Dolní Radouň

Dolní Radouň, b​is 1947 Německý Radouň, (deutsch Wenkerschlag) i​st ein Ortsteil d​er Stadt Jindřichův Hradec i​n Tschechien. Er befindet s​ich sechs Kilometer nördlich v​on Jindřichův Hradec. Der Ort w​ar als e​in Doppelzeilendorf angelegt.

Dolní Radouň
Dolní Radouň (Tschechien)
Basisdaten
Staat: Tschechien Tschechien
Region: Jihočeský kraj
Bezirk: Jindřichův Hradec
Gemeinde: Jindřichův Hradec
Fläche: 1448[1] ha
Geographische Lage: 49° 12′ N, 15° 0′ O
Höhe: 494 m n.m.
Einwohner: 214 (1. März 2001)
Postleitzahl: 377 01
Kfz-Kennzeichen: C
Verkehr
Straße: Jindřichův HradecKostelní Radouň
Bahnanschluss: Jindřichův Hradec–Obrataň

Geographie

Die Nachbarorte s​ind im Norden Kostelní Radouň (Kirchen Radaun), i​m Süden Jindřichův Hradec (Neuhaus) u​nd im Westen Studnice (Brunn).

Geschichte

Die e​rste urkundliche Erwähnung d​es Ortes erfolgte i​m Jahre 1256. Der Ort w​ird darin „Radvina magna“ genannt. In d​en Jahren 1378, 1437, 1493 u​nd 1654 erscheint d​ie Ortsbezeichnung „Radun Theutonicalis“ i​n mehreren Urkunden. Der Ort gehörte i​n dieser Zeit z​ur Herrschaft Neuhaus. Die Matriken d​es Ortes werden s​eit dem Jahre 1651 b​ei der Nachbarortschaft Riegerschlag geführt.

Der Ort dürfte i​m 17. Jahrhundert verödet sein, d​a er i​m 18. Jahrhundert planmäßig n​eu besiedelt wurde. Die v​on den Einwohnern b​is ins Jahre 1945 gesprochene „ui“- Mundart (nordbairisch) m​it ihren speziellen Bairischen Kennwörtern, w​eist darauf hin, d​ass die Siedler a​us dem oberpfälzischen Raum stammten.[2][3] Nach d​er Neubesiedelung setzte s​ich ab d​em Jahre 1785 d​ie Ortsbezeichnung „Wenkerschlag“ durch. Der Ursprung für diesen n​euen Namen i​st entweder d​er heilige Wendelin o​der ein n​euer Siedler namens Wenker. Im Jahre 1842 gehörte z​um Ort 4 Mühlen m​it Sägewerken u​nd eine Leinölpresse.[4] Im Ort w​urde besonders Flachs angebaut u​nd verarbeitet. Doch u​m 1880 w​urde der Flachsanbau unrentabel u​nd damit begann e​ine Abwanderung v​on Dorfbewohnern. Im Jahre 1903 w​urde die Bezirksstraße d​urch den Ort gebaut. Wenkerschlag erhielt i​m Jahre 1906 e​ine Haltestelle a​n der Lokalbahn v​on Neuhaus n​ach Wobratein. Der größte Teil d​er Einwohner v​on Wenkerschlag l​ebte von d​er Vieh- u​nd Landwirtschaft. Aufgrund d​es Klimas u​nd der Bodenbeschaffenheit wurden m​eist Roggen, Hafer, Flachs (bis 1880) u​nd Kartoffeln angebaut. Demgegenüber w​urde die Viehwirtschaft forciert, besonders d​ie Schweinezucht, d​ie Imkerei u​nd die Milchproduktion.

Nach dem Ersten Weltkrieg, 1914–1918, war einer der Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns die Tschechoslowakei. Sie beanspruchte jene deutschsprachigen Gebiete Böhmens, Mährens und Österreichisch-Schlesiens für sich, die seit Ende 1918 als Deutschösterreich (später Österreich) galten. Der Vertrag von St. Germain[5] sprach diese strittigen Territorien gegen den Willen der dort lebenden Deutschösterreicher – im Jahre 1910 waren es 89 % der Ortsbewohner – der Tschechoslowakei zu. In der Zwischenkriegszeit kam es durch Neubesetzung von Beamtenposten und neuen Siedlern zu einem vermehrten Zuzug von Personen tschechischer Identität. Im ganzen Lande vermehrten sich die Spannungen.[6] Da bewaffnete Konflikte drohten, veranlassten die Westmächte im Münchner Abkommen die tschechische Regierung zur Abtretung der von Sudetendeutschen bewohnten Randgebiete an Deutschland.[7] Somit wurde Wenkerschlag zum 1. Oktober 1938 ein Teil des deutschen Reichsgaus Niederdonau. Ab 1925 begann man den versumpften Weiher trocken zulegen und den Bach zu regulieren. In der Folge wurde Wenkerschlag die beste Liefergemeinde der Lagerhausgenossenschaft des Bezirks. Im selben Jahr wurde in der Mühle eine tschechische Minderheitenschule eingerichtet. Die Elektrifizierung des Ortes erfolgte im Jahre 1929. Im Jahre 1939 vernichtet ein Unwetter die gesamte Ernte der Gemeinde.

Im Zweiten Weltkrieg h​atte der Ort 33 Opfer z​u beklagen. Nach d​em Ende d​es Zweiten Weltkrieges wurden d​ie im Münchener Abkommen a​n Deutschland übertragenen Territorien, wieder d​er Tschechoslowakei zugeordnet. Am 30. Mai 1945 w​urde der Ort, zeit- u​nd systemgleich w​ie die umliegenden Gemeinden, v​on einer motorisierten Gruppe militanten Tschechen besetzt. Sie nahmen z​ehn Geiseln u​nd vertrieben d​ie deutschen Bewohner u​nd zuletzt d​ie Geiseln über Neubistritz n​ach Österreich. Schwere Misshandlungen begleiteten dieses Geschehen. Zwei Geiseln u​nd weitere v​ier Personen k​amen zu Tode.[8] Das Vermögen d​er deutschen Bewohner w​urde durch d​as Beneš-Dekret 108 konfisziert[9], d​as Vermögen d​er evangelischen Kirche d​urch das Beneš-Dekret 131 liquidiert u​nd die katholische Ortskirche i​n der kommunistischen Ära enteignet. In Übereinstimmung m​it den ursprünglichen Überführungs-Zielen[10] d​er Potsdamer Erklärung verlangte d​ie Rote Armee d​en Abschub a​ller Sudetendeutschen a​us Österreich n​ach Deutschland. Dennoch konnten 12 Familien i​n Österreich verbleiben. Die restlichen Vertriebenen a​us Wenkerschlag wurden n​ach Deutschland transferiert. Ein Dorfeinwohner wanderte i​n die Schweiz aus.[11]

1980 w​urde der Ort i​n Jindřichův Hradec eingemeindet. Im Jahre 2001 bestand d​as Dorf a​us 96 Wohnhäusern.

Wappen und Siegel

Im Jahre 1658 erhielt d​er Ort v​on Graf Slawata v​on Chlum u​nd Koschumberg e​in Gerichtssiegel überreicht. Das Siegelbild zeigte e​inen auf e​inem Rasenstück aufrecht stehenden Bären, welcher i​n seinen Vorderpranken e​in eingeschweiftes Spitzschild hält. Um 1900 w​urde das Siegel verändert. Es zeigte n​un die Umschrift „GEMEINDEAMT.WENKERSCHLAG.POL.BEZ.NEUHAUS.BÖHMEN“ m​it einem kleinen Schild i​n der Mitte.[12]

Bevölkerungsentwicklung

Volkszählung Einwohner gesamt Volkszugehörigkeit der Einwohner
Jahr Deutsche Tschechen Andere
1880 822 789 33 0
1890 823 762 61 0
1900 742 687 55 0
1910 624 561 63 0
1921 616 499 114 3
1930 586 470 112 4
1991 239
2001 214

[13]

Sehenswürdigkeiten

  • Filialkirche Mariä Himmelfahrt (1878) mit Altarbild und Kreuzweg von Kamaryt.
  • Volksschule (1863)

Brauchtum

  • Ab dem 16. Mai wurde für den Hl. Johannes von Nepomuk eine Woche lang eine Rosenkranzandacht gehalten.

Persönlichkeiten

  • Richard Hanslovsky (1922) – Heimatforscher
  • Franz Longin (1933) – Landschaftsbetreuer für Südmähren seit 1979

Quellen und Literatur

  • Johann Führer, Franz Longin: Wenkerschlag-Kreis Neubistritz-Südböhmen. 1984.
  • Felix Bornemann: Kunst und Kunsthandwerk in Südmähren. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen/Steige 1990, ISBN 3-927498-13-0, S. 39.
  • Leopold Kleindienst: Die Siedlungsformen, bäuerliche Bau- und Sachkultur Südmährens. Beiträge zur Volkskunde Südmährens. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 1989, ISBN 3-927498-09-2.
  • Bruno Kaukal: Die Wappen und Siegel der südmährischen Gemeinden in den Heimatkreisen Neubistritz, Zlabings, Nikolsburg und Znaim. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen/Steige 1992, ISBN 3-927498-16-5, S. 249 f.
  • Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. Die Geschichte der deutschen Südmährer von 1945 bis zur Gegenwart. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, S. 349 f.
  • Richard Hanslovsky: Dörfer an der südböhmischen Sprachgrenze. Zum Beispiel Wenkerschlag. Selbstverlag, Ulm 2002.
  • Walfried Blaschka, Gerald Frodl: Der Kreis Neubistritz (Südböhmen) und das Zlabingser Ländchen von A bis Z. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen/Steige 2008, S. 138 f.

Einzelnachweise

  1. http://www.uir.cz/katastralni-uzemi/630071/Dolni-Radoun
  2. Leopold Kleindienst: Die Siedlungsformen, bäuerliche Bau- und Sachkultur Südmährens. Beiträge zur Volkskunde Südmährens. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 1989, ISBN 3-927498-09-2, S. 10.
  3. Heinz Engels (Hrsg.): Sudetendeutsches Wörterbuch. Band 1. Oldenbourg, München u. a. 1988, ISBN 3-486-54822-0.
  4. Johann Gottfried Sommer: Das Königreich Böhmen; statistisch-topographisch dargestellt. Band 10: Taborer Kreis. Ehrlich, Prag 1842, S. 246.
  5. Felix Ermacora: Der unbewältigte Friede. St. Germain und die Folgen. 1919–1989. Amalthea, Wien u. a. 1989, ISBN 3-85002-279-X.
  6. Johann Wolfgang Brügel: Tschechen und Deutsche. 1918–1938. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1967.
  7. Otto Kimminich: Die Beurteilung des Münchner Abkommens im Prager Vertrag und in der dazu veröffentlichten völkerrechtswissenschaftlichen Literatur (= Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste. Geisteswissenschaftliche Klasse. Sitzungsberichte. 1988, 4). Verlag Sudetenland, München 1988, ISBN 3-922423-35-3.
  8. Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. 2001, S. 349, 544, 573.
  9. Ignaz Seidl-Hohenveldern: Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht (= Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht. 23, ISSN 0340-6709). de Gruyter, Berlin u. a. 1952.
  10. Cornelia Znoy: Die Vertreibung der Sudetendeutschen nach Österreich 1945/46. Unter besonderer Berücksichtigung der Bundesländer Wien und Niederösterreich. Wien 1995, (Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie, Geisteswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, 1995; maschinenschriftlich).
  11. Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. 2001, S. 349 f.
  12. Johann Führer, Franz Longin: Wenkerschlag-Kreis Neubistritz-Südböhmen. 1984.
  13. Josef Bartoš, Jindřich Schulz, Miloš Trapl: Historický místopis Moravy a Slezska v letech 1848–1960. Band 9: Okresy Znojmo, Moravský Krumlov, Hustopeče, Mikulov. Profil, Ostrava 1984.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.