Bossenwerk
Die Bosse (von mittelhochdeutsch bozen für ‚schlagen‘) ist im Bauwesen das überstehende Material eines Natursteines innerhalb einer Mauer. Die Herstellung der Quader nennt sich in der Bearbeitung von Natursteinoberflächen bossieren.
In den meisten aller Fälle lässt man bei einer Natursteinmauer die Bossen stehen. Bossenwerk oder Rustika (von lateinisch ländlich) ist Mauerwerk aus Steinquadern, deren Stirnseite nur grob behauen (bossiert) ist. Beim hochmittelalterlichen Burgenbau, wo die Bossen häufig mit einem Randschlag, einer rundum gleichmäßig bearbeiteten Kante, versehen sind, werden diese Steine Buckelquader genannt.
Ein seltener Sonderfall ist der ungeplante Verbleib einzelner Bossen innerhalb einer ansonsten bearbeiteten Natursteinfassade: Ornamente und Reliefs wurden oft erst nach dem Versetzen der Steinquader ausgearbeitet, weshalb man an entsprechender Stelle ausreichend große, nur grob behauene Quader einsetzte. Manchmal unterblieb dann aber die Fertigstellung, beispielsweise weil die Bauarbeiten insgesamt eingestellt wurden oder der beauftragte Künstler nicht mehr zur Verfügung stand.
Varianten der Mauerwerksbossierung
Die Bosse diente ursprünglich wohl dazu, das Abgleiten schwerer Steine von den Hebetauen zu verhindern und kommt bereits in der antiken Mauertechnik und an altamerikanischen Bauten vor.
Man unterscheidet verschiedene Arten von Bossenwerk. Bei Buckelquadern wird ein glatter Rand um die Bosse geschlagen. Wird die Bosse geglättet, spricht man von Kissenquadern oder Polsterquadern. Eine facettenartige, pyramidenförmige Stirnseite haben Diamantquader. In anderen Fällen schlägt man an der fertigen Mauer gezielt die Bossen ab und erhält so ein Facettenmauerwerk.
Alle Formen treten auch in Putz-Mauerwerk nachgebildet auf.
- Bosse an Naturstein
- Halbkugelförmige Bossen als Verzierung des Mauerwerkes
- Mauerecke
Burg La Tur - Mauerecke
Burg Cagliatscha
Historische Entwicklung
Bossenwerk wurde in der Baukunst der Antike sowie im mittelalterlichen Burgenbau benutzt, häufig findet man Bossenmauerwerk an Burgen der Stauferzeit. Als Stilmittel kam es von der Frührenaissance bis zum Barock wieder zu breiter Anwendung, vor allem zur repräsentativ-wehrhaften Gestaltung der Erdgeschoss-Fassaden von Palästen und Schlössern.
Besonderer Beliebtheit erfreute sich das Bossenwerk im Manierismus mit betont derb behauenen, großen Quadern und teilweise auch bossierten Säulen. Bei einigen Palazzi des Manierismus wurde die Rustika auch durch unregelmäßig verputztes Ziegelmauerwerk vorgetäuscht. Diese Art Wandgliederung wird auch mit Rustizierung bezeichnet.
Wiederaufgegriffen wurde die Bossierung auch für den Historismus der Gründerzeit, etwa den Wiener Ringstraßenstil, als Putz-Imitat charakteristisch.
- Polsterrustika. Florenz, Palazzo Strozzi
- Bossenwerk an Mauerecken und zur Fassadengliederung. Wiehlhaus, Slaný (Schlan), Mittelböhmische Region, Tschechien
Literatur
- Thanassis E. Kalpaxis: Hemiteles. Akzidentelle Unfertigkeit und „Bossen-Stil“ in der griechischen Baukunst. Mainz 1986.