-3-89936-353-1 (Dissertation Universität Witten/Herdecke 2005, 167 Seiten, unter dem Titel: Der Einfluss der Postgründer-Generation auf die Performance von deutschen und österreichischen Familienunternehmen).
- N. Müller, C. Jäger (Hrsg.): WERTEorientierte Führung von Familienunternehmen. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-09236-8
- Brun-Hagen Hennerkes, Rainer Kirchdörfer: Die Familie und ihr Unternehmen. Campus, Frankfurt/Main 2015, ISBN 978-3-593-50266-3
- Kirsten Baus: Die Familienstrategie – Wie Familien ihr Unternehmen über Generationen sichern. Springer Gabler, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3658142612
Weblinks
- Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen (PDF; 5,2 MB)
- Länderindex der Stiftung Familienunternehmen (PDF; 2,7 MB)
- Literaturliste zur Nachfolge in Familienunternehmen erstellt von der ZBW - Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften
- Familienunternehmen in Deutschland Reportagen der Deutschen Welle
Einzelnachweise
- Frederik J. Riar, Franz W. Kellermanns: Family business. In: World Encyclopedia of Entrepreneurship. 19. Januar 2021, doi:10.4337/9781839104145.00041 (elgaronline.com [abgerufen am 2. März 2021]).
- Final Report of the Expert Group Overview of Family-Business-Relevant Issues, EU-Generaldirektion Enterprise & Industry, 2009, S. 10. Siehe auch www.familienunternehmen.de/definition-familienunternehmen
- Definition Familienunternehmen | Stiftung Familienunternehmen. Abgerufen am 23. Januar 2019.
- Danny Miller, Isabelle Le Breton-Miller, Richard H. Lester: Family ownership and acquisition behavior in publicly-traded companies. In: Strategic Management Journal. Band 31, Nr. 2, 2009, ISSN 0143-2095, S. n/a–n/a, doi:10.1002/smj.802 (wiley.com [abgerufen am 1. Dezember 2018]).
- Max P. Leitterstorf, Sabine B. Rau: Socioemotional wealth and IPO underpricing of family firms. In: Strategic Management Journal. Band 35, Nr. 5, 19. Februar 2014, ISSN 0143-2095, S. 751–760, doi:10.1002/smj.2236 (wiley.com [PDF; abgerufen am 1. Dezember 2018]).
- The world’s oldest family companies. (Nicht mehr online verfügbar.) Università di Pisa, Formazione Avanzata Economia, archiviert vom Original am 15. September 2008; abgerufen am 12. Oktober 2008 (englisch).
- Jürgen Lappat, Edith Rittel: Frisch vom Hof im neanderland. (PDF, 7820 kB) Kreis Mettmann, Der Landrat, 6. Auflage. Dezember 2014, S. Seite 68, abgerufen am 18. Mai 2015.
- Die ältesten Familienunternehmen Deutschlands: Neun der langlebigsten Unternehmen sind seit mehr als 400 Jahren in Familienhand auf familienunternehmen.de, 6. Juni 2019.
- Analysen des Rankings "Top 1.000 - Die größten Familienunternehmen 2017" (http://die-deutsche-wirtschaft.de/die-liste-der-1000-groessten-familienunternehmen-in-deutschland/)
- Sabine B. Klein, Joseph H. Astrachan, Kosmas X. Smyrnios: The F-PEC scale of family influence. Construction, validation, and further implication for theory. 2005, S. 321–338.
- W. G. Dyer Jr.: Culture and Continuity in Family Firms. In: Family Business Review. vol 1, issue 1, S. 37–50.
- ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung: Die Volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen. Hrsg.: Stiftung Familienunternehmen. 5. Auflage. München 2019, ISBN 978-3-942467-68-1, S. 6 (familienunternehmen.de [PDF; abgerufen am 3. Mai 2019]).
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- Dax-Indices.com; DAXplus Family 30. Abgerufen am 1. Februar 2018.
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- Wolfgang Münchau: Die Spur des Geldes: Zerschlagt die Familienunternehmen. Spiegel online, 27. April 2015
- Die Liste der 100 größten Unternehmen in Deutschland
- Ranking der Bundesländer nach Top-1000-Familienunternehmen des Mediums Die Deutsche Wirtschaft, Bundesländer nach Top-Familienunternehmen
- Liste der 100 Städte mit den meisten Top-Familienunternehmen des Mediums Die Deutsche Wirtschaft Die Städte mit den meisten Top-Familienunternehmen
- Vgl. WirtschaftsWoche. Düsseldorf 2008,26(23.06.), S. 44. ISSN 0042-8582
- Sandra Gottschalk, Moritz Lubczyk, Annegret Hauer, Detlef Keese, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Institut für Mittelstandsforschung (ifm), Mannheim, im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen | PDF München 2019
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- Frederik J. Riar, Franz W. Kellermanns: Family business. In: World Encyclopedia of Entrepreneurship. 19. Januar 2021, doi:10.4337/9781839104145.00041 (elgaronline.com [abgerufen am 2. März 2021]).
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