Dialekte in Sachsen-Anhalt
Überblick
In Sachsen-Anhalt wird in neuerer Zeit ein regional eingefärbtes Hochdeutsch gesprochen, das in den südlichen Landesteilen vom thüringisch-obersächsischen Dialekt geprägt ist, aber auch eine Vielzahl spezifischer Wendungen aus dem Mark-Brandenburgischen aufweist.
Ein typischer Regiolekt ist die Anhaltische Mundart („Das Anhaltische“), die bis in die Gegenwart in der Literatur als Prosa und auch als Lyrik gepflegt wird.[1][2] Sie umfasst die Region der ehemaligen Fürstentümer und späteren Herzogtümer Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Anhalt-Bernburg mit zeitweilig Anhalt-Plötzkau sowie nördlich angrenzend teilweise Anhalt-Zerbst. Nach Norden nehmen das niederdeutsche Substrat bzw. die Wendungen aus dem Mark-Brandenburgischen zu. Sehr selten trifft man noch bei älteren Leuten diejenigen Dialekte an, die anstelle des Anhaltischen ursprünglich in den Regionen gesprochen wurden.
Was diese Dialekte betrifft, liegt das Bundesland in einer Übergangszone:
Im Norden des Landes rund um Magdeburg und in der Altmark wurde ursprünglich (und wird selten noch) die niederdeutsche Sprache gesprochen. Im Einzelnen handelt es sich dabei in der westlichen Magdeburger Börde einschließlich der Stadt Magdeburg um den ostfälischen Dialekt der niedersächsischen Sprache, östlich der Elbe und in der Altmark um den Märkisch-Brandenburgischen Dialekt der ostniederdeutschen Sprache, zuweilen auch als altmärkisch bezeichnet.
Etwa entlang der Städte Wernigerode – Aschersleben – Schönebeck – Roßlau existiert eine gedachte Trennlinie. Diese Linie wird im Volksmund auch ik-ich-Linie genannt. Südlich davon werden mitteldeutsche Dialekte gesprochen. Westlich der Saale handelt es sich dabei um Thüringisch, östlich davon um Obersächsisch. Die Dialekte Sachsen-Anhalts gehören zu den sogenannten „Appel-Dialekten“. So sagt beispielsweise ein Dessauer Mundartsprecher zwar „ich“, aber anstelle des Wortes „Apfel“ verwendet dieser das unverschobene „Appel“.
Alexander Kluge beschreibt in seinem Werk „Chronik der Gefühle“ im Teil „Unheimlichkeit der Zeit. Bilder aus meiner Heimatstadt“ die Situation in Halberstadt: „... zwischen Unterstadt und Oberstadt verlief die Sprachgrenze zwischen Platt, der Unterschichtensprache, und der Oberschichtsprache Magdeburgisch-Thüringisch – eine Klassengrenze.“
Das Mansfeldische ist ein Dialekt, welcher sich nur auf die Region Hettstedt-Mansfeld und Eisleben bezieht. In den so genannten Grunddörfen (zwischen Eisleben und Helbra gelegen) ist dieser Dialekt in seiner Urform zum Teil noch heute sehr ausgeprägt.
Auffällig ist eine stark differenzierte Aussprache des G-Lautes in der Region: Man sagt, die Magdeburger sprechen das G auf fünf verschiedene Arten, ähnlich dem Berlinerischen. Diese fünf Arten kommen zum Beispiel in der Wortgruppe „Vogelgesang in Magdeburg“ vor: „Voreljesank in Machdeburch“. Das „r“ steht hier nicht für einen „gerollten“ Laut, sondern für einen Frikativ, wie das niederländische „g“, das erste ch ist am weichen Gaumen, das zweite „vorn“ (am harten Gaumen) zu sprechen: [ˈfoɣəljɛˌzaŋk ɪn ˈmaxtəˌbɔɐ̯ç]. Auffällig ist ebenso wie im Berlinerischen die Verschmelzung von Dativ und Akkusativ zu einem sogenannten Akkudativ bei maskulinen Substantiven, die Nichtunterscheidung von Fällen im Plural sowie bei sonstigen Substantiven die Unterscheidung Dativ – Nicht-Dativ.
Folglich basiert das Dialektkontinuum im Land Sachsen-Anhalt auf einem fünfteiligen Sprachensubstrat: Im Norden (Altmark) nordmärkisch, südlich davon (Börde) ostfälisch und „Machdeburjerisch“, weiter südlich (Anhalt) anhaltisch, in der Region Halle hallensisch sowie im Süden und Südwesten (Raum Zeitz, Weißenfels, Querfurt, Mansfeld, Harzgerode) thüringisch.
Der Wortschatz der Dialekte des Nordteiles des Bundeslandes ist erfasst und beschrieben im Mittelelbischen Wörterbuch. Die thüringischen Landesteile sind im Thüringischen Wörterbuch erfasst.
Einzelnachweise
- Georg Müller: Mei Anhalt, wu ich heeme bin. Mundartgeschichten und Gedichte. Zusammengestellt und herausgegeben von Gunnar Müller-Waldeck. Anhalt Edition, Dessau 2009, ISBN 978-3-936383-15-7.
- Heribert Pistor: De Rickfahrkoarte odder: Nochwas uff Aanhält’sch. Hundert Mundartgedichte in anhaltischem Dialekt. Anhält’sche Jetichte Band 4. Anhalt Edition Dessau, Dessau-Roßlau 2018, ISBN 978-3-936383-29-4.