Dorfkirche Grüssow
Die Dorfkirche in Grüssow in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Sakralbau der Kirchengemeinde Grüssow/Satow, die der Propstei Neustrelitz des Kirchenkreises Mecklenburg der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) angehört. Der rechteckige Feldsteinbau mit Westturm wurde am 6. März 1255 errichtet und der Heiligen Katharina[1] geweiht. Die Kapelle liegt am nordöstlichen Ende der dörflichen Siedlung in Grüssow, angrenzend zur Straße von Malchow nach Darze, eingefasst von einer aus Findlingen errichteten Mauerumfriedung.
Geschichte
Der Kirchenbau weist vier Bauphasen auf, die sich im Äußeren, wie auch im Inneren ablesen lassen. 1255 wurde die Kapelle als Feldsteinbau mit Westturm errichtet. Um 1500 muss die Kirche in einem sehr desolaten Zustand gewesen sein, was dazu führte, den Westturm und Teilbereiche des südlichen Mauerwerks neu aufzurichten. In dieser Bauphase wurde der südliche Eingang geschlossen und mit einem Biforium versehen. Gleichzeitig wurde auf der Nordseite nach Westen ein neues Eingangsportal geschaffen.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (1655–86) erhielt die Kirche unter dem Pensionär H. Christoph Wendt aus Kogel eine barocke Ausstattung (Altarretabel/Kanzel/Taufe). Die gotische Ausstattung wurde bis auf eine Mondsichelmadonna aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, die sich in einem Schrein mit weiteren Assistenzfiguren befand, entfernt.
1856 wurde die Kirche letztmals im Innern umgestaltet, deren Ausstattungsensemble unter teilweiser Wiederverwendung bzw. Umbau der barocken Ausstattung bis heute den Raumeindruck stilistisch bestimmt. Eine Tafel auf dem nördlichen Teil der Ostwand dokumentiert diesen Umbau: „Zur Ehre Gottes des Herrn wurde im Jahr 1856 diese Kirche neu ausgebaut, unter Beihülfe des Patronats und Domainenrath Albert Kollmann aus Grüssow unter Leitung ihres Pastors Präpositius Adolph Kneser“. Bei letzteren handelt es sich um den Vater von Adolf Kneser.
- Westseite
- Ostseite
- Südseite
Äußeres
Das aus Feldsteinen errichtete Mauerwerk (opus incertum) weist zwei unterschiedliche Bearbeitungsweisen am Mauerwerk auf. 1255 wurde das Kirchenschiff auf längsrechteckigem Grundriss aus relativ gut bearbeiteten Granitsteinen, auf einem abgefasten Sockelsims mit vorgelagertem Westturm und Eckquadersteinen errichtet. Die drei spitzbogigen Lanzettfenster auf der Ostseite und die drei baugleichen Fenster auf der Nordseite, jeweils mit Gewändeschnitt sowie die ehemalige rundbogige, um 1500 zugemauerte Tür auf der Südseite, entstammen dieser Zeit.
Das Mauerwerk auf der Südseite weist im mittleren Bereich eine abweichende Bearbeitung auf. Die Feldsteine sind hier als Bossen weniger gut bearbeitet und weisen keinen abgefasten Sockel und keine Eckquadersteine auf. Die Ecksteine wurden als Backsteinverbund in Klostersteinformat mit Kerbschnittfugen gefertigt. Das Mauerwerk ist hier identisch mit dem des Turmes. Vermutlich geht dieser bauliche Eingriff auf Schäden am Mauerwerk um 1500 zurück. Die 1255 geschaffene rundbogige Türöffnung wurde um 1500 zugesetzt und eine zweiachsige, spitzbogige Fensteröffnung in einer flachbogig überwölbten Nische, ähnlich denen am Turm, eingesetzt. In der Nordseite nach Westen wurde eine neue spitzbogig gewölbte Türöffnung mit Kämpferwulst, zweibahnig abgetreppt in Backstein errichtet. Das kunstvoll gefertigte Türblatt aus Eichenholz mit Ziernägeln, Beschlägen und obiger Paßornamentik stammt von 1856.
Der etwas eingerückte queroblonge (querrechteckige) Westturm wurde hierbei vermutlich neu errichtet und ersetzte einen Vorgängerturm. Aus diesem Grunde erklären sich auch die zwei spitzbogigen Quergurtbögen auf der Westseite im Innern der Kirche. Der Turm besitzt auf seiner Westseite eine spitzbogig geschlossene Türöffnung mit Laibungsschnitt, neuzeitlichem Türblatt und darüberliegendem Okulifenster. Das Okulifenster findet eine Fortsetzung als Rundnische jeweils an den oberen Eckfeldern des Turmes. Im Unterschoß auf der Südseite des Turmes befindet sich eine kleine spitzbogige Fensteröffnung mit Gewändeschnitt. Die Schallöffnungen befinden sich allseitig im Obergeschoss des Turmes und sind als Biforien (Fensternischen) mit bekrönendem Okuli in einer segmentbogigen Nische eingearbeitet. Die seitlichen Giebelfelder des Turmes wurden in Fachwerk vermutlich 1856 errichtet. Der Turm besitzt einen Biberschwanzbehang von 1856 und das Satteldach des Kirchenschiffes Hohlpfannen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Das Mauerwerk des Kirchenschiffes weist diverse Putzfragmente aus unterschiedlicher Zeit auf. So befinden sich im Giebelfeld der Ostseite noch umfangreiche Putzfragmente, während der Putz an den Längswänden vermutlich im Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts (Natur- bzw. Materialsichtigkeit) entfernt wurde. In den Gewändeschnitten der östlichen Fensterachsen lassen sich oxidrote Farbfragmente einer Ausmalung aus gotischer Zeit (1255?) auf einem Schlämmputz erkennen, auf dem ein weiterer gotischer Putz mit Quadersteinfugen (Putzritzung) um 1500 folgt. Dieser Putz liegt etwas umfangreicher an den nördlichen Fensterachsen im Bereich der Fenstergewände und an Teilbereichen des Mauerwerks vor. Der Putz ist sehr instabil. Das in Formsteinen errichtete Eingangsportal auf der Nordseite nach Westen weist Kerbschnittfugen sowie farbige Absetzungen (Rautenoxidgrün/Eisenoxidrot) mit Putzritzung und Fragmenten einer ornamentalen Absetzung (schwarze Lilien?) auf einer weißen Kalkkaseinschlämme auf und steht im Kontext zu den Putzritzungen im Bereich der Fenstergewände. Im Innern ist die Türlaibung mit Kreisen (Zirkelschlägen) versehen. Während die Rauten im Außenbereich aus gotischer Zeit um 1500 entstanden (partiell Ausbesserungen von 1856), so stammt die Istfassung im Innern der Kreise aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese geht jedoch auf den Farbbefund von 1856 zurück. Denkbar wäre jedoch auch ein gotischer Befund, der 1856 in puristischer Manier aufgenommen wurde.
- Fenstergewände, Ostseite
- Fenstergewände, Nordseite
- Türlaibung, Nordseite, Detail
Inneres
Der queroblong gestellte Turm öffnet sich zum Kirchenschiff über zwei spitzbogige Quergurte zum längsrechteckigen Saalraum des Kirchenschiffes. Die Decke des Turmes und die des Kirchenschiffes besitzen eine neuzeitliche Balkendecke, unter der sich eine ältere (baugleiche?) Decke verbirgt. Die Wände sind verputzt und gefasst. Der Bodenbelag des Turmes, der Mittelgang des Kirchenschiffes und der Chorraum sind mit oktogonalen Terrakottaziegeln in Oxidrot und Beige ausgelegt. Unter den Bänken befinden sich ein Ziegelbelag. Die Kirche besitzt keinen Stromanschluss und keine Heizung.
- Inneres mit Blick nach Osten
- Nordportal
Farbgebung
Die Istfassung (cremeweiß) stammt aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und nimmt vermutlich die Farbgestaltung von 1856 auf. Die Fensterfaschen sind mit einer Backsteinimitation und umlaufendem Knospenwerk versehen. Auf den Laibungen der westlichen Quergurte befindet sich eine Rankenwerkmalerei. Oberhalb der Türen und über dem ersten Quergurt sind Sinnsprüche angebracht: A-„Seid Täter des Worts, und nicht Hörer allein“ / B-„Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Wort in Ewigkeit“ / C-„Heb.18.2..Jesus Christus gestern und heute und derselbe in Ewigkeit“.
- Altarretabel
- Kanzel mit Aufgang und Sakristei
- Patronatsprieche
Ausstattung
Altarretabel, 1676 bez. mit Schrifttafel im Predellafeld (1856 überfasst), 1856 wurde mit der Umgestaltung des Altars das Altarbild mit der Darstellung „Verdammung und Rettung der Sünder“ (Oel/Holz) entfernt (jetziger Standort im Turm) und durch eine Kreuzigungsdarstellung im Nazarenerstil (Oel/Leinwand) ersetzt / Altarmensa mit Chorschranken und Kniehbänken-1856 / Antependium- 1856 / Kanzel mit Aufgang-„EXTER.1655/Renov.18556“ bez. / Sakristei- 1856 / Patronatsgestühl-1856 / Kirchenvorstehergestühl-1856 / 21 Kirchenbänke-1856 / Mondsichelmadonna-um 1500 (holzsichtig, vermutl. wurde die Fassung 1856 entfernt) / Holztaufe mit Deckel-1685 / Steintaufe-1861 / Kelch-1629, Silber vergoldet / Kelch-1747, Zinn / Patene 1669, Zinn / Leuchterpaar 1. H. 19. Jh., Zinn / Sternenkronleuchter-1856 / Glocke- 1689, umgegossen 1842 von Johann Carl Ludwig Illies.
- Farbgebung der Ausstattung
Die Istfassung der Ausstattung liegt außer im Bereich der Stein- und Holztaufe als helle Holzimitationsfassung (Bierlasur) von 1856 vor. Die Holztaufe weist die historische Erstfassung (Braun-Absetzungen grün/rot) von 1685 neben partiellen Retuschen auf. Diese Fassung steht vermutlich im farbigen Kontext zur 1856 überfassten Farbgebung der barocken Ausstattung (Altar/Kanzel).
Quelle
Lothar Kuppe: Dorfkirche Grüssow, 6/2004
Fußnoten
- Hl. Katharina von Alexandrien; die Heilige soll unter Kaiser Maxentius den Märtyrertod gefunden haben. Erst Legenden des 10. Jahrhunderts berichten von der hochgebildeten Königstochter von Zypern, der im Traum das Jesuskind erschien und einen Verlobungsring ansteckte. Nachdem es ihr gelungen war, fünfzig Philosophen zum Christentum zu bekehren, ließ Kaiser Maxentius sie geißeln und in den Kerker werfen; als Blitz und Donner ein für ihr Martyrium mit Messern und Nägeln bestücktes Rad zerstörten und den Henker töteten, wurde sie schließlich durch das Schwert enthauptet. Engel trugen sie zum Berg Sinai.