Bilinearform

Als Bilinearform bezeichnet m​an in d​er linearen Algebra e​ine Funktion, welche z​wei Vektoren e​inen Skalarwert zuordnet u​nd die linear i​n ihren beiden Argumenten ist.

Die beiden Argumente können verschiedenen Vektorräumen entstammen, denen jedoch ein gemeinsamer Skalarkörper zugrunde liegen muss; eine Bilinearform ist eine Abbildung . Eine Bilinearform ist eine Linearform bezüglich ihres ersten als auch ihres zweiten Arguments, und somit insbesondere eine Multilinearform mit zwei Argumenten.

Definition

Es seien Vektorräume über einem Körper (oder allgemeiner ein Linksmodul und ein Rechtsmodul über einem nicht notwendigerweise kommutativen Ring).

Eine Abbildung

heißt Bilinearform, w​enn die z​wei Bedingungen e​iner linearen Abbildung (Additivität u​nd Homogenität) i​n beiden Argumenten gelten:

  • ,
  • ,
  • ,
  • .

Dabei sind , und .

Symmetrieeigenschaften im Fall V = W

Wenn beide Argumente der Bilinearform aus dem gleichen Vektorraum stammen, bezeichnet man als den Formwert des Vektors (bezüglich ). Die Bilinearform kann zusätzliche Symmetrieeigenschaften haben:

  • Eine Bilinearform heißt symmetrisch, wenn
für alle gilt.
Für eine symmetrische Bilinearform ist stets (Polarisationsformel). Daraus folgt, dass die Bilinearform durch die Gesamtheit der Formwerte vollständig bestimmt ist, falls der zugrundeliegende Körper eine Charakteristik ungleich hat .
  • Eine Bilinearform heißt alternierend, wenn alle Formwerte in Bezug auf verschwinden, wenn also
für alle gilt.
  • Eine Bilinearform heißt antisymmetrisch oder schiefsymmetrisch, wenn
für alle gilt.

Jede alternierende Bilinearform ist auch antisymmetrisch. Ist , was zum Beispiel für und erfüllt ist, gilt auch die Umkehrung: Jede antisymmetrische Bilinearform ist alternierend. Betrachtet man allgemeiner Moduln über einem beliebigen kommutativen Ring, sind diese beiden Begriffe äquivalent, wenn der Zielmodul keine 2-Torsion besitzt.

Beispiele

  • Ein Skalarprodukt auf einem reellen Vektorraum ist eine nicht ausgeartete, symmetrische, positiv definite Bilinearform.
  • Ein Skalarprodukt auf einem komplexen Vektorraum ist keine Bilinearform, sondern eine Sesquilinearform. Fasst man jedoch als reellen Vektorraum auf, so ist
eine symmetrische Bilinearform und
eine alternierende Bilinearform.
  • Es gibt eine kanonische nicht ausgeartete Bilinearform

Ausartungsraum

Definition des Ausartungsraums

Sei eine Bilinearform. Die Menge

ist ein Untervektorraum von und heißt Linkskern oder Linksradikal der Bilinearform. Die Symbolik „“ soll andeuten, dass Elemente des Linkskerns gerade die sind, welche (im Sinne der Bilinearform) orthogonal zum gesamten Raum sind. Entsprechend heißt

Rechtskern oder Rechtsradikal. Ist eine Bilinearform symmetrisch, so stimmen Rechtskern und Linkskern überein und man nennt diesen Raum den Ausartungsraum von .

Die Schreibweisen und werden mit analoger Definition auch für Teilmengen beziehungsweise benutzt.

Nicht ausgeartete Bilinearform

Jede Bilinearform definiert zwei lineare Abbildungen

und

Rechts- u​nd Linkskern s​ind die Kerne dieser Abbildungen:

Sind beide Kerne trivial (die beiden Abbildungen und also injektiv), so heißt die Bilinearform nicht ausgeartet oder nicht entartet. Andernfalls heißt die Bilinearform ausgeartet oder entartet. Sind die Abbildungen und sogar bijektiv, also Isomorphismen, so heißt die Bilinearform perfekte Paarung. Bei endlichdimensionalen Vektorräumen gilt dies immer, die Begriffe nicht ausgeartet und perfekt sind in diesem Fall also synonym verwendbar.

Die Bilinearform i​st somit g​enau dann n​icht ausgeartet, w​enn Folgendes gilt:

  • Zu jedem Vektor existiert ein Vektor mit und
  • zu jedem Vektor existiert ein Vektor mit

Ist d​ie Bilinearform symmetrisch, s​o ist s​ie genau d​ann nicht ausgeartet, w​enn ihr Ausartungsraum d​er Nullvektorraum ist.

Koordinatendarstellung

Für endlichdimensionale und kann man Basen und wählen.

Die darstellende Matrix einer Bilinearform ist mit

.

Sind und die Koordinatenvektoren von und , so gilt

,

wobei das Matrixprodukt eine -Matrix liefert, also ein Körperelement.

Ist umgekehrt eine beliebige -Matrix, so definiert

eine Bilinearform .

Basiswechsel

Sind und weitere Basen von und , weiterhin die Basiswechselmatrix von nach . Dann ergibt sich die Matrix von in der neuen Basis als

Ist , und , dann heißen die Matrizen und zueinander kongruent.

Beispiele/Eigenschaften

  • Das Standardskalarprodukt in hat bezüglich der Standardbasis als Matrix die Einheitsmatrix.
  • Wenn und dieselbe Basis für und verwendet wird, so gilt: Die Bilinearform ist genau dann symmetrisch, wenn die Matrix symmetrisch ist, genau dann antisymmetrisch, wenn die Matrix antisymmetrisch ist, und genau dann alternierend, wenn die Matrix alternierend ist.
  • Die Abbildung ist eine Bijektion des Raumes der Bilinearformen auf die --Matrizen. Definiert man die Summe und Skalarmultiplikation von Bilinearformen auf kanonische Weise (), so ist diese Bijektion auch ein Vektorraumisomorphismus.
  • Für symmetrische Bilinearformen über Vektorräumen endlicher Dimension existiert eine Basis, in der die darstellende Matrix Diagonalgestalt hat (falls ). (siehe Gram-Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren für den Spezialfall positiv definiter Bilinearformen).
  • Falls weiterhin , kann man eine Basis finden, in der zusätzlich auf der Diagonalen nur die Einträge 1, −1 und 0 vorkommen (Trägheitssatz von Sylvester).

Weiterführende Bemerkungen

  • Bilinearformen entsprechen linearen Abbildungen ; siehe Tensorprodukt.
  • Wenn die Abbildung nicht notwendig in den Skalarkörper , sondern in einen beliebigen Vektorraum erfolgt, spricht man von einer bilinearen Abbildung.
  • Die Verallgemeinerung des Begriffes der Bilinearform auf mehr als zwei Argumente heißt Multilinearform.
  • Über dem Körper der komplexen Zahlen fordert man oft Linearität im einen und Semilinearität im anderen Argument; statt einer Bilinearform erhält man dann eine Sesquilinearform. Insbesondere ist ein inneres Produkt über einem reellen Vektorraum eine Bilinearform, über einem komplexen Vektorraum aber nur eine Sesquilinearform.

Literatur

  • Gerd Fischer: Lineare Algebra, Vieweg-Verlag, ISBN 3-528-03217-0
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