Chajim Slonimski
Chajim Selig Slonimski (hebräisch חיים זליג סלונימסקי) (geboren am 10. März 1810 in Białystok, Gouvernement Grodno im Russischen Kaiserreich; gestorben am 15. Mai 1904 in Warschau) war ein polnischer hebräischer wissenschaftlicher Schriftsteller, Journalist, Übersetzer, Mathematiker, russischer Regierungszensor für Hebräisch, Verleger, Mechaniker, Erfinder, Astronom, Repräsentant der Haskala und Talmudist.[1][2][3]
Leben
Chajim wurde am 10. März 1810 in der Białystok als Sohn des Glaskrämers Jokob (Ya’aqobh) Slonimski geboren. Über die Mutter sind keine Daten bekannt. Seine Eltern hatten den mosaischen Glauben. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, bekam aber eine hervorragende talmudische Ausbildung. Sein erster Lehrer war Jechil Zabłudowski, bei dem er Deutsch, Französisch und Russisch erlernte. Schon früh zeichneten sich sein Fleiß und seine autodidaktischen Fähigkeiten beim Lernen ab. Mit 16 Jahren wurde er nach altem russischem Brauch verheiratet. Mit seiner Frau lebte er in Sablodoff unweit von Białystok. Im Ehevertrag hatte der Schwiegervater das Versprechen abgegeben, Chajimes Familie über mehrere Jahre mit Essen und Lehrgeld zu versorgen. Die Familie erhielt in dieser Zeit mit Rabbi Hirsch Baschkes einen neuen Lehrer, dieser war ein ausgezeichneter Talmudist. Als der siebzehnjährige Chajim Selig merkte, dass es seinem Schwiegervater schwerfiel, das Geld für die Ausbildung aufzubringen, löste er sich von seinem Lehrer und übernahm seine Aus- und Weiterbildung selbst.[4][5]
Selbststudium und erste Publikationen in Wilna und Warschau
Seine Bücher mit philosophischen und scholastischen Denkweisen führten ihn zu den Lehren des jüdischen Kalenders und der Himmelskörper. Chajim erkannte, dass Maimonides seine Werke unter dem Einfluss des fehlerbehafteten Systems von Claudius Ptolemäus verfasste (des Systems des nicht heliozentrischen Weltbildes). Durch einen Buchverkäufer kam er an das Werk von Raphael Hannover über die Astronomie. Seine Wissbegierde steigerte sich; über das Werk des Euklid studierte er die Mathematik und die Algebra Leonhard Eulers. Er korrigierte Fehler und Irrtümer in Werken der Mathematik.
Seine Familie drängte ihn, da er Tag und Nacht sich der Wissenschaft widmete, für den sicheren Unterhalt zu sorgen. So wurde er Rechnungsführer in einer Glasfabrik und nach der Arbeit nutzte er die Nächte, um seine wissenschaftlichen Arbeiten und Studien weiter zu verfolgen. Der Verkauf der Glasfabrik erschwerte seine finanzielle Lage; er sah seine Chance, 1834 nach Wilna zu gehen und sein Werk Element der Weisheit (in hebräischer Sprache, Teil seines mathematisches Systems) im Buchhandel herauszugeben. Dort studierte er besonders die astronomischen und mathematischen Werke von Joseph-Louis Lagrange, z. B. Théorie des Fonctions analytiques (Theorie analytischer Funktionen) und Mécanique analytique (Analytische Mechanik) sowie das Werk von Pierre-Simon Laplace Traité de mécanique céleste (Abhandlung über die Himmelsmechanik).[6] Über den Halley’schen Kometen brachte er 1835 das astronomische Buch Schweifstern heraus.
Seine finanzielle Situation besserte sich nicht wesentlich und so zog er nach Warschau. Hier versuchte er möglichst unauffällig zu arbeiten, da er die von der Polizei geforderten 20 polnischen Groschen Kopfgeld am Tag für nicht ansässige Juden nicht zahlen konnte. So wurde er eines Tages entdeckt und kam ins Gefängnis; nur durch die Anstrengungen des mit ihm bekannten Professors Armianski, Direktor der dortigen Sternwarte, wurde er befreit. Unter diesen für ihn schwersten Bedingungen brachte er sein Buch Populäre Astronomie in den Handel; er bekam dafür Beifall von Wissenschaftlern, aber konnte seine Finanzlage nicht bessern.
Rückkehr nach Białystok durch schwierige Lebensumstände
Als Konsequenz verließ er Warschau und kehrte in seinen Heimatort zurück, wo er einen Viktualienhandel eröffnete. Die Ehe von Chajim wurde wegen der zunehmenden Ablehnung seiner Frau gegen seine wissenschaftliche Arbeit und seine schwierigen Einkommensverhältnisse 1836 geschieden.
„Es war an einem schauerlichen kalten Morgen des Winter 1836, als auf dem Weg nach Bialystok ein mit Glaswaaren beladener Wagen schwerfällig fortbewegte. […] [… die lange vor Tagesanbruch die Glasfabrik, ihrem ständigen Wohnsitz verlassen hatten, um von dort Glaswaaren zum Verkauf nach Bialystok zu führen und die, nachdem sie stundenlang auf offener Heerstraße zubrachten, sich nach einem Obdach sehnten …] […] Gegen acht Uhr Morgens hatten sie ein Wirtshaus …] [Es gelingt ihm sich bis zur Wirthin durchzudrängen: er bitte inständig um ein Warmbier …] […] [Die Wirthin, eine ehrbare jüdische Frau, die trotz des groben Pelzes, in welchen der Fremde gehüllt ist, durch Sprache und Betragens einen Mann in ihm ahnt, der wohl einer besseren Klasse angehört …, weist ihm ein von der Gaststube nicht weit entferntes … kleines Familienzimmer, an dessen Wänden ein mit Büchern verschiedenen Formats … Folianten und Quartanten bedeckter Tisch sich befand, von welchem ein junger Mann, der Sohn der Wirthin mit Studien beschäftigt saß und welchem der Eintretende kein willkommener Gast schien. Mit einem verdrießlichen Blick auf diesen … setzte er seine Studien fort, während der Gast seinen groben Pelz ablegte um sich auf einem Schemel in der Nähe des Ofens niederzulassen.] […] [Solche Erscheinungen sind in einem jüdisch polnischem Wirtshauses nicht Ungewöhnliches, wo man vielmehr selten bei einem Gastwirt oder Arrendar (Pächter) auf dem Dorf einkehrt, der nicht für den Unterricht seiner Kinder Sorge trage und je nach der Verhältnissen mit Schriftwerken in hebräischer Sprache mehr oder weniger versehen wäre … bei einem ächt polnischen oder russischen Gastwirth in der Stadt, geschweige denn auf dem Dorfe schwerlich Etwas finden dürfte, was ein Interesse an „geistigen Leben bekundet. Wenn man daher selbst in Deutschland so oft die Äußerung hört, es sei wünschenswerth den Juden in Polen und Russland zu polonisieren oder zu russifizieren: so legt man an dortige Verhältnisse keines Wegs den richtigen Maßstab an. Den Juden in Deutschland konnte und durfte man es zumuthen sich zu germanisieren : sie traten dadurch in einen Kulturkreis ein, der eine Entwicklung von Jahrhunderten bereits durchgemacht hatte, und der in seiner eigenen Entwicklung gehemmte und zurückgehaltene Jude konnte durch seinen Anschluß an die Nation nur sittlich und geistig gewinnen und gefördert werden; anders ist dies in Polen und Russland.] […] [Schon der Umstand, dass es kaum einen Juden gibt, der nicht lesen und schreiben könnte, erhält ihn über seine Umgebung, wo Tausende ohne Unterricht im Lesen und Schreiben in der Stadt aufwachsen und eine Bibliothek, wie wir sie hier bei dem Sohn unserer Wirthin auf dem Dorfe finden, wohl schwerlich zum zweiten Male auf dem Dorfe zu finden ist, es sei den wieder bei einem jüdischen Arrendar.
Wir kehren zu unserem Gast zurück … der, … nach einem Büchlein in Octav greift. […] (Sohn der Wirtin) Er warf dem ungebetenen Gast einen zornigen Blick zu … worauf er das Büchlein in aller Bescheidenheit auf seinen früheren Platz zurücklegte. […] […, solche Schriften stehen bei der Menge in Mißkredit können daher nur heimlich, verstohlener Weise im eigenen Sinne des Wortes studiert werden und der Besitzer derselben kömmt, wenn er entdeckt wird, in der Ruf eines „B e r l i n e r‘“ d. h. eines Solchen, der einer modernen Richtung huldigt; ein Ruf, der keines Weges von gutem Klange, sogar empfindliche Folgen, für junge Leute besonders die Folge haben kann, sich nicht angemessen zu verheirathen zu können : eine sehr wesentliche Rücksicht aufwiegt: anderer Folgen nicht zu gedenken, die in materieller und sozialer Beziehung nicht zu den gleichgiltigsten gehören jenem verdächtigen Schriftenkreis, jener librorum prohibitorum (von verboten) an, die man gern heimlich studiert und deren Besitz nicht verrathen sein will: es war dies das durch Inhalt, wie durch Form gleich ausgezeichnete Werk … ein Lehrbuch der Algebra von Ch. S. Slonimski.] […] [… er streckt zum zweiten Male die kühne Hand nach jenem Buche aus. [… reißt er es demselbst und mit den Worten, die nur im Dialecte richtig verstanden werden können, fährt er ihn an: ‚Er grober Jung, was versteht ihr von solch einem … laß es liegen!‘ Ruhig legt der Fremde das Buch hin und sagt gelassen: Verzeiht mir, ärgert Euch nicht, ich habe nicht gewußt, dass Euch das kleine Buch so werth ist. … verläßt er seinen Sitz, holt selbst sein Warmbier. […] Kaum ist er damit fertig, als sein Begleiter … mit dem Rufe öffnet : „Reb Chajim Selig, wo steckt ihr?“ … „Reb Chajim Selig, wiederholt sich der junge Mann;“ … Einen flüchtigen Blick in das Buch werfend, das er diesem so barsch entrissen hatte… auf dem Titelblatt genannter Verfasser wirklich ‚Chajim Selig‘ hieß … eilte der junge Mann den beiden … nach, wendete sich an den Fuhrmann … ‚Ja‘ war die Antwort. ‚Aus Bialystok‘ …, er thäte besser, er beschäftigte sich mehr mit den Büchern der Fabrik, deren Schreiber er ist, als solche neumodische Bücher zu schreiben! … Beschämt und mit dem Zeichen der Reue naht der junge Mann … Slonimski … bedränkt ihn bei ihm zu verweilen; dieser aber lehnt die Einladung ab …, dass er ihm sein Betragen keineswegs übel nehme, da er selbst wisse, … nicht bei der Beschäftigung mit solchen Schriften, wie seinen überrascht zu werden, empfiehlt ihm indeß für die Zukunft mehr Ruhe in seinem Betragen … Mit einem herzlichen Händedruck scheiden sie von einander.“
Das Chajim-Selig-Slonimski-Theorem
Chajim entdeckte bei seinen mathematischen Studien und Berechnungen, dass es ein Zahlentheorem gibt, mit dem eine Rechenmaschine entwickelt werden könnte, was ihm später gelang.[8]
„Nehmen wir an, daß irgend eine beliebige ganze Zahl, die aus so viel Ziffer als man nur immer will besteht, in irgend einer Ordnung mit den Zahlen 1, 2, 3 bis 9 multipliziert wird: schreiben wir alle Produkte, das eine unter das andere, ohne wie bei der gewöhnlichen Multiplikation immer um eine Stelle hereinzurücken, so erhalten wir volle, neunziffrige Vertikalreihen. Nennen wir der Kürze halber, die Aufstellung der Zahlen in eine Reihe, eine Form; vermöge des Theorems des Herrn Slonimski wird die Zahl p der verschiedenen Formen durch die sehr einfache Formel p=10 (q+1) ausgedrückt, in welcher q die Zahl der ächten Brüche bedeutet, die von einander verschieden sind und zu Nennern die Multiplikatoren 2, 3, 4, bis 9 haben. In diesem Falle zeigt eine einfache Berechnung, daß es nicht mehr, als 280 neunziffrige Vertikalreihen gibt, die der Form nach von einander verschieden sind.“
Rückkehr nach Warschau
Er ging wieder nach Warschau zurück und frischte seine Verbindung zu Abraham Stern auf, dessen Tochter Sara er 1842 heiratete. Abraham stellte selbst Forschungen zu Rechenmaschinen an und erkannte das wissenschaftliche Potential Slonimskis. Chajim bekam auch eine Stelle in der jüdischen Gemeinde, die ihm ein regelmäßiges Einkommen sicherte. Seine Werke und Studien befassten sich weiterhin u. a. mit Mathematik, Physik, Astronomie und Kalenderwesen (Slonimski-Formel).
Er erfand 1840 seine Rechenmaschine, begründet auf seinem selbst entdeckten mathematischen Theorem, und erhielt dafür als erster jüdischer Wissenschaftler am 26. Mai 1845 den Demidow-Preis der Petersburger Akademie der Wissenschaften. Im vorangegangenen Jahr 1844 reiste er nach Berlin, um seine Rechenmaschine an der Akademie der Wissenschaften zu präsentieren und eine Daueranstellung zu suchen. Für diese Reise nach Berlin konnte er auf finanzielle Unterstützung von Mathias Rosen zählen, einem Bankier in Warschau, der seine Arbeit bewunderte. Er fand in Berlin die hohe Anerkennung des Fachpublikums und konnte mit bedeutenden Männern der verschiedenen Wissenschaften Bekanntschaft schließen, z. B. mit den Astronomen Christian Ludwig Ideler, Carl Gustav Jacob Jacobi, Johann Franz Encke und Friedrich Wilhelm Bessel sowie mit dem bekannten Mathematiker August Crelle (Begründer und Herausgeber des Journals für die reine und angewandte Mahtematik) und mit Alexander von Humboldt, dessen Werk Kosmos er später ins Hebräische übersetzte.[10][11]
Humboldt war ein großer Gönner Slonimskis und empfahl ihn beim Preußischen König und der Russischen Akademie der Wissenschaften. Als Friedrich Wilhelm IV. in Königsberg verweilte, wurde ihm Chajim vorgestellt und dieser erhielt von ihm 50 Friedrich d’or als Geschenk für seine erfundene Rechenmaschine und für die Rückfahrt nach Warschau. Slonimski fand auch in Iwan Fjodorowitsch Paskewitsch einen weiteren Unterstützer, der ihm Finanzmittel zu Verfügung stellte, um in Petersburg der Akademie der Wissenschaften seine Rechenmaschine zu präsentieren. Zu einer mehrmonatigen Verzögerung der Reise kam es, da man ihm in Wilna den Reisepass verwehrte, weil er keine Handelsgeschäfte in Petersburg nachweisen konnte. Durch nicht weiter benannte einflussreiche Fürsprecher ließ man ihn letztendlich reisen.
Die persönliche Ehrenbürgerschaft von Nikolaus I.
Vom russischen Kaiser Nikolaus I. bekam Selig bei einer Audienz zur praktischen Vorstellung seiner Rechenmaschine die persönliche Ehrenbürgerschaft für seine Erfindung und wissenschaftlichen Verdienste verliehen.[12][13]
„Ukas an den dirigirenden Senat. Dem Hebräer Selig Slonimski, gebürtig aus der Stadt Bialystok, befehlen Wir allergnädigst, zur Belohnung für seine gelehrten und nützlichen Arbeiten im Gebiete der Mathematik, in den persönlichen Ehrenbürgerstand zu erheben. Peterhof d. 26 Juli 1845 (gez.) Nikolai I.“
1857 – Ein Geburtstagsgeschenk für Alexander von Humboldt
Zur Ehrung Humboldts verfasste Chajim 1857 das Werk Alexander von Humboldt, Eine biografische Skizze. Dem Nestor des Wissens gewidmet zu seinem 88. Geburtstag von S. Slonimski, 8vo. Berlin Veit und Co. (Druck von Sittenfeld), in hebräischer Sprache. Mit einem Dankschreiben drückte Humboldt seine Freude über das Werk und seine Verehrung und Hochachtung für Slonimski und Rabbiner Michael Sachs aus.[15]
„Verehrter Herr Slonimski! Ich bin tief in Ihrer Schuld durch so lange Verzögerung des Dankes für eine Ehre, die Eu. Wohlgebohren mir so wohlwollend bereitet haben. Die unruhige Lage, in der ich lebe, in einer politisch und gesellschaftlich so sehr bewegte Zeit, kann mich kaum rechtfertigen. Der hebräischen Literatur leider entfremdet, aber von früher Jugend an mit den edelsten Ihrer Glaubensgenossen innigst verbunden, ein lebhafter und ausdauernder Verfechter der ihnen gebührenden und so vielfach noch immer entzogenen Rechte, bin ich nicht gleichgültig für die Ehre, die Sie mir erwiesen haben. Das Zeugniss eines tiefen, orientalischen Sprachkenners, des vortrefflichen, so mannigfach ausgebildeten Dr. Michael Sachs, kann ein solche Auszeichnung nur erhöhen. Es ist für den biographisch Belobten fast eine Beruhigung, der Ursprache nicht mächtig zu sein. Ich werde von Dinstag an wieder einige Wochen in Berlin wohnen – und von Dinstag an wird jeder Tag zwischen 1 und 2 Uhr es mir eine Freude sein, Herrn Slonimski, falls er nicht schon nach Warschau zurückgekehrt ist, in Berlin zu empfangen und Ihnen den Ausdruck der innigen Hochachtung mündlich zu erneuern, die Ihren schönen früheren wissenschaftlichen Bestrebungen gebührt. Eu. Wohlgebohren gehorsaster Alexander von Humboldt.“
1862 – Gründung seiner Zeitung Ha-Zefira
Slonimski gründete im Jahr 1862 die hebräische Zeitung Ha-Zefira, das vierte Wochenblatt Osteuropas in hebräischer Sprache. Im Jahr 1879 wurde der jüdische Journalist und Schriftsteller Nachum Sokolow sein Assistent.[17][18]
- Ha-Meliz; Alexander Zederbaum
- Ha-Maggit; Davit Gordon und Eli’eser Lipman Silberman
- Ha-Karmel; Samuel Joseph Finn
- Ha-Zefira; Chajim Selig Slonimski
- Ha-Yom; Jehuda Leib Kantor[19]
1862–1873 – Rabbinerseminar in Schitomir
Rabbi Chajim war von 1862 bis zur Schließung 1873 Leiter der Rabbiner-Schule in Shitomir, bekannt auch als Rabbinerseminar Schitomir. Zu seinen Schülern gehörte Abraham Goldfaden, der 1864 mit seinen Mitschülern das erste jiddische Theaterstück Serkele von Salomon Ettinger in der Schule uraufführte und die Hauptrolle übernahm. Zu einem weiteren bekannten Schüler des Seminars gehörte der jiddisch-hebräische Schriftsteller Mendele Moicher Sforim, der dort für sein Rabbinerdiplom studierte.[20][21][22][23]
1881 – Eröffnung der Bibliothek an der Warschauer Reformsynagoge
Im Jahr 1881 öffnete die Bibliothek an der Großen Synagoge in Warschau; in Zusammenarbeit mit dem polnischen Rabbiner, Prediger und Übersetzer Izaak Cyckov (1841–1908), Ignaz Bernstein und dem polnisch-jüdischen Bibliothekar Moses Moszkowski (1826-1904) konnte Chajim dieses Ziel erreichen.[24]
Chajim Selig Slonimski verstarb am 15. Mai 1904 in Warschau, sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof an der Okopowa-Straße, gleichfalls auch das Grab seiner zweiten Ehefrau Sahra Slonimski geb. Stern.
Familie
- ein Bruder (keine Lebensdaten), Besitzer einer Glasfabrik.
- 1842 Sara Stern (1824–1897) 2. Ehefrau, Tochter von Abraham Stern
- Sohn Abram Jacob (1845–1849), im Alter von 4 Jahren verstorben.
- Sohn Leonid (Loudvig Zinovevitch) (1849–1918), jüdisch-russischer Journalist, Publizist, Ökonom und Rechtsanwalt, schrieb ein Buch über die Lehren von Karl Marx (Leonid Loudvig Zinovevitch Slonimskiĭ: Karl Marx’ nationalökonomische Irrlehren, eine kritische Studie von Ludwig Slonimski. Übersetzt und eingeleitet von Max Schapiro, 1897). Seine Söhne (Enkel von Chajim) waren der sowjetische Schriftsteller Michail Leonidowitsch, der Literaturwissenschaftler Alexander (1881–1964) und der amerikanische Musikwissenschaftler Nicolas.
- Sohn Stanisław (1853–1916) wurde Arzt.
- Sohn Joseph (1860–1934), ein polnischer Linguist
- Enkel Antoni Słonimski, Sohn von Stanisław[25][26][11][27][28]
Erfindungen
- Slonimski-Formel (Kalenderberechnung)
- Slonimski-Theorem (neues mathematisches System für Rechenmaschinen)
- 1851 Chemisches Verfahren zur Bleibepanzerung von Stahlschiffen
- 1853 Vervollkommnung der Dampfmaschine, an den Neuerungen erhielt die Firma Borsig die Rechte.
- 1853 Chemisches Eisenschutzmittel
- 1856 Telegraph, auf dem man vier Telegramme gleichzeitig empfangen und senden konnte. Gemeinsam mit Aron Bernstein hatte er die Mehrfachtelegrafie erfunden; die Preußische Post kaufte das Verfahren, das von William Thomson 1856 verbessert wurde.[29][30][31][11]
Eigene Werke
- Mossde-Ha-Hochma Lehrbuch für die Jugend (in hebräischer Sprache), über sämtliche physikalische Wissenschaften
- 1835 Comet Cuchba de Schebith sein erstes Werk über die Bewegung und Gestalt der Erde (Astronomie) und über den Halleyschen Kometen
- 1838 Toldoth Schomajim ein weiteres astronomisches Werk. Belobigt (in polnischer Sprache) von den Astronomen Jan Baranowski und Franz (Franciszek) Arminski (1789–1848).[32]
- 1841 Lehrbuch der astronomischen und optischen Wissenschaften, so wie die Sonn- und Mondberechnungen und ihre Finsternissen[33]
- Hayim Selig ben Ya’aqobh Slonimski: Yesode ha-ibur (Grundelemente der hebräischen Chronologie mit Tabellen). Verlag Schriftgisser, 1852 (books.google online, hebräisch).
Ehrungen
- Slonimski Street, Tel Aviv-Yafo Israel
Literatur
- Stephan Weiss: Die Multipliziervorrichtung von Chaim Zelig Slonimsky. März 2007 (mechrech.inf PDF, mit Erklärung des Slonimski-Theorems und seiner Rechenmaschinen).
- Illustrirtes Unterhaltungs-Buch für Israeliten. Bände 1–2. Verlag A. Kugler, 1866, Artikel von seinem langjährigen Freund, dem jüdischen Theologen Abraham Meyer Goldschmidt: Zur Charakteristik Ch. S. Slonimski’s, S. 124 (books.google.de).
- Allgemeine Zeitung des Judenthums – ein unpartheiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik, Band 9. Verlag Engel, 1845, Artikel Korrespondenz: Russisch-jüdische Skizzen, Sankt Petersburg 27. Mai / 8. Juni 1845. Max Menachem Lilienthal für seinen langjährigen Freund Chajim Slonimski, Biografie, S. 525–526, 537–539, 552–554, 569–572, 586–588, 600–602 (books.google.de).
- Jüdisches Lexikon. Berlin 1927, Band IV/2, Sp. 471 ff.
Weblinks
- Literatur von und über Chajim Slonimski in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Isidore Singer, Judah David Eisenstein: Slonimski, Ḥayyim Selig. In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
- Allgemeine Bemerkungen über Rechenmaschinen, und Prospectus eines neu erfundenen Rechen-Instrumente – Journal für die reine und angewandte Mathematik Zeitschriftenband (1844) Artikel S 184 bis S. 190 online digizeitschriften.de
Einzelnachweise
- Max Menachem Lilienthal: Allgemeine Zeitung des Judenthums – ein unpartheiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik. Band 9. Verlag Engel, 1845, S. 525 (books.google.de) – Slonimski Biografie.
- John F. Oppenheimer (Red.) u. a.: Lexikon des Judentums. 2. Auflage. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh u. a. 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 754.
- Chaim Zelig Slonimskij: Metsiʾut ha-nefesh ṿe-ḳiyumah ḥuts la-guf … Verlag Bemberg, 1858, S. 10.
- Baza osób polskich – Polnische Personendatenbank Jechil Zabłudowski
- Ludwig Philippson: Allgemeine Zeitung des Judenthums – ein unpartheiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik. Baumgärtner’sche Buchhandlung, Leipzig 1845, S. 525 (books.google.de – Leseprobe.).
- Illustrirte Zeitung, Band 5. Verlag Weber, Leipzig / Berlin / Wien / Budapest / New York 1845, S. 91.
- S. 124–134 (books.google online).
- Stephan Weiss: Die Multipliziervorrichtung von Chaim Zelig Slonimsky. März 2007 (mechrech.inf online PDF mit Erklärung des Slonimski-Theorems und seiner Rechenmaschinen).
- Allgemeine Zeitung des Judenthums – ein unpartheiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik, Band 9. Verlag Engel, 1845 S. 499.
- Illustrirte Zeitung, Band 5. Verlag Weber, Leipzig / Berlin / Wien / Budapest / New York 1845, S. 91.
- Max Detlefsen: Polnische Rechenmaschinenerfinder des 19. Jahrhunderts. Ein wenig bekanntes Kapitel polnischer Wissenschaftsgeschichte. In: wissenschaft und fortschritt. 26 (1976), Nr. 2, S. 86–90, hier S. 87–89 (PDF).
- Hermann Faltin: Das russische Ständerecht. Verlag G.A. Reyher, 1846, S. 156–157.
- Ergänzungs-Conversationslexikon Erster Band in zweiundfunfzig Nummern der Ergänzungsblätter zu allen Conversationslexiken. Herausgegeben von einem Verein Gelehrten und Künstlern und Fachmännern, Redaktion Dr. Fr. Steger. Romberg’s Verlag, Leipzig 1846, S. 541–542.
- S. 602
- Hebraeische Bibliographie, Bände 1–8, Band 688. Beitragende Julius Benzian, Moritz Steinschneider Jahr 1858, S. 54.
- Adolph Kohut: Alexander von Humboldt und das Judenthum. Ein Beitrag zur Culturgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts. Pardubitz, 1871, S. 125–126.
- Jüdische Presse im 19. [i. e. neunzehnten] Jahrhundert. Aus dem Internationalen Zeitungsmuseum der Stadt Aachen. Ausstellung zur Eröffnung des Neubaus der Bibliothek. Professor Walter Hirsch in Tel Aviv 1967 Von Internationales Zeitungsmuseum der Stadt Aachen, Internationales Zeitungsmuseum, Bernhard Poll, Johann Maier, 1967 S. 102 (Snippet-Ansicht).
- Abraham Teitelbaum: Warschauer Innenhöfe. Jüdisches Leben um 1900 – Erinnerungen. Wallstein Verlag, 2017, ISBN 978-3-8353-4190-6, S. 159.
- Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, Band 4: Ly-Po. Verlag J.B. Metzler, 2016, ISBN 978-3-476-01219-7, S. 76.
- Aron Freimann (Hrsg.): Zeitschrift für Hebräische Bibliographie IV (Jahrgang 17-24). Georg Olms Verlag, Hildesheim / New York 1973, ISBN 3-487-40314-5 (Nachdruck der Ausgabe Frankfurt a. M. 1914–1921), S. 47.
- Helmut Dinse, Sol Liptzin: Einführung in die jiddische Literatur (= Sammlung Metzler. 165). Verlag J. B. Metzler, 2016, ISBN 978-3-476-03871-5, S. 81–82 (books.google.de).
- Vom Jerusalemer Tempel nach New York – 3000 Jahre jüdische Musikgeschichte. 2018, ISBN 978-3-7460-2430-1, S. 202 (books.google.de).
- Joachim Schlor: Deutscher, Jude, Europäer im 20. Jahrhundert. Arnold Zweig und das Judentum. Verlag Peter Lang, 2004, ISBN 3-906767-13-2, S. 101 (books.google.de).
- Simon Dubnow, Semen M. Dubnov, Verena Dohrn: Buch des Lebens: 1860–1903. Vandenhoeck & Ruprecht, 2004, ISBN 3-525-36950-6, S. 511 (books.google.de, Snippet-Ansicht).
- Illustrierte Zeitung, Band 5. Verlag Weber, Leipzig / Berlin / Wien / Budapest / New York 1845, S. 91.
- Ludwig Philippson: Allgemeine Zeitung des Judenthums – ein unpartheiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik. Baumgärtner’sche Buchhandlung, Leipzig 1845, S. 588 (books.google.de – Leseprobe).
- Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 174. Beitragende: Edgar Bonjour, Felix Stähelin, Werner Kaegi. Verlag Helbing & Lichtenhahn, 1938, S. 92 (Snippet-Ansicht).
- Biografie Chajim Slonimski, ipsb.nina.gov.pl, abgerufen am 4. August 2021 (polnisch).
- Peter Honigmann, Ḥayyim Selig Slonimski, Kurt-Jürgen Maass: Zur Freiheit bestimmt: Alexander von Humboldt, eine hebräische Lebensbeschreibung von Chaim Selig Slonimski (1810–1904). Aus dem Hebräischen von Orna Carmel, mit einem Beitrag über Alexander von Humboldt und die Juden. Bouvier Verlag, 1997, ISBN 3-416-02730-2, S. 77 (Snippet-Ansicht).
- Die hebräische Presse in Europa: ein Spiegel der Geistesgeschichte des Judentums : mit einem Anhang Die hebräische Presse ausserhalb Europas, Bände 1–2. Tsemaḥ Tsamriyon, 1976, S. 345 (Snippet-Ansicht).
- Heinz Glaser (Hrsg.): Die Juden in Deutschland, 1951/52 (5712)-1958/59 (5719) Ein Almanach. Verlag Gala, 1959, S. 61 (Snippet-Ansicht).
- Adolph Kohut: Alexander von Humboldt und das Judentum. Books on Demand, 2017, ISBN 978-9925-06892-0, S. 122 (books.google.de – Leseprobe).
- Chajim Selig Slonimski: Lehrbuch der astronomischen und optischen Wissenschaften. 1841, S. 133 (books.google.de – Leseprobe).