Deutsche Hundekuchen-Fabrik
Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik in Hannover war eine im 19. Jahrhundert gegründete Fabrik zur Herstellung von Futtermitteln, insbesondere von Hundekuchen.[1]
Geschichte
Nach dem Deutsch-Französischen Krieg in den Jahren von 1870 und 1871 und der Ausrufung des deutschen Kaiserreichs errichtete der der von der Insel Fehmarn stammende Kaufmann Johannes Kühl in Hannover während der sogenannten „Gründerzeit“ zunächst eine Dampfbäckerei in der Glockseestraße,[1] die als Hauptstraße des ehemaligen Vorortes Glocksee[2] wenige Jahre zuvor gemeinsam mit der Ohe in die Calenberger Neustadt eingemeindet worden war.[3] Diese dampfbetriebene Bäckerei wandelte Kühl um in die[4] unter der Adresse Glockseestraße 7 A P laut den Adressbüchern der Stadt Hannover erstmals für das Jahr 1880 nachgewiesene Deutsche Hundekuchenfabrik.[5]
Die Hervorhebung des Begriffs „Deutsch“ im Firmennamen war einerseits Ausdruck einer Deutschtümelei nach dem „Sieg“ über Frankreich und dem nicht erst nach dem Ende der Kleinstaaterei durch die Deutsche Einigung einsetzenden Patriotismus, wenngleich auch die Einigung nur unter der Vormachtstellung des Königreichs Preußens als Kleindeutsche Lösung zustande kam. Andererseits war die Hundehaltung Ausdruck bürgerlichen Selbstbewusstseins, für das der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck mit seiner Deutschen Dogge das große Vorbild lieferte.[1]
Die „Deutsche“ Hundekuchen-Fabrik, bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung auf einem Jahreskalender von 1884 sicher auch euphemistisch in gewaltigen Ausmaßen abgebildet,[1] schien mit ihrer Namensgebung für eine ganze Nation zu sprechen, stand dabei aber im Wettbewerb mit anderen Unternehmen in Deutschland[6] und insbesondere mit dem englischen Konkurrenten Spratt.[1] Auf internationalen Messen im In- und Ausland präsentierte der Unternehmenschef Johannes Kühl seine Deutschen Hundekuchen und wurde dafür in München, Wien und Zürich mit 1. Preisen ausgezeichnet.[1]
Das Futtermittelunternehmen arbeitete unter anderem eng mit dem Verein zur Veredelung der Hunderassen zusammen und konnte zahlreiche namhafte Persönlichkeiten für die Bewerbung der Produkte gewinnen, etwa den Generalleutnant Hermann von Kotze, den Veterinärmediziner Karl Dammann, den Bankier Emil Meyer und andere mehr.[7]
Um 1887 betrieb die Firma bereits Versandlager in Berlin, Köln, Leipzig und Hamburg sowie in Frankfurt am Main und München.[7] Die Erzeugnisse „aus Fleischabfällen, Getreidemehl und dergl.“ galten als „vertrauenserweckender“ als die Produkte der Konkurrenz. Sie wurden von dem Chemiker Carl Arnold geprüft[8] und standen unter ständiger Kontrolle der Königlichen Tierärztlichen Hochschule Hannover.[9]
Ebenfalls 1887 firmierte die Deutsche Hundekuchenfabrik als „[...] älteste und größte [derartige] Fabrik Deutschlands“ unter der Adresse Füsilierstraße 30 a., b. und c.;[7] eine Straße, die im hannoverschen Stadtteil List nahe dem Welfenplatz später in Bronsartstraße umbenannt wurde.[10]
Im Angebot hatte das Unternehmen laut einer Preisliste von vermutlich 1888 neben dem „Deutschen Vereins-Hundekuchen“ für Hunde aller Rassen auch den – besonders teuren – „Leberthrankuchen“, sowie für andere Haus-, aber auch Nutztiere beispielsweise Kühls Geflügelfutter oder das sogenannte „Präriefleisch“ für Fasane und andere „[...] Insecten fressende Tiere“ wie etwa Fische. Neben Futter beispielsweise für die Taubenzucht bot die Fabrik auch Kühl's Schweinemast für Landwirtschaft und als Ergänzung für Selbstversorger.[1]
Die Deutsche Hundekuchen-Fabrik, die einzige derartige Fabrik im Hannover des 19. Jahrhunderts, „[...] wechselte, unter Beibehaltung ihres Namens, 1889/90 den Inhaber, ging an Erwin Stahlecker in Berlin und später an Robert Baelz in London.“[5] Sie wurde laut den Adressbüchern Hannovers aber mindestens noch bis in das Jahr 1900 in Hannover weiterbetrieben.[5]
Ebenfalls etwa um 1890 hatte der Firmengründer Johannes Kühl zudem seine Patente an den englischen Mitbewerber Spratt's[4] für 100000 Goldmark verkauft,[1][Anm. 1] und begann in dem bald nach ihm benannten „Kühlshausen“ in Kirchrode als Bauherr und Architektur-„Kopist“ seine nächsten Unternehmungen.[11] Der Nachlass des Unternehmers befindet sich im Besitz der Nachkommen Kühls.[1]
Anmerkungen
- Davon abweichend betonte Kühl in einer Nachbemerkung („NB.“) kurz zuvor: „Ein Patent auf Hundekuchen ist in Deutschland nicht zulässig [...]“ (vergleiche diesem Werbefaltblatt von circa 1887). Womöglich handelte es sich um Patente zu den Herstellungsverfahren.
Literatur
- Hans Werner Dannowski: „Wir gehen ins Dorf.“ Kirchrode. In: Hannover - weit von nah. In Stadtteilen unterwegs. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-653-4, S. 151–176, vor allem ab S. 172 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Ludwig Hoerner: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe-ABC 1800–1900. Hrsg. Hannoversche Volksbank, Reichold, Hannover 1995, ISBN 3-930459-09-4, S. 206; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
Einzelnachweise
- Hans Werner Dannowski: „Wir gehen ins Dorf.“ Kirchrode. In: Hannover - weit von nah. In Stadtteilen unterwegs. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-653-4, S. 151–176, vor allem ab S. 172 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Helmut Zimmermann: Glockseestraße, in ders.: Die Straßennamen der Landeshauptstadt Hannover, Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 93
- Klaus Mlynek: Calenberger Neustadt. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 105f.
- Helmut Zimmermann: Kennen Sie „Kühlshausen“?, in ders.: Ein Zug durchs Leinetal. Pomp & Sobkowiak, Essen 1987, ISBN 3-922693-20-2, S. 90f.
- Ludwig Hoerner: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe-ABC 1800–1900. Hrsg. Hannoversche Volksbank, Reichold, Hannover 1995, ISBN 3-930459-09-4, S. 206; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- Vergleiche etwa Kühls Nachbemerkung („NB.“) auf dieses Werbefaltblatt von circa 1887
- Vergleiche die Adressangabe auf diesem Werbefaltblatt von circa 1887
- Emil Pott: Die landwirtschaftlichen Futtermittel. Handbuch für Tierzüchter und Tierhalter. Parey, Berlin 1889, S. 654.
- Gefiederte Welt, Band 102, 1978, S. 243.
- Helmut Zimmermann: Bronsartstraße, in ders.: Die Straßennamen der Landeshauptstadt Hannover ..., S. 48
- Cornelia Kuhnert (Text), Günter Krüger (Fotos): Die Kaiser-Wilhelm-Straße. Der Kopist von Kühlshausen, in dies.: 111 Orte in Hannover, die man gesehen haben muss, [Köln]: emons, 2013, ISBN 978-3-95451-086-3, S. 118
Weblinks