Dormitio-Basilika
Die Dormitio-Basilika ist eine römisch-katholische Kirche auf dem Berg Zion, südlich der ummauerten Jerusalemer Altstadt. Die Basilica minor ist Abteikirche der deutschsprachigen benediktinischen Dormitio-Abtei und liegt im Jurisdiktionsbereich des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem.
An diesem Ort in der Nachbarschaft des Abendmahlssaales soll nach alter Überlieferung die Gottesmutter Maria im Kreis der Jünger Jesu gestorben sein; daher der Name Dormitio Mariae („Mariä Entschlafen“), was auch eine alte Bezeichnung des Festes Mariä Aufnahme in den Himmel ist.
Vorgängerbauten
Auf dem Gelände entstand bereits im 5. Jahrhundert die byzantinische Basilika Hagia Sion, die durch den persischen König Chosrau II. 614 zerstört wurde. Im 12. Jahrhundert errichteten die Kreuzfahrer auf den Ruinen eine Kirche unter dem Namen Sancta Maria in Monte Sion, die nach der Niederlage der Kreuzfahrer um 1200 von den muslimischen Herrschern zerstört wurde.
Geschichte
Anlässlich seines Besuchs im Heiligen Land 1898 erwarb Kaiser Wilhelm II. das Grundstück und übergab es dem Deutschen Verein vom Heiligen Lande zur Nutzung für die deutschen Katholiken. Historie und Bestimmung der „Dormition“ beschreibt Wilhelm II. in seinem Werk Ereignisse und Gestalten.[1] In den folgenden Jahren entstanden nach Plänen des Kölner Diözesanbaumeisters Heinrich Renard die Dormitio-Kirche und die Dormitio-Abtei, ein deutsches Benediktinerkloster. Die Kirche wurde am 10. April 1910 geweiht und trägt das Patrozinium Mariä Aufnahme in den Himmel.
Am 19. Juli 1957 wurde sie zur Basilica minor erhoben.
Geläut
Im Turm hängt ein vierstimmiges Geläut in den Schlagtönen cis1, e1, fis1 und gis1, das auf die Kirchenglocken der Erlöserkirche abgestimmt ist.[2] Die Glocken wurden 1909 von der Glockengießerei Otto in Hemelingen/Bremen gegossen und nach Jerusalem verschifft. Die Glocken tragen folgende Namen: Glocke I – Salvator Mundi (2327 kg), Glocke II – Immaculata (1373 kg), Glocke III – Bonifacius (993 kg) und Glocke IV – Elisabeth (683 kg). Im Rahmen des Unabhängigkeitskrieges 1948/1949 wurde die Glocke II durch Beschuss so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr geläutet werden konnte. Sie wurde im Jahre 1972 durch eine neue Glocke von E. Gebhard in Kempten ersetzt.[3][4]
Orgeln
1980 erteilte die Dormitio-Benediktinergemeinschaft dem Orgelbauunternehmen Oberlinger den Auftrag zum Bau zweier neuer Orgeln: Eine Chororgel (fertiggestellt 1981) sollte die Begleitung der liturgischen Gesänge führen, während auf der neuen Hauptorgel (fertiggestellt 1982) Vor- und Nachspiele, Interludien, Meditationen, Konzerte usw. gespielt werden sollten. Die Werkstatt Oberlinger baute die Orgel in der von ihr gepflegten mittelrheinischen Orgelbautradition, die norddeutsche kontrapunktische Klarheit und süddeutsche Weichheit und Fülle zu verbinden versucht. Die zum Fest Mariä Himmelfahrt 1982 geweihte Hauptorgel hat folgende Disposition, entworfen von Josef Zimmermann und Ernst Oberlinger (III/36, 2654 Pfeifen):[5][6]
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- Koppeln: (mechanisch:) I/II, (elektrisch:) III/II, III/I, I/P, II/P, III/P
- Spielhilfen: ursprüngl. 10 Setzerkombinationen, seit 1996 650 Setzerkombinationen
- Traktur: mechanische Spiel- und Registertraktur, vollmechanisch (aufgehängte Traktur an einarmigen Tastenhebeln für HW und SW; ausgewogene Traktur an doppelarmigen Tastenhebeln für das Rückpositiv)
Die 1981 eingeweihte Chororgel hat folgende Disposition (ursprüngl. II/8, 444 Pfeifen, jetzt II/7):[7]
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- Koppeln (mechanisch): II/I, I/P, II/P
- Traktur: Schleifladen, vollmechanisch
Es stellte sich heraus, dass beide Oberlinger-Orgeln, die Hauptorgel und die Chororgel, den klimatischen Gegebenheiten in Jerusalem nicht genügten. Der Wechsel kalt-feuchter Winter und heißer Sommer sowie die Ostwinde, die feinsten Wüstensand mit sich führten, bewirkten, dass die Instrumente immer öfter gestimmt werden mussten und dass die Trakturen litten. Ganze Register waren zuletzt unspielbar.[8] Eine teure Generalüberholung und Reinigung Anfang der 2010er Jahre brachte nur kurzfristig Abhilfe. Sachverständige rieten ab, einen neuen Versuch zu machen. Daraufhin beschloss der Konvent, die beiden Orgeln abzubauen. Das Abschiedskonzert erklang am 30. Juni 2021.[9] Die Hauptorgel wird in einer aufgelassenen Kirche in Russland aufgebaut werden.
Die Hauptorgel war eine der größten in Israel. Die Israelische Orgelvereinigung nutzte sie häufig für die Konzerte ihres Internationalen Orgel-Festivals.
Bildergalerie
- Vom Ölberg aus gesehen
- Vom Eingang des Abendmahlsaals aus gesehen
- Apsis der Kirche
- Marienfigur in der Krypta der Kirche
Einzelnachweise
- Wilhelm II.: Ereignisse und Gestalten 1878–1918. Verlag K.F. Koehler, Leipzig/Berlin 1922, S. 181.
- Aufnahme des Vollgeläuts
- Gerhard Reinhold: Otto-Glocken. Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto. Selbstverlag, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2, S. 588, insbesondere S. 285–297, 517.
- Gerhard Reinhold: Kirchenglocken – christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen. Nijmegen/NL 2019, S. 556, insbesondere S. 40, 255–258, 481, urn:nbn:nl:ui:22-2066/204770 (Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen).
- I. Jacobs, W. Oberlinger, P. M. Scholl: Die neue Oberlinger-Orgel in der Basilika der Dormition-Abbey auf dem Berge Sion in Jerusalem. Windesheim: organophon Verlag 1982, hier bes. S. 6f. (Kurzbeschreibung der Orgeln), S. 40f. (Dispositionen).
- Hauptorgel auf der Seite der Dormitio-Abtei
- Chororgel auf der Seite der Dormitio-Abtei
- Andrea Krogmann: Jerusalemer Benediktiner verabschieden ihre Orgeln. Katholische Nachrichten-Agentur, 29. Juni 2021.
- Abschiedskonzert unserer Orgel, 18. Juni 2021, abgerufen am 30. Juni 2021.
Literatur
- Theodor Zahn: Die Dormitio Sanctae Virginis und das Haus des Johannes Markus. Deichert, Leipzig 1899.
- Anneliese Goergen, Anton Goergen: „Basilika“ der Benediktinerabtei Dormitio Berg Zion / Jerusalem. Schnell & Steiner, München 1990.
- Oliver Kohler: Zwischen christlicher Zionssehnsucht und kaiserlicher Politik. Die Entstehung von Kirche und Kloster „Dormitio Beatae Mariae Virginis“ in Jerusalem. EOS, St. Ottilien 2005.
- Max Küchler: Jerusalem – ein Handbuch und Studienführer zur Heiligen Stadt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007.
Weblinks
- Dormitio-Basilika auf der Website der Dormitio-Abtei
- Eintrag zu Dormitio-Basilika auf gcatholic.org (englisch)