DR-Baureihe ET 168
Der ET 168 ist ein elektrischer Triebwagen der Berliner S-Bahn. Die ab 1926 ausgelieferte, als Bauart 1925 und in der Umgangssprache der Eisenbahner auch als Bauart Oranienburg bezeichnete Baureihe hatte einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung des Berliner S-Bahn-Netzes.
DR-Baureihe ET/EB 168 | |
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DR-Baureihe ET/EB 168 | |
Anzahl: | 50 Triebwagen 50 Beiwagen |
Hersteller: | WUMAG, Gothaer Waggonfabrik, Linke-Hofmann, Fuchs, Uerdingen, Killing, Wegmann, O&K, Niesky, Grünberg, van der Zypen (nur ET), Gastell (nur ES), Steinfurt, Talbot (nur EB); elektrische Ausrüstung AEG, BBC, SSW, BEW, MSW |
Baujahr(e): | 1926 |
Ausmusterung: | um 1962. Teile zum Bau von EIII-Wagen verwendet. |
Achsformel: | Bo'Bo'+2'2' |
Gattung: | C4 esT / BC4 esS später C4 esT / BC4 es |
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) |
Leermasse: | 44,5 t (Triebwagen) 33,5 t (Steuerwagen) |
Höchstgeschwindigkeit: | 80 km/h |
Stundenleistung: | 460 kW |
Stromsystem: | 750 V = |
Stromübertragung: | seitliche, von unten bestrichene Stromschiene |
Anzahl der Fahrmotoren: | 4 |
Bremse: | Einlösige, schnellwirkende Personenzugbremse der Bauart Knorr |
Steuerung: | elektro-pneumatisch |
Kupplungstyp: | Scharfenbergkupplung |
Geschichte
Nachdem am 8. August 1924 mit den Versuchszügen und mit den 1925 gelieferten Zügen der Bauart Bernau der elektrische Betrieb begonnen hatte, wurde schnell klar, dass die bisher eingesetzten Fahrzeuge den Anforderungen nicht genügten. Die Zugkonfiguration der Versuchszüge und der später als Baureihe ET 169 bezeichneten Wagen – ein langer, vierachsiger Triebwagen mit nur einem angetriebenen Drehgestell und drei zwischengekuppelte zweiachsige Wagen – galt schon bei ihrer Auslieferung als überholt. Insbesondere das Anfahrverhalten bei feuchter Witterung verlangte von den Triebwagenführern großes Fingerspitzengefühl.
Die Deutsche Reichsbahn entschied sich deshalb, die Zugkonfiguration zu ändern, und orientierte sich dabei am Vorbild der Berliner U-Bahn, die gleich lange Wagen einsetzte. Das neue Zugbildungskonzept sah nun einen Triebwagen mit und einen Steuerwagen ohne Antrieb vor. Diese kleinste betriebsfähige Einheit wurde fortan als Viertelzug bezeichnet; zwei Viertelzüge bildeten einen Halbzug, drei einen Dreiviertelzug, vier einen Vollzug. Diese Einteilung wird bis heute bei der Berliner S-Bahn verwendet. Die Eisenbahn beauftragte insgesamt 14 Waggonfabriken mit dem Bau von 50 Viertelzügen. Dies waren: WUMAG, Gothaer Waggonfabrik, Linke-Hofmann, Fuchs, Uerdingen, Killing & Sohn (Hamm), Wegmann, Orenstein & Koppel, Waggonfabrik Niesky, Beuchelt & Co. (Grünberg/Schles.), van der Zypen (nur ET), Gastell (nur ES), Steinfurt, Talbot (nur EB). Dies diente in Hinblick auf die geplante Großserie, geeignete Hersteller herauszufinden. Die elektrische Ausrüstung wie Motoren lieferten AEG, BBC und SSW, die übrige BEW (Bergmann Elektrizitätswerke) und MSW (Maffei-Schwartzkopff-Werke).
Die zweite Neuerung kam zwar erst 1928, hat allerdings bis heute Gültigkeit: Der ab 1942 bezeichnete ET 168 043 war der erste, der in den Farben Bordeauxrot/Ocker umlackiert wurde.
Ab 1936 wurden die Steuerwagen in Beiwagen umgebaut, da ohnehin die kleinste im Betrieb genutzte Einheit ein Halbzug war (heute kommen Viertelzüge lediglich im Nachteinsatz auf Außenstrecken vor). Außerdem versetzte man die Wendlerlüfter auf dem Dach nach außen, um mit den Zügen durch den Nordsüd-S-Bahn-Tunnel fahren zu können. Die späteren ET/EB 168 001–019 erhielten zwischen 1936 und 1941 eine neue Inneneinrichtung; die ET/EB 168 020–050 wurden in reine 3.-Klasse-Wagen umgebaut.
Bis Ende der 1930er Jahre – vor der durchgehenden Eröffnung der Nordsüd-S-Bahn – waren die Züge der Baureihe ET 168 beim Betriebswerk Stettiner Bahnhof beheimatet und auf den Nordstrecken eingesetzt. Nach Umbeheimatung zum Bw Westend kamen sie zusammen mit den ET 169 fast ausschließlich im Berufsverkehr auf der Ringbahn und auf der Siemensbahn nach Gartenfeld zum Einsatz, wofür mit den geeigneten Wagen reine Dritte-Klasse-Züge gebildet wurden. Ein Teil der Fahrzeuge wurde bei Bombenangriffen auf das Bw Westend vernichtet, das ebenfalls komplett zerstört wurde.
Nach dem Krieg fuhren die restlichen Viertelzüge im Berufsverkehr auf der Ringbahn oft mit Wagen der Baureihe ET 165 gekuppelt, wobei sie wegen ihrer abweichenden Führerstandausrüstung vorwiegend in Zugmitte eingekuppelt wurden. Besondere Bedeutung hatten die Züge für den Berufsverkehr der Siemenswerke.
Das Aus kam mit dem Bau der Mauer 1961. Durch den West-Berliner S-Bahn-Boykott als Reaktion auf den Bau der Mauer ging der Verkehr im Westteil der Stadt so stark zurück, dass die älteren Fahrzeuge der Baureihe 168 sehr schnell abgestellt wurden. Einige wurden in Rangierfahrzeuge umgebaut, bevor sie in den 1970er Jahren verschrottet wurden. Teile der meisten Oranienburger durften allerdings im Typ E-III/1 auf der Linie E der Berliner U-Bahn weiter „leben“. Hierzu wurden wesentliche elektrische und mechanische Komponenten (Steuerung, Drehgestelle, Fahrmotoren etc.) der alten Züge in neu erbauten schmaleren Wagenkästen montiert, während die Wagenkästen der 168er verschrottet wurden. So „überlebten“ Teile dieser Berliner S-Bahn-Fahrzeuge „bei der U-Bahn“ bis in die 1990er Jahre.
Erhalten ist in der Sammlung des Vereins Historische S-Bahn Berlin der Viertelzug ET 168 029/EB 168 030, der EB ist ein ehemaliger ES aus dem Jahr 1926. Der Viertelzug ist rollfähig, allerdings in nicht restauriertem Zustand und ohne Inneneinrichtung.
Weiterhin existiert der bis 2003 betriebene Schlepptriebwagen 478 701-6 des Werkes Schöneweide. Dieses Fahrzeug hatte 1963 für innerbetriebliche Rangieraufgaben des Raw Schöneweide einen zweiten Führerstand, Scharfenbergkupplungen an beiden Wagenenden sowie Puffer der Regelzug- und -stoßeinrichtung erhalten. Elektrisch konnte man das mit dem Spitznamen „Jumbo“ bezeichnete Fahrzeug (siehe Bild) durch Umschalten mit allen Vorkriegsbaureihen kuppeln, wofür es sowohl die älteren Stecker-Dose-Kupplungen als auch das 1938 eingeführte „Klavier“, eine Kontaktleiste auf der Scharfenbergkupplung, erhielt. Später folgte eine Prüfanlage, um Kurzschlüsse erzeugen und damit in den Unterwerken die Abschaltzeiten messen zu können. Dieses Sonderfahrzeug gehört inzwischen zur Sammlung des Vereins Historische S-Bahn und ist in der letzten Farbgebung rot/anthrazit erhalten (ähnlich der Baureihe 485). Jedoch ist dieser Triebwagen im Laufe der Jahre technisch mehr und mehr in einen „Stadtbahner“ umgebaut worden. Schaltung, Motoren, Bremse etc. stammen von der BR 165 (475 sowie 476.0) und haben mit der ursprünglichen BR 168 nichts mehr zu tun.
Technik
Die kleinste betriebsfähige Einheit ist ein sogenanntes Steuerviertel, bestehend aus einem Trieb- und einem Steuerwagen.
Bei der Erprobung der Fahrzeuge stellte sich als Nachteil beim häufigen Halten und Wiederanfahren das viel zu hohe Leergewicht heraus. Zudem bereitete die nur einfache Isolation der elektrischen Ausrüstungsteile bei Überschlägen Probleme. Diese Unzulänglichkeiten konnten bei der Nachfolgebaureihe „Stadtbahn“ (ET 165) abgestellt werden, die unter anderem etwa sieben Tonnen pro Wagen weniger wog und eine bessere elektrische Ausrüstung erhielt.
Im Gegensatz zu den späteren Baureihen erhielten die Züge des Typs „Oranienburg“ eine mehrlösige Druckluftbremse, weshalb diese Zügen nicht mit denen der späteren Baureihen kuppelbar waren. Ab Mitte der 1930er Jahre wurde diese Bremse gegen die bei der Berliner S-Bahn übliche einlösige Kp-Bremse (Knorr-Personenzugbremse) ausgetauscht, was die Baureihe ET 168 nun auch mit anderen Baureihen kuppelbar machte (außer 167 wegen abweichender Steuerung der elektropneumatischen Bremse).
Die Fahrzeuge der Baureihe ET/EB 168 waren richtungsweisend für die Wagenaufteilung, die später bei allen Baureihen übernommen wurde: pro Wagen und Seite je vier Taschenschiebetüren (anfangs nur von Hand zu schließen, später auf Zentralschließung umgerüstet), im Triebwagen ein Großraum mit 3. Klasse, der geteilte Beiwagen mit 3. Klasse Raucher und 2. Klasse Raucher oder Nichtraucher.
Angetrieben wurden die Fahrzeuge von je zwei 115-kW-Tatzlagermotoren pro Triebgestell (Anordnung Bo'Bo'+2'2') mit insgesamt 460 Kilowatt pro Viertelzug.
Literatur
- Carl W. Schmiedeke: Der Wagenpark der Berliner S-Bahn. Lokrundschau, Hamburg 1997, ISBN 3-931647-05-6.