Dieter Pildner
Dieter Pildner (* 31. Dezember 1940 in Bukarest) ist ein deutsch-italienischer Land-Art-Künstler in Pievalinghe bei Montaione (Toscana), der in Rumänien geboren wurde. Sein ursprünglicher Nachname lautet: Pildner von Steinburg. Mütterlicherseits entstammt er altem österreichisch-italienischem Adel aus Piacenza (Lombardei). Sein Urgroßvater war der Architekt, Philosoph, Sexualpsychologe und Autor Ferdinand von Fellner-Feldegg, eigentlich Fellner Ritter von Feldegg.
Leben
Pildner verließ schon 1944, gerade erst vier Jahre alt, mit seinen Eltern, die vor den herannahenden Sowjettruppen flüchteten, Rumänien. Er ging dann über Frankreich nach Argentinien und kam erst 1960 als staatenloser 19-Jähriger nach Deutschland.
Seine Frau Anna, mit der er zu Beginn der 1960er Jahre die damals in ruinösem Zustand befindliche Azienda Pievalinghe erwarb, um sie gemeinsam in mühevoller Arbeit wieder bewohnbar zu machen, stammt aus Fürth in Franken. Die ersten Jahre in Pievalinghe waren für die „neuen Siedler“ nicht einfach, weil die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und an den Rückzug der deutschen Truppen (1944–1945) bei den Einwohnern noch sehr lebendig waren. Damals hatten die Nazis in Montaione auf ihrem Rückzug ein mittelalterliches Stadttor sowie bewohnte Gehöfte, die an der Landstraße lagen, gesprengt, um so den Vormarsch der alliierten Truppen zu verzögern.
Werk
„Der Pantheismus als ein im Kontext des Monotheismus entstandenes neuzeitliches Phänomen erhält hier in Pievalinghe im Bereich der zeitgenössischen Land-art neue Inhalte,“ erklärt der Künstler. „Und das ist mehr, als einst der Philosoph Baruch Spinoza zu definieren versuchte, als er Gott als Substanz bestimmte und ihn mit der Natur identifizierte“,[1] denn Dieter Pildner vertritt eine Richtung der modernen Kunst, die Ende der 1960er entstanden ist und die Landschaft als Gestaltungsmaterial betrachtet und zu verändern versucht. Sein Denken ist wohl pantheistisch geprägt, wie er im Gespräch mit Freunden sagt, und als Künstler findet er Religion und Glauben in der Natur. Doch seine geistigen Vorbilder sind unter anderen der Dichter Henri Michaux, der auch dem rumänisch-französischen Kulturphilosophen Émile Cioran nahestand. „Der Mensch plagt sich, eine eigene Ordnung in die Ordnung der Natur zu bringen, und will so an der Schöpfung teilhaben“, sagt credohaft Dieter Pildner. „Die Kunst aber ist die große Verweigerung in dieser spießerischen Gesellschaft, doch die Gesellschaft akzeptiert das nicht (...)“[1] „Diese Landschaften zu modellieren ist eine große Leidenschaft, die ich kreativ auslebe.“[2]
Wie auch die rumänischen Künstler Alexandru Cǎlinescu Arghira und Maxim Dumitraş hat Pildner „un nou spaƫiu contemporan dedicat landartei“ (einen neuen zeitgenössischen Raum, der der Land Art gewidmet ist) geschaffen.[3]
Betrachtet man die neueste und derzeit wichtigste Arbeit von Dieter Pildner, die Monumentalskulptur „Inùtile“, [...] so erinnert man sich vielleicht an die kinetische Kunst von Jean Tinguely oder an den amerikanischen Objekt-Künstler Man Ray (Emmanuel Rudnitzky), der übrigens auch osteuropäische Wurzeln hat. Doch Dieter Pildner dürfte, jedenfalls bei diesem Werk, das nun als Bestandteil seiner großräumigen Land-Art-Szene ist, am meisten den Künstlern des Ready-made-Konzepts, beginnend mit Marcel Duchamp, Kurt Schwitters und Meret Oppenheim bis Joseph Beuys, nahe stehen. Allerdings ist Pildners „Inùtile“ nicht nur ein „Objet trouvé“, ein „gefundener Gegenstand“, wie beispielsweise manche Werke von Duchamp (wie „Fahrrad-Rad“), Beuys („Badewanne“) oder Robert Rauschenbergs „Reste“ einer „materiellen Welt“, sondern hier handelt es sich, wie man sehen kann um ein „Assisted Ready-made“ (ein „unterstütztes Ready-made“), wie es in der modernen Kunst definiert wird. Das ist ein Alltagsgegenstand, der mit einem anderen Objekt „kombiniert“, also von diesem kreativ „unterstützt“ wird.[4]
Doch auch diese Definition trifft auf das einmalige Kunstwerk in Pievalinghe nicht ganz zu, denn Pildner hat hier ein großes, im Einzelnen nicht durchschaubares Ensemble von Altagsgegeständen aus verschiedenen Zeiten und Bereichen (Radschaufeln, Handsensen, Wagenräder, Spaten, Tischlerwerkzeug, große Korbflaschen und vieles mehr) vereint und integriert, um seine Auffassung anschaulich zu machen: Was einst so nötig war, so notwendig und lebenswichtig, das ist heute – entwicklungsgeschichtlich- und zeitbedingt – völlig bedeutungslos geworden. Und nun rostet das alles als großes Kunstwerk, das den Betrachter nachdenklich macht, als stummer Ruf aus vergangenen Zeiten still und langsam dahin. [...][5]
Zitate
„Die Künstler. Ich glaube, sensible Menschen können gar nicht anders: Sie müssen Künstler sein oder zu Künstlern werden – auch dann, wenn sie anfangs vielleicht gar nicht dazu bestimmt sind.“
„Bei traumatisierten Menschen ist die bildende Kunst vielleicht die einzige Alternative zu Mord, Verbrechen oder geistiger Verwirrung – um dem zu entkommen und dadurch eine Befreiung zu erlangen, sprich Genesung...“
„Kunst und Kunstwerk. Wenn Kunst echt ist, dann kommt sie vom Leben her, vom Erlebten, und es ist kein Zufall, dass sie meistens aus einem Gefühl des Mangels, einer Insuffizienz, einem Trauma heraus entsteht. Künstlersein ist, meiner Meinung nach, kein Beruf, und auch keine Berufung. Künstlersein ist ein Zustand. Auch selbst dann, wenn dabei niemals ein Werk entstehen sollte […].“
„[…] Bei aller Qual, der endlosen Anstrengung usw. ist Kunst eine Gnade, die dir widerfährt – das „Problem Leben“ löst sich darin auf; es ist plötzlich alles ganz einfach: Angst, Hader, Hass, Pedanterie schwinden; du schwebst, und nichts kann dich mehr tödlich treffen...“
Aus: Dieter Pildner: An stillen Tagen. In: Neue Kronstädter Zeitung (München), 31. Jg., Nr. 119/1, 31. März 2015, S. 5.
Literatur
- Constantin Prut: Dicƫionar de artǎ modernǎ. Editura Albatros, Bucureşti, 1982, S. 241.
- Bruno Moravetz: Ein Entwurzelter, der Boden unter die Füße bekam. In: Siebenbürgische Zeitung (München), 20. August 1997, S. 3.
- Constantin Prut: Dicƫionar de artǎ modernǎ şi contemporanǎ. Univers Enciclopedic, Bucureşti, 2002, S. 283.
- Claus Stephani: Die Uffizien von Pievalinghe. Anna und Dieter Pildner von Steinburg. In: Siebenbürgische Zeitung (München), 12. Mai 2009.
- Claus Stephani: Panorama nach Osten. Wie Dieter Pildner in der Toskana zur Land Art kam. In: Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (Bukarest), 14. Dezember 2013, S. 11.
- Claus Stephani: “So wird die Kunst zu einem tiefen Bedürfnis.” Gespräch mit Dieter Pildner in der Toskana. In: Neue Kronstädter Zeitung (München), 30/115, 27. März 2014, S. 9, 14.
- Cosmin Nasiu: Instituƫia „Land Art“. In: Arta. Revista de arte vizuale
- Claus Stephani: Wenn uns Kunst bewegt. Zum neuen Monumentalwerk von Dieter Pildner in der Toskana. In: Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (Bukarest), 23/5556, 30. Januar 2015, S. 11.
Einzelnachweise
- Claus Stephani: Die Uffizien von Pievalinghe: Anna und Dieter Pildner von Steinburg. Siebenbürgische Zeitung, 12. Mai 2009, abgerufen am 13. August 2014.
- Dieter Pildner: Künstlerisch... (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 12. August 2014; abgerufen am 13. August 2014. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Vgl. Cosmin Nasiu: Instituƫia „Land Art“ (Memento des Originals vom 12. August 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . In: Arta. Revista de arte vizuale.
- http://www.adz.ro/kultur/artikel-kultur/artikel/wenn-uns-kunst-bewegt/
- http://www.adz.ro/kultur/artikel-kultur/artikel/wenn-uns-kunst-bewegt/