Caritas Pirckheimer
Caritas Pirckheimer, vor 1483 Barbara Pirckheimer (* 21. März 1467 in Eichstätt; † 19. August 1532 in Nürnberg) war Äbtissin des Klarissenklosters in Nürnberg und durch ihre humanistische Bildung berühmt. Sie widersetzte sich dem Stadtrat bei dessen Versuchen, das Kloster gegen den Willen der Nonnen aufzulösen. Unterstützung erhielt sie dabei von Philipp Melanchthon.
Quellenlage
Denkwürdigkeiten
Während es über die Kindheit der Pirckheimer bis hin zu ihrer Wahl zur Äbtissin des Klarissenklosters nur wenig gesicherte Informationen gibt, lässt sich ihr Handeln als Äbtissin zur Zeit der Reformation in Nürnberg genau nachvollziehen. In den Jahren 1524 bis 1528 schrieb sie als kritische Beobachterin alle Ereignisse in Form einer Chronik auf. Constantin Höfler, der die Handschrift 1852 veröffentlichte, gab ihr den Titel „Denkwürdigkeiten“.
Briefe
Caritas Pirckheimer stand im regen Briefwechsel mit vielen Persönlichkeiten ihrer Zeit, unter anderem mit ihrem Bruder Willibald, Erasmus von Rotterdam, Conrad Celtis und Sixtus Tucher. Auch ist von ihr ein Brief an den Maler Albrecht Dürer überliefert. In den erhaltenen Schreiben an und über die Äbtissin findet besonders ihre Bildung Anerkennung. Wichtige Angelegenheiten besprach sie mit ihrem Bruder Willibald. Ihre Beziehung stellte jedoch kein einseitiges Verhältnis dar, da auch Caritas ihren Bruder beriet und mit ihm über theologische Streitpunkte diskutierte. Neben Willibald Pirckheimer, dem Ratsjuristen und ehemaligen Rektor der Wittenberger Universität Christoph Scheurl und dem Klosterpfleger Kaspar Nützel, einem Lutheraner, erhielt vor allem Sixtus Tucher, der Propst von St. Lorenz, zahlreiche Schreiben der Äbtissin. Er pflegte mit Pirckheimer ein enges freundschaftliches Verhältnis.
Leben
Kindheit
Barbara Pirckheimer wurde am 21. März 1467 in Eichstätt als Tochter des Juristen und Diplomaten Johannes Pirckheimer geboren und wuchs in einer Nürnberger Patrizierfamilie auf. Ihr Vater war als Rat des Eichstätter Bischofs Wilhelm von Reichenau tätig. Ihren Taufnamen Barbara erhielt sie von ihrer gleichnamigen Mutter, einer geborenen Löffelholz. Diese starb bei der Geburt des dreizehnten Kindes.[1] Barbara Pirckheimer war die Älteste in der Geschwisterschar. Insgesamt acht Töchter erreichten das Erwachsenenalter, jedoch nur ein Sohn, Willibald.[1] Sechs Töchter traten ebenfalls in ein Klarissen- bzw. in ein Benediktinerinnenkloster ein;[1] eine Tochter heiratete. Der Vater verbrachte als Witwer seine letzten Lebensjahre im Barfüßerkloster und empfing vier Jahre vor seinem Tod im Jahre 1497 die Priesterweihe.
Bereits im Alter von zwölf Jahren kam Barbara zu ihrem Großvater Hans Pirckheimer nach Nürnberg. Die zweite Ehefrau des Großvaters, Walburga Pirckheimer, die selbst kinderlos war und die unverheiratete Schwester des Großvaters, Katharina Pirckheimer, galten als sehr gebildet und unterrichteten Barbara zu Hause, bevor sie die Klosterschule besuchte. An ihrer Erziehung war auch ihr Großvater beteiligt, ein Ratsherr, der sich intensiv mit dem Humanismus befasste. Darüber hinaus lehrte er seine Enkelin Latein.
Zur weiteren Erziehung und zum Unterricht kam Barbara schließlich in die Klosterschule der Klarissen. Dies war kein ungewöhnlicher Schritt, da die vier Nürnberger Lateinschulen nur Jungen aufnahmen. Es ist dokumentiert, dass Barbara bereits nach zwei Jahren Unterricht an dieser Schule Latein verstehen und sprechen konnte. Doch durfte sie entgegen ihrem Wunsch erst bei Erreichen des Mindestalters (16 Jahre) in das Noviziat eintreten. Um das Jahr 1483 wurde Barbara als Novizin des Konvents der Klarissen aufgenommen und erhielt zur Einkleidung den Ordensnamen Caritas (lateinisch „Nächstenliebe“).[2]
Erste Klosterjahre
Im Klarakloster lebten vor allem Töchter des Nürnberger Patriziats,[3] darunter auch Tanten von Caritas. 1491 trat ihre leibliche Schwester Klara in die Gemeinschaft ein und 1513 folgten ihre Nichten Crescentia und Katharina Pirckheimer.
Caritas Pirckheimer stand jedoch weiterhin im regen Briefwechsel mit Willibald, der sie von Zeit zu Zeit am Klausurgitter besuchen durfte. Nicht nur er, sondern auch seine Freunde, die dem humanistischen Kreis angehörten, tauschten sich mit ihr aus. Zu ihnen zählte unter anderem Christoph Scheurl, der ein Loblied auf die Familie Pirckheimer schrieb. Conrad Celtis widmete Caritas seine Herausgabe der Werke der Roswitha von Gandersheim sowie eine lateinische Ode, die er 1502 verfasste. Ihm ist zu verdanken, dass Caritas als klausurierte Nonne zur öffentlichen Person wurde, verklärt zur virgo docta von nationalem Rang.[4]
Willibald ließ Caritas humanistische Bücher für die Klosterbibliothek zukommen, unter anderem auch von Erasmus von Rotterdam, die ihr und ihren Mitschwestern die Möglichkeit gaben, auch hinter Klostermauern an der aktuellen Diskussion teilzunehmen.
Unterstützung erhielten die Klarissen von Anton Tucher, der im Jahre 1517 dem Konvent eine Orgel stiftete. Musikinstrumente in Kirchen gab es damals nur selten. Dieses Jahr kann als Höhepunkt der Klostergeschichte gelten; das Kloster hatte einen so guten Ruf, dass viele Patrizierfamilien ihm ihre Töchter anvertrauten.[5]
Caritas Pirckheimer als Äbtissin
Caritas Pirckheimer unterrichtete ab 1490 als sogenannte Kindsmeisterin die Klosterschülerinnen,[2] ordnete die Klosterbibliothek und übernahm anschließend das Amt der Novizenmeisterin,[3] bis sie am 20. Dezember 1503 zur Äbtissin gewählt wurde. Der Konvent umfasste etwa 60 bis 70 Schwestern.
Prägend für ihre Spiritualität waren die franziskanischen Theologen Heinrich Vigilis und Stephan Fridolin, ferner der Austausch mit Sixtus Tucher und die Lektüre der Kirchenväter, besonders des Hieronymus.[3]
Als Äbtissin legte Caritas großen Wert auf die religiöse Ausbildung der Nonnen. Alle Schwestern erhielten Lateinunterricht. Sie sollten die Sprache, in der sie beteten, verstehen und darüber hinaus die Fähigkeit besitzen, die Bibel in der Übersetzung der Vulgata zu studieren. Durch eine umfassende, humanistisch geprägte Bildung sollte den Schwestern eine Auseinandersetzung mit ihrem Glauben und als Folge davon eine tiefgehende Frömmigkeit ermöglicht werden.
Des Weiteren verwaltete die Äbtissin, gemeinsam mit dem Pfleger, den Besitz des Klosters. Sie fertigte eine Klosterabrechnung für den Rat an und entschied über die Verwendung von eingehenden Zinszahlungen. Viel Zeit nahm zudem das Verfassen von Briefen oder Dankschreiben für erhaltene Spenden in Anspruch.
Schon vor Beginn der Reformation hatte sich die finanzielle Lage des Klosters drastisch verschlechtert. Die Ursache hierfür lag in den sinkenden Einnahmen und den extrem gestiegenen Ausgaben. Hohe Kosten verursachten die Erweiterung der Klarakirche und die daran anschließenden Renovierungsarbeiten an den Klostergebäuden. In einem Schreiben an den Papst schilderte Caritas 1505 die bedrohliche Situation des Konvents und bat deshalb um die Bewilligung eines Ablasses. Auf diese Weise wurde auch für weniger gut bemittelte Nürnberger, die keine Stiftungen tätigen konnten, ein Anreiz geschaffen, einen Beitrag zur Erhaltung des Klosters zu leisten. Rom schickte daraufhin die Genehmigung eines Ablassbriefes.
Die finanzielle Situation des Klaraklosters verschlimmerte sich jedoch erneut, als der Rat 1525 beschloss, eine Verbrauchssteuer (Ungelt) auf Bier und Wein zu erheben. Weil die Schwestern selbst Bier brauten, bekamen sie die Folgen des Erlasses deutlich zu spüren.
Das Fortbestehen des Klarissenklosters war grundsätzlich in Frage gestellt, als in Nürnberg 1525 die Reformation eingeführt wurde. Alle Klöster Nürnbergs sollten geschlossen werden. Zwar konnte das Klarakloster zunächst weiter bestehen. Der Rat untersagte aber die Neuaufnahme von Schwestern und überwachte die Befolgung dieses Verbots.
Gewissensfreiheit – Verzicht auf die Beichte
Nach dem Nürnberger Religionsgespräch vom 3. bis 14. März 1525 wandte sich Nürnberg der lutherischen Lehre zu. Nur fünf Tage später erschienen zwei Ratsherren mit der Nachricht, dass es den bisherigen Beichtvätern und Predigern, die dem Franziskanerorden angehörten, nicht länger gestattet sei, ihre Ämter auszuüben. Mit den Barfüßermönchen war das Klarakloster bereits seit mehr als 250 Jahren verbunden. Sie brachten gegenreformatorische Schriften mit, die Caritas als Tischlesung auswählte und anschließend in der Stadt verbreitete. Der Rat hatte beschlossen, dass nur noch lutherisch gesinnte Geistliche predigen durften, um so die Schwestern von der neuen Lehre zu überzeugen. Die Äbtissin zählte insgesamt 111 Predigten von Andreas Osiander, mit dem sie zuletzt eine vierstündige Diskussion geführt hatte.
Caritas wehrte sich im Auftrag aller Mitschwestern gegen den Beschluss des Rates. Sie entgegnete, dass es niemals Beschwerden über die Franziskaner gegeben hätte und dass ihre Ordensregel vorsehe, nur von Ordenspriestern seelsorgerisch betreut zu werden. Die Ratsherren bestanden auf Umsetzung des Beschlusses, doch die Schwestern verzichteten ganz auf die Beichte, um sich keinen Beichtvater vorschreiben zu lassen. Die Äbtissin appellierte an die Freiheit des Gewissens und daran, dass niemand zur Beichte gezwungen werden könne. Caritas stellte ihre Position in ihren „Denkwürdigkeiten“ wie folgt dar:
- Es wäre „uns lieber und nützlicher, Ihr schicket einen Henker in unser Kloster, der uns allen die Köpfe abschlüge, als daß Ihr uns einen vollen, trunkenen, unkeuschen Pfaffen zuschickt. Man nötigt keinen Dienstboten, noch einen Bettler, daß er beichten muß, wo seine Herrschaft will. Wir wären ärmer als arm, sollten wir denen beichten, die selber keinen Glauben an die Beichte haben, sollten wir das hochwürdige Sakrament von denen empfangen, die so abscheulichen Missbrauch damit treiben, daß es eine Schande ist davon zu hören, sollten wir denen gehorsam sein, die weder dem Papst, dem Bischof, dem Kaiser, noch der ganzen heiligen, christlichen Kirche gehorsam sind. Sollten sie auch den schönen göttlichen Dienst abschaffen und nach ihren Köpfen ändern, so wollte ich lieber tot als lebendig sein.“
Aufgrund der Einführung der Reformation in Nürnberg mussten die Nonnen die Heilige Messe, das Bußsakrament und die Sterbesakramente entbehren. Trotzdem versuchte die Äbtissin, das geistliche Leben fortzuführen.
Die Nürnbergerin Ursula Tetzel wandte sich bald darauf an den Stadtrat und beantragte, ihre Tochter Margaret aus dem Klarissenkloster holen zu dürfen. Sie wolle sie zuhause im Evangelium unterrichten und ihr dann die Wahl lassen, ob sie wieder ins Kloster zurückkehren wolle oder aber nicht. Caritas Pirckheimer legte daraufhin in einer Bittschrift an den Stadtrat dar, dass Margaret Tetzel im Kloster zu bleiben wünsche und das Klosterleben im Übrigen dem Vorbild der Urgemeinde folge, also mit dem Evangelium in Einklang sei.[6]
Dominicus Schleupner, Prediger von St. Sebald, schlug dem Rat vor, Caritas zum Verlassen der Stadt aufzufordern. Ihm missfiel der rege Briefwechsel, den sie sowohl mit Geistlichen als auch mit anderen Konventen führte. Wenn es aber dem Magistrat gelingen würde, sie von der neuen Lehre zu überzeugen, würde sich nicht nur das Klarakloster der Reformation anschließen, sondern auch gleichzeitig andere Konvente. Es war nämlich bekannt, dass sich viele der umliegenden Klöster Beistand suchend an Caritas wandten und ihre Meinung schätzten. Deshalb blieb der Rat mit seiner Überzeugungsarbeit hartnäckig.
Festhalten an den Ordensgelübden
In der Pfingstwoche des Jahres 1525 erging erneut ein Beschluss des Rates an die Nürnberger Klöster, der folgende fünf Forderungen[7] beinhaltete:
- Die Äbtissin solle alle Schwestern von ihren Ordensgelübden entbinden.
- Jeder Schwester solle es freistehen, das Kloster zu verlassen, und den Familienangehörigen, ihre Töchter aus dem Kloster zu nehmen. Der Rat verpflichtete sich, für den Lebensunterhalt der Ausgetretenen zu sorgen.
- Statt des Habits sollte bürgerliche Kleidung getragen werden.
- Der Rat sollte eine Aufstellung über alle Einkünfte, Besitztümer und sonstigen Wertgegenstände des Konvents erhalten.
- Schließlich sollten die bisherigen, mit schwarzem Stoff abgedeckten Redefenster am Klausurgitter ausgetauscht werden, damit der Besucher sicher sein konnte, dass das Gespräch von keiner anderen Person belauscht würde.
Solange die Anliegen des Magistrats weltliche Dinge betrafen, zeigte sich Caritas kompromissbereit. Bei geistlichen Fragen hingegen zögerte sie nicht, gegebenenfalls zu widersprechen. Allerdings wollte Caritas nicht prinzipiell den Gehorsam gegenüber dem Magistrat anfechten.
Die Äbtissin besprach zunächst die Lage mit jeder einzelnen Schwester und erbat deren Meinung. Anschließend protestierte sie gegen die Abschaffung des Redefensters, da sie hierin eine schrittweise Öffnung der Klausur sah, sowie gegen die Aufhebung der Gelübde. Caritas betonte, dass die Nonnen nicht ihr, sondern Gott ein Versprechen abgegeben hatten.
Nur eine der Schwestern, Anna Schwarz, verließ den Konvent freiwillig. Sie sympathisierte mit den reformatorischen Gedanken. Es existiert eine Quittung, auf der sie am 10. März 1528 bescheinigte, dass sie ihre Mitgift zurückerhalten hatte. Bis zum Aussterben des Konvents blieb sie die einzige Nonne, die diesen Schritt tat.
Öffentlicher Druck
In der Nürnberger Bevölkerung gab es in den Reformationsjahren eine negative Einstellung gegenüber Klöstern. Man warf Ordensleuten pauschal moralische Verfehlungen und Unkenntnis der Bibel vor. Auch das Klarakloster geriet dank dieser Verallgemeinerung in Verruf, obwohl in diesem Konvent bisher keinerlei Übertretungen der Regel bekannt waren und die Klarissen die Bibel studiert hatten. Es kam zu Ausschreitungen. Beispielsweise warfen einige Bürger Steine über den Lettner in den Chorraum, während die Klarissen ihr Stundengebet hielten.[8] Caritas wehrte sich gegen die Verleumdungen und Drohungen. Ihre Mitschwestern ermutigte sie, ihre Gelübde zu halten, auch wenn die Gottesdienste gestört, der Friedhof verwüstet und Kirchenfenster eingeworfen wurden.
Die Situation eskalierte schließlich am Tag vor Fronleichnam 1525, als Margaret Tetzel, Katharina Ebner und Klara Nützel gewaltsam von ihren Müttern aus dem Konvent verschleppt wurden, nachdem die Töchter in vorangegangenen Versuchen nicht zu einem freiwilligen Verlassen des Klaraklosters zu bewegen waren.[9] Der Rat stellte sich hinter die Mütter und schritt nicht ein. Die Frauen sahen sich im Recht und beriefen sich auf den Gehorsam, den Kinder ihren Eltern gegenüber schuldig seien. Alle verbalen Angriffe seitens der Mütter vermochten die Töchter mit Bibelstellen zu widerlegen. Caritas blieb jedoch nichts anderes übrig, als sie freizugeben, da ihr die Räumung des Klosters, notfalls mit Gewalt, angedroht wurde.
Melanchthons Begegnung mit Caritas Pirckheimer
Willibald Pirckheimer wandte sich im Frühjahr 1525 mit einem (nur noch fragmentarisch erhaltenen) Brief an Melanchthon und bat ihn, zugunsten der Nürnberger Klarissen zu intervenieren.[10] Dabei gab Pirckheimer zu erkennen, dass er selbst dem Klosterleben kritisch gegenüberstehe, das zwei seiner Töchter als Lebensform gewählt hatten.[11] Im November dieses Jahres sollte Melanchthon Nürnberg besuchen, um ein neues Gymnasium aufzubauen und einzuweihen. Caritas Pirckheimer bat Kaspar Nützel, einen Besuch Melanchthons im Klarissenkloster zu arrangieren, was auch realisiert wurde.[11] Caritas Pirckheimer berichtete in den „Denkwürdigkeiten“ über den Ablauf dieses Gesprächs. Sie zeigte sich mit der reformatorischen Theologie vertraut und betonte insbesondere, die Klarissen verließen sich nicht auf ihre eigenen Werke, sondern auf die Gnade Gottes. Im Unterschied zu Melanchthon hielt sie daran fest, dass Klostergelübde ewig bindend seien. Das Gespräch endete freundschaftlich.[10]
Gegenüber dem Rat der Stadt Nürnberg kritisierte Melanchthon den Entzug der Beichtväter und die Entführung dreier Klarissinnen aus dem Kloster gegen deren eigenen Willen.[11] Melanchthon sprach den Eltern das Recht ab, eine Ordensfrau zu zwingen, den Konvent zu verlassen. Des Weiteren sei es nicht im Sinne Luthers, die Klöster zu zerstören. Aufgrund von Melanchthons Intervention sah der Stadtrat davon ab, weiterhin gewaltsam gegen das Klarakloster vorzugehen.
Letzte Lebensjahre
Im Jahre 1529 feierte Pirckheimer das 25-jähriges Jubiläum ihrer Weihe zur Äbtissin und das 50-jährige Jubiläum ihrer Profess. Katharina Pirckheimer, ihre Nichte, berichtete ihrem Vater Willibald in einem Brief ausführlich über den Verlauf der Feierlichkeiten. Er selbst ließ ein Fass Wein und sein Silbergeschirr in das Kloster bringen. Auch Juliana Geuderin, Caritas’ einzige verheiratete Schwester, stiftete Forellen und Süßigkeiten zum Ehrentag. Die Gaben, die der Konvent zur Feier erhielt, zeigen, dass Caritas einen engen Kontakt zu ihrer Familie aufrechterhielt.
Caritas schlug das Hackbrett und alte wie junge Schwestern tanzten. Dies bezeugt, wie stark sich der Konvent verbunden fühlte und sich eine lebensfrohe Atmosphäre innerhalb der Klostermauern bewahren konnte. Dazu leistete Caritas aufgrund ihrer Persönlichkeit einen wesentlichen Beitrag.
Abgesehen von den Feierlichkeiten wurde auch davon berichtet, dass die Äbtissin mit gesundheitlichen Beschwerden zu kämpfen hatte. Bereits ein Jahr später, im Jahr 1530, verstarb ihr Bruder Willibald. Caritas folgte ihm am 19. August 1532. Sie wurde 65 Jahre alt. Die genaue Todesursache ist nicht bekannt, jedoch existieren Berichte, wonach sie schon seit einiger Zeit an einem schmerzhaften Steinleiden und an Gicht litt.
Caritas Pirkheimer wurde auf dem Nonnenfriedhof hinter der Kirche beigesetzt, und ihr Grab konnte 1959 dort lokalisiert werden. 1960 bettete man ihre sterblichen Überreste in den Chor der ehemaligen Klosterkirche St. Klara um.
Weiteres Schicksal des Konvents
Ihr Amt übernahm ihre leibliche Schwester Clara. Zuletzt stand Caritas’ Nichte Katharina Pirckheimer dem Konvent als Äbtissin vor. Die Nachfolgerinnen versuchten, sich weiterhin gegen die Beschlüsse des Rates zu wehren; jedoch ohne Erfolg. 1596 verstarb schließlich die letzte Klarissin in Nürnberg. Caritas konnte zwar langfristig betrachtet die Vernichtung des Klaraklosters nicht verhindern, aber sie erreichte zumindest, dass der Konvent bis zum Tod der letzten Klarissin bestehen blieb und niemals freiwillig an den Rat übergeben wurde.
Rezeption
Die Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg ist eine erzbischöfliche Stiftung, die sich im Sinne der Namenspatronin zum Ziel setzt, „das persönliche Gewissen zu stärken, um sich den Fragen der Zeit im offenen Dialog zu stellen und die Antworten zur Gestaltung von Kirche und Gesellschaft einzubringen.“[12]
Leo Weismantel nahm Caritas Pirckheimers Biographie zur Grundlage seiner Erzählung Die Letzten von Sankt Klaren (1940).
Werke
- Die Edition von Josef Pfanner und August Syndikus umfasst die Originaltexte der Äbtissin, die teils in frühneuhochdeutscher, teils in lateinischer Sprache verfasst sind. Sie besteht aus vier Bänden:
- Band 1: Das Gebetbuch der Caritas Pirckheimer (1961)
- Band 2: Die „Denkwürdigkeiten“ der Caritas Pirckheimer (1962)
- Band 3: Briefe von, an und über Caritas Pirckheimer (1967)
- Band 4: Das Grab der Caritas Pirckheimer (1961)
- Georg Deichstetter (Hrsg.): „Die Denkwürdigkeiten“ der Äbtissin Caritas Pirckheimer des St. Klara-Klosters zu Nürnberg. Übertragen von Benedicta Schrott. St. Ottilien 1983
- Georg Deichstetter (Hrsg.): Briefe der Äbtissin Caritas Pirckheimer des St. Klara-Klosters zu Nürnberg. Übertragen von Benedicta Schrott. St. Ottilien 1984
Literatur
- Anne Bezzel: Caritas Pirckheimer. Äbtissin und Humanistin. Kleine Bayerische Biografien. Regensburg 2016
- Georg Deichstetter (Hrsg.): Caritas Pirckheimer. Ordensfrau und Humanistin – ein Vorbild für die Ökumene. Festschrift zum 450. Todestag. Köln 1982
- Claudio Ettl / Siegfried Grillmeyer / Doris Katheder (Hrsg.): Caritas Pirckheimer und ihr Haus. Gedanken zum 550. Jubiläum. Edition cph Band 4. Würzburg 2017.
- Ursula Hess: Oratrix humilis. Die Frau als Briefpartnerin von Humanisten, am Beispiel der Caritas Pirckheimer, in: Franz J. Worstbrock (Hrsg.): Der Brief im Zeitalter der Renaissance (Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung, 9), Weinheim 1983.
- Martin H. Jung: Philipp Melanchthon und seine Zeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. ISBN 978-3-525-55006-9.
- Gerta Krabbel: Caritas Pirckheimer. Ein Lebensbild aus der Zeit der Reformation. Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung. Heft 7. Münster 1982
- Lotte Kurras, Franz Machilek: Caritas Pirckheimer 1467–1532. Eine Ausstellung der Katholischen Stadtkirche Nürnberg. Kaiserburg Nürnberg 26. Juni – 8. August 1982. Prestel, München 1982, ISBN 3-7913-0619-7
- Harald Müller: Habit und Habitus: Mönche und Humanisten im Dialog. Mohr Siebeck, Tübingen 2006. ISBN 978-3-16-149123-8.
- Karl Schlemmer: Caritas Pirckheimer. Die frommen Nürnberger und die Äbtissin von St. Klara. Nürnberg als religiöse Stadt in der Lebenszeit der Caritas Pirckheimer 1467–1532. Münsterschwarzach 1982
- Wolfgang Wüst: Zum Aussterben verdammt? Institutionelle und mentale Krisenbewältigung in süddeutschen Klöstern und Stiften im Reformationszeitalter, in: Mareike Menne / Michael Ströhmer (Hrsg.): Total Regional. Studien zur frühneuzeitlichen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Festschrift für Frank Göttmann zum 65. Geburtstag, Regensburg 2011, S. 71–86.
- Wolfgang Wüst: Caritas Pirckheimer (1467–1532). Die streitbare und intellektuelle Gegnerin der Nürnberger Reformation, in: Thomas Schauerte (Hrsg.), Neuer Geist und neuer Glaube. Dürer als Zeitzeuge der Reformation. Katalog zur Ausstellung der Stadt Nürnberg im Albrecht-Dürer-Haus vom 30. Juni – 4. Oktober 2017 (Schriftenreihe der Museen der Stadt Nürnberg 14) Petersberg 2017, S. 52–65, 206–216, ISBN 978-3-7319-0580-6
- Sonja Domröse: Caritas Pirckheimer – Eine Äbtissin im Widerstand. In: Sonja Domröse, Frauen der Reformationszeit, Göttingen 2017, 101–114. ISBN 978-3-525-55286-5
Nachschlagewerke
- Ludwig Geiger: Pirckheimer, Charitas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 817–819.
- Gabriele Lautenschläger: Pirckheimer(Pirkheimer), Caritas. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 7, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-048-4, Sp. 626–628.
- Bernhard Ebneth: Pir(c)kheimer, Caritas (Taufname Barbara). In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 474 f. (Digitalisat).
- Pirckheimer, Caritas OSCI. In: Verfasserlexikon. Band VII, Sp. 697 ff.
Weblinks
- Caritas Pirckheimer im Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“
- Selbstzeugnisse im deutschsprachigen Raum
- Digitalisat der Denkwürdigkeiten
Einzelnachweise
- Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. S. 101.
- Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. S. 102.
- Bernhard Ebneth: Pir(c)kheimer, Caritas.
- Harald Möller: Habit und Habitus. S. 318–319.
- Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. S. 104.
- Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. S. 108.
- Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. S. 109.
- Martin H. Jung: Philipp Melanchthon und seine Zeit. S. 41.
- Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. S. 109–111.
- Sonja Domröse: Frauen der Reformationszeit. S. 111.
- Martin H. Jung: Philipp Melanchthon und seine Zeit. S. 42.
- Historie und Auftrag. In: CPH Nürnberg. Abgerufen am 28. Mai 2018.