Waggonfabrik Fuchs
Die Waggonfabrik Fuchs (Wagen-Fabrik H. Fuchs) in Heidelberg stellte von 1862 bis 1957 Schienenfahrzeuge, Brücken und sonstigen Eisenbahnbedarf,[1] hauptsächlich jedoch Eisenbahnwagen und Straßenbahnen her.





Geschichte
Die 1844 von Johann Schäfer in Heidelberg gegründete Waggonfabrik südlich des Hauptbahnhofs in der Weststadt wurde nach dessen Tod 1861 an Heinrich Fuchs verkauft, der am 2. April 1862 die Waggonfabrik Heinrich Fuchs gründete.[1] Ebenfalls noch 1862 wurde die Waggonfabrik Hartmann & Lindt übernommen,[2] die ab 1845 in der Heidelberger Altstadt eine Lok für die badische Staatsbahn gebaut hatte.[1]
Nach dem Tod von Heinrich Fuchs übernahm 1884 sein Sohn Karl Fuchs das Unternehmen.[1] Eine Erweiterung um zwei neue Werkshallen genehmigte die Stadt Heidelberg ihm im Jahr 1897 nur auf Widerruf, da sie es zum Umzug bringen wollte.[1] Auch aufgrund der geplanten Verlegung des Hauptbahnhofs wurde die Fabrik bis 1902 in den damaligen Nachbarort und heutigen Stadtteil Rohrbach auf ein 14 hm2 großes Gelände am dortigen Bahnhof verlegt.[1] Die Umwandlung zur H. Fuchs Waggonfabrik AG Heidelberg erfolgte 1899. Das Unternehmen hatte damals etwa 800 Mitarbeiter.[1] Neben Eisenbahnwagen wurden in der Anfangszeit auch Brücken und andere Teile für Eisenbahnanlagen gebaut. Hauptabnehmer der Waggons waren bis zum Ersten Weltkrieg die Badischen Staatseisenbahnen. Darüber hinaus wurden auch andere Staats- und Privatbahnen beliefert.
Ab etwa 1901 begann die Produktion von Straßenbahnen. Abnehmer waren unter anderem die Elektrische Straßenbahn Heidelberg–Wiesloch, Heidelberger Straßen- und Bergbahn (HSB), Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft (OEG), Rhein-Haardtbahn (RHB). Auch U-Bahn-Züge für die Berliner U-Bahn sowie der Gläserne Zug wurden geliefert. Ein "Highlight" für die Fabrik war der Bau (zumindest einiger Waggons) des persönlichen Sonderzuges von Hermann Göring, bei dessen Innenausbau die edelsten exotischen Hölzer Verwendung fanden, die man bekommen konnte (z. B. Palisander und sehr seltene Mahagoni-Arten). Das Teuerste war gerade gut genug, und die Arbeiter arbeiteten voll Stolz an diesen opulenten Waggons.
Der Börsengang des Unternehmens erfolgte 1908.[1]
Den Ersten und den Zweiten Weltkrieg überstand Fuchs nur mit großen Verlusten, mehrfach mussten nahezu alle Arbeiter entlassen oder der Betrieb eingestellt werden. Nach dem Krieg hatte das Unternehmen mit etwa 1200 Mitarbeitern im Jahr 1925 die Hälfte der Mitarbeiter verloren.[1] Teilweise wurde versucht, auf andere Produkte wie Sattelschlepper oder Bagger auszuweichen, was jedoch nur wenig Erfolg brachte.
1919 bis 1922 wurden mehrere neue Werkshallen für den Bau von Reisezugwagen mit stählernen Wagenkästen gebaut.[1]
1921 wurde Fuchs Mitglied der Eisenbahnwagen Liefergemeinschaft G.m.b.H. (EISLIEG) in Düsseldorf zusammen mit den Waggonbau-Unternehmen Dessauer Waggonfabrik AG, Düsseldorfer Eisenbahnbedarf, vorm. Carl Weyer & Co., Siegener Eisenbahnbedarf AG, Waggon-Fabrik A.G. Uerdingen sowie Wegmann & Co., Kassel.[3] Später traten auch die WUMAG (Waggon- und Maschinenbau A.G., Görlitz) und die Gottfried Lindner AG (Ammendorf) dem Verbund bei. Dieser Waggonbau-Konzern war mit einer Produktionskapazität von jährlich 18–20.000 Fahrzeugen die größte und leistungsfähigste Gruppe innerhalb der deutschen Waggonbau-Industrie.
Mit Hilfe der Waggonfabrik Gebr. Schöndorff wurde 1929 eine Insolvenz des Unternehmens verhindert.[1] Ende August hatte es wieder ein fünffaches der etwa hundert Mitarbeiter, die Anfang des Jahres 1929 noch vorhanden waren.[1]
Die Waggonfabrik Fuchs beschäftigte während des Zweiten Weltkriegs diverse Zwangsarbeiter. Am 8. Mai 1944 wurden fünf russische Zwangsarbeiter hingerichtet; dies war 2015 Anlass für die Errichtung eines Mahnmals auf dem ehemaligen Fabrikgelände.[4]
Die 1930 von der Vereinigung Westdeutscher Waggonfabriken (Westwaggon) übernommene Aktienmehrheit wurde 1940 an die Dillinger Hütte verkauft, die wegen ihrer Lage im Saarland 1957 die Anteile an Fuchs zur Devisenbeschaffung an die International Harvester Company verkaufte, die die Produktion auf Mähdrescher umstellte. 1983 wurde die Fabrik an die Dresser Europe S.A. verkauft, und 1989 weiter an die Furukawa Group.[1] 1995 wurde die Produktion im Rohrbacher Werk eingestellt und es nur noch als Auslieferungslager genutzt.[1] Auf einem etwa 100.000 Quadratmeter großen Terrain der ehemaligen Waggonfabrik Fuchs entstand ab 2001[1] die Wohnsiedlung „Quartier am Turm“.[5][6]
In Heidelberg-Rohrbach wurde eine Straße vom Werksgelände zum Zentrum nach Heinrich Fuchs benannt.
Quellen
- Bernhard König: Schienenfahrzeugbau in Heidelberg. Auf der Website der Eisenbahnfreunde Heidelberg e. V. http://www.ef-heidelberg.de
- Bernhard König: Die Waggonfabrik Heinrich Fuchs in Heidelberg. In: Bundesverband Deutscher Eisenbahnfreunde e.V. Jahrbuch. 1990, ZDB-ID 628687-2, S. 126–137.
- Hans-Erhard Lessing: Triebwagen-Design aus Heidelberg. Die H. Fuchs Waggonfabrik AG. In: Peter Blum (Hrsg.): Pioniere aus Technik und Wirtschaft in Heidelberg (= Schriftenreihe des Stadtarchivs Heidelberg. Sonderveröffentlichung. Bd. 12). Shaker, Aachen 2000, ISBN 3-8265-6544-4, S. 26–41.
- Bauträger Epple Immobilien (http://www.eppleimmobilien.de): Von der Waggonfabrik zu neuem Lebensraum. Auf der Website des Bauträgers zum neuen Quartier am Turm. http://www.quartier-am-turm.de
Weblinks
- Ehemalige Waggonfabrik Fuchs auf der Website des Vereins Rhein-Neckar-Industriekultur
- Frühe Dokumente und Zeitungsartikel zur Waggonfabrik Fuchs in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Einzelnachweise
- http://www.kastenlok.de/efh/fzbau/hauptteil_fzbau.htm
- http://www.s197410804.online.de/Personen/FuchsHsen.htm
- Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart, Hobbing Verlag Berlin, Ausgabe 1923, Seite 480 ff.
- Michael Lingrên - Homepage. Abgerufen am 19. Juni 2021.
- www.conceptaplan.de
- capital.de: Immobilien-Kompass